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02.07.2024 , 12:06 Uhr
Keine Ahnung, ob der Glaube, dass Demokratie „eine Ordnung zur Hegung und Austragung von Konflikten“ ist, wirklich mal verbreitet war in der Bundesrepublik. Ich bin schließlich noch nicht lange dabei. Wenn ja, war aber (auch) besagter Glaube wohl eine Illusion.
Dass Konflikte in demokratischen Gesellschaften „nicht stillgestellt“ werden, ist nämlich nicht wahr. Hierarchische (Macht-)Systeme tun das zwangsläufig. Das „Prozedere“, auf das man sich nach Kriegsende geeinigt hatte, wurden nur früher mehr respektiert. Weil Streiten gefühlt was gebracht hat.
Hat es natürlich immer nur äußerst bedingt. Zum einen, weil sich nur eine privilegierte, entsprechend qualifizierte Minderheit überhaupt gestritten hat, und zum anderen, weil es noch deutlich mehr zu verteilen gab als heute.
Inzwischen ist der Kuchen gegessen. Wachstum bringt nur noch Privatprofit, keinen Volkswohlstand mehr. Zum Streit aufgefordert fühlen sich nun aber auch Unorthodoxe, die nicht mehr so leicht befriedigt werden können.
Jetzt geht es quasi ans Eingemachte. Die Gegner von einst empfinden einander nicht mehr als Mitglieder derselben Gesellschaft, sondern als externe Feinde. Und was tut man mit denen? Ganz genau!
zum Beitrag14.06.2024 , 09:40 Uhr
Wäre echt neugierig, mit welcher „Leichtigkeit“ Gereon Asmuth „die Unmengen von Autos, die sich alle gegenseitig im Weg stehen […] aus den Innenstädten verbannt“ - wenn ich nicht wüsste, dass seine Aufgabe im Aufschreiben markiger „Ansagen“ besteht, nicht darin, Wege zur Umsetzung der eigenen Postulate zu entwickeln!
Die Autos stehen da ja nicht einfach nur rum. Sie warten drauf, von ihren Besitzern genutzt zu werden, weil die extrem mobil sein sollen. Die dickste heilige Kuh unserer Gesellschaft heißt nämlich Effizienz. Und jedes Unternehmen wie auch der Staat möchte die eigene Herde vergrößern.
Während also alle ständig ihre Einzugsbereiche ausweiten, weil Geld, das man auf große Haufen kippt, mehr Geld „heckt“ als das, das weiträumig verteilt wird, geht der öffentliche Verkehr baden. Er rechnet sich angeblich nicht. Niemand vertraut ihm mehr. Alle Moblilitäts-Kosten, die wegen der Zentralisierung entstehen, werden „outgecorced“. Kunden und Arbeitende zahlen für die Effizienzsteigerung anderer, in dem sie Autos kaufen und so a) das BIP steigern und b) ihr Ego pflegen. Und das alles löst Gereon Asmuth mit einem Text auf? Nö, natürlich nicht. Das wäre wohl einfach zu simpel!
zum Beitrag07.04.2024 , 22:36 Uhr
Wo das Leben hart, gefährlich und entsprechend kurz ist, ist es noch heute kein Makel, alt zu sein (und auch so auszusehen). Es bedeutet nämlich, dass man vieles richtig gemacht hat oder wenigstens eine Menge Glück gehabt. Man ist also nicht wertlos, sondern interessant, Sex hin oder her.
Heute ist alt werden keine Kunst mehr. Entsprechend gering wird der Wert alter(nder) Menschen angesetzt. Wer brauch schon Erfahrungen, wenn er mit Geld alles kaufen kann, auch Schönheit, Gesundheit, Informationen und Leute, die die Kinder beaufsichtigen? Wer anderen nichts zu vererben hat, muss damit rechnen, vom „Schirm“ zu verschwinden. Vor allem, wenn da keine Lebens-Gefährten sind, sondern nur diverse One-Night-- bzw. -Day-Stands auf der Suche nach dem jeweils maximal möglichen Profit für sich selbst.
Die Frage ist, ob man sich tatsächlich durch die Augen dummer, egoistischer und oberflächlicher Menschen betrachten sollte, oder ob man sich nicht besser mit den Augen derer sieht, die einen mögen und für die man deswegen ein Wert-an-sich ist, egal was man sonst so besitzt an Erfahrungen, Geld oder Bereitschaft, für andere da zu sein. Spiegeln kann sich der Mensch schließlich nicht nur in bedampftem Glas, sondern auch in anderen Menschen.
Was sich Leute davon versprechen, anderen gegenüber Jahre ihres Lebens zu unterschlagen, müsste man mir jedenfalls erst noch erklären. Männer, heißt es, würden interessant, wenn ihre Schläfen grau werden. In den meisten Fällen ist das ein Gerücht. Und in den wenigen Fällen, in denen es (womöglich) stimmt, haben ganz sicher auch interessante ältere Frauen etwas damit zu tun. Überhaupt stecken meist solche Leute hinter dem Phänomen, die sich für Menschen mehr interessieren als für Zahlen und denen es nicht nur egal ist, welche Farbe Haut hat, sondern auch wie viele Falten oder Flecken. Und das gilt, soweit ich nach fast 59 Jahren sehe, für Frauen kein bisschen weniger als für Männer.
Wisst ihr was, Leute? Ich glaube, Tinder kann mich mal.
zum Beitrag09.03.2023 , 14:01 Uhr
Steil? Je nun. Wer hat denn die pädagogische Ausbildung? Wer hat die Lebenserfahrung? Wer hatte eine Wahl in Sachen Aufenthaltsort? Und wer wird bezahlt für’s Unterrichten? Wer also könnte wohl die Verantwortung haben für den Lernerfolg der Kids? Der Postbote vielleicht?
zum Beitrag02.11.2021 , 12:09 Uhr
Endlich mal eine taz-Lese-Empfehlung, der ich gern nachkommen würde. Danke dafür.
zum Beitrag14.10.2021 , 11:50 Uhr
Zitat: „Wenn sie wollten, könnten die in der G20 organisierten großen Industrie- und Schwellenländer die Klimakrise praktisch allein lösen. Schließlich sind sie für etwa 75 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich.“ - Würden die politischen und ökonomischen Führer der G20-Staaten die Probleme, die mit der von ihnen vertretenen Lebens- und Wirtschaftsweise verbunden sind, in eigener Verantwortung lösen wollen, müssten sie sich vom Titel „die G20“ umgehend verabschieden. Genau das aber wollen sie nicht. - „Größe“ war immer schon mit Sonderrechten verbunden. Unter anderem mit dem Privileg, andere bezahlen zu lassen für den eigenen Luxus. Diese Unsitte wird bis heute als kulturelle Tradition gehegt und gepflegt. Kaum jemand stellt sie ernsthaft in Frage. Im Gegenteil: Angehörige bislang benachteiligter Gruppen wollen inzwischen auch an der Macht und damit am Privileg, nicht selber zahlen zu müssen für ihre Zeche, teilhaben. Leider leben wir nicht mehr im Mittelalter. In Zeiten technologischer Extrem-„Lösungen“ ist das alte Denken tödlich. Zunächst für die, die nicht groß genug sind um andere zu dominieren, letztlich aber auch für die ganz Großen. Denn auch wenn die es nicht wahr haben wollen: Bei aller Macht sind sie am Ende doch nur Menschen. Wie jedes Huhn und jede Maus sind sie biologische Geschöpfe mit Grundbedürfnissen, die nur ein intakter Planet befriedigen kann. Dass sie das viel zu selten ganz praktisch und am eigenen Leib erleben, weil sie in einer geschützten Blase existieren, bedeutet nicht, dass sie über andere wirklich erhaben sind. Wenn ihre Blase platzt, sind sie verwundbar wie wir alle. - Wenn wir Menschen uns selber die Existenzgrundlage entziehen, wird uns keine kulturelle oder technische Errungenschaft retten. Es ist dann egal, wie viel Macht Einzelne haben. Dass Geld nicht essbar ist, musste schon König Midas auf die harte Tour lernen. Und der Mann, der die Vorlage für diese Figur abgegeben hat, hat schon vor 10.00 Jahren gelebt.
zum Beitrag11.10.2021 , 17:51 Uhr
Zitat: „Ihr Ziel ist nicht Provokation“ - Ach, ist es nicht? Woraus darf das geschlossen werden? Aus der Behauptung, es wär’ keine? - Furios sind solche Aufführungen ganz sicher. Eine gewisse Raserei ist ihnen jedenfalls schwer abzusprechen. Ob diese Raserei allerdings wirklich der Wut entspringt, oder ob sie doch nur Berechnung ist, lässt sich schwer sagen, so lange es noch Leute gibt, die sowas öffentlich und gegen Zahlung einer Apanage als „notwendiges Korrektiv für ein Theater“ bezeichnen, „in dem sich die lauwarme Besserwisserkunst brav darauf zurückzieht, auf der moralisch und politisch richtigen Seite zu stehen.“ - Kein Zweifel: Das modernes Theater wirkt manchmal und auf viele Leute so, als bräuchte es dringend ein „Korrektiv“, weil es von „lauwarmen Besserwissern“ gemacht wird. Nur: Muss das Korrektiv gleich stinken wie ein toter Tintenfisch? Ist denn das Gegenteil eines lauwarmen Besserwissers ein rasender Besserwisser? Oder ist das Gegenteil des Besserwissers einer, der wichtige Fragen stellt? - Immerhin ist ja die Frage berechtigt, „ob es derzeit [Anm.: oder überhaupt irgendwann] wirklich einen Abend braucht, der Patriarchat und Heterosexualität als das einzig Wahre feiert“. Ich für meinen Teil halte so einen Abend ja für überflüssig. Aber ist bin auch kein*e Künstler*in, deren Alleinstellungsmerkmal darin besteht, dass sie „das Anti-Rationale und Anti-Moralische“ mit „Schönheit, bedingungslose[r] Liebe, besinnungslose[m] Begehren und d[er] Freiheit der Kunst“ gleichsetzt. Vielleicht, weil er/sie/es sonst einfach nichts zu bieten hat, womit sich richtig viel Aufmerksamkeit generieren ließe. - Aber mal ehrlich: Soll Mitleid wirklich eine harte Währung sein in der modernen Kunst?
zum Beitrag08.10.2021 , 19:18 Uhr
Des einen „Drohung“, scheint mir, ist des anderen Versprechen. — Sagen Sie, werter Michael Koss: Was haben sie eigentlich gegen Stabilität? Wenn sie nicht durch Drohungen zustande gebracht wird, sondern Ergebnis einer Politik ist, die Menschen zur Kooperation und zum Konsens befähigt, kann ich nicht erkennen, was daran schlecht sein sollte. Wobei - ein paar Elemente der „Konkordanzdemokratie“ könnten Leute, die in der Voraufklärung stecken geblieben oder sonstwie geistig gehandicapt sind, natürlich schon überfordern. Proportionalität der Behörden etwa oder Minderheitenschutz, vor allem aber „Elitenkooperation“. Mit dem Mitarbeiten, schließlich haben es Eliten meistens nicht so sehr. Die lassen lieber arbeiten. Man würde sie ja sonst auch nicht erkennen, gel?
zum Beitrag08.10.2021 , 18:52 Uhr
Danke. Wieder was gelernt.
zum Beitrag08.10.2021 , 17:25 Uhr
Muss eine bewusste Entscheidung denn eine „Kopfentscheidung“ sein? — Ich glaube das nicht. Bewusst zu entscheiden bedeutet, den „Kopf“ und den „Bauch“ gleichermaßen „anzuhören“ und dann erst zu entscheiden - unter Beachtung aller (aktuellen) Gefühle und aller (grade verfügbaren) Informationen. Eine reine Kopfentscheidung ist meistens genau so störanfällig wie eine reine Bauchentscheidung. Weil die Person, die sie trifft, wichtige Elemente der eigenen Persönlichkeit und/oder entscheidende Umwelteinflüsse unterschätzt oder ganz ignoriert.
zum Beitrag08.10.2021 , 16:59 Uhr
Zitat: „Bleibt also festzuhalten: Das Profiboxen ist ein Augiasstall, in das die Kärchertrupps des Neuzeitlichen die Flüsse Alfios und Pinios leiten sollten.“ — Jawoll, auf sie mit Gebrüll und haut sie windelweich! Mist ist ja auch nicht gleich Mist. Mist mit abendländisch-kulturellen Wurzel duftet nach Rosen. Nur Mist ohne großes Latinum stinkt.
zum Beitrag08.10.2021 , 16:49 Uhr
Na ja, das ist dann halt dir „Marktlogik“, von der die FDP den Grünen vermutlich grade vorschwärmt im Rahmen der Koalitionsgespräche, und die grüne Spitzenpolitiker mit Blick auf die Ampel vermutlich grade jeden Tag geiler finden. — Sehen Sie es doch mal mit den Augen von Christian Lindner: Es gab schon immer weniger Reiche als es Arme gab. Und grade wächst die Zahl der Armen wieder, während die der Reichen sinkt. Nur das Vermögen der Reichsten nimmt immer noch zu. Wenn also nun die vielen (und immer mehr werdenden) Arme zu noch mehr Sparsamkeit gezwungen werden, als sie ohnehin schon üben (müssen), hat der Planet davon rein rechnerisch mehr, als wenn ein paar wenige (und immer weniger werdende) Reiche nicht noch sehr viel reicher (und klimaschädlicher) werden. — Wir Deutschen lieben die ganz großen Zahlen. Wer die bändigen kann, darf sich (beinahe) alles erlauben. Ob die Gesellschaft kollabiert, ist angesichts beeindruckender Zahlen zweitrangig. Erfolg wird schließlich in Geld gemessen und nicht in Sinn.
zum Beitrag08.10.2021 , 16:28 Uhr
Verbot ist halt nicht gleich Verbot. Es gibt Verbote, die verboten gehören, und solche, die erlassen werden sollten. — Zur ersten Sorte gehören alle Verbote, von denen kein oder nur sehr wenig Nutzen für die Allgemeinheit ausgeht, die aber einzelne Private stark bevorteilen. Ich denke hier etwa an das Verbot, im Abfall der Supermärkte nach Verwertbarem zu suchen, oder Videoaufnahmen von gequälten Tieren in Stallanlagen zu machen. — Zur zweiten Sorte gehört zweifellos das Verbot von Laubbläsern und -saugern oder das Verbot besonders lauter Motorräder. Davon profitieren lediglich die (private) Industrie, der (private) Handel und einzelne Trottel, die unbedingt akustisch protzen müssen. Die Mehrheit aller Menschen, vor allem aber die Natur leiden darunter. — Generell gilt immer noch: Jedes Ver- oder Gebot, für das eine Ausnahme oder eine Aufhebung übergeordneter, ansonsten allgemeingültiger Rechte und Pflichten (Extrawurst) nötig ist (z.B. ein punktuelles Außerkraftsetzen des Immissions-, Tier- oder Naturschutzrechts) lassen auf das (heimlich-unheimliche) Wirken sogenannter Lobbys, auf geldwerte Partikularinteressen und unzulässige Privilegierungen schließen. Auf gut deutsch: Hinter jeder Extrawurst stecken in einer Demokratie (mindestens) ein dummer und/oder korrupter Politiker und ein dummer und/oder bösartiger Egoist mit Einfluss. — Es kann allerdings nicht mehr sehr lange dauern, bis die Extrawurst die Regel ist, auch und grade in Deutschland. Egoismus und Dummheit sind Wachstumsbranchen hierzulande. Welche mit extrem „positiven“ Zahlen. Irgendwann, schätze ich, werden uns zusätzliche Ver- oder Gebote nicht mehr helfen. Dann nämlich, wenn jeder einzelne der rund 80 Millionen Deutschen seine eigenen Gesetze hat und nicht mal mehr das BVerfG weiß, welche Regeln es gerade gibt und welchen Sinn oder welchen Inhalt die genau haben. — Dann bricht hier die Anarchie aus. An Regeln, die keiner mehr kennt, kann man sich nämlich beim besten Willen nicht halten.
zum Beitrag08.10.2021 , 09:59 Uhr
Zitat: „Es ist eigentlich kaum zu glauben, dass es einem von Boris Johnson geführten Königreich an Clowns mangeln soll.“ — Kaum zu glauben? Unsinn! Das von Boris J. geführte Königreich (der Witz war schon gar nicht ganz schlecht!) ist immerhin Weltmarktführer in Sachen Konkurrenz. Die aktuelle Humor-Situation ist also vermutlich nur konsequent umgesetzte britische Staatsräson - und ist als solche nicht nur ganz leicht zu glauben, sondern auch ziemlich vorhersehbar gewesen. — Wie in allen übrigen Lebensbereichen kann es im Vereinigten Königreich letztlich auch in der Spaß-Branche nur einen Überlebenden geben. Und der heißt jedenfalls nicht Cornelius Oettle. Wenn man der Wahrheit glaubt (und warum sollte man das nicht bei diesem Namen?) hat es der Herr mit der lustigen flachsblonden Frisur, der die Briten vertritt in der Welt, mittlerweile wahrscheinlich einfach geschafft, alle übrigen Clowns in Grund und Boden zu konkurrieren. Er ist ja auch echt witzig manchmal! Und die gekrönten Häupter Europas applaudieren ihm dafür und mach einer beneidet ihn sogar heimlich. Wer also noch einen Beweis gebraucht hat für die These, dass „der Markt“ alles bestens regeln kann, der schaue auf Boris J. - und lache schallend. Aber Obacht: Das Luftholen nicht vergessen beim Lachen!
zum Beitrag07.10.2021 , 21:55 Uhr
Die wichtigste Passage des ganzen Interviews ist wohl diese: „Viele Polizisten, in der Regel männliche, arbeiten in einem sogenannten Überwältigungsdispositiv, sie bringen sich häufiger in Notwehrsituationen. Sie sind gewohnt anzugreifen und nicht abzuwarten. Die Kultur der Überwältigung ist tief in die Polizistenkultur eingeflochten. Es wird nicht gelehrt wegzugehen, sondern zuzupacken.“ — In eine verständliche Alltagssprache übersetzt bedeutet das: Vor allem männliche Polizisten führen Situationen, in denen sie ihre Waffe einsetzen dürfen, absichtlich herbei. Sie eskalieren ohne Not, bis sie zeigen können, was sie gelernt haben. Weil sie es dürfen. Weil sie es wollen. — Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein Mensch mit schwachen Nerven fühlt sich von lauter Musik aus der Nachbarwohnung genervt. Statt nun zur Nachbartür zu gehen, zu klingeln und um Ruhe zu bitten, ruft er die Polizei. Dann verschanzt er sich in seiner Wohnung und beobachtet durch den Spion was passiert. Auftritt Polizei. Er klingelt, seine Kollegin steht hinter ihm. Die Tür geht auf. Ein angetrunkener Mensch, Typ „Gefährder“ öffnet. Die Polizisten wollen seinen Ausweis sehen. Der Typ lässt die Tür offen und geht den Ausweis holen. Die Polizisten folgen ihm. Der Angetrunkene will nun den Ausweis des Polizisten sehen. Der Polizist hält den Ausweis so, dass der Betrunkene ihn nicht gut lesen kann. Der Mann streckt die Hand aus und will den Ausweis zu sich heran ziehen. Der Polizist interpretiert das als Angriff. Statt zwei Schritte zurück zu treten, tritt er einen Schritt vor und nimmt den Musikliebhaber in den Schwitzkasten. Der Angetrunkene reagiert über und beißt den Polizisten im Affekt in den Arm oder tritt ihm abs Bein. Das nimmt der Polizist zum Anlass, den anderen zu Boden zu bringen und seine Waffe zu ziehen. Ein Schuss löst sich. Ein Mann ist tot und ein anderer hat vor Gericht eine Zeugin, die beeidet, dass der Kollege in Notwehr gehandelt hat. Und nun: Finde den Fehler.
zum Beitrag07.10.2021 , 16:45 Uhr
Wie schön für die langmütige deutsche Justiz (und für die taz), dass einzelne am staatlich in Auftrag gegebenen Morden Beteiligte ein so hohes Alter erreicht haben. Wie hätten Richter heutzutage, wo es nicht mehr gefährlich ist, sonst glaubhaft belegen können, dass sie (inzwischen) auf der richtigen Seite stehen? — Klaus Hillenbrand und Leon Schwarzbaum haben ihr Alter NICHT gemeinsam. Was sie aber gemeinsam zu haben scheinen, ist die Unbedarftheit in Bezug auf die Gepflogenheiten vor Gericht. Dass Verteidiger ihre Mandanten gern dazu abhalten, lieber gar nichts zu sagen, als sich ungewollt um Kopf und Kragen zu reden, scheint beiden Männern nicht klar zu sein. Auch, dass sie am ersten Verhandlungstag keine Entschuldigungen erwarten sollten, weil Schlussworte selten an Tag eins gesprochen werden und so kurz nach dem Prozessbeginn auch noch niemand absehen kann, was das Gericht am Ende des Prozesses für erwiesen halten wird und was nicht, scheint Hillenbrand und Schwarzbaum gleichermaßen zu erstaunen. Dabei bräuchten sie eigentlich nur einen allgemein gültigen Rechtsgrundsatz zu kennen, der den Nazis fremd gewesen ist: Angeklagte brauchen sich nicht selber zu belasten vor Gericht. Ihre Schuld muss ihnen nachgewiesen werden. Bereuen können sie privat aber natürlich alles Mögliche. Ob sie‘s der taz dann auch erzählen, müssen sie selbst entscheiden. — Im Falle des 100-Jährigen finde ich die Naivität in Bezug auf das bundesdeutsche Rechtssystem verständlich und entschuldbar. (Wenn man so lange vergeblich gewartet hat, hat man es womöglich irgendwann sehr, sehr eilig.) Im Fall des Journalisten ist das allerdings anders. Da verstehe ich die Unbedarftheit nicht - oder aber als all zu durchsichtigen Versuch, unter entschlossener Abschaltung jeder Vernunft „Flagge“ zu zeigen.
zum Beitrag07.10.2021 , 13:33 Uhr
Nachdem Corona als lebensveränderndes Phänomen noch keine zwei Jahre alt ist, frage ich mich ernsthaft, wie ich eigentlich darauf gekommen bin, dass ich besonders tolle Dinge manchmal nur deswegen tue, weil andere das von mir erwarten. Ist schließlich schon ‘ne ganze Weile her, dass es an dieser Stelle „click“ gemacht hat bei mir. So weit ich mich (sehr dunkel) erinnere, war das im Zuge einer Teenager-Party. 😅 — Softdrinks mag ich übrigens - wenn ich sie 1:3 mit Leitungswasser verdünnen darf. Alkohol hingegen mag ich nicht. Ich trinke ihn nur „in Gesellschaft“. Weil ich meiner Familie und meinen wenigen Freunde nicht auch noch aus gegebenem Anlass auf die Nerven gehen will mit meiner penetranten Ehrlichkeit. Wenn sie gern glauben wollen, dass das Zeug schmeckt, muss ich sie nicht ausgerechnet während einer Familienfeier oder an Silvester vom Gegenteil überzeugen. Geschmäcker sind schließlich verschieden, und Druck haben Menschen in meinen „Kreisen“ im Alltag schon genug. — Was ich allerdings nicht tun würde (und so weit ich mich erinnere auch früher nie getan habe), ist, zu behaupten, dass ich Alkohol genieße oder irgendwelche Ahnung davon habe. In meiner Welt, schließlich, kann ein Mensch mehr sein als nur Amboss oder Hammer. Keinen Druck auszuüben, ist meiner Erfahrung nach auch dann möglich, wenn man sich selber keinem Druck aussetzen lässt. Man muss sich nur das richtige Umfeld suchen. — Wer das nicht glaubt, der kann ja erst mal im „stillen Kämmerlein“ üben, ganz für sich allein und vor dem Spiegel. Hauptsache, er/sie/maus bleibt nicht in den eigenen vier Wänden hocken aus Angst davor, draußen das Gleichgewicht zu verlieren. Auf dem Trockenen kann man vielleicht ein paar Bewegungen üben, schwimmen lernen kann man aber nur im Wasser.
zum Beitrag07.10.2021 , 11:59 Uhr
Zitat: „Die Kinder trifft keine Schuld an ihrer Lage“, hob Maas in der Mitteilung hervor. Es sei daher „richtig, dass wir alles dafür tun, ihnen ein Leben in Sicherheit und einem guten Umfeld zu ermöglichen“. — Alles, hm? Mehr ging also nicht? — Was sind das Leben eines Kindes und seine Zukunft eigentlich wert in Relation zur inneren Sicherheit eines Landes und zur öffentliche Meinung seiner Bürger? Und wieso gehen die Regierungen in 60 Ländern dieser Erde eigentlich davon aus, dass die Öffentliche Meinung in ihren Hoheitsgebieten ein Problem mit Kindern hat, die eine Chance bekommen sollen? Haben sie womöglich selber dafür gesorgt? Zum Beispiel, in dem sie zum Zwecke des Selbstschutzes öffentlich die biologistische Idee propagieren (lassen), Schuld sei eher ein vererbbares Phänomen als eine Folge falscher Entscheidungen auf Regierungsebene? — Übrigens frage ich mich grade, wie es Außenminister Heiko Maas wohl geht mit der Entscheidung, Kindern, die er persönlich für unschuldig hält, so kurz nach einer traumatischen Lager-Erfahrung ihren letzten verbliebenen Elternteil zu nehmen. Kann er sich womöglich gar nicht vorstellen, wie sich derartige Entscheidungen auf die kindliche Entwicklung auswirken können? Hat er sich jemals Gedanken gemacht darüber, wie viel besser ein Kind mit einer anwesenden Mutter dran ist als mit einer, die im Gefängnis sitzt, damit sich deutsche (Spieß-)Bürger noch sicherer fühlen können, als wenn die Frau „nur“ 24/7 überwacht und unterstützt würde bei der Wiedereingliederung? — Wenn Maas gut leben könnte mit der Entscheidung, müsste ich mich fragen, ob Maas selbst Vater ist und wenn ja, was für einer. Wenn nicht, würde die Frage lauten: Warum hat er nichts gesagt oder getan um sich besser zu fühlen? Hat er womöglich doch? Und wenn, wieso erfahre ich das dann nicht aus der taz? Wegen der Staatsräson und weil auch die taz sich lieber einer fragwürdigen öffentlichen Meinung andient, als diese - Stück für Stück - zu korrigieren?
zum Beitrag07.10.2021 , 11:12 Uhr
Zitat: „Um das zu ändern, braucht es strukturell Nachhilfe und individuell die schlichte Bereitschaft, zu Hause mehr anzupacken.“ — Nichts gegen „strukturelle Nachhilfe. Aber auf einem Auge ist die taz immer schon etwas schwachsichtig gewesen. Wieso sollte sie mir bei Gelegenheit vielleicht erklären. Bevor ich mir die Antwort selber überlege. — Es genügt nicht, die Einstellung der Väter zu ändern. Entscheidend ist auch, dass Arbeitgeber begreifen: Die sogenannte Care-Arbeit (das ganz praktische Unterstützen Schwächerer also) ist nicht nur für die Familien wichtig, sondern auch für die Unternehmen. Stabilere Familien „produzieren“ nämlich nicht nur solventere Kunden, sondern auch leistungsfähigeren und vor allem leistungswilligeren Nachwuchs, für die Unternehmen. Leider hapert es mit dem Begreifen noch an dieser Stelle. Wer betriebswirtschaftlich denken kann, muss ja nicht zwangsläufig auch Volkswirtschaftlich denken können. — Betriebsinhaber und leitende Mitarbeiter glauben offenbar, Väter, die der eigenen Überzeugung folgend nicht nur (soweit wie betriebswirtschaftlich vertretbar) „mithelfen“ bei der Erziehung ihrer Kinder, würden damit eine Art Verrat begehen am Unternehmen. Nicht jederzeit zu 150% verfügbar zu sein, macht sich noch immer ganz schlecht im “Portfolio“. Wenn wieder mal ein besser dotierter Aufstiegsposten vergeben wird, denken Chefs in aller Regel an die 150%-igen, nicht an die Vorzeigeväter. Und nachdem die Chancen von Kindern in Deutschland entscheidend vom Einkommen der Eltern abhängen, müssen Väter selten zweimal überlegen, ob sie entsprechend eigenen wünschen und überzeugungen handeln, oder in vorauseilendem Gehorsam gemäß den Wünschen und Ideen ihrer Chefs. Diese Tatsache zu ignorieren und alle Verantwortung bei denen abzuladen, die nicht die Macht haben zu entscheiden, ist unsolidarisch und schäbig, liebe taz. Müttern, Großmüttern und sonstigen Frauen gegenüber nicht weniger, als gegenüber Vätern, Großvätern und anderen Männern.
zum Beitrag06.10.2021 , 14:47 Uhr
Zitat: „Auch jenseits des Teenageralters können soziale Medien einen negativen Einfluss auf die Psyche haben.“ — Bingo. Und wenn nun das Wort „soziale“ vor dem Wort „Medien“ gestrichen wird, wird die Aussage nicht falsch. Im Gegenteil: Sie wird noch richtiger. — Es gibt Tage, an denen muss sogar ich die taz „stumm stellen“. Aber nicht, weil ich ein Mensch bin, dessen „Selbstwertgefühl ohnehin angeknackst“ ist, sondern weil ich die Mutlosigkeit, die Uninformiertheit, das Desinteresse, die fehlende Empathie und die Feigheit einzelner Journalist*innen nicht mehr ertragen kann. Man kann nie alle Menschen überzeugen, so viel steht fest, sogar für mich. Traurig ist nur, dass so viele Menschen gar nicht überzeugt werden möchten, sondern gezwungen werden wollen. Zum Gehorsam und zur Unterordnung. — Hiermit gebe ich öffentlich zu: Ich neigten dazu, durch die Nutzung der taz negative Gefühle zu entwickeln. Wie kann es sein, frage ich mich, dass so viele angeblich progressive Menschen ein derart antikes Weltbild hegen und pflegen? Menschen zumal, die willentlich Einfluss nehmen auf die intellektuelle und emotionale Entwicklung der Gesellschaft, in der nicht nur ich lebe, sondern auch alle, die mir etwas bedeuten? Was, wenn sich die toxische Männlichkeit, für die ich ohne die taz nicht mal eine Bezeichnung hätte, ausgerechnet via taz weiter verbreitet in unsrer Gesellschaft? Werde ich dann morgen noch imstande sein, meinen Lieben beizustehen, wenn sie mal wieder zu jung, zu alt, zu krank, zu gestresst, zu depressiv, zu ungebildet und/oder zu unbedeutend sind, als dass sie andere Menschen in Grund und Boden konkurrieren könnten? — An Tagen, an denen mir beim taz-Lesen solche Fragen kommen, muss ich aufs Weiterlernen verzichten, so schwer mir das fällt. Dann muss ich nach draußen. An die Luft, in die Natur - oder da hin, wo Konkurrenz schlicht nicht entscheidend ist: Zu meinen Verwandten und Freunden. Nach Hause.
zum Beitrag06.10.2021 , 14:24 Uhr
Immer noch! Immer wieder! Offenbar ist alles, was derzeit getan wird, noch nicht genug. Eine frustrierende Feststellung! Eine, die zugleich Angst macht, traurig und wütend. — So weit, so klar. Die Frage ist nun nur: Was folgt daraus? Und an der Frage scheiden sich leider die Geister. Für die einen bedeutet Prävention, dass sie ihre Hoffnung in Aufklärung und Sensibilisierung setzen müssen. Diese Leute geben niemanden völlig verloren. Für die anderen bedeutet Vorbeugen eher Abschrecken und Strafen, im Zweifel lieber ein mal zu viel als einmal zu wenig. Diese Leute hoffen nicht auf die Einsichg anderer, sondern nur auf die eigene „Power“. — Einzelne Vertreter beider Gruppen stehen einander ebenso unversöhnlich gegenüber, wie Gläubige anderer Religionen. In Glaubensfragen gibt es halt keine Kompromisse. Man glaubt, oder man glaubt nicht. Dabei wissen wir doch eigentlich alle, dass Menschen verschieden sind und ganz unterschiedliche Motive für ihr Handeln haben. Dem einen ist mit Vernunft beizukommen, dem anderen womöglich nicht. Es wäre also angemessen, sich jeden Einzelfall genau anzusehen und dann erst die Mittel zu wählen, die zur Vernunft führen können. Schade, dass das völlig undenkbar scheint für Leute, die sich unbedingt an die Spitze von Bewegungen setzen müssen. — Davon abgesehen halte ich die Formulierung , es handele sich bei der geschändetes Gedenkstätte um „das Symbol einer der größten Tragödien der Menschheitsgeschichte“ für missglückt weil verharmlosend. Ich sehe nämlich einen Unterschied zwischen einem Verbrechen und einer Tragödie. Diesen Unterschied kann offenbar nicht jeder erkennen. Auch nicht jeder, der die Verantwortung für eine der wichtigsten Gedenkstätten der Menschheit trägt. — Ach ja, eins noch: Dass die Schmierereien „extrem schmerzhaft[]“ sind, empfinde ich auch. Das sie ein „Schlag gegen das Gedenken“ sind, erkenne ich aber nicht. Im Gegenteil. Sie erinnern mich. Schmerzhaft.
zum Beitrag05.10.2021 , 16:02 Uhr
Zitat: „Aber die unterschwelligen Konflikte, die sich aus den unterschiedlichen Mentalitäten der Wählerschaften speisen, werden ungelöst bleiben und dürften bei konkreten Streitthemen in der Koalition aufbrechen – wenn die grüne Mitgliederbasis, die in den vergangenen Jahren rasant gewachsen und jünger und radikaler geworden ist, gegen die eigene Parteiführung rebelliert.“ — Eine solche Rebellion sehe ich noch nicht am Horizont. Gerade Grünen-Wähler*innen werden ganz schnell zu „Realisten“, sobald sie die materielle Zukunft ihrer Kinder oder den eigenen kommoden Standard gefährdet sehen. Wer etwa grade eben noch (ganz theoretisch) für Integration war, meldet seine Schulanfänger dann doch ganz praktisch in der „besseren“ Schule an, auch wenn sie da hin mit dem Auto gebracht werden müssen. — Nein, jede Wette: So lange die Wählerschaft noch glaubt, dass sie profitieren kann von der Politik, wird sie nicht aufmucken. Und glauben wird sie wollen, ganz unbedingt. Die Gesellschaft, in der sie lebt, selber (mit) zu organisieren, ist den Lifestyle-Deutschen in gelb und grün viel zu anstrengend. Dazu müssten sie ja ihre jeweilige Blase verlassen, und das ist dann doch zu viel der Zumutung. Sie lassen lieber regieren, die Bürgerkinder jeglichen Geschlechts. Und wenn das heißt, dass sie sich Hoffnung machen lassen müssen, dann lassen sie sich Hoffnung machen von ihren Spitzenpolitikern, „Mentalitäten“ hin oder her, Ratio hin oder her. Was schert sie dann noch ihr Geschwätz von gestern? — Was mir viel mehr Sorgen macht, als das Scheitern der Ampel-Koalition, ist ihr „Erfolg“. Der Planet verzeiht uns Menschen unsere Überheblichkeit vermutlich nicht mehr lange. Wenn die Ampel also gewinnt mit ihrem (Selbst-)Betrug, verlieren letztendlich alle. Und dass „die SPD“ dann „als solide Regierungspartei dasteht“, halte ich noch für ein böswilliges Gerücht.
zum Beitrag05.10.2021 , 15:23 Uhr
Zitat: „Isabel Allende hat sich mit der Veröffentlichung von ‚Das Geisterhaus’ das Verhältnis zum Großteil ihrer Familie kaputtgemacht, zugleich hat das Buch sie reich und berühmt gemacht. Man muss abwägen.“ — In diesem Punkt scheinen sich professionelle Publizisten einig zu sein: Sie wägen ab zwischen den eigenen Interessen und denen ihrer Modelle. Zu wessen Gunsten die Abwägung ausfällt, hängt von der Persönlichkeit des Autors ab. Je egoistischer und egozentrischer eine Person veranlagt ist, desto eher findet sie Gründe, alles für erlaubt zu halten (siehe Timon K. K.). Je sensibler und einfühlsamer die Person ist, um so eher übt sie sich in Zurückhaltung (z.B. Iris H.). — Mit dem Schreiben ist es also wie im richtigen Leben: Der Raum zwischen den Extremen ist weit. Insofern sagen Bücher nicht nur etwas über ihre Protagonisten, seien sie nun real oder fiktiv, sondern auch etwas über ihre Verfasser. Nur echten Narzissten macht das unter keinen Umständen etwas aus. Die aber sind dann doch am besten in ihrem stillen Kämmerlein aufgehoben, finde ich. Alleine mit sich selbst und ihrer großen Liebe. Unter Leuten tun sie weder sich noch anderen einen Gefallen. Dass der Literaturbetrieb die Egomanen und Narzissten unbedingt rausholen muss aus ihren Kokons und publikumswirksam präsentieren, nehme ich ihm echt übel. Klar, man kann das machen für (viel) Geld. Aber müssen muss man natürlich nicht. Man könnte auch abwägen - wenn man das kann, und nicht selber ein Narzisst ist.
zum Beitrag04.10.2021 , 17:40 Uhr
Ach herrje! Welches Jahr schreibt man eigentlich in Japan? 1921 vielleicht?
zum Beitrag04.10.2021 , 13:33 Uhr
Zitat: „Die Linkspartei hat einfach eine schlechte Performance hingelegt in den vergangenen Jahren.“ — Als sich nach der „Wende“ eine Flut oft selbsternannter Berater (die sich damals noch nicht allesamt Coaches nennen ließen) über den Osten hereingebrochen ist, kursierte diese Witz: Warum macht man im Westen das Abi in 13 Jahren und nicht in 12 wie im Osten? Antwort: Weil im Westen ein Jahr Schauspielausbildung dabei ist. — Ich lebe nun seit 31 Jahren in der Bundesrepublik, aber was so toll sein soll an einer „Performance“, mit der Leute verarscht werden, habe ich immer noch nicht verstanden. Vielleicht, weil es für mich Wichtigeres gibt, als meinen eigenen Hintern auf einem möglichst weit oben stehenden Thron zu parken. — Nein, strategisch oder taktisch besonders clever haben sich echte Linke nie verhalten. Um sich als nackter Kaiser wohl zu fühlen, muss mensch wenigstens dem gehobenen Bürgertum entstammen (oder unbedingt da hin aufsteigen wollen), schätze ich. Wer von der Arbeit der eigenen Hände leben muss (oder will), tut gut daran, sich und andere nicht zu belügen. Wenn da die Verpackung teurer ist als der Inhalt, wird’s nämlich problematisch. Dann kann schon mal der Magen knurren. — Dass sich die Linke jetzt ausgerechnet von einer Befürworterin eines R2G- Bündnisses öffentlich sagen lassen muss, dass Direktheit und Ehrlichkeit in der Politik nichts zu suchen haben, finde ich traurig. Denn schließlich: Wo hat sie Deutschland denn hingebracht, die „Performance“ der anderen Parteien (incl. SPD)? Doch nur in Teufels Küche, oder etwa nicht? — „Die Medien“ fahren bloß noch auf Spektakel ab, der „Souverän“ glaubt, er müsste sich betrügen lassen, und die Parteien fürchten, dass sie demontiert werden, wenn sie das blöde Spiel nicht mitspielen. Freiheit? Sieht für mich anders aus. Aber gut, es ruiniert sich eben jeder so gut er es vermag. Nur schade, dass ich keinen eigenen Ein-Personen-Staat gründen kann. Ich wünschte manchmal wirklich, ich wäre eine Insel.
zum Beitrag04.10.2021 , 12:16 Uhr
Zitat: „Die Bosse glaubten, sie seien die Meister des Universums […]. Sie hielten sich für unantastbar, und wenn man sich anschaut, was seitdem passiert ist, hatten sie sogar recht, denn sie wurden nicht angetastet.“ — Dass Bosse nur in Irland dem Glauben an die eigene Gottgleichheit anhängen, weil sie wie Götter behandelt werden von ihren Mitmenschen, glauben ich persönlich nicht. Ich bin nicht mal Agnostiker in dieser Sache.
zum Beitrag04.10.2021 , 11:54 Uhr
Zitat: „Wer ruft da noch nach staatlicher oder gesellschaftlicher Kontrolle globaler Medienkonzerne?“ — Die taz jedenfalls nicht. Schon gar nicht jetzt, wo die Regierungsbeteiligung winkt. Aber neoliberal sind ja auch immer andere. Die FDP beispielsweise. Ab übermorgen also dürfen sich auch grüne Bundesregierungsmitundohneglieder freut, dass sie medienpolitisch resignieren und nichts zu sagen haben, weil Youtube und Co. in ihrem Namen vor sich hin willküren. Glückwunsch, alle z‘sammen!
zum Beitrag04.10.2021 , 11:44 Uhr
Wer modernen Männern „auf Augenhöhe“ begegnen will, der sollte solche Überschriften wie die von den „Eiern“ einer Frau, die glaubt, die Gunst der Stunde für einen Aufruf zur Selbstjustiz nutzen zu müssen, vielleicht besser vermeiden. Das ist nämlich kein Lob, sondern „sexistische Kackscheiße“. Es ruft jeden, der „Eier“ in der Hose hat (oder gern hätte) dazu auf, zu tun, was viele Medienmacher partout nicht lassen wollen - obwohl sie wissen können, dass es Mist ist.
zum Beitrag02.10.2021 , 10:33 Uhr
Rein rechnerisch kommen auf jeden einzelnen der 2.165 Bediensteten des Bundesinnenministeriums pro Jahr 8,526 Mio Euro Haushaltsmittel. Auch auf Sekretärinnen und Hausmeister also. Und manche der da Beschäftigten haben seit Jahrzehnten nichts anderes gemacht als das, was sie gerade tun - und die meiste Zeit davon mit dem Knüpfen von Netzwerken verbracht. Ich glaube kaum, dass die sich alle von Habeck an die kurze Leine legen lassen. Ich glaube nicht einmal, dass Habeck wissen kann (oder auch nur will), worauf er sich da einließe. — Das Bundesinnenministeriumministerium ist kein Grünen-Parteitag. Es braucht einem neuen Chef nicht folgen wollen. Aber träumen kann man ja mal von der segensreichen Wirkung grenzenloser Macht und angeblich progressiver Führungskraft einzelner Grüner. Und Verbote haben/hätten Spitzengrüne ja auch wirklich immer schon gerne erlassen. Nur mit der Durchsetzung hat es immer schon gehapert. Vielleicht klappt es ja besser, wenn ein Grünen-Boss einem potenten, geübten Repressions-Apparat vorsteht.
zum Beitrag30.09.2021 , 17:25 Uhr
In nur vier Zeilen was zu sagen erscheint zwar leicht; doch es ist schwer! Man braucht ja nur mal nachzuschlagen: die meisten Dichter brauchen mehr. Heinz Erhardt — Danke, LOWANDORDER.
zum Beitrag30.09.2021 , 14:39 Uhr
Zitat: „Ich habe dann immer das Gefühl, die hiesige SPD würde als gallisches Dorf gesehen […], das von Feinden umzingelt wird.“ — Womöglich ist die Wurzel dieses Phänomens älter als die AfD. Viel älter. Womöglich liegt sie in der sogenannten „Zwangsvereinigung“ der Ost-SPD und der Ost-KPD zur SED. — Teile der SPD haben diese „Schmach“ immer noch nicht überwunden. (Auch) Von diesem Trauma profitiert die AfD heute. Nach 1989 hatte die Führung der Union jedenfalls viel weniger Berührungsängste mit „den Ossis“ als die der SPD. Die hat sich von der Union mit ihrer Rote-Socken-Campagne ins Bockshorn jagen lassen - und dann den ostdeutschen Wähler vorgeschoben, der angeblich nicht „reif“ war für eine sozialdemokratische Politik. Diese Prophezeiung hat sich später „selber“ erfüllt. So etwas tun Prophezeiungen ja manchmal. — Im Übrigen ist Lukas R. nicht alt genug um erlebt zu haben, dass ein Studium in der DDR nicht das selbe bedeutet hat wie ein Studium in der BRD. Die DDR-Führung wollte einen Arbeiter- und Bauernstaat, keine Intellektuellen-Republik oder Meritokratie. Den Unterschied hier auszuführen, reichen meine Zeichen nicht. Fakt ist: Studieren sollten nur wenige Menschen und schon gar nicht die Kinder und Enkel der alten Eliten. Es gab eine Art Quoten-Regelung (Arbeiterkinder vor!). Und weil die Hierarchien flach waren (recht hatte ja immer „die Partei“ und statt „richtigen“ Geld gab es auch für die „Eliten“ ohne West-Verwandtschaft nur Alu-Chips), war studieren auch nicht sonderlich attraktiv. — Der heutige „sehr offenen Zugang zu Bildung und Universitäten“ verdankt sich den Aufstiegs-Ambitionen früherer West-SPD-Mitglieder. Die alten Ost-KPD-Bosse wollten ihre Klasse gar nicht verlassen. Für sie waren „Studierte“ ein notwendiges Übel, weil sie eine Tendenz zum Widerspruch und zu „Höhenflügen“ hatten und der gewünschten „Einheit des Volkes“ gefährlich werden konnten. Auch diese Prophezeiung hat sich letztlich erfüllt (Mauerbau etc.).
zum Beitrag30.09.2021 , 12:35 Uhr
Verstehendes Lesen ist in Deutschland eine nicht sonderlich weit verbreitete Kunst, scheint mir. Nützt ja auch wenig. — Bitte den Artikel noch mal lesen. Dann eine Weile nachdenken und auf gar keinen Fall dem ersten (Beiß-)Reflex folgen. Dann erst (erneut) kommentieren. Sie blamieren sich sonst. — Es geht dem Autoren nicht darum, dass die Grüne Partei um jeden Preis Diversität performen muss, weil sie damit permanent Werbung betreibt. Das Prinzip, das da verletzt wurde, lautet: Bei gleicher oder größerer Eignung sollten die Personen eine Chance bekommen, die bisher unterrepräsentiert sind. Und das passiert einfach nicht. Wer Macht hat, will sie nicht teilen. Auch nicht als Grüner. — Ich gebe zu, dass oben erwähntes Prinzip schwer zu verstehen ist für Leute, die darauf dressiert wurden, Macht und Verantwortung getrennt von einander zu denken und Selbstbedienung für legitim halten, weil sie Tradition hat. Nur: Wer nicht imstande ist, zugunsten anderer auf ein Stück Macht zu verzichten, weil ihm ein Zacken aus der Krone brechen würde dabei, gibt nie einen echten Demokraten ab. — In einer Demokratie sind Machthaber nur Stellvertreter des Souveräns, nicht selber Herrscher. Sie sollen zugunsten derer entscheiden, die ihre Stimme abgegeben haben für die Partei, die sie vertreten. Wenn sie das nicht wollen, weil sie sich für Superman/-woman halten (und alle anderen schon deswegen für doof, weil sie es offensichtlich nicht an die Spitze der Fresskette „geschafft“ haben), sind sie Fehlbesetzungen. Das ist, als würde ein Schauspieler, der einen Bäcker geben soll, eigenmächtig beschließen, doch lieber ein General zu sein. Das passt womöglich einfach nicht zum Stück. — Es bleibt dabei: Das politische Personal ist derzeit nicht geeignet. Sie können das gern anders sehen. Sie dürfen sich nur nicht wundern, wenn sie damit keinen Eindruck machen auf Leute, die nicht einfach nur das wiederkäuten, was andere vorbeten, sondern (auf Basis eigener Erfahrungen) selbst denken.
zum Beitrag29.09.2021 , 22:40 Uhr
Ach ja, da sollte mal jemand was gegen erfinden! Schreibt sich einfach nicht gut auf dem Handy. — Also, noch mal von vorn: Es gehört schon eine gehörige Portion Überheblichkeit und noch mehr Selbstgerechtigkeit dazu, Mitarbeiter mit Schülern zu vergleichen, mit Teenagern noch dazu. Das ist nicht der Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen. Das ist der Vergleich zwischen Toastbrot und Brathering. Die einzige Gemeinsamkeit ist: Beide sind essbar. — Es gibt keine Lehrpläne für den Berufsalltag. Der Chef hat also nicht immer recht, nur weil er weiß, was grade das Thema ist. Führungskräfte außerhalb von Schulen haben es mit mündigen Erwachsenen zu tun, deren Gehirne bereits fertig umgebaut und meistens relativ gut gefüllt sind. Die meisten Erwachsenen haben selber gewisse Führungserfahrungen gesammelt, etwa mit eigenen Kindern, Eltern oder Lehrern. Diese Erfahrungen können sich auf ganz unterschiedliche Bereiche des Leben beziehen. Während also Lehrer die „Begabung“ (genauer: den aktuellen Ausbildungsstand) ihrer Schüler relativ leicht durch Abfrage von Fachwissens oder durch den Vergleich mit gleichaltrigen Schülern abschätzen können, können Führungskräfte ziemlich daneben liegen mit ihrer Einschätzung möglicher „Mit“-Arbeiter“. Erfahrungen, die sie nie gemacht haben, und Qualitäten, die sie selbst nicht besitzen, erkennen sie nämlich oft nicht als solche. Für Defizite gilt das übrigens auch. — Nach jeder Anweisung ein Smiley? Ich danke schön! Wenn ich mich nicht mehr fragen darf, ob eine Anweisung gerade sinnvoll ist oder ganz und gar unsinnig, hilft es mir auch nicht weiter, wenn ich gesagt kriege: „Ich will dir nichts Böses.“ Das unterstelle ich nämlich gar nicht. Ich habe nur die Erfahrung gemacht, dass Hochmut vor dem Fall kommt - und die ganz unten immer am stärksten getroffen werden, wenn weiter oben jemand strauchelt. Dass genau das viel öfter passiert, als die aller meisten Führungskräfte sich auch nur vorstellen können/wollen, macht die Sache nicht besser.
zum Beitrag29.09.2021 , 21:56 Uhr
Zitat: „Es ist nicht einfach zu unterscheiden, dass das gerade nicht meine Schüler*innen sind, sondern Menschen, die sich freiwillig beworben haben, zu arbeiten.“ - Es ist nicht die Bewerbung. Es ist auch nicht die Arbeit. Es ist die Lebenserfahrung, die „Reife“, die das Konzept Führung so unsinnig macht.
zum Beitrag29.09.2021 , 21:45 Uhr
Zitat: „Ein emotional zufriedener Mensch ist er auch nicht. Aber sogar Bond kann dazulernen.“ - Klar doch. Für Geld kann (auch) Kino (fast) alles. 🤷
zum Beitrag28.09.2021 , 20:12 Uhr
Zitat: „Fest steht dagegen, dass das Freibad in Marzahn gebaut wird. Der rot-rot-grüne Senat hat die Mittel dafür in den Haushalt eingestellt. Mario Czaja von der CDU wird das wohl als seinen Erfolg verkaufen. Aber Pau ist fest entschlossen, dort auf jeden Fall schwimmen zu gehen.“
So sind sie, die „Kümmerer“, die sich vor allem um sich selber kümmern: Sie nutzen das Desinteresse und die Denkfaulheit ihrer Wähler gnadenlos aus. Die aber haben offensichtlich nichts dagegen, belogen und betrogen zu werden. Es fehlt ihnen schlicht an Selbstwertgefühl, schätze ich. Was auch kein all zu großes Wunder ist angesichts der Behandlung, die sie sich gefallen lassen müssen von den meisten Volks-Vertretern und deren Lieblings-Klienten, den „Eliten“.
zum Beitrag24.09.2021 , 16:25 Uhr
Hm. Appartement. Wo habe ich das Wort schon mal gehört? — Ach ja, richtig: „Die Politik der britischen Regierung gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland wird so bezeichnet, wobei damit eine negative Bewertung verbunden ist“. Und sonst so? — Sonst muss das Wort immer dann herhalten, wenn jemand eine Begründung für ein schärferes Vorgehen gegen einen „Feind“ sucht oder einen Präventivkrieg rechtfertigen will. In der Bundesrepublik der 1970er und 1980er Jahre verglichen konservative Kommentatoren damit die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition und später das Verhalten der Friedensbewegung gegenüber der Sowjetunion. In der DDR hingegen diente sie als Vorwurf gegenüber westlichen Politikern, Alt- und Neonazis zu sehr entgegenzukommen. Das „Argument“ tauchte auch im Falklandkrieg (1982) und vor dem Zweiten Golfkrieg (1990), dem Kosovokrieg (1999) und im Irakkrieg (2003) auf. Es wird außerdem im Zusammenhang mit dem sogenannten Kampf der Kulturen geäußert, etwa von Henryk M. Broder („Hurra wir kapitulieren! Von der Lust am Einknicken“). Danke, Wiki. — Sie befindet sich offenbar wirklich ab und an in schlechter Gesellschaft, die gute Hengameh. Manchmal merkt sie es gar nicht. Und manchmal will sie es nicht wahrhaben.
zum Beitrag24.09.2021 , 10:16 Uhr
In einer idealen Welt würden Eltern ihren Kindern tatsächlich ein Mitspracherecht geben, wenn sie im Namen ihrer Kinder wählen dürften. Aber wir leben nicht in einer idealen Welt. Wir leben in einer Welt, in der sich viele Menschen dank falscher Erfolgsdefinition eher am Verhalten mächtiger Ölkonzerne orientieren, als am Wohl der eigenen Nachkommen. In so einer Welt würden (zu) viele Eltern die Stimmen ihrer Kinder eher dafür einsetzen, eigene (Nah-)Ziele zu erreichen. — Das tun sie im Übrigen jetzt schon. Die wenigsten Wähler schauen über den Rand ihrer doch eher tiefen Teller hinaus in die Zukunft. Zu ungewiss erscheint ihnen alles, was nicht unmittelbar vor ihrer Nase liegt, für zu gering halten sie ihren eigenen Einfluss und zu wenig sind sie es gewöhnt, sich selbständig Gedanken zu machen darüber, was womit und wie zusammenhängt. In den Prognosen würden sonst nicht SPD und Union vorn liegen, sondern Linke und Grüne. — Nicht nur „die meinungsstarken Mitarbeiter:innen von Greenpeace“ haben gewisse Defizite beim Zuhören. Die Gesellschaft insgesamt sieht darin noch immer eher eine Schwäche. Die eigene Meinung nicht nur zu verkünden, sondern auch gegen Widerstände durchzusetzen, gilt hingegen als Stärke, als „Königsdisziplin“ im Fach Kommunikation“ sozusagen. Auch und gerade die taz als bundesweit agierendes Massenmedium weiß das und stützt diese Ideologie. Man muss es ihr schon hoch anrechnen, dass sie (anders als andere Zeitungen) ihre Leser*innen wenigstens kostenfrei kommentieren lässt. — Immerhin: Dass es „ein Unterschied [ist], ob man mit […] Eltern oder Großeltern spr[icht] oder mit einem Ölkonzern“, ist eine Erkenntnis, die ich sehr begrüße. Ölkonzerne sind ja doch eher am privaten Profit orientiert als am Allgemeinwohl oder an der Zukunft von Kindern. Man kann Eltern und Großeltern (und im übrigen auch den Entscheidern in öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen) gar nicht oft genug sagen, dass von ihnen etwas ganz anderes erwartet wird.
zum Beitrag23.09.2021 , 17:49 Uhr
Zitat: „Ja, der Drehbuchautor Eldar Grigorian stammt aus Russland – und er hat immer viel Schach gespielt, war sogar im Schachverein. Er hatte darum eine große Nähe zum Sujet.“ — Wie ich hörte, gibt es im ganzen Film nicht eine Filmszenen mit einer echten Schachpartie. Aber was soll’s? Russen und Schach, das passt schon in den Köpfen. Mindestens so gut wie Deutschland und die Nazis. — Heute ist Donnerstag, Kinotag im Radio. Als der Film vorgestellt wurde, war mein erster Gedanke: Da möchte sich jemand für einen Oskar empfehlen. Zumindest aber liebäugelt er mit dem US-Filmmarkt. Der Film hat offenbar alles, was eine deutsche Verfilmung eines „russischen Drehbuchs“ braucht, um ein Erfolg zu werden in den USA - und alles, was sie daran hindern könnte, hat sie offenbar nicht.
zum Beitrag23.09.2021 , 17:39 Uhr
Schon klar, ARD und ZDF müssen unbedingt gecoacht werden von Netflix (notfalls auch erst einmal von Steffen Grimberg). Damit sie lernen, dass sie noch viel mehr Kohle machen und viel mehr Einfluss haben können, wenn sie Menschen jeglicher Hautfarbe, jeglichen Geschlechts und jeder Herkunft unter ihre Fuchtel nehmen, ausbeuten und bevormunden. — Wobei - vermutlich wissen sie das längst. Sie haben bloß Angst, ihr rapide alterndes Publikum zu verschrecken, wenn sie ein Netflix ähnelndes Programm machen und etwa Serien oder Kinofilme in Dauerschleife laufen lassen, die genau das Weltbild zementieren, das dazu geführt hat, dass die Realität nur noch im Suff zu ertragen ist - oder halt vor der Glotze.
zum Beitrag22.09.2021 , 14:49 Uhr
Dieser Vorschlag gefällt mir entschieden besser als das sonst in der taz übliche Frauen-Bashing. — Wer wirklich mehr Frauen in Führungspositionen will, sollte sie auch für die private Auseinandersetzungen mit ihren Partnern stärken - und den Männern zu Alternativen verhelfen. Menschen ohne jede Nachfrage frontal anzugreifen dafür, dass sie sich nicht durchsetzen gegen andere, ist mir zu wenig. Es kommt mir auch zu billig vor. — An gleich drei Fronten kämpfen zu müssen (gegen a - Arbeit-„Geber“, für die Mitarbeiter kein Privatleben haben dürfen, gegen b - Männer, die als Versager gelten, wenn sie nicht mindestens Abteilungsleiter sind und gegen c - eine Medienlandschaft, die all das total ausblendet und den verbalen Knüppel schwingt um Frauen anzutreiben) macht niemanden stärker. Im Gegenteil: Es untergräbt jede Solidarität. — So lange noch (wie schon zu Kaisers Zeiten) die konkrete Verantwortung im Privaten wenig bis nichts zählt, die abstrakte „Verantwortung“ außer Haus aber viel bis alles, wird sich gar nichts ändern. Außer, dass sich das Rad immer schneller rückwärts dreht. Verantwortung ist konkret, oder sie ist gar nicht. Sich Menschen auf Führungsposten zu wünschen, die in ihrem ganzen Leben noch nicht verantwortlich gewesen sind dafür, dass eine hilflose Person (sei sie nun jung oder alt, krank oder behindert) nicht nur überleben kann, sondern auch die Chance zur Teilnahme an der Gesellschaft bekommt, sind meiner Meinung nach nicht hinreichend qualifiziert, anderen Anweisungen zu geben. Und selbst wenn sie Erfahrung mit Care-Arbeit haben, kann die Übernahme von „Führungsverantwortung“ eine Art Flucht sein. Der Gesellschaft hilft sie dann kein Stückchen weiter. Die Welt rettet die taz damit jedenfalls nicht. — Merke: Gegen gesamtgesellschaftliche Erwartungshaltungen anzustinken, ist sowohl für Männer als auch für Frauen schwer. Und es ist um so schwerer, je weniger man sich um sie kümmert und je mehr Druck ausgeübt wird auf sie.
zum Beitrag19.09.2021 , 16:11 Uhr
Ach ja, jung müsste man (noch mal) sein! 😅
zum Beitrag18.09.2021 , 20:07 Uhr
Im taz-„Hausbesuch“ kommt heute eine Mandy B. zu Wort. Sie ist im Osten geboren und hat „das Gefühl, ‚Wessis‘ falle es noch heute leichter, für ihre Ziele zu kämpfen“. Weil sie, wie Mandy B. weiß, „früher gelernt haben, sich eine eigene Meinung zu bilden“. Sie selbst, behauptet Mandy B., sei „immer noch konfliktscheu“ und von ihrer DDR-Kindheit geprägt.“ — Aha. Und wessen Meinung hat sich Mandy B. da angeschlossen? Dreimal dürfen wir raten. Genau. — Das „Gefühl der Herabsetzung durch die Gebildeten, die oft auch noch aus dem Westen gekommen sind“, versucht Mandy B., ganz konform mit der Nachwende-Lehre, dadurch loszuwerden, dass sie lernt, was kluge Leute ihr über „Ossis“ weis machen wollen. Und bloß nicht selbst denken. Und immer schön konfliktscheu bleiben. — Ja, „es könnte durchaus sein, dass Demütigungen in den neuen Bundesländern stärker empfunden werden als im Westen“, weil „in der DDR die Leistungen der Arbeiter stärker gewürdigt wurden“. Man war mal wer und ist jetzt niemand mehr. Schade nur, dass beides einfach geglaubt und hingenommen wurde bzw. wird, nicht hinterfragt. — Schon in der Schuld bekommen wir erklärt, dass Intelligenz berechtigt. Wer keinen Einskomma-Durchschnitt hat, wächst mit dem „Gefühl der Herabsetzung“ auf, das auch im Berufsleben nicht mehr verschwindet. Man kann hier alt werden wie ein Baum, ohne jemals wie ein mündiger Bürger behandelt zu werden. Und wieso das? Weil „Wessis“ nicht nur „früh gelernt haben, FÜR ihre Ziele zu kämpfen“, sondern auch GEGEN ihre benachteiligten Mitmenschen. — Aber der „Ossi“ an sich ist ja nicht blöd. Er ist vielmehr bildungsaffin und sogar -fähig. Er/sie/es fängt an zu kämpfen. Erst gegen sich selbst und dann auch gegen andere. Allerdings nie gegen die, die was zu vergeben haben. „Die Gebildeten, die oft auch noch aus dem Westen gekommen sind“, sind tabu. Aber unbeliebt. — Mandy B. nennen es „Konfliktscheu“. Ich sage Solidarität. Aber ich denke ja auch. Selbst. Und ich will nichts geschenkt.
zum Beitrag17.09.2021 , 14:01 Uhr
Zitat: „Bis heute geben Polizisten manchmal […] den gut gemeinten Ratschlag, sich im Angesicht der Bedrohung durch rechts motivierte Gewalttäter unsichtbar zu machen, nicht aufzufallen oder besser ganz aus dem Ort zu verschwinden.“ — Die schlechte Angewohnheit, die negativen Folgen eigenen professionellen Versagens zu minimieren, indem die Konfliktursache erst verdreht und dann aus dem Zuständigkeitsbereich entfernt wird, haben hierzulande nicht nur Polizisten, schon gar nicht nur ostdeutsche. Die aber natürlich auch. — Das „Wesen“ der „Baseballschlägerjahre“ mag in Ostdeutschland deutlicher erkennbar gewesen sein. Ihr Nährboden aber ist gesamtdeutsch. Unterschwellige Gewalt, Diskriminierung und subtile Demütigungen gibt es im Westen auch. Wir sollten uns also auch die gemeinsamen strukturellen, sozialen und historischen Phänomene ansehen, nicht nur die unterschiedlichen. Letztere können erklären, warum das Problem im Osten größer ist. Erstere, warum es überhaupt noch existiert. — Der Streit darüber, „was die nachweislich in Ostdeutschland höheren Zahlen rechter und rassistischer Gewalt mit der ostdeutschen Geschichte der DDR und der Transformationsgesellschaft der 1990er Jahre zu tun haben“, ist also lästig und zeitraubend, aber leider nicht überflüssig. Wir Deutschen sind schließlich nicht nur ein Volk. Wir sind auch eine Nation mit einheitlichem Recht und einheitlichen Strukturen. — So wenig, wie nach 1945 die alten Nazis verschwunden sind, sind nach der Wende die neuen verschwunden. Personelle Kontinuitäten gibt es immer und überall. Die Frage ist, was dagegen hilft. Wer darauf eine Antwort sucht, wer sich ein Bild vom „Ausmaß der Normalisierung der extremen Rechten“ im Deutschland des Jahres 2021 machen will, der darf nicht nur auf ostdeutsche Marktplätze gehen, wenn AfD-Funktionäre reden. Er betreibt sonst das Geschäft der AfD, die von der Behauptung lebt, es gäbe Deutsche erster und zweiter Klasse - und Nichtdeutsche, die noch weniger wert sind.
zum Beitrag16.09.2021 , 11:54 Uhr
Zitat: „Die Mär vom faulen Arbeitslosen, die die Implementierung der Agenda begleitete, ist kaum noch zu vernehmen. Doch von einem rhetorischen zu einem politischen Wandel ist der Weg weit.“ — Das Blöde an der repräsentativen Demokratie sind die langen Wege. Die brauchen einfach sehr viel Zeit. Und lügen können sogar Rabenvögel, wenn sie sich was davon versprechen. — Der verhaltensauffällige Sitzenbleiber, Jurist, Lobbyist und Politiker Friedrich März etwa bastelt seit 40 Jahren an einer Karriere, mit der er Mama und Papa beweisen kann, dass auch ihr viertes Kind zu mehr taugt als zum Maurer. So einer lernt nicht einfach um. So wenig, wie ein Olaf Scholz oder eine Katrin Göring-Eckardt. All diese Menschen verdanken ihre Karriere ihren Überzeugungen. Genauer: Sie verdanken ihren Aufstieg der Tatsache, dass sowohl ein Teil ihrer Wähler*innen als auch ihre politischen „Zieheltern“ diese Überzeugungen in allen entscheidenden Momenten für sinnstiftender gehalten haben, als viele andere. — Wenn Scholz (im Gegensatz zu Merz) nun anders redet als er denkt, ist das nur eine erzwungene Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen, kein Ausdruck einer (etwa aufgrund eines Aha-Erlebnisses) gewandelten Einstellung. Es ist, was mit dem militärischen Begriff Strategie bezeichnet wird, ein kleiner (Um-)Weg ans eigentliche Ziel. Als wären potentielle Wähler potentielle Feinde, die es frühzeitig zu überrumpeln bzw. zu überlisten gilt. — Ich würde jede Wette eingehen, dass sowohl Scholz als auch Merz und all die anderen HartzIV- Fans keinen einzigen Langzeitarbeitslosen persönlich kennen, den sie nicht für fauler halten als sich selber - und dass auch ihr eigener innerer Antrieb die Angst vor Nachteilen ist, immer schon war und bleiben wird, so lange sie leben. — Überzeugungen legt man nicht einfach ab. Sie sind ein Teil unsrer Persönlichkeit, auch wenn das nicht immer ganz klar zu erkennen ist. Sie prägen unser Denken und unser Handeln. Mitunter länger, als sie „funktionieren“.
zum Beitrag16.09.2021 , 11:18 Uhr
Francis Bacon hat von 1561 bis 1621 gelebt. Dass seine Behauptung, Wissen sei Macht, genau 400 Jahre nach seinem Tod aus jedem Sinnzusammenhang gerissen, quasi freischwebend in der taz auftauchen und da zum Zwecke der Be- bzw. Verurteilung des heurigen Grünen-Wahlkampfes herangezogen werden würde, konnte der Mann nicht ahnen. Wer weiß, ob er ihn sonst überhaupt so hingeschrieben hätte, seinen Satz vom Wissen und der Macht. — Nein, in einer Demokratie ist Wissen noch nicht Macht. Zwischen das Wissen und die Macht haben die Alten Griechen das Prinzip Selektion gesetzt. Es genügt nicht, zu wissen, um an die Macht zu gelangen. Man muss auch gewählt werden. Und das ist ein Problem, wo die Mehrheit der Wähler Wissen gar nicht erkennt mangels (Aus-)Bildung und die Mehrheit derer, die Wahllisten besetzen, Angst haben (müssen) vor Menschen, die mehr wissen als sie. — Nein, es ist einfach nicht wahr, dass „nie an die Macht kommen [wird]“, „wer wider besseres Wissen handelt“. Das Gegenteil trifft zu. Nicht immer und nicht überall, aber in der Gesellschaft, in der wir grade leben, ganz gewiss. Man nennt es Strategie, manchmal auch Taktik, das gezielte Negieren bzw. Verschweigen von Wissen um der Macht willen. Und weil der Wähler weiß, dass er kaum etwas weiß über die Mächtigen, scheut er auch dann, wenn eine Aussage für sich genommen gar nicht gefährlich ist. Könnte ja sein, da hat sich wer „verplappert“. — Recht haben allein reicht nicht, so viel steht fest. Man muss immer noch die gesellschaftliche Mehrheit für sich gewinnen. Wie aber soll das gehen ganz ohne Vertrauen (und ohne die Macht über Leben und Tod)? Und wie kann Vertrauen entstehen, wo alle geheimniskrämern aus Angst vor der Dummheit des Anderen? Schlaumeier vor!
zum Beitrag15.09.2021 , 15:00 Uhr
Zitat: „Das Thema ‚Flucht‘ steht bei den Parteien im Fokus, obwohl Asylbewerber:innen 2019 und 2020 nur rund zehn Prozent der Einwanderung nach Deutschland ausgemacht hat.“ —- Kein Wunder. Gelernt ist gelernt. —- Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts rekrutiert Deutschland für Arbeiten, die Deutsche nicht machen wollen, Ausländer. Trotzdem durfte Jahrzehnte lang nicht offen ausgesprochen werden, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Man wollte seine „Dienstboten“ wohl lieber nicht wahr nehmen. Man wollte sich lieber als Nation begreifen, die alles, worauf sie stolz ist, aus eigener Kraft geschafft hat. Nur politisch Verfolgte wurden sichtbar gemacht, denn man ist stolz darauf, aus seiner Geschichte gelernt zu haben. Und überhaupt: Schutz suchen Menschen nur bei Stärkeren. Besonders stark aber wollen Deutsche immer schon sein. Nur Pflichten sollen damit bitte nicht verbunden sein.
So lange die Welt zweigeteilt, Nationalstaatlichkeit allgegenwärtig und Globalisierung kein Thema war, hat dieser Selbstbetrug halbwegs funktioniert. Die Zeiten sind allerdings vorbei. Leider fühlt sich bisher kaum jemand dafür zuständig, den Selbstbetrug aufzuklären. Herzlichen Dank also an Ralf Pauli dafür, dass er sich dieser doch etwas undankbaren Aufgabe gewidmet hat.
Die Gleichung ‚Migration gleich Flucht‘ ist noch nie aufgegangen. Leider sehen sich viele Medienleute auch nur in der Unternehmerrolle. Wie die Politiker lassen sie sich von Statistikern erzählen, was König Kunde hören will, und bieten die entsprechende Ware an. Und wenn der Kunde besser zahlt für ein schräg aufgehängtes Weltbild, weil er es nun mal so gewohnt ist, dann wird ihm halt genau das verkauft. In größeren Abständen und weit hinter der Titelseite stehen dann Artikel wie dieser. Man ist ja doch irgendwie dem Pluralismus verpflichtet als seriöses Medium mit einem Anspruch an sich selbst. Soll doch der mündige Bürger selbst zusehen, dass er sich infotechnisch halbwegs gesund ernährt!
zum Beitrag15.09.2021 , 14:12 Uhr
„Ich darf das, also mache ich es“, scheint sich der Berliner Senat zu denken. Dass man nicht alles machen muss, was einem nicht verboten wurde, scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben bis in die deutsche Hauptstadt. Die Senatoren hätten sich sonst vielleicht gefragt, ob sie ihre Entscheidungsfreiheit nicht sinnvoller nutzen können als ausgerechnet dafür, die Schnapsidee des Bundesgesundheitsministers vor Ort praktisch umzusetzen.
So, wie „die USA“ noch bis (gefühlt) vorgestern ganz offiziell versucht haben, Demokratie mittels Krieg zu exportieren, will Span der Solidarität in Deutschland offenbar mittels Strafaktion auf die Sprünge helfen. Dass das nicht klappen kann, müsste er eigentlich wissen, wenn er denn wüsste, was Solidarität ist. —- Okay, gehen wir mal einen Moment lang davon aus, dass es sich hier wirklich nur um eine Bildungslücke handelt. Fragen wir also mal wieder das Lexikon, für dessen Lektüre Spitzenpolitiker womöglich keine Zeit haben: —- „Solidarität“, weiß Wikipedia, „bezeichnet eine […] Haltung der Verbundenheit mit und Unterstützung von Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer. Sie drückt […] den Zusammenhalt zwischen gleichgesinnten oder gleichgestellten Individuen und Gruppen und den Einsatz für gemeinsame Werte aus“. —- Schön. Und nun fragen wir uns bitte einen Augenblick lang, wie gleichgestellt sich Individuen und Gruppen fühlen, wenn ihnen jemand, der gleicher ist, seine persönlichen Ideen, Aktivitäten und Ziele ohne Rücksprache und unter Strafandrohung aufs ohnehin blau angelaufene Auge drückt, weil er es a) will, b) kann und c) auch noch darf. Wird so eine „Haltung der Verbundenheit“ oder ein Gefühl der Gleichgesinntheit (gibt’s das Wort?) entstehen? In meinem Fall: NEIN. —- Der Gegenbegriff zu solidarisch ist übrigens nicht unsolidarisch. Das Gegenteil von Solidarität ist Konkurrenz. Und wenn jemand unbedingt Konkurrenz will, kann er sie haben von mir. Der Klügere, schließlich, muss nicht unbedingt immer nachgeben.
zum Beitrag13.09.2021 , 20:32 Uhr
Die „Interessensvertretungen der Wissenschaft“? Wer oder was sollte das sein? Seit wann, bitte, hat denn „die Wissenschaft“ einheitliche Interessen? Ist nicht beispielsweise die „Exzellenz“ des einen des anderen „Blick in die Röhre“?
Mag ja sein, dass „ein Euro an Fraunhofer-Budget das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 21 Euro erhöht“. Aber wer profitiert von einem hohen BIP? Per Definition gibt das Bruttoinlandsprodukt den „Gesamtwert aller Güter, Waren und Dienstleistungen“ an, „die während eines Jahres innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft als Endprodukte hergestellt wurden“ und zwar „nach Abzug aller Vorleistungen“. Je weniger „die Wirtschaft“ also investieren muss, um so höher fällt ihr Gewinn aus. Was auch nicht weiter schlimm wäre, wenn nicht „die Wirtschaft“ massive Probleme verursachen würde in ihrer ungebremsten Profitgier.
Klimakollaps, Artensterben, Ressourcenraubbau, soziale Verwerfungen, Kriege - eine weitgehend deregulierte, sich selbst überlassene, an der falschen Stelle geförderte Wirtschaft wird unsere Gesellschaft schon sehr bald sehr viel mehr kosten, als irgendjemand bis heute auch nur berechnet hat. Sollte „die Wissenschaft“ dazu wirklich einen zusätzlichen Beitrag leisten? Wäre es nicht viel eher dringend geboten, gewisse Mindeststandards anzulegen an Forschung, Lehre und Entwicklung?
Offenbar ist mit Appellen an die Moral ehrgeiziger, neugieriger Menschen allein nicht viel zu erreichen. Was gemacht werden kann, wird auch gemacht. Vor allem, wenn es dafür Geld gibt. Nicht nur Corona-Impfstoffe, auch Agent Orange und Glyphosat sind Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung. Das BIB allein ist also ein ganz schlechter Maßstab für den Wert wissenschaftlicher Arbeit. Und Freiheit ist kein Garant für Vernunft.
zum Beitrag13.09.2021 , 14:01 Uhr
Scholz ist jedenfalls niemand, der Ängste auslöst.
Warum eigentlich? Scholz war von Mai bis Oktober 2001 Innensenator von Hamburg, von Oktober 2002 bis März 2004 SPD-Generalsekretär, von November 2007 bis Oktober 2009 Bundesminister für Arbeit und Soziales und von März 2011 bis März 2018 Erster Bürgermeister von Hamburg. Hab es in dieser Zeit etwa keine Verlierer? Ich meine: Müssen nicht alle Aufstiege von jemandem bezahlt werden?
zum Beitrag11.09.2021 , 09:46 Uhr
Den letzten Absatz kann ich gut unterschreiben. Nur eines stört mich: Ich werde hier, wie alle übrigen Leser*innen, als „der Westen“ angesprochen, weil ich nun mal in Deutschland lebe. Selbst noch die taz, in der Josef Alkatuot seine Gedanken veröffentlicht hat, erscheint als Teil diese (Zwangs-)Gemeinschaft. Damit tappt der Autor in genau die Falle, die „westliche“ Repräsentanten aufgestellt haben.
„Unsere Politiker“ haben ja nicht umsonst „mehr Angst vor […] dem Vorwurf, sie nähmen den Terror nicht ernst genug, als vor dem Verbrechen selbst“. Sie sind Menschen wie wir. Menschen mit Problemen. Menschen, die oft genug an sich selbst zweifeln. Im Fall von Politikern bedeuten Selbst-Zweifel halt vor allem Zweifel an der Fähigkeit, im Namen anderer richtig zu entscheiden. Sie haben vermutlich permanent Angst davor, ihre Zweifel bestätigt zu bekommen. Deshalb die Überreaktion. Die soll vorbeugen.
So jemanden entscheiden zu lassen, auch über Menschen, die solche Probleme nicht im selben Umfang haben, ist immer und überall riskant. Im Westen, im Osten, im Süden, im Norden und auch „in der Mitte“, in der sich jede Gemeinschaft naturgemäß selber verortet. Würden die Menschen das verstehen, wären sie einander näher. Nur gibt es ohne Verstand kein Verstehen. Und um den Verstand gebracht ist ein Mensch leicht.
zum Beitrag09.09.2021 , 14:33 Uhr
Zitat: „… wie wir selbst die Erwartungshaltung an Kanye haben, dass er, wie viele andere reiche Prominente of Color, linksliberale Ansichten vertreten muss, die die Hoffnung auf eine schönere Welt propagieren, aber dennoch Millionen und Milliarden anhäufen und eben doch nicht sind ‚wie wir‘.“
Himmel! Ist das denn wirklich so schwer nachzuvollziehen? Die Leute wünschen sich doch nicht nur, dass „jemand ihnen vorg[i]b[t], was der richtige Umgang mit Künstler*innen wie Kanye West ist.“ Diese Gesellschaft ist dermaßen auf Autoritäten fixiert, dass die wenigsten Menschen es wagen, sich auch nur bei der Wahl ihrer Musik auf ihr eigenes Urteil zu verlassen. Nicht ständig mit mindestens einem Auge da hin zu schielen, wo der „Erfolg“ wohnt, kann schließlich alles zunichte machen, wofür man sich jahrelang angestrengt hat. Und überhaupt: Andere sind sowieso immer viel cooler.
Wie wird Erfolg denn am simpelsten buchstabiert? Bekanntheit und Geld und natürlich auch Einfluss. Wenn also ein „Schwarzer“ das alles hat, eine Frau oder ein Homo, ist damit bewiesen, dass alles in Ordnung ist mit einem Weltbild, das sich an Äußerlichkeiten ausrichte. Menschen brauchen dann weder die Autoritäten zu hinterfragen, die sie und ihre Erwartungshaltungen geprägt haben, noch müssen sie sich ihre Bereitschaft kritisch anschauen, sich kritiklos zu unterwerfen, um sich sicher zu fühlen.
Nein, er ist nicht „wie wir“, dieser Star. Aber „wir“ wären doch gerne wie er, Depression hin oder her. Weil „wir“ denn bei „uns“bleiben könnten, bei unseren Idealen, all dem, was „uns“ ausmacht, unserer Identität. „Wir“ wollen ihnen gar nicht zu nahe kommen, unseren Idolen. „Wir“ wollen, dass sie auf dem Sockel stehen bleiben. Denn nur, wenn sie da oben sind, sind „wir“ hier unten sicher genug, weiter träumen zu können.
Wir leben unsere Träume nicht. Wir lieben sie nicht mal. Wir träumen uns unser Leben schön. Denn normal ist zu wenig. Unter „schön“ macht es mensch nicht. Hässlich fühlt er sich eh.
zum Beitrag09.09.2021 , 13:40 Uhr
Na ja, bedenken Sie: Es geht immerhin um FAHRRÄDER!
zum Beitrag09.09.2021 , 12:58 Uhr
Ja da schau her! Und ich nahm bisher an, die meisten Menschen würden ihre Gestik, ihre Körperhaltung, ihre Kleidung oder ihre Sprechart genau so wenig Zufällen überlassen wie ihr Parfüm!
Die Grenze zwischen denen, die ihre Identität bewusst einstudieren, und denen, die das nicht tun, verläuft meiner Erfahrung nach nicht zwingend am Douglas-Eingang. Im Gegenteil. Die Frontlinie kann überall verlaufen. Wie Menschen riechen, hängt eher davon ab, ob sie schon sind, wer sie sein wollen, ob sie noch suchen nach sich selbst, oder ob sie die Suche bereits aufgegeben haben.
Suchen sie sich noch, ist die Wahl eines Duftes nur eine Wahl unter sehr vielen. Ob Parfüm oder Outfit, ob Frisur oder Gestik, ob Vokabular oder Kunstgeschmack, ob Getränkevorliebe oder Seriengeschmack - entscheidend ist, dass die jeweilige Umgebung die Wahl „richtig“ interpretiert und entsprechend darauf reagiert. Und das gelingt am ehesten, wenn alles zu einander passt. Genauer: Es gelingt, wenn kein Detail dem Zufall überlassen bleibt und die gekaufte „Identität“ einem der vielen Idealbilder entspricht, für die sich Werbefachleute bezahlen lassen und auf die sich ihre Kunden einigen können.
Wer nicht so recht weiß, was er/sie/es von sich selber erwarten darf, ist halt drauf angewiesen, dass andere ihm ihre Erwartungen spiegeln. Das mach das Leben sicherer und die Orientierung einfacher. Wer schon zu wissen glaubt, mit wem er es täglich zu tun hat beim Blick in den Spiegel oder die Schaufensterscheiben, brauch nicht ständig danach zu fragen. Dem reicht es, wenn er aus Erfahrung weiß, dass es eine „Melange“ ist, was eine Person ausmacht. Heute mal so, morgen ganz anders. Es ist ja auch nicht jeder Tag, jeder Ort gleich. Der erste Eindruck ist ein erster Eindruck, weiter nichts. Und wem ein erster Blick, ein erster Ton oder ein erster Duft genügt für ein abschließendes Urteil, der ist sowieso uninteressant. Mir, jedenfalls, ist so jemand viel zu oberflächlich und zu eitel.
zum Beitrag07.09.2021 , 19:14 Uhr
Zitat: „Die Kunsthalle lehrt also nicht, sie selbst muss lernen.“
Das wäre ein Traum, werter Harff-Peter Schönherr, wenn alle, die niemanden was lehren können, selbst etwas lernen müssten. Aber Sie wissen ja so gut wie ich: Ist leider nicht an dem. Manche sind einfach gleicher - und so von sich selbst eingenommen, dass sie gewisse Tatsachen ganz einfach ignorieren können.
zum Beitrag06.09.2021 , 13:54 Uhr
Sach bloß…!
Wär es anders herum, wäre die Klimagefahr schon längst gebannt, schätze ich. Wir leben schließlich in einer Ellenbogengesellschaft.
zum Beitrag05.09.2021 , 21:54 Uhr
Zitat: „Dass ausgerechnet das Formelement ‚überraschende Wendung/schockierende Entdeckung’ mit einem eindeutig fiktiven Inhalt gefüllt wurde, […] gibt der ansonsten so stringenten Erzählung zum Ende hin noch den banalen Beigeschmack von etwas geplant ‚Erfundenem’ an ganz zentraler Stelle. Mehr Fiktion ist eben nicht immer gleich mehr Literatur.“
Je nun. Es ist halt nicht ganz einfach, den Lebensunterhalt mit Jammern zu verdienen. Zumindest dann nicht, wenn man einen gewissen Standard gewöhnt ist und außer einer gepflegten Wohlstandsverwahrlosung nichts zu beklagen hat. Jedenfalls nichts, was die hollywooddramengestählte Kundschaft vom Sitz reißen würde.
Ich meine: Wohlstandsverwahrlosung dürfte ein recht weit verbreitetes Schicksal sein. Muss man das auch noch lesen, wenn man es schon er- bzw. überlebt hat? Na bitte. Deswegen das erfundene Drama.
zum Beitrag04.09.2021 , 07:39 Uhr
Zitat: „Das Parlament war nach dem Krieg das letzte Reservoir übersteigerter Männlichkeit, sagt die FDPlerin Lieselotte Funcke. In allen anderen Gesellschaftsbereichen hatte der Mann ja schon gezeigt, dass er es nicht so draufhat.“
Das hat sich seither gründlich geändert. Frauen haben das, was man Toxische Männlichkeit nennt, so weit salonfähig gemacht, dass es nun überall in der Gesellschaft sichtbar zurück ist. Die Scham, die Männer früher ab und an die Klappe hat halten lassen, ist weg. Die Erinnerung an das Desaster verblasst und was genau die Ursachen männlichen Totalversagens waren, hat nie interessiert. Männer, hieß es, sind einfach anders. Das muss am Y-Chromosom liegen.
Falsch. Nicht das Chromosom macht den Mann, sondern die Kultur. Das ist insofern ärgerlich, als die Kultur sich zwar verändern ließe, aber nur, wenn die Zusammenhänge klar wären. Wenn die Kultur nun auch von Frauen getragen wird, stabilisiert sie das lediglich.
Nein, die Zusammenhänge werden nie klar werden. Das können sie gar nicht unter den gegebenen Bedingungen. Es gibt da diesen Blinden Fleck, den wir Menschen unserer Psyche verdanken. Und es gibt das Prinzip Macht, das uns erspart, uns mit den eigenen Blinden Flecken zu befassen. Macht sorgt dafür, dass es immer Wichtigeres zu tun gibt.
Wir Menschen werden nie ganz aufgeklärt sein, sondern immer überfordert mit unseresgleichen. Kein Trost. Nirgends. Außer in der Natur.
zum Beitrag02.09.2021 , 21:53 Uhr
Ich frage mich ernsthaft, welchen „Druck“ Tierärzte auf Parlamentarier ausüben können sollten. Werden EU-Abgeordnete denn nicht von Humanmedizinern behandelt?
Welcher Politiker riskiert, elend an einem resistenten Keim zu verrecken, nur damit sich Tierärzte, die Tiere hassen und sich selber für unsterblich zu halten scheinen, eine goldene Nase verdienen können mit dem Missbrauch überlebenswichtiger Medikamente? Und wie krank ist ein „System“, das derartigen Unsinn als Politik ausgibt? Wird es je ein Medikament geben gegen den galoppierenden Irrsinn unter Pharmazeut*innen, Lobbyist*innen, Spitzenpolitiker*innen und deren Wähler*innen? Und was, wenn nicht?
zum Beitrag02.09.2021 , 21:35 Uhr
Na, dann wird‘s ja nun recht sein, gel?
zum Beitrag31.08.2021 , 18:54 Uhr
Na super! So viel zur These, der deutsche Untertanengeist sei ein nationales Alleinstellungsmerkmal!
Welche weiteren Qualifikationen ein Regierungssprecher mitbringen muss für seinen Job, lässt sich womöglich der entsprechenden Stellenausschreibungen entnehmen. Eins aber muss er/sie/es ganz gewiss haben: eine entschiedene Gleichgültigkeit Worten, der Sprache gegenüber. Er muss reden können ohne zu denken und ohne zu fühlen.
Diesem Boten britischer Staatsräson, jedenfalls, kann unmöglich entgangen sein, dass die „schreckliche Krankheit“ womöglich gar keine war im Fall des Alpakas Geronimo, dass also dessen Besitzer eher unter der Ignoranz und Borniertheit der Behörden zu leiden haben als unter der Rindertuberkulose.
Sein „Mitgefühl“ kann sich der Herold sparen, finde ich. Es klingt wie Hohn. Er kann ja nicht mal mit-denken, der Gute. Aber vielleicht hat er ja auch nur einen WV-Text aufgesagt. Einen, den er wiederverwendet hat. Zum Beispiel, als in Massentierhaltung gequälte aber immerhin halbwegs gesunde Kühe vorsorglich getötet wurden, weil eine ihrer Leidensgenossinnen als infiziert gegolten hat. Von Regierungsseite heißt es schließlich nie: „Die armen Rinder!“ Es heißt immer: „Die armen Bauern!“ Als hätten die Rinder entschieden und nicht die Landwirte. Aber schon klar: Rinder dürfen nicht wählen. Schade eigentlich.
Und was die Veterinärärztin Christine Middlemiss betrifft, so müsste sie, wenn sie die Rindertuberkulose (und ihren Job) tatsächlich ernst nehmen würde, nicht nur über Impfungen Bescheid wissen und die propagieren. Sie müsste auch Gnade vor Recht walten lassen, nicht umgekehrt. Ärzte, schließlich, haben die Aufgabe, Leben zu schützen. Auch präventiv. Zu töten, damit aus Geld mehr Geld und geltendem Recht Genüge getan wird, auch wenn es Mist ist, ist eher ein Job für Soldaten und Polizisten.
zum Beitrag31.08.2021 , 15:22 Uhr
Stimmt schon: Menschen werden überall auf der Welt mit dem Bedürfnis nach Nahrung, Schutz und Liebe geboren, und sie verlieren dieses Bedürfnis bis zum Ende ihres Lebens nicht. Leider sind es nicht unbedingt die „menschlichen Werte“, die leben muss, wer in Gesellschaft anderer Menschen Schutz, Nahrung und Liebe sucht. Manchmal ist eher das Gegenteil der Fall. Das nennt sich dann die „kulturelle Eigenheit“ einer Nation.
Manchmal wird unterstellt, eine kulturelle Eigenheit „des Westens“ sei die (unausgesprochene oder auch nachdrücklich postulierte) Behauptung der eigenen, Überlegenheit. Diese Unterstellung ist unzutreffend. Für überlegen halten sich z.B. auch „die Taliban“ oder „die Chinesen“. Die Eigenheit ist also weniger die Arroganz selbst. (Die ist nur ein universelles Produkt psychischer Defekte, die durch nicht artgerecht Behandlung entstanden sind). Die Eigenheit sind die vorgeschobenen Gründe für die Arroganz, die sogenannten „Werte“.
Sehr vereinfacht könnte man sagen: Nationen führen sich auf wie Markthändler. Jede versucht, sich per Alleistellungs-Merkmal abzugrenzen von allen anderen. Dabei bieten die einzelnen „Händler“ nicht unbedingt an, was auch am Stand nebenan angeboten wird. Während sich z.B. „die Chinesen“ etwas auf ihre Arbeitswut einbilden, bilden sich „die Taliban“ etwas auf ihre „Kampfkraft“ ein. „Der Westen“ aber sonnt sich in technologischen Entwicklungen.
Leider verbinden sie alle eine Erwartungshaltung damit: Wer bei oder gar mit uns leben will, sagen die Anführer aller Nationen, wer Nahrung und Schutzoder gar Liebe will, der muss auf „unsere“ Werte schwören, ihre Überlegenheit anerkennt und sich daran orientieren - und er darf keinesfalls meckern gegen die Werte-Prediger, wenn er trotzdem nicht so gut klar kommt wie andere. Universelle menschliche Werte (Mitgefühl, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft usw.) könnte ja jeder.
Könnte, nicht kann. Ganz genau. Zu viele Anführer, zu viel Bla-Bla, zu viele Defekte in Köpfen und Herzen.
zum Beitrag30.08.2021 , 18:36 Uhr
Wie hoch ist eigentlich das Jahresgehalt einer ARD-ZDF-RTL-Star-Moderatorin? Ich meine: Könnte es sein, dass hier Wunschdenken die Objektivität getrübt hat? 🤔
zum Beitrag28.08.2021 , 06:55 Uhr
Zitat: „Und was ist überhaupt die Alternative zum Eintritt in den ‚herrschenden Kulturbetrieb‘? Keine Bücher über Klasse schreiben? Nein.“
Doch. Es kann durchaus eine Alternative sein, keine Bücher über Klasse zu schreiben. Mit Betonung auf dem Wort kann.
Künstler sind keine Soldaten. Kunst, zumindest die, die eine eigene Dringlichkeit entwickelt, ist nichts, was uniformierte Befehlsempfänger schaffen. Kunst entsteht aus existenziellen Bedürfnissen Einzelner. Die, allerdings, sind so verschieden wie wir Menschen selbst.
Wenn also jemand das Bedürfnis hat, sich am Kunstbetrieb abzuarbeiten und ihn damit zu verstetigen - fein. Wenn jemand aber das Bedürfnis hat, im „alternativen Kulturbetrieb für lau“ zu arbeiten - auch gut. Ich kann nicht sehen, dass es nicht ganz viele Wege raus aus dem Dilemma geben kann. Müssen ja nicht unbedingt meine sein. Hauptsache, sie werden alle begangen und wachsen nicht zu.
Was Menschen anstellen mit ihren Kapazitäten, sollte nicht fremdbestimmt werden. Auch nicht von Leuten, die von sich behaupten, sie wüssten genau wo es lang geht. Sie wissen es nicht. Wir Menschen könnten aus ein und dem selben Stall kommen - unsere Bedürfnisse wären trotzdem völlig verschieden. Man nennt dieses Phänomen Individualität. Es ist die Basis der Identität. Und nein, Leute, Identität hat mit Gruppenmerkmalen gar nichts zu tun.
Ich persönlich ziehe es vor, kein Geld anzunehmen für meine Gedanken. Ich kann es mir leisten, sie zu verschenken, und genau das will ich tun. Es ist meine Form des Widerstandes gegen eine Gesellschaft, die glaubt, sie könnte jeden korrumpieren mit ihrer gestohlenen Kohle. Wer faul sein will, soll diesen Leuten recht geben. Wer kein Problem damit hat, fleißig zu sein, kann ihnen und ihren „Verführungskünsten“ aber genau so gut den Stinkefinger zeigen, finde ich.
zum Beitrag27.08.2021 , 12:19 Uhr
…, ist furchtbar aber nicht weiter erstaunlich.
Die Idee, dass ein vermeintlich guter Zweck auch schlechte Mittel heiligt, ist nie verschwunden aus den Köpfen. Sie wird ja auch gebraucht von allen, die illegitime Macht militärisch absichern wollen - und ideologisch entsprechend gepflegt. Verknüpft mit der menschlichen Schwäche, im Fall psychischer Überlastung aggressiv zu reagieren, und der mangelhaften Ausbildung menschlicher Stärken wie Mitgefühl und Fantasie, führt der Glaube daran, dass es manchmal eben Opfer braucht, regelmäßig zu extremen Auswüchsen dessen, was den meisten Menschen „in Maßen“ als völlig legitim und unvermeidlich erscheint.
Was Menschen im Miniaturmaßstab nicht erschreckt, das macht ihnen auch im Monstermaßstab erst mal keine Angst. Erst, wenn sie persönlich betroffen sind, wachen sie auf. Dann erst wird aus fremdem Leid eigenes, spürbares Leid. Aber dann ist es oft schon zu spät. Dann lässt sich dem Grauen nur mit noch mehr Gewalt begegnen. Dann hört es erst auf, wenn fast alle tot sind und die letzten Überlebenden keine Kraft mehr haben. Dann aber wird nach Kräften verdrängt und ungelogen, weil ja der Wiederaufbau Vorrang hat. Und ein, zwei Generationen später geht der ganze Wahnsinn von vorne los. Die dummen Sprüche und Ideen, schließlich, überleben garantiert jedes Mal.
zum Beitrag26.08.2021 , 13:31 Uhr
Ja, irgendwie und irgendwann. Nur wo ist eigentlich immer sonnenklar: Natürlich in der taz.
zum Beitrag26.08.2021 , 13:16 Uhr
Wieso, werter Fabian Lehmann, sollte es „staatstragend“ sein zu behaupten, dass Menschen in jedem Moment ihres Lebens „das Erbe für die kommenden Generationen“ schaffen? Ist eine Zukunft ohne Nationalstaaten etwa nicht vorstellbar für Sie? Und darf ein Mensch mit dem Ererbten nicht auch noch was anderes tun, als es nur für die Ewigkeit zu konservieren?
Die Sache mit der „kollektiven Identität“ ist doch die: Sie muss nicht unbedingt deckungsgleich sein mit der individuellen. Es handelt sich eher um so etwas wie eine Schnittmengen. Als Deutscher, etwa, braucht man nicht unbedingt weiß zu sein. Der deutschen Sprache sollte man sich (in der einen oder anderen Form) aber schon bedienen können. Sonst wird es schwierig mit der Partizipation.
Seit mehr als 70 Jahren versuchen „die Deutschen“ angeblich zu verstehen, wer oder was sie waren, sind und/oder sein wollen. Vor 1945 war ihnen das offenbar klar. So klar, es sie gar nicht zu reden brauchten darüber. Nach 1945 war alles anders. So ähnlich scheint das auch den Kanerunern zu gehen. Genauer: Ihrer „Repräsentantin“ Marilyn Douala Manga Bell - nachdem sie von außen entsprechend motiviert wurde.
Nun ist es natürlich immer nett, mit Menschen zu plaudern. Auch darüber, „was unser Erbe ist“. So etwas unterhält nicht nur und lenkt von unangenehmeren Dingen ab, mitunter bildet es auch ungemein. (Manchmal sogar ein, aber das ist ein anderes Thema). Wer redet, denkt. Zumindest manchmal. Und er kommt auf Ideen.
Auf die, etwa, es wäre doch nett, wenn es weniger Missverständnisse gäbe. Und hier tritt die „kollektiven Identität“ auf den Plan. Es ist wohl kein Wunder, dass erst ihr französischer Mann der Prinzessin erklären musste, dass sie eine Identität braucht. Vermisst hat sie sie offenbar nicht bis da hin. Aber als Fremder hätte man halt gern eine Nation gegenüber, die ihre Fettnäpfe kennt und benennen kann. Das schafft Wettbewerbsvorteile. Teilbare. Falls ein Land irgendwie „vorangebracht werden“ muss von Fremden.
zum Beitrag26.08.2021 , 12:38 Uhr
Frage mich grade, ob „Tucho“ „die Griechen“womöglich gespiegelt besser verstanden hätte. Ich meine: Was wäre, wenn alle Freunde wie Verwandte wären? (Wenn man sie einmal hat, hat man sie. Egal, wie schräg sie manchmal drauf sind.)
zum Beitrag26.08.2021 , 12:28 Uhr
Übrigens: Wäre ich ein narzisstischer gestörter Kinderpsychiater, der (persönlichkeits- und überzeugungsbedingt) wenig Erfolg hat in seinem Beruf, würde ich mich wahrscheinlich auch aufs Schreiben solcher „Bestseller“ verlegen. Ich wüsste schließlich, wo ich lebe und wie mein Publikum „tickt“. Es wäre mir nur vollkommen egal, wie viel Schaden ich anrichte, wenn ich seine Schwächen zu Geld auf meinem Konto mache.
zum Beitrag26.08.2021 , 12:15 Uhr
Tja, warum konnte jemand, der Schwarze Pädagogik propagiert, im „neuen Jahrtausend“ eigentlich solchen Erfolg haben, nicht zuletzt unter Medienschaffenden? (Und darf ich eigentlich Schwarze Pädagogik sagen, oder trete ich damit jemandem auf seine*ihre Zehennägel?)
Ich bin zwar kein Psychologe, aber ich finde Psychologie spannend. Ich höre also zu, wenn Psychologen reden, und lese, was sie schreiben. Sie schreiben beispielsweise, dass Menschen sensibel auf „Druck“ reagieren. Er macht sie vielfach entweder aggressiv oder depressiv. Wobei sich Depressionen bei Männern oft in Aggressionen äußern.
Nun wird der gesellschaftliche “Druck“ auf uns alle von Tag zu Tag größer. Das hat mit den Mechanismen der Konkurrenzgesellschaft zu tun, die ihren Siegern ständig neue Rekorde abverlangt und ihre Verlierer immer gnadenloser abstraft für ihr „Scheitern“. Auch Familien sind diesem Druck ausgesetzt. Um so mehr, als auch Mütter mittlerweile für Geld arbeiten. Und zwar für Unternehmen, die glauben, sie müssten alle Menschen wie Männer des 20. Jahrhunderts behandeln - wie Frontsoldaten also. Kinder und ihre Bedürfnisse gelten diesen Unternehmen bestenfalls als notwendiges Übel.
Nachdem auch Eltern Menschen sind, kriegen sie, unter „Druck“ gesetzt, das Gefühl, sie müssten sich prioritär um sich selbst kümmern, notfalls auf Kosten anderer. Leider kommt ihnen dann nicht unbedingt die Auflehnung gegen den Verursacher des Ärgers in den Sinn. (Fürs Kämpfen, glauben sie, haben sie grade überhaupt keine Kapazitäten frei.) Oft geben sie den empfundenen Druck einfach nur an andere weiter. Und wenn sie keine Erwachsenen „führen“ dürfen, bleiben nur Alte, Schwache und Kinder übrig.
In so einer Lage glauben viele von uns sehr gern, dass sie mit „Härte“ Gutes tun können. Und zwar um so lieber, je weniger sie sich sozialisations- und persönlichkeitsbedingt in andere hineinversetzen wollen/können. Und wenn es dann auch noch in schlauen Büchern steht oder im Fernsehen kommt… 🤷
zum Beitrag26.08.2021 , 11:41 Uhr
Ihr ist das Private mal wieder so richtig (welt-)politisch, finde ich.
So, wie der rassistische, segregierende Kolonialstaat Rhodesien sein Image aufpolierte hat mit dem Leistungssport, hat der Leistungssport sein Image mit Leuten wie Margaret Harriman aufpoliert, die nicht nur gesund werden (oder auch bleiben) wollten mit Hilfe des Sports, sondern auf ihre ganz private Extraportion Wahrnehmung und Respekt aus waren.
Auch, wenn Margaret Harriman sich zeitlebens dagegen gewehrt hat - die Welt hat in ihr nicht nur eine Sportlerin gesehen. Sie war vielmehr der lebende Beweis dafür, dass auch eine auf Konkurrenz gebürstete, hierarchisch strukturierte, dem Adelsprinzip verpflichtete Ausschluss-Gesellschaft menschlich sein kann. Zumindest in dem Sinne, dass auch von der Natur oder vom Glück Benachteiligte zu Ruhm und Anerkennung gelangen und aufsteigen können. Zumindest, wenn sie bereit sind, alles dafür zu geben.
Nein, nicht den Wettbewerb selbst haben Menschen wie Margaret Harriman „zutiefst [ge]wandel[t]“. Gewandelt haben sie nur dessen Image. Aus einem durch und durch asozialen Prinzip haben sie ein Prinzip gemacht, das selbst nach der Erfahrung des 2. Weltkrieges als (zumindest partiell) sozial gelten konnte. Im Zusammenspiel mit der Mär von der nationalen Identität hatte und hat dieser Imagewandel böse Folgen für die Zukunft ganzer Kontinente.
Die westlichen Nachkriegsgesellschaften konnten sich mit seiner Hilfe fast 80 Jahre lang einbilden, sie wären nicht nur wirtschaftlich stärker als alle Konkurrenz-Unternehmungen, sondern auch sozial kompetenter - und also nicht gehalten, sich auch nur ansatzweise mit der eigenen ideologischen Grundlage zu befassen.
Der Trugschluss wäre im übrigen nicht so verbreitet gewesen, hätten nicht auch „die Massenmedien“ Matgaret Harrimans Bedürfnis, von „der Welt“ (wie sie nun einmal ist) ge- bzw. erkannt und respektiert zu werden. Seltsam: Haben die tatsächlich alle im Rollstuhl gesessen?
zum Beitrag26.08.2021 , 10:57 Uhr
Hm. Und was hat jemand, der 20 Jahre Afghanistaneinsatz für „völlig umsonst“ hält, daraus gelernt? Jedenfalls nicht, dass Perspektiv-Wechsel hilfreich sein können in Zeiten, in denen mensch dringend verzweifeln möchte an den Zuständen um sich herum.
Erstens: Niemand ist gezwungen, anderen etwas zu unterstellen. Auch nicht als Journalist*in. Tun wir es doch, haben wir immer eine Wahl. Wir können Positives orakeln, eben so gut aber auch Negatives. Dass Angela Merkel gar nichts gelernt hat aus dem Desaster, noch nicht fest. Menschen neigen dazu, eventuellen Erkenntnisse nicht unbedingt jederzeit und überall öffentlich kund zu tun. Als Journalist könnte mensch also unterstellen, dass auch die Kanzlerin mehr weiß als sie verkündet. Genau das tun Journalisten schließlich auch.
Zweitens: Sollte die Bundesregierung tatsächlich nichts gelernt haben aus ihren Fehlern, ist das in einer Demokratie noch nicht das Ende. Menschen können durchaus auch aus fremden Fehlern eigene Schlüsse ziehen. Und nach einer Wahl ist vor einer Wahl, nach einem Militäreinsatz ist vor einem… oder auch nicht.
Drittens: 20 Jahre frische Luft sind für manche eine Katastrophe, für andere aber ein Gewinn. 20 Jahre Schulbildung müssen nicht spurlos vorbei gegangen sein an den Köpfen junger Afghanen. Wissen und Erfahrungen können bleiben und Weltbilder prägen, auch in Zeiten, in denen das Rad scheinbar rückwärts rollt. Eine Zukunft unter einer Taliban-Regierung sieht womöglich anders aus nach 20 Jahren westlicher „Mission“, als eine Zukunft ohne „Missionare“ ausgesehen hätte. (Dass sie in jedem Fall besser ist, ist damit noch nicht gesagt.)
Dass Feigheit das Ansehen verbessert, ist im Übrigen widerlegt. Eine Kanzlerin, die so tut, als hätte sie in 16 Regierungsjahren keine Zeit gehabt nachzudenken über den Sinn deutschen Regierungshandelns, sieht sie jedenfalls noch alberner aus als eine, die durchblicken lässt, dass sie aus eigenen Fehlern gelernt hat - aber eben auch konservativer.
zum Beitrag25.08.2021 , 14:30 Uhr
Hätte mich mal interessiert, welche „Lehren“ der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. Andre Wüstner, gezogen sehen möchte durch „die Politik“. Ob dem Mann wohl jemals der Gedanke gekommen ist, diese Rettungsaktion würde womöglich gar keine „Rückendeckung“ brauchen von Seiten des US-Militärs, wenn deutsche Politiker nicht genau so vertrauensselig gewesen wären wie ihre afghanischen Helfer?
Ich meine: In Marsch gesetzt sind Leute schnell. In Sicherheit gebracht offenbar nicht. Es wäre also vielleicht schon die halbe Verantwortung, nicht jedem Wunsch von Seiten seiner Lieblingsanführer schnellstmöglich und so devot wie vorstellbar zu entsprechen, gern in vorauseilendem Gehorsam. Das „letzte Mittel“ sollte wirklich erst dann eingesetzt werden, wenn alle anderen gut sichtbar versagt haben, keine Minute früher. Aber schon klar: Es wird auch keiner der vielen nichtmilitärischen Verantwortungsträger gern öffentlich zugeben, dass er versagt hat als Lenker und Leiter.
Derartige Gedanke liegt einem Bundeswehrverbandschef aber womöglich nicht unbedingt hautnah. Sehr viel näher liegt ihm vielleicht der Gedanke, „die Politik“ bräuchte der Armee nur mehr Geld und mehr freie Hand zu geben, wenn sie solche Probleme wie die aktuellen künftig vermeiden will. Militärs haben ja mitunter das Gefühl, viel (mehr) würde viel (mehr) helfen. Und zwar unabhängig davon, ob es überhaupt sinnvoll ist.
Dass Wüstner (lustiger Name übrigens für einen Militär) betont, „dass Deutschland und die Europäer kaum handlungsfähig“ sind, lässt jedenfalls nicht Gutes ahnen. Es klingt eher nach Großmachtambitionen und Lust am Verheizen fremder Mütter Söhne (und Töchter). Bitte, liebe Politik, stecke dir vorsichtshalber mal Wachs in die geröteten Ohren, wenn dieser Mensch mal wieder auf der Matte steht und mit dir reden will.
zum Beitrag25.08.2021 , 13:53 Uhr
Zitat: „Es liegt nun an jedem von uns, den Regierenden klarzumachen, dass wir repräsentative Demokratie nicht so verstehen, dass man in unserem Namen Menschen in Kriegsgebieten zurücklässt.“
Na, da bin ich ja mal gespannt! Den Regierenden klar zumachen, dass „wir“ repräsentative Demokratie nicht so verstehen, dass man in unserem Namen Menschen in Kriegsgebiete entsenden bzw. abschieben kann, ist „uns“ ja auch schon ganz prima gelungen, richtig?
zum Beitrag25.08.2021 , 12:11 Uhr
Zitat: „Das führt dazu, dass Länder wie Mecklenburg-Vorpommern die Bundesmittel fast komplett in die Beitragsfreiheit stecken, während der Personalschlüssel in den Kitas extrem schlecht bleibt.“
An der Stelle, schätze ich, rächt es sich, dass die Bundesregierung nie ernsthaft das Ziel der Lohn-und Preisangleichung zwischen Ost und West verfolgt hat. Die Lebenswirklichkeiten unterscheiden sich schon noch erheblich.
Die wenigsten Menschen geben ihre noch im Halbschlaf steckenden Kinder zum Spaß in fremde Hände. Im Osten müssen allerdings noch öfter als im Westen beide Eltern Vollzeit arbeiten, weil ein Vollzeit-Gehalt zum Leben einfach nicht genügt. Und selbst dann fällt es vielen Eltern schwer, über Jahre hinweg dreistellige Beiträge zu bezahlen.
Den Landesregierungen zu unterstellen, sie würden mit ihren Entscheidungen Wählerstimmen kaufen wollen, ist in sofern ziemlich billig. Würde „die Wirtschaft“ die Ost-Bundesländer nicht nur als Billiglohn-Sektor und Absatzmarkt ansehen, sondern in gut bezahlte Jobs investieren dort, hätten es Politiker womöglich nicht so dringend nötig, die finanziellen Bedürfnisse ihrer Wählerinnen zu beachten. Sie könnten dann mehr Wert auf Qualität legen.
Leider geht auch im Osten immer noch Quantität vor Qualität. Überhaupt einen Betreuungsplatz zu bekommen, ist auch da wichtiger, als die Sicherheit, dass nichts passieren kann. Kann vielleicht gut gehen mit dem Kind in der Krippe. Mit nur einem Mini-Gehalt geht es aber ganz sicher nicht gut.
zum Beitrag25.08.2021 , 11:41 Uhr
Oh! Jetzt bin ich aber motiviert!
Unter der Unmündigkeits-Keule ging es wohl nicht, werte*r HEDELE? Schade eigentlich. Aber davon, dass Sie in der taz angeben mit ihrer technischen Kompetenz wie eine Horde nackter Affen, wird meine eigene leider nicht größer. Es wächst nur meine Abneigung gegen eine Technik, der zu dienen ich im Grunde keine Zeit habe. Meine Waschmaschine möchte ich ja auch nicht zum Backofen umbauen, nur weil ich dann keinen Backofen kaufen und mich also nicht in Abhängigkeit von einem Backofen-Hersteller begeben brauche.
„Die Wirtschaft“ westlicher Gesellschaften hat dafür gesorgt, dass ihre Kunden 24/7 abhängig sind von ihren Produkten und Dienstleistungen. Dass ausgerechnet die Rechentechnik den Gesetzen der Marktwirtschaft entzogen werden kann, ist eine unhaltbare Behauptung. Was immer Erfolg hat, wird einverleibt in die „Wertschöpfungs“-Kette. Wären wir also alle so clever wie Sie und hätten wir alle genau so viel Zeit (wohl dem, der Recht studiert hat, als Investition rechnet sich das offenbar), wäre Linux schon lange kein Nischenprodukt mehr, sondern in Dienst gestellt von Microsoft und/oder Apple. Zu deren Bedingungen und zu deren Nutzen. Dann wäre die ganze Mühe umsonst gewesen.
Sie müssen also entschuldigen, werte*r HEDELE, wenn mir andere Investitionen irgendwie vernünftiger erscheinen. Ich muss schließlich aus MEINEN Talenten was machen und nicht aus Ihren.
Übrigens: Wenn mich die Technikverliebten all zu sehr nerven, kann ich mich immer noch auf meine „Kernkompetenzen“ verlassen - und auf den „menschlichen Faktor“ im „System“. Zumindest, wenn ich den ersten und überraschenden Angriff halbwegs heil überstehe. Dann bleibt mir die Chance, einfach abzuschalten. Schließlich versuchen gewisse Leute seit 20 Jahren mit beizubringen, dass es ganz ohne Kommunikation auch geht. Vielleicht glaube ich denen ja doch irgendwann…
zum Beitrag25.08.2021 , 11:07 Uhr
Kann mir nicht vorstellen, dass sich „weite Teile der Redaktion verunsichern“ lassen. Die wichtigste Führungsqualität ist die, alle anderen für blöd halten zu können.
Eins ist allerdings richtig beobachtet worden von Isolde Charim: Es gibt tatsächlich „einen Grundstock an sozialer Wut, an gesellschaftlichem Unbehagen, an Ablehnung, an Misstrauen. Einen Grundstock, der sich immer wieder, an den unterschiedlichsten Begebenheiten, entzünden kann. Und dies ist keineswegs auf Frankreich beschränkt.“ Ist ja auch kaum noch irgendwo zu übersehen. Wie es wohl kommt?
Ansteckung? Eher nicht. Das brütet jeder Staat (relativ) eigenständig aus, wenn auch auf einheitlicher Grundlage.
Der Staat (wer immer das im Einzelnen auch ist) bekämpft die „Indienstnahme der Vernunft durch die Unvernunft“ zwar auf der Straße mit aller Gewalt. (Zumindest will er uns das glauben machen). Im Parament, in Ministerien und überhaupt überall "oben" aber toleriert er sie nicht nur, er fördert sie mit aller Macht.
Zuletzt sind etwa im Zusammenhang mit Corona und dem Truppenabzug aus Afghanistan „Mitteln der Aufklärung“ zu „Mittel[n] der Gegenaufklärung“ mutiert. Die Aufklärung muss dienen, genau wie ein Soldat oder 'ne Krankenschwester. Zu melden hat sie dabei nichts. Es muss ja schließlich fix gehen, da darf nicht lange nachgedacht und/oder abgewogen werden. Da ist action gefragt. Und nachher ist auch keine Zeit. Dann müssen Trümmer weggeräumt und Tote begraben werden.
Die taz trägt diese "klassische" Staatsführung viel zu oft mit für meinen Geschmack. Etwas Genörgel hier oder da, mehr ist nicht drin mit Blick auf die Ressourcen und die Konkurrenz. Und Opa Winfried K. aus S. darf auch nicht irren. Er muss ja schließlich weiter Hoffnung stiften. Darauf, dass Macht, am liebsten Allmacht, die Welt rettet, wenn sie nur in den richtigen Händen liegt. Was sollte man denn anfangen mit dem schwindenden Rest seines Lebens, wenn das lange verfolgte Ziel plötzlich kein lohnendes Ziel mehr ist?
zum Beitrag25.08.2021 , 10:19 Uhr
Das holpert ganz schön. Nicht nur in Sachen Rhythmus.
zum Beitrag25.08.2021 , 10:15 Uhr
Zitat: „Doch letztlich können die Evakuierungen – jetzt oder später – die politischen Fehlentscheidungen im Vorfeld des Abzugs und seines Ablaufes nur begrenzt korrigieren. Die politischen Verantwortlichen müssen deshalb für die Fehler zur Rechenschaft gezogen werden.“
Da fehlt ein „t“. Im Wort „müssen“, meine ich. Es muss heißen: „Die […] Verantwortlichen MÜSSTEN zur […] Rechenschaft gezogen werden.“ Aber wer sollte das tun? Und auf welcher Grundlage?
Davon mal abgesehen, wissen die Verantwortlichen natürlich selbst nur zu gut, was sie verdient hätten, wenn es schon so was wie eine Rechenschaftspflicht gäbe. Sie hätten sonst nicht umgehend versucht, die Verantwortung für ihre Fehlentscheidungen zu delegieren.
„Wir hätten nicht erwartet“, haben sie ausrichten lassen, „dass die afghanische Armee so einfach aufgibt“. Soll heißen: So was passiert doch jedem mal. Ständig eigentlich. Fehleinschätzungen sind etwas völlig normales. Etwas, wofür man schon bestraft genug ist, auch wenn man nicht von anderen bestraft wird.“
Mag sein. Nur: Normalerweise übernehmen Menschen Verantwortung für das eigene Handeln bzw. das der eigenen Kinder. Sie entscheiden, so weit sie sehen können, und verlassen sich nicht blind auf die, denen sie Befehle erteilen dürfen. Auch das ist riskant, sicher. Man überblickt nicht immer alle Zusammenhänge, hat selten alle nötigen Informationen.
Sogenannte Führungskräfte aber maßen sich darüber hinaus an, Verantwortung zu übernehmen für das Handeln Erwachsener, die sie noch nie getroffen haben. Und zwar in der seltsamen Annahme, die müssten zwingend richtig handeln, wenn ihre Auftraggeber das fordern von ihnen. Und zwar selbst dann noch, wenn die erteilten Befehle dumm waren. Das ist nicht riskant. Das ist Wahnsinn.
So etwas kann nicht funktionieren. Schon gar nicht, wenn die Untertanen zwar aussehen wie Erwachsene, sich aber doch nur an den Führern orientieren und über Verantwortung mehr reden, als verantwortlich zu handeln.
zum Beitrag25.08.2021 , 09:14 Uhr
Ein derartiges Verfahren – auch das muss man hier deutlich sagen – wendet keine andere Nation in Afghanistan an.
Tja, lieber Josef Oster, dann hat wohl keine Nation mehr aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts gelernt, als die deutsche. Und selbst die tut sich in Teilen schwer mit dem Begreifen. Sogar dann, wenn sie sich selbst eine christliche und demokratische Identität gibt, Josef und dann auch noch Oster heißt.
zum Beitrag24.08.2021 , 13:55 Uhr
Zitat: „Wir können nicht schimpfen, dass wir konservative Mehrheiten haben und uns dann weigern, in die Strukturen zu gehen, um sie zu verändern.“
Ach nein? Können wir nicht?
Seltsam! Wenn ich jemanden, der in der Bundesrepublik sozialisier wurde, erzähle, dass ich mit 18 mal in die SED eingetreten bin, weil ich geglaubt habe, dass Politik sich nur von innen her verändern lässt, werde ich bestenfalls als naiv abgetan. Auch von Leuten aus dem „rot-grünen Spektrum“. Die Grünen in meiner Heimatstadt wollten nach der Wende jedenfalls nichts wissen von mir und einer Mitarbeit. Für sie war ich als (Zitat) „Altlast“ einfach nicht tragbar. Das wussten die lokalen Vertreter*innen der Partei, ohne auch nur gesprochen zu haben mit mir.
Jetzt stellt die taz mir eine zugewanderte Person als Rolemodel vor, die versucht, was ich versucht habe. Ich wette, wenn sie es für nötig halten würden mir zu erklären, wie es zu dieser Ungleichbehandlung kommt, würden mir die taz-Macher antworten: Die Grünen sind nicht die SED und die Bundesrepublik ist keine Diktatur. Die Entschiedenheit, mit der sie das vortragen würden, käme bei mir allerdings schlecht an.
„Die Partei“, schließlich, gibt es nicht. Es gab sie auch nicht in der DDR. Die Parteigruppe an einer kleinen Hochschule mit großem Namen konnte einen ganz andern Sozialismus anstreben als eine in einem großen staatlichen Exportbetrieb. Sie hatte schlicht andere Mitglieder.
Nichts gegen junge, engagierte Nachwuchspolitiker also. Auch ein Zusammenbruch will langfristig vorbereitet werden. Und zwar von möglichst vielen (Sterbe-)Helfern. Die SED war 1989 nicht mehr die Partei, die sie 1960 war. Auch einem Großteil ihrer Mitglieder war der Glaube daran, dass die DDR so, wie sie war, noch eine Zukunft hat, verlorengegangene. Nicht ausgeschlossen also, dass Aminata Touré eines Tages erkennt, wie konservativ auch Bündnis 90/die Grünen sind. Vielleicht steht sie dann auch wieder da, wo ich heute stehe. Nur halt nicht in der taz.
zum Beitrag23.08.2021 , 17:21 Uhr
Wie jetzt? Freuen Sie sich, dass diese Kolumne die letzte sein soll, oder freuen Sie sich über den Appell? 🤔
Mir persönlich gefällt die Idee, dass der Tod etwas ist, was alle Menschen gemeinsam haben. Er nimmt der „größtmögliche Kränkung“ viel von ihrem Gift, dem „ultimative[n] Super-GAU“ viel von seinem Schrecken. Aber ich habe natürlich auch ziemlich leicht reden. Ich bin nicht darauf abgerichtet worden, mein Ego in die Welt zu rotzen als einzige große Herausforderung an den Rest der Menschheit (oder doch wenigstens an meine unmittelbare Umgebung). Und wenn sie mich trotzdem als solche empfindet, dann ist das nicht mein Problem, sondern ihrs.
Für mich ist es gut wenn ich weiß: Auch ich werde mal sterben. Genau wie jeder Mensch vor mir und wie alle danach. Denn all die, die ich mag und die vor mir gehen müssen, werde ich schmerzlich vermissen für den Rest meines Lebens, auch wenn ich ihr Bild bei mir habe. Nicht mein Tod macht mir Angst, sondern der meiner Lieben. Uns dass andere fühlen wie ich, kann, will und darf ich nur zu gut verstehen. Wenn es etwas an unsere Welt gibt, was gut ist derzeit, dann ist es genau das.
zum Beitrag23.08.2021 , 16:57 Uhr
Die Lebenserwartung steigt, ja. Aber die Anforderungen der Arbeit-„Geber“ an die Beschäftigten steigen schneller.
Den Job, den ich vor 20 Jahren gemacht habe, kann ich heute nicht mehr machen. Nicht, weil ich nicht mehr leistungsfähig genug wäre, sondern weil es den Job nicht mehr gibt. Ich arbeite noch immer auf der selben Stelle wie vor fünfundzwanzig Jahren, nur hätte ich schon vor zehn Jahren aufhören müssen, wenn der Job damals schon der von heute gewesen wäre.
Man könnte also zur Abwechslung mal versuchen, die Daumenschrauben aus Komplexität, körperlicher Belastung und Fremdbestimmung nicht immer weiter anzuziehen, und den Beschäftigten statt dessen mehr Zeit für ihre Erholung zu geben - wenn das nicht den privaten Gewinn Weniger schmälern würde. Wenn das dann auch noch bei vollem Lohnausgleich passieren würde, könnten die Leute vielleicht tatsächlich länger arbeiten und entsprechend viel in die Rentenkasse einzahlen, ohne dabei total die Lust zu verlieren und all zu viel Bockmist zu verzapfen.
Das gilt natürlich auch für Berufspolitiker, Arbeitgeber-, Bank- und andere Präsidenten. Die leiden nämlich offenbar ganz besonders unter professionellen Deformationen. Was man schon daran erkennt, dass die der Überzeugung sind: „Besser als mir darf es niemandem gehen. Das wäre sonst zu ungerecht.“
zum Beitrag23.08.2021 , 13:44 Uhr
Ich glaube, wenn ich jeden Tag so einen Text zu lesen kriegen würde (natürlich nicht jeden Tag den selben), würde ich mir durchaus zutrauen, meine Depression auch ohne Kirchgang in den Griff zu kriegen. 😅
Leider zählt dieser Glaube nicht als geldwerte wissenschaftliche Leistung. Ich habe nämlich keine Statistik über entsprechende Korrelationen erst angefertigt und dann auch noch (gegen Bares) in einem einschlägig renommierten Blatt veröffentlicht. Außerdem genügt eine Studie mit nur einem Teilnehmer wissenschaftlichen Mindestanforderungen in kleinster Weise. Auch in der Wissenschaft gilt: Nur dem, der hat, wird noch gegeben. Sieht also aus, als müsste ich auf Sicherheiten aller Art erst mal verzichten. 🤷
Wobei: Eines steht wohl fest, und zwar auch ohne wissenschaftlichen Beweis: Wer länger lebt, ist später tot. Er kann also auch länger herzlich lachen. Manchmal sogar zuletzt. Wenn das kein Grund ist, seiner Depression den Stinkefinger hinzuhalten, wenn sie sich wieder mal kess auf der Deckung traut, dann weiß ich auch nicht…
zum Beitrag23.08.2021 , 13:28 Uhr
Ups! So schnell kann‘s gehen! 🙈
Also weiter im Text: Es genügt nicht, wollte ich sagen, denen, die an der Basis arbeiten sollen, einen Befehl zu geben. Menschen müssen nicht nur dürfen, sondern auch wollen und können. Und wo eine Mentalität der Selbstermächtigung und Selbstbereicherung auf eine moralisch ungenügend gefestigte Mangelwirtschaft trifft, nützen wohlfeile Sonntagsreden gar nichts. Ohne ein an der Basis verankertes egalitäres Recht können die besten Richter nicht vernünftig Recht sprechen. Und ohne gut ausgebildetes, auskömmlich bezahltes und moralisch gefestigtes Verwaltungspersonal kann nicht einmal der Mangel ordentlich verwaltet werden.
Wer in der DDR gelebt hat, sollte das wissen. Ob Deutschland unter Angela Merkel auch teilgenommen hätte an der „Mission“ in Afghanistan, kann niemand wissen. Dass es Gerhard Schröder und Joseph Martin (Joschka) Fischer nicht all zu schwer gefallen ist, dem Ruf der USA zu folgen mit jeweils eigenen (auch nichtmilitärischen) Truppen, steht allerdings fest.
zum Beitrag23.08.2021 , 11:54 Uhr
Zitat: „Die 50er-Inzidenz im Gesetz, die hat ausgedient“
Hm. Was olle Goethe wohl dazu gesagt hätte? Vielleicht was in der Art: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“
zum Beitrag23.08.2021 , 11:29 Uhr
Zitat: „Ihre einzige Hoffnung besteht nun in der internationalen Gemeinschaft. Dafür müssen die Taliban international massiv unter Druck gesetzt werden, denn sie gefährden nicht nur das afghanische Volk, sondern auch die globale Sicherheit.“
Ach? Und was war das, was „der Westen“ in den letzten 20 Jahren gemacht hat mit den Taliban? Knuddeln und kuscheln?
Wer sich auf Leute verlässt, die sich ausschließlich um den Erhalt ihres auf der Angst anderer basierenden „Respekts“ kümmern, der ist im Ernstfall ziemlich verlassen. Und nach Gewalt rufen fast immer nur die, die ihren Hintern rechtzeitig in Sicherheit gebracht haben davor - und die deswegen ihr schlechtes Gewissen plagt.
Dass Druck (das verharmlosende Wort für Gewalt) ihre „einzige Hoffnung“ ist, wurde „den Afghanen“ jetzt lange genug erzählt, finde ich. Wenn sich die Erzählungen des Westens (who the fuck…?) nicht sehr bald ändern, wird „den Afghanen“ (sofern sie nicht das Glück hatten ausgeflogen zu werden und dauerhaft außerhalb Afghanistans bleiben zu dürfen) bald gar nichts anderes mehr übrig bleiben, als ihre Hoffnungen auf „die Chinesen“ und „die Russen“ zu setzen. Und die werden ihre Tür ganz sicher nicht zusperren. Die werden ihre Chance nutzen. Schon, weil auch sie von Leuten regiert werden, die ideologisch ähnlich verbohrt und (fast) so kritik- und kompromissunfähig sind wie die Taliban, nur etwas moderner angestrichen.
„Den Afghanen“ ist nicht geholfen, wenn sie auf „die Chinesen“ oder „die Russen“ hoffen. Den Anführern Chinas und Russlands aber allemal. Seine Soldaten haben „dem Westen“ jetzt 20 Jahre Zeit verschafft, den Afghanen zuzuhören und bei der Lösung der Probleme zu helfen, die die selbst bewältigen wollten. Die teuer erkaufte Zeit wurde vertan mit Selbstbeweihräucherung und dem Versuch, ein Marionettensysthem zu etablieren, von dem man zu profitieren gedachte. Funktioniert hat dieser Plan nicht. Es bleibt die Schuldfrage. Und die war beantwortet, bevor sie überhaupt gestellt war.
zum Beitrag21.08.2021 , 08:23 Uhr
Sachlich, faktenbasiert und nicht urteilend - so wünsche ich mir Journalismus.
Journalist*innen sollten Engagement nicht mit Meinungsstärke verwechseln. Urteilen wollen die Leser*innen schließlich selber. Aber sie sind dafür auf informationen angewiesen, und die können Journalist*innen ihnen liefern. Sogar gesiebt.
Klar, Informationen kosten und Ausgaben verringern (betriebswirtschaftlich gedacht) den Gewinn. Sie stehen Einnahmen gegenüber, die womöglich erst mal sinken, wenn Lesende nicht das Gefühl haben, dass Schreibende genau so fühlen wie sie selbst.
Aber auf Dauer werden Menschen auf diesem Planeten nur überleben, wenn sie mehrheitlich richtig entscheiden. Und dafür brauchen sie nicht nur ihren Bauch, sondern auch ihren Kopf. Der muss ihnen sagen, wo sie hin wollen und warum, dann hört der Bauch von selber auf zu grummeln. Er muss dann nämlich mitarbeiten.
Also Mut, liebe taz-ler, traut eurer Kundschaft etwas zu! Schließlich wollt ihr ja, dass sie euch auch etwas zutrauen. Vertrauen gegen Vertrauen - wär das ein interessanter Deal für euch? Oder ist euch diese Einstellung am Ende doch zu egalitär? Fragt ihr euch, wo dann euer Distinktionsgewinn bleibt?
Nur, wenn ihr es schafft, eure Kundschaft als gleichwertige Partner*innen in einem System zu sehen, das im Gleichgewicht bleiben muss und nicht nach einer Seite hin kippen darf, könnt ihr erwarten, dass sie an euch glauben. Nur dann besteht die Chance, dass ihr so wirkt, als wüsstet ihr (vielleicht), wo es in Richtung lebenswerte Zukunft geht. Weil ihr viel länger und viel weiter sehen könnt als andere. Dann erst werden Lesende da hin aufbrechen, wohin ihr mit dem Finger zeigt. Vielleicht.
Wenn alle nur den Weg Richtung Apokalypse weisen, glaubt am Ende womöglich gar niemand mehr, dass es einen anderen Weg überhaupt gibt, nicht einmal ihr selber. Davon, dass der alternative Weg tatsächlich begehbar aussehen sollte, hab ich da noch gar nicht angefangen. So wird das nichts. Ganz sicher nicht.
zum Beitrag21.08.2021 , 07:51 Uhr
Zitat: „Möglich, dass jetzt auch die Zuschauer*innen diese Art von dreistem Unfug und arroganter Selbstgefälligkeit nicht mehr verdrängt kriegen.“
Schon möglich. Aber die Wahrscheinlichkeit liegt (gefühlt) bei 0,001.
Der Mensch ist Rekordmeister im Verdrängen. Und es wird ihm ja auch leicht gemacht. Auch von den Medien. Deren Wahrnehmung ist nicht weniger selektive als die ihrer Kundschaft. Was nicht ins Quartalsergebnisse passt, wird tapfer ignoriert. Risiken manifestieren sich schließlich auch nicht mit 100% Wahrscheinlichkeit in der Realität. Mensch darf also bis zuletzt hoffen, dass der Kelch an ihm vorübergeht.
In sofern ist es bemerkenswert, dass ausgerechnet die Spieler des als besonders katholisch geltenden Köln alle geimpft sein sollen. Wobei die ja nicht alle Kölner sein müssen heutzutage. Sieht aus, als hätte es auch Vorteile, Söldner kämpfen zu lassen. Aber das nur nebenbei.
Mit dieser Impfung sind jedenfalls nicht nur Chancen verbunden für die Spieler. Sie müssen weder Querdenker noch faul oder desinteressiert sein um zu wissen: Wer nicht genau zur richtigen Zeit seine eigene Bestleistung abliefern kann, ist ganz schnell mal 1 Millionen Euro weniger wert. Und manche Leute sind nich ihrer Impfung ja für ein paar Tage unpässlich.
Bei der Risikoabwägung mögen solche Überlegungen eine Rolle spielen. Nicht bei jedem und auch nicht unbedingt immer bewusst. Aber was interessiert es einen echten Fan, welche Probleme seine Idole heimlich wälzen? Er interessiert sich eher für sein Hobby. Und wenn es nicht der Fußball ist, dann sind es halt die Kinder. Wobei - Hobby? Kinder in der Pandemie…?
zum Beitrag21.08.2021 , 07:32 Uhr
Traurig, wenn es beim Impfen mehr ums Geld als um die Gesundheit geht. Dann wird „sowohl als auch“ nämlich schwer. Weil keiner dem anderen ein Geld gönnt, für das er selbst eine Verwendung hätte.
Außerdem leidet die Impfbereitschaft. Für viel Geld, das wissen die meisten Menschen aus eigner Erfahrung (sie würden es ja ähnlich halten, wenn die die Chance bekämen), riskieren Menschen gerne schon mal Leben und Gesundheit anderer. Und je mehr Geld im Spiel ist, um so größer ist die Risikofreude. Vor allem, wenn sie nicht staatlich gebremst wird.
An der Stelle ist sehr gut zu beobachten, dass ein privatwirtschaftlich organisiertes, auf persönlichen Gewinn gebürstetes Gesundheitswesen im Grunde keins sein kann. Ich bin gespannt, wie viele Pandemien es noch braucht, damit die Mehrheit aller Wähler und wenigstens ein kleiner Teil der Politiker das kapieren. Jetzt meine ich, wo (sehr hoch bezuschusstes) privatwirtschaftliches Engagement der Welt mal wieder in Rekordzeit zu wirksamen Impfstoffen verholfen hat…
zum Beitrag20.08.2021 , 12:57 Uhr
Danke. An beide Herren. Schon schön, irgendwie, wenn eins nicht selbst saufen muss, sondern den anderen beim Saufen zuhören darf. Vor allem, wenn sich der Magen zwar wehrt gegen den Alk, das Hirn aber danach verlangt.
zum Beitrag20.08.2021 , 12:45 Uhr
Wieso? Haben sie Rio Reiser denn nicht „kaputt“ gekriegt, all die Besserwisser und Möchtegernsieger?
Könnte es sein, dass auch anderer Mütter Söhne und Töchter Wunschträume haben - und das ein Problem ist? Sollten wir vielleicht zur Abwechslung mal wieder alle miteinander die Kunst kultivieren, rechtzeitig aufzuwachen, wenn unsere Träume all zu martialisch werden? Oder ist das den in ihrer Männlichkeit gekränkten Helden jeglichen Geschlechts einfach nicht zuzumuten angesichts des traurigen Zustands unserer (teil-)aufgeklärten und bestens (über-)informierten Welt?
zum Beitrag20.08.2021 , 12:19 Uhr
Zitat: „Dabei darf es nicht bleiben. Nicht nach dem Tod von zehn Menschen.“
Es ist noch keine drei Generationen her, da sind (ganz grob geschätzt) 13 Millionen Menschen gestorben durch rechten Terror. die gefallenen Soldaten noch nicht eingerechnet. Und? Was hat sich getan daraufhin?
Gut, es hat ein paar wirklich „starke“ Urteile gegeben (und sehr viele verbale Erklärungen/Beteuerungen). Bis heute werden (inzwischen greise) Einzeltäter abgeurteilt, damit sich die übrige Gesellschaft mit jedem neuen Urteil zufrieden auf die Schultern/Schenkel klopfen und sich der finalen Aufarbeitung ihrer Geschichte ein Stück näher gekommen fühlen kann. Irgendwann, so eine beliebte Vorstellung, kann dann mal Schluss sein mit dem Nachdenken über das Grauen und die Unmenschlichkeit. Vor allem aber kann Schluss sein mit sinnlosen Schuldzuweisungen an Leute, die noch gar nicht geboren waren 1945. Denn Schuld ist ja vor allem eins in einem Rechtsstaat: sehr individuell.
Auch dieses Urteil, denke ich, löst wieder viel zu viele positive Empfindungen aus, als dass es Zweifel an seiner Richtigkeit aufkommen lassen könnte. Und wie das nun mal ist, wenn Freude Menschen in einer Art Rausch vereint: sie schauen mehr nicht so genau hin. Wer freut sich mit einem und wieso? Ist der beschwipste Saufkumpan wirklich sympathisch? Und ist das nicht letztlich auch völlig egal? Schließlich: Schon morgen hat die Realität einen zurück. Und die ist leider nicht wirklich erfreulich. Sie ist auch kein Grund zum Feiern. Sie ist anstrengend, ärgerlich und im Grunde nur besoffen zu ertragen. Es darf also nicht nur bleiben bei diesem für alle (außer Frau Zschäpe) erfreulichen Urteil. Es muss sogar. Schon im (gefühlten) Interesse aller (Anti-)Faschisten.
zum Beitrag20.08.2021 , 11:31 Uhr
Sind Sie sicher, werte Laura Mench, dass Sie dieses Interview nicht doch geführt haben mit dem leibhaftigen Jens Spahn? 😅👍
Womöglich genügt es ja doch nicht als Qualifikation für den Posten des Gesundheits-Ministers (oder ein anderes Amt), (vergleichsweise) jung, weiblich, Schwarz, schwul, behindert oder (e-)migriert zu sein. Das Alter, das Geschlecht, die Hautfarbe, die sexuelle Orientierung, die Herkunft und andere spezifische Persönlichkeitsmerkmale dürfen kein Grund sein, Menschen zu diskriminieren, das ist wohl wahr. Aber sind sie ein hinreichender Grund, Personen zu privilegieren? Wenn ich Jens Spahn und andere so agieren sehe, denke ich: Wohl eher nicht.
Ich persönlich fände es besser, wenn gewisse Wahl-Entscheidungen auf einer belastbareren Grundlage getroffen werden könnten. Aber das ist natürlich ein sehr frommer Wunsch. Halbwegs kennenlernen können Menschen einander schließlich nicht während eines zweimonatigen Wahlkampfes oder im Rahmen medialer Sonntags-Präsentationen. Und was soll mensch schon tun, wenn ihm sein schweres (Minister-)Amt und andere Verpflichtungen keinerlei Zeit lassen für den Kontakt zu jenen, in deren Namen er/sie/es entscheiden darf, sondern allenfalls für einen (monetär untersetzten) Plausch mit einem Heer von speichelleckenden Lobbyisten? 🤷
Aber mal ganz nebenbei: Sitzen wir an der Stelle nicht alle im selben Boot? Unsere Zeit ist Geld (wert) und Geld ist immer knapp, egal, wie viel mensch davon hat. Wir müssen also Prioritäten setzen, ob wir nun Vorstandsvorsitzender, Minister, Beamter, angestellte Teilzeit-Mutter, 365-Euro Jobber mit drei Stellen oder Arbeitsloser mit Depressionen sind. Wohl dem, der sich die Wahlentscheidung nicht unnötig erschwert durch grundsätzliche Überlegungen, richtig?
zum Beitrag20.08.2021 , 10:57 Uhr
Ja, ich denke schon, dass das sein muss, auch wenn es sensiblen Gemütern vielleicht nicht behagt.
Die Frage, was ein Mensch von seinen Mitmenschen erwarten darf und was nicht, ist die Grundfrage aller modernen Konflikte. Es geht dabei unter anderem um Selbst(vor)sorge und die Frage, welche Menschenpflichten es geben muss, wenn es tatsächlich Menschenrechte geben soll. Und ehe Sie fragen: Nein: Philosophie ist nichts, was nur in Gelehrtenstuben interessieren sollte. Eine geteilte Moral ist die Basis allen menschlichen Zusammenlebens und jeder positiven Entwicklung. Ohne sie ist kein Vertrauens-Vorschuss möglich und keine Fehler-Korrektur.
Sich global auf Rechte zu einigen, die nur auf dem Papier stehen, weil sie nicht gleichzeitig an Pflichten gekoppelt sind, ist unter den gegebenen Bedingungen nicht einfach nur albern. Es ist extrem kontraproduktiv. Denn es führt nur zu noch mehr Enttäuschung und Frustration als die Erkenntnis, dass das „Ende der Geschichte“ womöglich doch noch nicht gekommen ist und sich niemand zu selbstgefällig zurücklehnen sollte. Der Westen nicht, seine Unterstützer nicht und auch nicht seine Gegner. Sagen Sie bitte, werte*r WURSTPROFESSOR: Was ist wichtiger: Ihr persönliches Wohlbefinden oder die Chance der Menschheit, aus tödlichen Fehlern zu lernen?
Nun ja. Ich mache mir wenig Illusionen in Bezug auf Ihre Antwort. Aber gefragt haben wollte ich doch wenigstens.
zum Beitrag20.08.2021 , 10:39 Uhr
Zitat: „Wer hätte gedacht, dass die Maxime von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland zu Afghanistanflüchtlingen ziemlich genau die Position der EU und ihrer Regierungen wiedergibt.“
Gegenfrage: Wen überrascht das?
Auch in Europa wird das politische Rad kräftig zurückgedreht derzeit. Das aber wäre vollkommen unmöglich, wenn die Bevölkerung in Europa (wenigstens mehrheitlich) das wäre, wofür sie sich selbst hält: menschlich, offen und modern. Wir Europäer leben schließlich in Demokratien, nicht in Kalifaten.
Gauland und die AfD sind nur Symptome einer Krankheit, die unter der dünnen humanitären Haut nie ganz ausgeheilt ist. Wenn man so will, ist das moralische Immunsystem „des Westens“ nie stark genug gewesen, um mit den Erregern der Unmenschlichkeit fertig zu werden, die zuletzt dreimal in 110 Jahren fast in die finale Katastrophe geführt hätten.
Als Doppelsieger der Geschichte haben Länder wie die USA, England, Frankreich und Russland bis heute keine Veranlassung gesehen, über sich selbst nachzudenken. Und die Verlierer (allen voran Deutschland) wollten sich erst recht nicht befassen mit der Vergangenheit und ihren Ursachen. Man setzt materiellen Erfolg mit moralischer Überlegenheit gleich und orientiert sich bis heute an denen, die militärisch stärker waren.
Nein, „das“ ist ist keineswegs „neu“: Europa hat sich seine Lieblingsuntertanen immer schon selbst ausgesucht. Es hatte die Macht dazu und hat nie kapiert, dass und wieso es darauf verzichten sollte. Als Resultat zweier Weltkriege war das Asylrecht von Anfang an ein Dorn im Auge derer, die Loyalität konkreten eigenen (nicht europäischen!) Interessen gegenüber höher wichten als das abstrakte Menschenrecht auf Leben und Zukunftschancen anderer.
Der Jäger und Viehzüchter des Neolithikums steckt offenbar ziemlich tief drin im technisch hypermodernen Menschen. So tief, dass er ihn als immanenten Teil der eigenen Spezies ansieht. Neu ist das nicht. Nur mittlerweile noch ärgerlicher als früher.
zum Beitrag19.08.2021 , 16:00 Uhr
Statistische Durchschnittswerte helfen vor allem Leuten, denen konkrete Sachverhalte herzlich egal sind. Mein Vater pflegt immer zu sagen: Wenn mein Kopf bei 200 Grad im Backofen liegt und die Füße bei minus 15 Grad im Kühlschrank stecken, fühle ich mich im Durchschnitt pudelwohl.
zum Beitrag19.08.2021 , 15:09 Uhr
Typisch! Nach jedem Desaster wird ein Sündenbock gesucht. Keiner will Schuld (gewesen) sein, schon gar nicht allein. Denn Schuld (gewesen) zu sein, kann die Karriere ruinieren, an der Jahrzehntelang verbissen gehäkelt wurde. Nichts dazu gelernt zu haben, hat leider kaum jemals ähnliche Folgen (gehabt).
Sollten morgen die Sauerstoffversorgung der Planeten und der weltweite Arten-Genpool kollabieren und sollte aus der Erderhitzung dank Golfstrom-Kollaps eine neue Eiszeit werden in Europa, wird ganz bestimmt oben an der Spitze der westlichen Welt eine (m/w/d) Person stehen, der/die/das ausrichten lässt: „Dass es so schnell gehen würde, hätten wir nicht gedacht. Da haben wir eine falsche Einschätzung gehabt. Aber die Einschätzung ist immerhin sehr weit verbreitet gewesen“. Das wird dann vielleicht sogar eine Art Wahrheit sein. Eine, die zumindest für die „oberen Etagen“ des „Hauses Europa“ gilt. Helfen wird sie allerdings niemandem, diese „Wahrheit“. Nicht einmal denen, die im obersten Stockwerk residieren. Die werden bloß wieder ein klein wenig länger ein klein wenig besser wegkommen als alle anderen.
zum Beitrag18.08.2021 , 14:08 Uhr
Lustiger Schluss. Leider sehr erwartbar. Aber wenn die Ethik-Kommission auch mit Hundehaltern flirten muss, statt praktische Denkhilfe zu leisten… 😁
zum Beitrag18.08.2021 , 13:57 Uhr
Immerhin: Wenigstens Annalena B. nimmt das A-Wort nicht in den Mund.
Was weiß Armin Laschet, was weiß Christian Lindner eigentlich über die Natur des Menschen? Was wissen die beiden über ihre eigene Natur? Tun die nur so, oder sind die tatsächlich so dumm wie die reden?
Sieht jedenfalls aus, als hätten diese „großen Männer“ noch nie erlebt, wie schwer es Menschen fällt, Vorrechte nicht als Verdienst anzusehen, sondern großzügig mit anderen zu teilen. Aber eigentlich kann das nicht sein. „Die Politik“ gilt ja nicht ganz umsonst als „Haifischbecken“. Vor allem, wenn es mal wieder „eng“ wird für das eigene Wohlbefinden bzw. Vorankommen. Aber klar: Was weiß ein Hai schon von seiner Natur?
Nichts, muss ich annehmen. Laschet, Lindner und andere Alphas würden sonst nicht ständig behaupten, soziale Gerechtigkeit wäre „zuallererst Chancengerechtigkeit“ und würde sich dadurch ausdrücken, dass jede*r „die Chance auf den Aufstieg durch Bildung“ hat, am besten schon als Kind. Vor allem aber würden sie dieses Postulat nicht ständig selber dadurch auf absurdum führen, dass sie sich an die Spitze ihrer Partei (und möglichst der Republik) wählen lassen, sich da auf unbestimmte Dauer festsetzen und allenfalls ausgewählte Kronprinze*ssinnen an der Macht teilhaben lassen.
Ich bin weder CDU- noch FDP-Chef. Ich weiß: Es kann das friedliche Zusammenleben ziemlich erschweren, wenn der Aufstieg Ziel aller Bildungsbemühungen ist. Vor allem, wenn Bildung verstanden wird als Reproduktion reinen (und teilweise längst überholten) Faktenwissens insbesondere im naturwissenschaftlichen, ökonomischen und/oder politisch-kulturellem Bereich.
Wo Mitmenschlichkeit und Vernunft keine Schulfächer sind und „das System“ diejenigen bevorzugt, die rücksichtsloser und cleverer (nicht klüger oder vernünftiger) sind als andere, wir der Aufstieg von einer Chance zu einem Risiko. Weil er Ungerechtigkeiten und Willkür befördert und Fairness und Mitgefühl mit Ressourcenverlust bestraft.
zum Beitrag18.08.2021 , 12:52 Uhr
Wieso schämen Sie sich? Weil sie glauben, dass Sie als Deutsche*r eine bestimmte, ganz und gar unveränderliche Identität haben müssen? Eine, für die sich als Mensch einfach schämen muss, wer einen deutschen Pass in der Schublade hat?
Was meinen Sie: Wann ganz genau sind sie den Propagandisten einer deutschen National-Identität auf den Leim gegangen? Wann haben Sie aufgehört zu glauben, dass alles auch vollkommen anders sein kann, dass SIE anders sein können - trotz ihres Passes und trotz ihrer Herkunft aus einer Weltgegend, in der noch vor wenigen Jahrzehnten alle derart ähnlich gewirkt haben, dass die Identitäts-Lüge der nationalen Anführer ganz ohne schmerzhaften Spagat geglaubt werden konnte?
Deutsche*r zu sein ist kein Schicksalsschlag. Es ist immer noch gleichzeitig ein Privileg und eine Verpflichtung. Als Deutsche*r darf und kann ein Mensch Dinge, die anderen völlig unmöglich sind. Als Deutsche*r darf und kann man*frau*divers sich beispielsweise nicht nur direkt an ein Traumziel aus- und bei Bedarf auch wieder in ein vergleichsweise sicheres Zuhause zurück fliegen lassen. Man/frau/divers kann und darf auch darauf verzichten. Und zwar in aller Regel ohne deswegen gleich um das eigene Leben fürchten zu müssen. Das ist nichts, wofür Sie sich schämen müssen, finden Sie nicht auch?
Schämen müssten Sie sich bloß, wenn sie Ihre Privilegien nicht als Geschenk der vielen Opfer früherer Verbrechen an die Überlebenden von heute betrachten würden, sondern als angeborenes Vorrecht oder als Ergebnis eigener Verdienste. Als etwas, das ihnen zusteht und für das Sie rein gar nichts tun müssen. Nichts, außer ihren deutschen Pass regelmäßig auf einem Amt verlängern zu lassen und den Regierenden nicht negativ aufzufallen, etwa dadurch, dass Sie gegen die neuerdings dafür notwendige Abgabe von Fingerabdrücken polemisieren. Und erst recht nichts, wofür Sie nicht sehr gut bezahlt werden.
Tun sie das etwa? Dann schämen Sie sich! Und zwar völlig zu Recht.
zum Beitrag18.08.2021 , 12:11 Uhr
Zitat: „Wahrscheinlich habe ich einfach nur Glück gehabt. Es ist immer noch so, dass ich mich manchmal dabei erwische, mir […] wie eine Hochstaplerin vorzukommen. Eigentlich fühlt sich die andere Seite der Gitterstäbe mitsamt ihrer Insassen viel vertrauter an.“
Glück auch für die anderen.
Das geschilderte Gefühl haben sicher viele Menschen. Mich selber schließe ich da jedenfalls nicht aus. Allerdings sind wir nicht alle so reflektiert wie die Verfasserin dieses Textes. Die meisten Leute dürften sich erfolgreich drücken vor der Frage, was das für eine seltsames Grummeln ist da in der Magengegend, das sie manchmal beschleicht, wenn sie es nicht rechtzeitig betäuben.
Genau deswegen funktioniert die ganze Sache ja: Wer gar nicht wissen will, was in seinem/ihrem Inneren vorgeht, braucht sich zwar nicht auseinandersetzen damit, macht es aber grade deshalb anderen viel zu leicht, ihn/sie zu lenken im Sinne fremder Privat-Ziele und -Interessen.
Es ist nicht so, dass es Menschen wie Bianka gar nicht stört, von anderen missbraucht zu werden (einer muss ja schließlich das abschreckende Beispiel geben). Es ist nur so, dass sie sehr früh aufgeben, sich dagegen aufzulehnen. Sie haben schlich nicht genug Kraft. Sie sterben einfach eher, wenn sie nicht mehr aushalten, was ihnen zugemutet wird.
Dass das den Arschlöchern nur recht sein kann, kann ihnen dann halbwegs egal sein. Sie müssen ihre Kinder und Enkel ja nicht leiden sehen/hören, wenn sie tot sind. Schon gar nicht, wenn die es wider Erwarten doch aus dem Sumpf raus schaffen. Weil sie das große und weitgehend unverdiente Glück hatten, zur richtigen Zeit an die richtigen Leute geraten zu sein, nicht an die falschen.
Das Leben ist zweifellos ungerecht. Dass auch der Mensch (kulturbedingt) Willkür walten lassen muss, ist allerdings nicht einzusehen. Die Regeln des Zusammenlebens werden nicht von Gott gemacht, sondern von Menschen, die sie auch wieder ändern können - wenn sie sich selbst verstehen lernen.
zum Beitrag18.08.2021 , 11:12 Uhr
Zitat: „Aber gibt es einen Grenzwert, ab dem das Wohlbefinden nicht mehr steigt?
Gegenfrage: Gibt es einen Grenzwert für Wahnsinn? Oder anders gefragt: Gibt es einen (unteren) Schwellenwert für die Tiefe krankhafter Empfindungen? Noch anders: Wie kaputt können Menschen sein und wie lange können sie über-„leben“ als Zombies?
Offenbar erstaunlich lange. Denn das „soziale Beziehungen und Gesundheit nicht käuflich sind“, ist mittlerweile ein Gerücht. Wobei - war es das nicht immer schon? Waren nicht seit Erfindung des Geldes jene besonders beliebt, von denen andere sich Freiheiten erhofft haben, die nur mit Geld bezahlbar sind?
In welcher Gesellschaft ist Geld eigentlich nicht DIE Tauschware schlechthin heutzutage? Und hat nicht der neo-„liberale“ Umbau sämtlicher Gesellschaften weltweit (mit Ausnahme der Nordkoreanischen vielleicht) dazu geführt, dass länger und gesünder lebt, wer sich den „Zwängen der Märkte“ nicht nur unterwirft, sondern diese auch für sich arbeiten lässt?
Reiche Menschen haben nicht nur so ein Gefühl. Sie haben tatsächlich „mehr Kontrolle über ihr Leben“. Weil die Gesellschaft ihnen nicht ganz zu Unrecht unterstellt, dass sie sich wenig amüsiert zeigen würden über die Beschneidung ihrer Freiheiten - und dann nicht mehr ganz so spendabel wären. Wer nichts hat, kann auch nicht drohen mit „Liebesentzug“.
Übrigens: Dass mich mehr Geld glücklicher machen würde, kann ich mir grade nur schwer vorstellen. Dazu weiß ich zu genau, dass mehr Geld nur mehr relativ wertlose Dinge in mein Leben spülen würden. (A-)Soziale Beziehungen etwa zu Leuten, die mich im Grunde gar nicht leiden können.
Eine Ausnahme allerdings mache ich: Seit das Gesundheitswesen nicht mehr in erster Linie Gesundheit einbringen muss, sondern Geld, ist Vorsorge überlebenswichtig geworden, auch für mich. Ich ernähre mich bewusster, leiste mir mehr Freizeit und versuche, meine Lieben mehr zu unterstützen. Es gibt eben Angebote, die man schlecht ablehnen kann. Genial, oder?
zum Beitrag17.08.2021 , 15:50 Uhr
Zitat: „Trotz flüchtlingspolitischem Ausnahmezustand passierte 2015 also nichts, vor dem man warnen müsste.“
Das sehe ich anders. Der „flüchtlingspolitische[] Ausnahmezustand“ ist 2015 relativ unvermittelt auf eine Bevölkerung getroffen, die in weiten Teilen weder sozial noch moralisch darauf vorbereitet war. Politisch war das für die Regierenden eine Katastrophe, die sich heute noch auswirkt, besonders im Osten.
Warum Laschet die Warnung vor 2015 nicht einfach weggelassen hat? Ganz einfach: Er glaubt, dass seine potentiellen Wähler*innen es honorieren werden, wenn er (wie einst Schröder) behauptet : „Wir haben verstanden.“ Was er damit gesagt haben will, darf sich gern jeder selbst überlegen.
Er könnte, zum Beispiel, gesagt haben: „Euch, lieben Wählerinnen und Wählern, ist es so wenig wie mir zumuten, Leid und Not plötzlich vor eurem Vorgarten stehen zu sehen. Bundespolitikern brauchen die Konsequenzen von drei Jahrzehnten neo-„liberalistischer“ Selbstbedienungs- und Selbstoptimierungs-Ideologie ja schließlich auch nicht einzuplanen. Wenn wir Politiker uns selber belügen dürfen, steht euch das auch zu.
Nein, sie sind nie gut genug vorbereitet auf die Folgen ihrer Entscheidungen, die Spitzen der Politik. Das können sie gar nicht sein, weil sie nie weit genug sehen (brauchen). Konservativ sein bedeutet unter anderem, die (vermeintlich) Machtlosen weder wahr noch ernst zu nehmen. So lange, bis sie aufgrund ihrer Masse zu einem Problem werden, das nicht mehr ignoriert werden kann. Wie etwa 2015.
Das Narrativ, das Laschet bedient, ist uralt. Es wurde so oft wiederholt, dass es die Einstellung tausender Generationen geprägt hat. Immer schon haben Eliten ein gottgegebenes Recht für sich reklamiert, von den selbst gemachten Zuständen unbehelligt zu bleiben. Ihre Untertanen hätten das Recht jetzt offenbar auch gerne. Mit seinem Satz sagt Laschet, dass er das gut versteht. Alte Einstellungen zu korrigieren, ist er wohl doch nicht Manns genug.
zum Beitrag17.08.2021 , 14:27 Uhr
Zitat: „Ich stehe voll und ganz hinter meiner Entscheidung“
Wie beruhigend! Wenigstens der „Anführer der Freien Welt“ ist mit sich selbst einverstanden und darf, kann bzw. will, was er selber für richtig hält! Immerhin einer braucht nicht Befehle ausführen, die er für mehr oder weniger unvernünftig hält. Manchem amerikanischen oder afghanischen Soldaten bzw. Offizier mag das anders gehen.
Aber gut, dass Amerikaner nicht sterben sollten in einem Krieg, den sie in einem fremden Land zugunsten von Menschen führen sollen, die selber dazu weder bereit noch in der Lage sind, ist eine löbliche Einstellung. Und wenn sich Biden nun noch erinnern würde (alt genug ist er ja), wem die Taliban ihren rasanten Aufstieg zur lokalen Militärmacht verdanken und wessen Idee es war, dumme amerikanische Jungs an den Hindukusch zu entsenden, lernt er womöglich doch etwas dazu auf seine alten Tage. Auch wenn er das so öffentlich nicht kund tut.
Im Übrigen glaube ich Frau Merkel nicht. Aus der Historie seit 1945 hätte auch sie den Schluss ziehen können, dass Demokratien keine Angriffskriege führen sollten. Schon deswegen nicht, weil sie sich offiziell den Menschenrechten, dem Völkerrecht und dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet zeigen müssen, wenn sie ihren Status nicht noch vor dem ersten Schuss ruinieren wollen. Fremde Freiheiten lassen sich nicht mit Gewalt erzwingen. Schon gar nicht, wenn die zu Befreienden Freiheit ganz anders definieren als ihre (Möchtegern-)Befreier.
Hätten sie halt mal gefragt… Aber das weiß die Bundesregierung wohl so gut wie ich. Die Freiheit war vom Anfang an vorgeschoben als Argument. Um „die Frauen“ Afghanistans ist es nie gegangen. Wenn überhaupt, ging es um den (westlichen) Lebensstil einer Elite, die mit den Problemen außerhalb der Städte wenig zu tun hat. Die eigentlichen Ziele aber waren ökonomischer und strategischer Natur. Falsch eingeschätzt haben die Akteure bloß die Kosten der ganzen Aktion und den Umfang ihrer Blamage.
zum Beitrag17.08.2021 , 13:51 Uhr
Angriff ist in der Welt der Männer schon immer die beste Verteidigung gewesen. Männer, die die Mütter ihrer Kinder in aller Öffentlichkeit angreifen, können (fast) sicher sein, dass sich das Publikum mit ihnen und ihrer Anklage befasst, nicht mit den Problemen, die Mütter haben, deren „Partner“ ihre Zeit nicht mit dem Kind oder der Mitarbeit im Haushalt verbringen, sondern damit, in Massenmedien mit Meinungsbildungsanspruch alberne Anklageschriften zu verfassen.
zum Beitrag11.08.2021 , 10:42 Uhr
Und? Ich meine: Was hat es Schröder genutzt, Bilder zu produzieren, deren Aussage er anschließend da absurdum geführt hat?
Tatkraft zu suggerieren und dann seine Wähler ebenso sichtbar wie tatkräftig gegen die Wand zu fahren, ist dumm. Dass Schröder nicht Manns genug war, seine Image-Berater in die Wüste zu schicken und statt dessen eine Politik zum Nutzen seiner Wähler zu machen, sagt schon einiges aus über diese Republik und ihre Repräsentanten bzw. Repräsentierten. Und dass sich „die Medien“ mehrheitlich darin gefallen, Images zu zerlegen, ohne selbst eine Idee zu haben, wo ganz genau die Reise sinnvollerweise hin gehen könnte, macht das Desaster nur noch größer.
Das ist ganz typisch toxische Männlichkeit: Jede*r gegen jede*n und alle nur für sich. Das allerdings Berater-Gestützt und dank Psycho-Tricks unheimlich effizient. Wenn das Politik sein soll, sind Wahlen der Anfang vom Ende. Dann ist die Demokratie nicht die Lösung, sondern ein Problem. Eins, dass Populisten und andere Möchtegern-Monarchen mit Sicherheit auch morgen noch für sich zu nutzen wissen werden. Und zwar je länger, je lieber.
zum Beitrag09.08.2021 , 20:17 Uhr
Es macht fast gar nichts, dass wahrscheinlich längst nicht jede*r gut genug Englisch kann, um sich schräg durch den Link bis zu den Posttraumatischen Belastungsstörungen zu klicken, denn da ist von den versprochenen „zwei Auswege[n]“ ohnehin nichts zu lesen. Es gibt nur die üblichen Standard-Empfehlungen: Therapie, Pillen, Yoga etc. Dass es auch hier wieder in die Verantwortung der Betroffenen gestellt wird, sich Hilfe zu erkämpfen (und zwar im Wettbewerb gegen andere Betroffene, die sie womöglich noch dringender bräuchten), macht die Sache auch nicht besser.
zum Beitrag09.08.2021 , 19:50 Uhr
Ist das Kunst, oder kann das weg?
zum Beitrag07.08.2021 , 22:33 Uhr
Genau: Paragraph 87 BauGB. Und wie meine Deutschlehrerin schon Mitte der 1970er sagte: „‚Ich kann nicht‘ heißt: ‚Ich will nicht‘.“
zum Beitrag07.08.2021 , 14:42 Uhr
Ich frage mich grade, ob man wohl in 80 Jahren dann Hundertjährige dafür verurteilen wird, dass sie mit grade mal 20 Beihilfe zum Klimamord geleistet haben - oder ob es dann gar keine Gerichte mehr gibt in Deutschland, weil vorher der Golfstrom stehengeblieben ist und alles unter 100 Meter Schnee und Eis begraben wurde.
Kann ja mitunter doch verdammt fix gehen mit den Veränderungen, so stolz, wie manche Menschen sind auf ihre Fähigkeit, alles in einem Affenzahn auszurotten, was nicht bei drei auf einem der letzten verbliebenen Bäume hockt. Wobei - wann hat es eigentlich zuletzt einem Lebewesen geholfen, vor dummen, bösartigen Menschen auf einen Baum (oder sonst irgendwohin) geflüchtet zu sein?
zum Beitrag07.08.2021 , 14:01 Uhr
Und wie die beiden Ladies (Enkel-)Töchter sind!
Die eine ist immer noch so sehr Tochter, dass Wikipedia mir nicht verraten durfte, wer ihre Eltern sind. Und die andere ist dermaßen von Adel (von wegen Esel!), dass sie sich Beatrix Amelie Ehrengard Eilika nennen lassen und eine geborene Herzogin von Oldenburg sein musste.
Die Großväter der Störchin waren übrigens Erbgroßherzog Nikolaus der Letzte von Oldenburg und Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk. Letzterer ist unter Adolf bis 1945 Reichsfinanzminister gewesen und 1949 als Kriegsverbrecher verurteilt worden. Ihr Ehemann (die freie Gattenwahl ist unter Blaublütigen immer noch weitgehend unbekannt und führt im Zweifel zum Verlust der Akzeptanz und Anerkennung sämtlicher Bekannten, Verwandten und Freunde sowie der exquisiten Blutfärbung) blickt übernächstes Jahr auf immerhin 340 Jahre von zurück.
Wenn ich das recht verstehe, hatten die beiden Damen nie eine Chance, sich zu emanzipierten. Ihre eigene Persönlichkeit dürfte - wenn es sie denn jemals gegeben hat - geradezu erdrückt worden sein von der glorreichen oder peinlichen (?) Historie ihrer Altvorderen. Gegen manche geballte Männlichkeit können die Töchter halt einfach nicht anstinken. Söhne übrigens auch nicht.
zum Beitrag05.08.2021 , 15:32 Uhr
Wäre Boris Johnson adlig, ließe sein Verstand vermutlich auch an dieser Stelle sehr zu wünschen übrig. Er könnte schließlich nur verlieren, wenn das Gerücht, manche Menschen seien quasi schon aufgrund ihrer privilegierten Geburt im Widerstand gewesen, sich als nicht länger haltbar entpuppt.
Die National-„Sozialisten“ haben sich zwar gern als Arbeiterpartei inszeniert, gegen den Adel hatten ihre Anführer allerdings nichts. Zumindest so lange nicht, wie sie von ihm nicht herablassend behandelt oder aus Arroganz komplett abgelehnt wurden. Im Gegenteil. Ihre Idole waren nicht umsonst die Cäsaren. Würde mich übrigens gar nicht wundern, wenn sie diese Vorliebe gemeinsam hätten mit dem Freizeit-Historiker mit der vornehmen Adresse.
Adel und Nazi-Elite waren sich jedenfalls einig dahingehend, dass manche Menschen erblich bedingt etwas ganz besonderes sind und deswegen mehr Rechte (und weniger Pflichten) haben sollten als andere. Die, die schon etwas länger was Besonderes waren, konnten die Neuaufsteiger, die das sehr geärgert hat, bloß nicht so recht ernst nehmen. Es sei denn, sie brauchten deren Beziehungen und/oder deren Kohle. Aber das, nicht wahr, geht ja sehr vielen anderen Leuten ganz genau so. Von Adel zu sein, ist jedenfalls nicht Voraussetzung dafür, keinerlei Rückgrat zu haben, wenn es was einbringt.
zum Beitrag05.08.2021 , 15:05 Uhr
Wenn ich mich nicht sehr irre, nennt man so etwas einen Pyrrhussieg. Denn Geld alleine macht noch kein gutes Programm. Und frei von Zwang wollen nicht nur Medienleute sein. Dass in Zeiten knapper Kassen zuerst die anspruchsvolleren Sendungen gestrichen werden, lässt jedenfalls nichts Gutes ahnen. Und die AFD ist eigentlich auch stark genug in Sachsen-Anhalt. Schon Mist, wenn Macht gute Ideen ersetzen muss, weil sie leichter zu haben ist.
zum Beitrag04.08.2021 , 14:51 Uhr
Ach herrje! Wie ganz genau ist sie denn, die „echte Frau“? Genauer: Wie muss sie sein, damit Sie sie als solche anerkennen? Und was, wenn diese „echte Frau“ eine Frau spielen muss, die laut Story einen Mann spielen muss um zu überleben? Kann es für eine solche Frau ein Happyend geben? Und hat nicht grade das Kino sich viele Jahre lang bemüht uns Frauen beizubringen, dass wir alles sein können, was wir sein wollen? Gilt das jetzt plötzlich gar nichts mehr?
zum Beitrag01.08.2021 , 21:54 Uhr
Zitat: „Bisher gibt es noch keine Studien, die die Erfahrungen und Gefahren erfassen, denen Schwarze Menschen und Menschen of Color ausgesetzt sind, die auf dem Dorf aufwachsen. Doch dass sich diese Erfahrungen von denen der weißen Mehrheitsgesellschaft unterscheiden, das weiß ich – aus meiner eigenen Kindheit, aus Gesprächen mit meinen Geschwistern und aus Gesprächen mit Miri, Kofi, Virginnia, Josephine und Stephanie, die in verschiedenen ländlichen Regionen Deutschlands groß geworden sind und die ich bei der Recherche zu diesem Artikel befragt habe.“
Wie schade, dass Neneh Sowe nur Leute nach ihren Erfahrungen gefragt hat, die eine ähnliche Hautfarbe hatten. Hätte sie mich gefragt, hätten wir womöglich festgestellt, dass wir einige Erfahrungen gemeinsam haben. Nicht alle, nein, aber doch wesentliche. Kein typisches Dorfkind kann man schließlich auch sein, wenn man kein Schwarzes Elternteil hat.
Allein zu sein mit seiner Wut und seiner Unsicherheit, ist für niemanden schön. Ausgegrenzt zu werden, weil man „irgendwie anders“ ist, prägt. Wobei es für Leute, deren Anderssein sich nicht in der Hautfarbe oder der Haarstruktur äußert, relativ schwierig ist, potentielle Verbündete zu identifizieren. Man muss echt viel riskieren um etwas herauszufinden, was man nachher vielleicht doch lieber nicht so genau wissen wollte.
Aber klar: Ich jammere auf hohem Niveau. Nichtsdestotrotz finde ich es schade, wenn sich Menschen auf der Suche nach ihrer Identität selber beschränken. Dass die Lust am Experimentieren unter Negativ-Erfahrungen leidet, verstehen ich, weil es mir auch so geht. Aber eine „Community“ kann eigentlich nicht groß und auch nicht bunt genug sein. Schon weil das Leben selbst erstaunlich bunt sein kann mitunter. Viele unterschiedliche Erfahrungen und Talente bedeuten mehr Lebensqualität. Sofern sie freiwillig geteilt werden, meine ich. Dass Leute wie ich nicht auch dazu gehören sollen, weil manche „Weiße“ dumm sind, finde ich echt traurig.
zum Beitrag01.08.2021 , 17:41 Uhr
Zitat: „Ein willkommenes Angebot, sich trotz aller Alternativlosigkeit wenigstens einmal zu spüren.“
Dieses „Kunststück“ hatte die desillusionierte, fantasielose Dorfjugend da, wo ich herkomme, vor 50 Jahren schon drauf. Ganz ohne Kabel, eigenen Fernseher oder US-Managment. Die Teenager damals im Osten (die noch kein Mensch so genannt hat) haben einfach gesoffen, bis ihnen der Alk wieder aus den Gesichtern gefallen ist. Was dümmeres ist offensichtlich bis heute niemandem eingefallen. Auch nicht den MTV-Fans und ihren Dealern. Ätsch, Sieger, ihr Wessis!
zum Beitrag01.08.2021 , 08:31 Uhr
In meiner Jugend galt die SPD als „Arzt am Krankenbett des Kapitalismus“, der dem Patienten mit allerlei Verhaltensanweisungen und Eingriffen das Leben verlängert. Heute dürfte diese Rolle den Grünen zufallen. Sie sollten allerdings bedenken, wie undankbar Patienten manchmal sein können. Vor allem solche. Die SPD kann davon ein Lied singen.
zum Beitrag31.07.2021 , 21:28 Uhr
Autoritäre Dummköpfe! Glauben die ernsthaft, sie könnten Leute, die sich nicht impfen lassen wollen, bestrafen, indem sie ihnen kostenlose Tests verweigern?
Was soll das sein? Die Rache dafür, dass die Impfpflicht doch nicht kommen soll? Was glauben die „Verantwortlichen“ eigentlich, wozu Tests gut sind und wen sie schützen? Die, die sich testen lassen? Und gehen diese Leite wirklich davon aus, dass sie schon ihren Willen kriegen werden, wenn der Friseur- oder der Kinobesuch zwei Euro mehr kosten? Was glauben die, wen sie regieren? Kinder, die aufs Taschengeld ihrer Eltern angewiesen sind?
Übrigens frage ich mich ernsthaft, ob sich das ansonsten immer ganz vorn mittönender RKI nicht wenigstens ganz heimlich fragt, wie es ab Ende September an seine statistischen Daten kommen soll, wenn sich die Zahl der Tests annähernd halbiert, weil Ungeimpfte sich nicht zwingen lassen wollen zum Geldausgeben? Wieso lässt denn das RKI nichts von sich hören in Reaktion auf diese Schnapsidee?
Ich bin zwar kein Virologe, aber ich wäre froh um jeden Ungeimpften, der sich wenigstens testen lässt. Weil: Meine Eltern sind zwar beide doppelt geimpft, aber anstecken können sie sich ja trotzdem. Und in ihrem Alter und mit ihren Vorerkrankungen könnte das ziemlich böse ausgehen.
Unsere Super-Politiker aus der Familie Gnadenlos gehen das Risiko offenbar ganz bewusst ein. Ihr Umfeld wird ja sicher strengstens überwacht. Das meiner Eltern leider nicht. Sie müssen vielleicht ausbaden, was andere einrühren aus gekränktem Stolz und Größenwahn. Sieht es so aus, wenn einer Schaden abwendet vom deutschen Volk? Weniger (positive) Tests und mehr frei laufende Mutationshelfer - ist es das, was diese Herren Führungskräfte wollen?
zum Beitrag31.07.2021 , 11:42 Uhr
Bravo! So sieht es aus, wenn Paradepferde Dressur reiten. 👏
Es heißt ja immer, dass einem die liebsten Feinde die sind, die einem am meisten ähneln. So ist das wohl auch mit „den Grünen“ und „der FDP“, genauer: mit deren Polit-Strategen. „Die Wähler*innen“ (ja, so viel Zeig muss sein) sind ihnen allesamt nur Manövriermasse, die nach Belieben hin und her geschoben werden kann von ihnen wie die Figuren auf dem Schachbrett ihrer Großeltern.
Es ist einfach nicht wahr, dass FDP und Grüne einander „in keiner Weise grün sind“. Sowohl „habituell“ als auch „inhaltlich“ ähneln sie sich wie Geschwister (die sie ja eigentlich auch von Geburt an sind). Sie konkurrieren um die gleiche Klientel. Sich selber aber sehen sie entschieden auserkoren, andern die Richtung vorzugeben, und zwar zum eignen Vorteil sehr viel mehr, als sie das selbst wahr haben wollen.
Leistung, Ökologie und soziale Gerechtigkeit passen in den Farben einer Ampel nur deswegen zusammen für Helmut Däuble, weil er die selbe Definition für die drei Schlagworte benutzt, die auch Olaf Scholz, Christian Lindner und Annalena Baerbock verwenden: Leistung ist, wenn der Kopf einer Person und die Hände einer anderen so viel Mehrwert schaffen, dass eine dritte Person reicher wird als alle anderen. Sozial gerecht ist das deswegen, weil die Natur ihre Gaben ungleich verteilt hat und jedem abverlangt, ein Maximum aus sich heraus zu holen. Wobei das Maximum gern auch ökologisch desaströs wirken kann, denn das gibt den „Entscheidungsträgern“ im Namen anderer erst ihr Profil und ihre Legitimität .
Kann man natürlich so sehen. Man kann sich auch genau darauf einigen, wenn man denn zwingend an die Spitze der Bewegung muss, um sich im Spiegel zu ertragen. Muss man allerdings nicht. Könnte auch alles ganz anders sein. So, dass es tatsächlich nachhaltig zukunftssichernd ist für alle. Nur: Leute, die auf Zwang abgerichtet wurden, kann niemand mehr zur Freiheit zwingen. Sie sind ewig Gefangene der eigenen verbeulten Seele.
zum Beitrag31.07.2021 , 08:19 Uhr
Ich bin gerührt. Das heißt: Ich wäre gerührt, wenn das Prinzip Freiheit vor Gold generell gelten würde. Das läge nämlich in seiner Natur als Prinzip.
Nicht nur Pferde haben einen eigenen Willen und Gefühle. Und wenn es Menschen gibt, die keinerlei Mitleid (mehr) empfinden mit Tieren, die um der Bewunderung willen dressiert werden, dann könnte das gut daran liegen, dass sich auch Menschen abrichten lassen müssen. Auch und gerade dazu, gegen die menschliche Natur zu handeln. Notfalls auch mit etwas mehr „Druck“ durch gewisse Sieger-Naturen.
Erziehung, (Aus-)Bildung, Ideologie und sonstige Maßnahmen der Menschenformung, mögen ihre Ziele und Methoden auch noch so fragwürdig sein, gelten in unserer Gesellschaft grundsätzlich immer noch als legitim. Gerade wir Deutschen sind stolz auf unsere Fähigkeit, Stromlinienform anzunehmen um des Vorankommens willen. Und dass es sich bei der künstlichen bzw. kulturellen Verformung menschlicher Körper und Gehirne nicht um das zwangsweise „Hineinpressen […] in eine Schablone“ handelt, sondern um „das behutsame Entwickeln [von] Talente[n] zu einer edlen Silhouette“, wird gerade in bürgerlichen Kreisen keineswegs immer in Frage gestellt. Aber Hauptsache, die Tiere leiden nicht! Man ist ja schließlich kein Unmensch!
Die, die auf dem Weg zum angeblich edlen Ziel, dem Platz auf dem Treppchen, liegen bleiben und nicht wieder aufstehen, werden leider nur in Ausnahmefällen angestrahlt von den medialen Scheinwerfern. Dann etwa, wenn man (sinngemäß) verkünden kann über sie: „Sie mussten erst ganz nach oben kommen, bevor sie ihr Leid öffentlich machen konnten.“
Wunderbar, taz, du hast echt ein Kunststück vollbracht! Wenn mentale Überwältigung olympisch wäre, wär der Applaus dir wohl sicher. Aber dein Publikum mag ja nicht denken. Es mag lieber fühlen. Das liegt wohl in seiner Natur: Kopf nach unten, ganz tief auf die Brust und bloß nicht nach vorn sehen! Das Erschrecken könnte sonst groß werden - und das Vertrauen ganz klein.
zum Beitrag31.07.2021 , 07:51 Uhr
Na dann…! Dann legen Sie sich mal ganz gemütlich wieder hin und schlafen weiter. Träumen Sie schön. Denn wenn sie geweckt werden, dann sicherlich unsanft.
Geschichte kopiert sich nicht selbst. So blöd sind wir Menschen ja nun auch wieder nicht, dass wir nicht auswendig lernen und anschließend rekapitulieren könnten. Nur mit dem Selberdenken hapert es, das haben Studien belegt.
Vermutlich hat das mit unseren autoritären Gesellschaftsstrukturen zu tun (siehe Pelosi): Wer nicht bereit ist, wiederzukäuen, der wird einfach nicht gefüttert. Aber nicht nur 2 mal 2 ist vier, sondern auch 5 - 1, 1 + 3 oder 16 : 4. Vom Wurzelziehen und von Kommata hab ich da noch gar nicht angefangen. Soll heißen: Leben lassen sich auf viele Arten massenhaft vernichten.
Während zu Tode beleidigte Leberwürste in Washington ziemlich verspätet eine Show für ihr Ego abziehen, kippt beispielsweise das Klima und die Arten sterben aus. Überall in der Welt rücken Nationen nach rechts, Wasser wird knapp und Corona lässt ahnen, was uns noch blühen kann.
Was Hitler, Mussolini und Japans Kaiser die Welt mal kosten würden, nachdem kaputte Systeme, eine irre Elite und ein dumm gedemütigtes Fußvolk sie an die Macht gebracht haben, war 1933 auch den Wenigsten klar. Aber gut, wenn die „(An-)Führer der freien Welt keine anderen Prioritäten haben und ihre Entourage das so in Ordnung findet, soll‘s wohl so sein. Dann war der Mensch halt eine Fehlkonstruktion und wird verschwinden wie die Dinos. Nur, dass er keinen Meteoriten braucht, um sich mit einem lauten Knall zu verabschieden.
zum Beitrag30.07.2021 , 09:02 Uhr
Ich verstehe nicht ganz: Da kandidiert jemand für den Kanzlerinnen-Posten und will ausgerechnet im Wahlkampf nicht als Besserwisser dastehen? Was ist denn das für ein verqueres Denken?
Um die Grünen-Spitze muss es noch schlechter stehen als ich dachte. Wofür halten die die Bundespolitik? Für einen Ponyhof? Und was glauben sie, wer ihre Wähler sind? Moralapostel?
Wenn jemand wirklich Respekt hat vor seinen Mitmenschen, lebt und arbeitet er mit ihnen zusammen und hebt sich nicht drastisch von ihnen ab. Aber vermutlich kann ja auch Respekt eine Art Inszenierung sein. Eine, an die man schon sehr ernsthaft glauben muss, um sich nicht rund um die Uhr verarscht zu fühlen.
Politik, hat mal irgendwer gesagt, wäre die Kunst des Machbaren. Ausgerechnet dann Skrupel zu kriegen, wenn einem der Zufall einen Ball zuspielt, ist irgendwie unpassend, denke ich mir. Aber vielleicht ist das ja wie es mit dem Klimawandel ist: Alle reden drüber, aber niemand glaubt ernsthaft daran. Trifft ja doch immer die anderen, Zumindest scheint das eine prägende Erfahrung zu sein für junge, urbane Mittelschichts-Aufsteiger*innen jeglicher Couleur. Vermutlich glauben die ja auch, ein bisschen schwanger sein wäre gut möglich, wenn sie sich nur ernsthaft in diese Rolle einleben. The Show must go on, wie man auf Neudeutsch sagt (oder gesagt hat).
zum Beitrag30.07.2021 , 08:45 Uhr
Eine zermürbende Zeit, ja. Für uns alle? Vermutlich nicht. Was an der „Basis“ langsam „mürbe“ macht, gibt an der Spitze Sicherheit: Die immer gleiche Wiederholung des ewig gleichen Stumpfsinns: Schalter auf „Aus“, Schalter auf „Ein“, Schalter auf „Aus“, Schalter auf „Ein“…. Es hat ja schon mal funktioniert. Hat sich auch keiner ernsthaft aufgeregt darüber.
Wenn erst einmal ein falscher „Dreh“ in eine Sache rein gekommen ist, ist der nur sehr schwer wieder auszugleichen. Weil in Gesellschaften wie unserer alle daran gewöhnt sind, dass es immer Gewinner und Verlierer gibt. Und die Verlierer sind angeblich selber Schuld. Sie hätten sich ja - ungleiche Ressourcen-Verteilung und Belastung hin oder her - durchsetzen können gegen die Gewinner. Sie hätten halt nur richtig wollen müssen.
Schon vor 1 1/2 Jahren habe ich mich gefragt, wie wir da wieder raus kommen wollen: Statt das Infektionsschutzgesetz ernst zu nehmen in seinem Sinn, hat man es einfach angepasst an die Kopflosigkeit „der Politik“. Nun traut sich niemand, Leuten, die zu einer Gefahr für den Rest der Truppe werden können, weil sie zu egoistisch und/oder zu feige sind, drauf hinzuweisen, dass unsere Gesetze den Vernünftigen Schutz bieten sollen. Damit sie nicht ganz unverdient mitleiden müssen unter der Unvernunft anderer. Aber das hat ja auch schon vor Corona Tradition gehabt in dieser Gesellschaft.
Nein, WIR werden gar nicht wieder raus kommen aus der Bredouille. Es gibt nämlich kein WIR in dem Schlammassel. Es gibt nur ich und du und alle anderen. Und jeder hat, was er sich selbst genommen hat. Das nenne ich wirkliches Old-School-Denken. Und dass die Schulen daran etwas ändern werden, wenn sie denn irgendwann mal wieder auf machen, seh’ ich noch nicht. Die warten nämlich bloß auf Anweisung „von oben“. Und da ist man sich selbst näher als jedem anderen.
zum Beitrag29.07.2021 , 17:50 Uhr
… und wenn nun das uralte Prinzip „O-mo-te-na-shi“ Japan bzw. „die Japaner“ davor bewahrt hätte, an der Seite „der Deutschen“ und „der Italiener“ die Weltherrschaft anzustreben in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, wäre ich durchaus geneigt zu erklären: „Super, das machen wir auch!“ Hat es aber nicht.
Höflichkeitsformeln haben noch niemanden davor bewahrt, zum Monster zu mutieren. Auch Nazi-Mörder haben auf die Etikette geachtet. Das waren sie sich einfach schuldig. Vornehm (und höflich) geht die Welt zugrunde, hieß es da, wo ich herkomme. (Nein, es war nicht die Titanic.)
Wenn Götter und Könige eines gemeinsam haben, dann die Vorliebe für willkürliche, für Normalsterbliche nicht nachzuvollziehende Entscheidungen und Handlungen. Man kann ihnen vorauseilend Gehorsam leisten und letztendlich doch unvermittelt platt gemacht werden.
Ein Kunde, der wie ein Gott oder König behandelt wird, benimmt sich mitunter auch wie ein Gott oder König: weise und gütig an einem Tag, launisch und ungerecht an einem anderen.
An Gott muss der Mensch also glauben wie an einen König. Er muss sich ihm ausliefern, um ungestört leben zu können. Er muss seine Mündigkeit eintauschen gegen die Hoffnung auf Gnade vor Recht. Wie das mit der Freiheits-Ideologie des Westens zusammen gehen soll, muss dem gelernten DDR-Bürger in mir erst noch jemand erklären. Denn wie schon gesagt: mit dem Glauben hab‘ ich‘s nicht so…
zum Beitrag29.07.2021 , 16:26 Uhr
Ich glaube, „Kartiere machen“ und „[]einen Handschlag zu viel tun“ sollten Sie nicht synonym verwenden. Viel arbeiten kann der Mensch besser ohne Karriere. Mit Kartiere darf er nur mehr Arbeit anweisen. Mit der Konsequenz, dass sich die Adressaten der Anweisung manchmal verweigern, weil sie den Sinn nicht erfassen (was selten am fehlenden Verstand oder an der fehlenden Bildung des Befehlsempfängers liegt und oft daran, dass der Kommandeur nicht (mehr) genug Ahnung von der Praxis hat).
Merke: Wenn ein Karrierist viel Staub aufwirbelt, bedeutet das noch lange nicht, dass hinterher ein Schloss steht, wo vorher eine Wolke war. Arbeiten und Arbeit simulieren sind immer noch zweierlei.
zum Beitrag28.07.2021 , 15:02 Uhr
Zitat: „Sie musste ganz nach oben kommen, um öffentlich über ihre psychischen Probleme sprechen zu können.“
Wie bitte? Wo, genau, muss eine Person erst „ganz nach oben kommen“, bevor sie über ihre Probleme reden kann? In Hollywood-Schmonzetten vielleicht?
Im richtigen Leben können Menschen überall und jederzeit den Mund aufmachen. Im richtigen Leben gibt es nur keine Garantie auf ein Happy End. Wer da nicht Spitze ist, wird gar nicht erst wahrgenommen mit seinem Gejammer. Und wer keine Millionen in der Hinterhand hat, der muss sowieso mit dem Schlimmsten rechnen.
Für Menschen mit körperlichen Schwächen gilt inzwischen hier und da bereits der Satz: „Behindert ist man nicht, behindert wird man“ - und zwar von einer Gesellschaft, die keinerlei Rücksicht nehmen mag auf Schwächere. Für Menschen, die sensibel reagieren auf psychische Belastung, gilt das Gesagte längst noch nicht. Schon gar nicht da, wo die Luft dünn ist. Psychische Probleme sieht man den Menschen ja auch nicht unbedingt an. Man blamiert sich als rücksichtsloses A-Loch also nicht unbedingt öffentlich, wenn man solche Leute unterwegs platt macht. Und sicher ist sicher. Vielleicht simuliert der ja nur…
Trotzdem, wahrscheinlich aber gerade deswegen, gelten psychische Probleme immer noch als persönlicher Makel, der seine Ursache in tief im Inneren der Betroffenen liegenden Schwächen hat. Dass die Gesellschaft insgesamt der psychischen Gesundheit nicht bekommen könnte, wird sehr gerne abgestritten. Die Mehrheit der Leute tut ja so, als wäre sie gesund. Man kann es sich nicht leisten, Schwäche zu zeigen. Weil: Unter Hyänen ist Schwäche eine Aufforderung, im Rudel über das vermeintlich leichte Opfer herzufallen.
Die Zeitung berichtet darüber, wenn überhaupt, nur in extremen Ausnahmefällen und im Promi-Kontext. Die Konkurrenz tut das schließlich auch. Nur noch etwas unverschämter, heißt es dann jedesmal knapp. Wenn das kein Zeichen psychischer Deformation ist, weiß ich nicht, was eines sein sollte.
zum Beitrag28.07.2021 , 11:26 Uhr
Zitat: „Ich fühlte es am eigenen Leib, wie mir der Sauerstoff ausging. Ich dachte mir: 'So werde ich also sterben…“
Ähnliches mag auch George Perry Floyd durch den Kopf gegangen sein, bevor er am 25. Mai 2020 in Minneapolis erstickt ist, nachdem der Polizeibeamte Derek Chauvin ihm neun Minuten und 29 Sekunden lang mit vollem Körpergewicht das Knie auf den Hals gedrückt hatte.
Ich bin fast sicher, falsch interpretiert zu werden von einigen Leser*innen, aber dass „nichts“ Michael Fanone auf das vorbereitet hat, was ihm am 6. Januar 2021 vor dem Kapitol geschehen ist, kann ich nicht glauben. Wenn der Mann tatsächlich schon länger im Polizeidienst arbeitet und zuvor auch als Soldat im Irak gedient hat, kennt er Gewalt. Er weiß, dass die Gesellschaft, in der er lebt, nicht unbedingt friedlich ist. Er ist es bloß nicht (mehr) daran gewöhnt, auf der Seite der Opfer zu stehen.
Nichts gegen Polizisten, die starke Emotionen zeigen, aber eine gewisse Pflicht zum Selberdenken und Mitfühlen trifft sogar Menschen, die von Beruf Befehlsempfänger sind. Unwissenheit, das ist ein Rechtsgrundsatz in Rechtsstaaten, schützt nicht vor Strafe. Wenn der „Staatsdiener“ Michael Fanone tatsächlich geglaubt hat, Amerika oder seine Repräsentanten hätten ihm mit der Uniform und dem Arbeitsplatz an der Schwelle zur Macht auch eine Garantie auf Unantastbarkeit gegeben, wurde er eines Besseren belehrt. Für ihn persönlich tut mir das leid. Nur hilft mein Mitleid niemandem.
Wo jeder sich selbst der Nächste ist, ist Vorsicht nun mal erste Bürgerpflicht. Daran ändern Tränen gar nichts. Das ändert sich nur, wenn sich viele Menschen bewusst machen, dass niemand sicher ist, so lange nicht alle sicher sind - und entsprechend handeln. Sollen sich die Herren und Damen Abgeordneten doch selber schützen, so lange sie Gewalt noch für legitim halten! Ihren Beschützern freie Hand zu lassen in Sachen (vorbeugende) Selbstverteidigung, ist jedenfalls keine Lösung.
zum Beitrag27.07.2021 , 13:25 Uhr
Zitat: „Das Mädchen, das im Glanzanzug in der Brackweder Disko Bierdorf bei einem Schönheitswettbewerb auftritt – es ist deshalb ganz schön mutig.“
Hm. Ob wohl demnächst ein Algorithmus das Bild aus dem Internet löscht, weil sich „das Mädchen“ nicht rasiert hatte unter den Achseln? Empfindliche Gemüter, nicht nur in Ostwestfalen, könnten daran Anstoß nehmen, nicht? Mehr, jedenfalls, als an den beiden Damen, die sich mit sehr viel fremdem Fell am Körper schmücken.
Ob der Fotograf der jungen Frau von damals, (wenn sie noch lebt) mit seiner Ausstellung einen größeren Gefallen erweist als so ein Algorithmus mit seiner Löschaktion, müsste sich jedenfalls auch erst erweisen. Die einen würden sicher so sagen, die anderen hingegen so. 🤷
zum Beitrag27.07.2021 , 11:49 Uhr
Zitat: „Wenn man die WM 2019 mitrechnet, wo Team USA auch nur Siebter wurde, hat die Auswahl jetzt vier der vergangenen sechs Spiele verloren – eine historische Formschwäche.“
Humbug! Seit wann ist denn die Stärke der einen automatisch die Schwäche der anderen? Auch in anderen Sportarten werden die Unterschiede geringer. Das bedeutet aber nicht, dass dem Sport an sich etwas verloren geht. Es bedeutet lediglich, dass nicht mehr nur ausgewählte Sportler eine Chance auf den Sieg haben.
Der US-amerikanische Profi-Basketball mag vielleicht kein Abonnement mehr haben auf den Sieg bei Meisterschaften, nur weil er früher als andere viel Geld eingespielt hat, mit dem viele talentierte, anderswo gut und teuer ausgebildete Leute gekauft werden konnten. Dem olympischen Gedanken aber kommt das m.M.n. sehr entgegen. Denn was sollte spannend sein an einem Wettbewerb, dessen Sieger schon vorher fest steht? Das können mir womöglich nicht mal eingefleischte Bayern-Fans erklären.
Die Spannung ist dem durchschnittlichen Bayern-Fan vermutlich vollkommen wurscht. Er will eher garantiert haben, dass er wenigstens in seiner Freizeit auf der richtigen Seite steht. Auf der Seite der Sieger nämlich.
Für Leute, die sich sonst jeden Tag als Verlierer fühlen müssen, mag das lebensnotwendig sein. Für alle aber, die auch morgen noch sehr profitieren wollen von der Ausbeutung irgendwelcher Underdogs, ist es auch essentiell. Brot und Spiele für das Volk, dann bleiben Kohle und Macht schön bei den Alphatieren. Sich drein zu schicken in das vermeintlich unabänderliche, fällt eben deutlich leichter, wenn man sich nicht nur vom eigenen Elend ablenken kann, sondern auch drauf verlassen, dass einem eine Kompensation angeboten wird für all die Negativ-Gefühle, die man sonst so hat aufgrund des angeblich ganz Unabänderlichen.
zum Beitrag27.07.2021 , 11:14 Uhr
Zitat: „Derzeit zeigt das Symbol einen Rollstuhlfahrer. Somit assoziieren viele Leute mit diesem Symbol weitestgehend Menschen mit äußerlich erkennbaren Behinderungen. Meine Bedürfnisse sind beispielsweise, mich nicht mehr rechtfertigen zu müssen, wenn ich diese Toiletten benutze…“
Verständlich. Bleibt nur die Frage: „Und nun?“
Wenn öffentliche Toiletten bestimmten Bevölkerungsgruppen vorbehalten bleiben sollen, müssen alle, die nicht zur zu privilegierenden Gruppe gehören, von der Nutzung dieser Toiletten abgehalten werden. Das kann schwierig werden, wenn es zu wenige Toiletten und zu viele Menschen gibt, die ihre (Achtung, altmodisches Wort!) Notdurft verrichten wollen. Wenn nicht vor jedem Klo ein „Kontrolletti“ seinen Dienst versehen soll, müssen die potentiellen Nutzer sich selbst zum Verzicht auf die sofortige Bedürfnisbefriedigung zwingen. Das fällt den meisten von uns deutlich leichter, wenn erkennbar ist, dass auch andere Nicht-Berechtigte sich beherrschen. Ist also der Anlass der Privilegierung nicht zu erkennen, fragen die Leute manchmal nach. Mir ist das immer noch lieber, als wenn sie falsche Schlüsse ziehen. Den etwa, dass sie auch ein Recht haben, das Behinderten-WC zu nutzen, weil sie ja ebenfalls nicht im Rollstuhl sitzen. Aber schon klar: Ich bin auch nicht gehandicapt in einer Welt, die körperliche Perfektion für wichtig hält.
Im Übrigen ließe sich das oben geschilderte Problem ganz einfach lösen: In den meisten Privatwohnungen gibt es auch nur eine Unisex-Toilette, die von behinderten und anderen Familienmitgliedern gleichermaßen genutzt wird. Natürlich mit integriertem Waschbecken. Würden Männer lernen, sich auf öffentlichen Toiletten so zu benehmen, wie es sich gehört, könnten Frauen ihre Angst überwinden und alles wäre gut. Auch wenn es banal klingt: DAS würde für mich persönlich mehr Freiheit für alle bedeuten. Was ist eigentlich mit diesem meinem dringenden Bedürfnis?
zum Beitrag26.07.2021 , 14:52 Uhr
„Wer sich jedoch damit auseinandersetzt, wer darum gebeten wird und sich trotzdem dagegen entscheidet, muss damit leben, dass die, die in der Sprache auch gern ihren Platz hätten, das nicht sonderlich respektvoll finden.“
So weit, so richtig. Die Frage, die daraus folgt, ist allerdings: „Und dann?“
Was tut ein Mensch, wenn er/sie/es sich nicht so respektiert fühle, wie er/sie/es es sich erhofft? Verschafft er/sie/es sich dann selber Respekt? Wenn ja, wie? Mit welchen Mitteln und zu welchem Preis? Wer bezahlt, und was passiert, wenn irgendwer den Preis nicht angemessen findet, den andere ihm zuweisen?
Gewaltfreiestem von anderen zu fordern, ist leicht. Selber gewaltfrei zu agieren, wenn starke Emotionen ins Spiel kommen, nicht. Und Freiheit ist nun einmal immer auch die des jeweils anderen.
zum Beitrag25.07.2021 , 07:26 Uhr
Dass die Höhe der gezahlten Steuern ein Ausdruck für die Größe des Beitrags zu einem Gemeinwesen ist, kann nur jemand behaupten, der sich gewisser Privilegien und ihrer Ursprünge genau so wenig bewusst sein möchte wie die Mutter der Autorin.
„Diejenigen, die nur nehmen“, sind immer schon und immer noch diejenigen, die den Reichtum einer Gesellschaft schaffen. Mit der Arbeit ihrer Hände und oft auch ihrer Köpfe, aber ohne jedes Recht, darüber zu entscheiden. Nur, weil ihnen das Entscheidungsrecht genommen wurde/wird, kann man sie ungestraft ignorieren.
Je, es mag einst mal eine Art Fortschritt gewesen sein, auch die Habenichtse wählen zu lassen. Aber es zeigt bis heute von der Macht und der fehlenden Empathie der damals Mächtigen, dass deren Wert dreimal so hoch angesetzt wurde. Und es zeugt von ganz schlechter Erziehung/Bildung, das heute noch nicht kapieren zu wollen.
Was wären denn all die „Großen“, die Mega-Steuerzahler, ohne ihre „Mitarbeiter“? Sie wären nichts und niemand, denn sie organisieren nur, was andere tun. Bestenfalls. Im schlimmsten Fall lassen sie organisieren und beschränken sich auch an der Stelle aufs Bezahlen. Geld macht nicht glücklich, aber es verdirbt leicht den Charakter. Weil niemand fragt, wo es eigentlich hergekommen ist.
Das Wort „Mitarbeiter“ ist im Übrigen ein Euphemismus. Aber wie sollte man das jemandem erklären, der sich mit seinen Privilegien identifizieren muss, weil er nichts anderes hat, auf das er stolz sein kann? Geld baut keine Schlösser. Es erntet keine Kartoffeln und es bringt kein genießbares Essen auf den Tisch. Geld macht arm. Arm und dumm. Aber das wird nicht sehr oft propagiert. Auch nicht in der taz. Von wem auch und in welchem Massenmedium, wenn die Enkel reicher Großeltern immer noch mehr zählen als andere?
Dieser Stein sollte definitiv aus dem Kofferraum raus. Er sollte reisen und erzählen, was Wut über Ungerechtigkeit und Eitelkeit anrichtet, wenn die sich machtvoll Bahn brechen darf.
zum Beitrag22.07.2021 , 22:03 Uhr
Déformation professionnelle - wieso sollten ausgerechnet Journalisten gefeit sein gegen die Unsitte, Ausbildung und Intelligenz zu verwechseln? 🤷
Sind Journalisten etwa nicht in die Schule gegangen? Und sind sie da etwa nicht häufig auf Lehrer*innen getroffen, die Schüler, die den Lehrplan nicht auswendig hersagen und/oder das besondere Steckenpferd ihrer jeweiligen Pädagogen nicht ebenfalls dressurreiten wollten, ohne alle Rückfrage zu Deppen erklärt haben?
Ne, Leute, nicht nur Geld oder rote Haare werden Vererbt. Unsitten auch.
zum Beitrag21.07.2021 , 12:06 Uhr
Würde mich mal interessieren, ob G. Seesslen diesen Artikel kennt und was er davon hält.
Ich persönlich kann den kindlichen Ruf nach Papas starker Hand zwar nachempfinden, würde mich aber öffentlich nie derart unreflektiert äußern. Wer mich persönlich kennt weiß schließlich, dass ich nicht mehr neun oder zehn bin.
Es stimmt schon: Die Europäische Kommission ist in Schwierigkeiten. Sie behauptet eine Autorität, die sie im Grunde gar nicht hat. Der Kaiser ist nackt und jeder kann es sehen. Manch einer nutzt das halt auf seine Weise. Die Frage ist nur, was daraus folgen sollte.
Will „die EU“ als Patriarch alter Schule ernst genommen, will sie also eher gefürchtet werden als verstanden und geliebt? Oder hat sie einen „Plan B“ für Fälle, in denen eines ihrer renitenten Kinder ihrer Autoritär ans Bein pinkelt?
Vermutlich hat sie keinen „Plan B“. Wo soll der auch herkommen, wenn „die EU“ ihr Personal da rekrutiert, wo „Sekundärtugenden“ immer noch sind, was sie immer schon waren: Mittel zum Zwecke des Aufstiegs auf Kosten anderer und der Privilegien-Anhäufung?
Auch „die in Polen regierenden Nationalpopulisten von der […] PiS“ sind Kinder, Enkel und Urenkel einer uralten weiß-männlichen Sieger-Ideologie. Genau wie etwa auch die, die „die Ungarn“, „die Briten“ oder „die Chinesen“ regieren. Sie halten es bloß nicht (mehr) für opportun, sich zu verkleiden. Sie fühlen sich nämlich schon hinreichend „ernst“ genommen von ihren Wählerinnen und Wählern.
Mehr Legitimität braucht kein Mensch in einer Demokratie nationaler, westlicher Ausprägung, finden sie wohl. Vor allem dann nicht, wenn er zudem eine schlagkräftige Arme befehligt, und die Kontrahenten gar keine haben. Liegen sie damit ganz falsch?
Ich meine: Selbst, wenn „die EU“ nachrüsten würde - sollt sie wirklich Krieg gegen sich selbst führen? Das wäre doch Bullshit, nicht wahr? Tja, liebe EU, das ist scheiße gelaufen mit deiner Erziehung. Vielleicht hätt’s du doch eher Vorbild sein müssen…
zum Beitrag21.07.2021 , 10:56 Uhr
So, finden Sie?
Mir scheint, dieser Artikel ist eigentlich nicht für die Öffentlichkeit gemacht. Er liest sich eher wie eine innere Notwendigkeit, ein verzweifelter, hilf- und hoffnungsloser Schrei nach ein klein wenig Rest-Vernunft. Nach einer Rest-Vernunft, an die der Verfasser selber nicht glaubt, die er aber immer noch nicht vollständig ausschließen will. Weil kein Mensch auf der Welt dauerhaft leben kann mit der alltäglichen Aussicht auf nichts weiter als Dystopien und Abstürze jeglicher Art.
Aus solchen Gefühlslagen wird Kunst gemacht, nicht Journalismus. Würde die taz ihrem Selbstverständnis nach überwiegend Kunst produzieren, würde sie ihrer Aufgabe nicht gerecht. Möglichst korrekte und vollständige Informationen sind schließlich die Basis aller vernünftigen Entscheidungen. Kunst muss die Ausnahme bleiben. Sie darf nicht zur Regel werden in einer Zeitung mit Anspruch. Die taz soll schließlich nicht der Titanic oder dem Eulenspiegel Konkurrenz machen, sondern der Bild.
zum Beitrag21.07.2021 , 10:40 Uhr
Offenbar ertragen manche Leute eher ein Grinsen ohne Katze, als eine Ironie, die ihre Empörung weder nett weglächelt noch verbalgewalttätig teilt.
Ein Spiegel ohne Bild scheint tatsächlich unerträglich zu sein. Aber was, wenn man das, was man im Spiegel sehen müsste, partout nicht wahrhaben will?
zum Beitrag19.07.2021 , 14:17 Uhr
Zitat: „Sie weist nun Zuma in die Schranken und mit ihm den Anspruch vieler Herrscher, auf ewig über dem Gesetz zu stehen.“
Auf ewig? Je nun. Die Ewigkeit ist nicht das größte Problem. Problematisch ist vor allem die Amtszeit sakrosankter Herrscher.
Ich vermisse in diesem Zusammenhang übrigens einen bestimmten Satz, vielleicht sogar zwei oder drei Sätze. Ich vermisse die Aufforderung an europäische, amerikanische oder australische Richter*innen sich doch bitte schleunigst ein Beispiel zu nehmen an dieser mutigen Frau, der Rechtsgrundsätze über den eigenen Vorteil gehen. Denn dass europäische Herrscher weniger anfällig sind für den erwähnten Anspruch auf Unantastbarkeit, wage ich sehr zu bezweifeln. Ihre Mittel, zu eben jenem vermeintlichen Recht zu kommen, sind bloß nicht ganz so drastisch wie die afrikanischer Despoten, sondern etwas diffiziler.
Auch in sofern verdient das Engagement afrikanischer Juristen nicht einfach nur mehr Aufmerksamkeit. Es verdient echten Respekt, als Ansporn aufgefasst zu werden von Leuten, die es deutlich leichter hätten, den Sinn der Einhaltung auf (mehr oder weniger) demokratischem Weg zustande gekommenen Regeln durch ALLE Bürger gleichermaßen zu erfassen.
„Westliche“ Richter müssten deutlich weniger Mut und Kraft aufbringen zum freien und fairen Urteilen. Sie werden auskömmlich bezahlt, sind gut ausgebildet, super ausgestattet und ihres Lebens bzw. ihrer Gesundheit (relativ) sicher, auch wenn sie keine Gefälligkeitsurteile erlassen. Und doch tun sie sich manchmal schwer, dem Gleichheitsgrundsatz (und geltendem Recht) zu folgen. Vielleicht auch gerade deswegen: Sie haben viel mehr zu verlieren.
Das, scheint mir, ist dann das, was Ironie des Schicksals heißt: Ein Armutszeugnis reicher Nationen - und historisch gesehen einer der Gründe dafür, dass noch kein Weltreich und keine Hochkultur ewig Bestand gehabt hat.
zum Beitrag16.07.2021 , 14:24 Uhr
Bayern ist überall, scheint mir. 🤷
zum Beitrag16.07.2021 , 14:09 Uhr
Zitat: „Es ist nichts Neues, in Deutschland werden Alleinerziehende und Kinder in Armut vom Staat allein gelassen“
Hauptsache, „der Staat“ pampert „die Wirtschaft“, auf dass sie einen Konkurrenzvorteil ausspielen kann.
zum Beitrag16.07.2021 , 14:04 Uhr
Wenn Aufsteiger mal länger Urlaub machen, dann haben sie es offensichtlich schwer. Es treibt sie keiner mehr mit einer Knute an, also begibt ihr Kopf sich auf die Reise und sucht Sinn. Mit dem Ergebnis, dass sie doch wieder nur bei sich selber ankommen.
Warum, hab ich mich immer mal gefragt, scheinen derartig viele Leute zu glauben, der „Aufstieg“ sei ein Wert an sich. Tun sie das, weil ihnen das von anderen ständig gespiegelt wird, sei es Form von Neid, sei es in Form von Kumpanei oder in Form von Geld? Oder tun sie es aus Gründen des Selbstschutzes? Vernünftig ist es schließlich nicht. Es hat nur schon sehr lange Tradition.
Nein, so ein „Aufstieg“ ist kein Wert an sich. Wer Privilegien bekommt, muss dafür etwas geben. Manchmal viel mehr, als er sich leisten kann. Besagte Anerkennung beispielsweise, besagtes Geld oder besagten Neid. Wobei sich, wer den Aufstieg wichtig findet, besser nicht fragt, in wiefern Neid, Geld oder Anerkennung tatsächlich berechtigt sind.
Wenn es das Aufsteiger-Paradox tatsächlich gibt, ist es wahrscheinlich das: Aufstieg macht frei und unfrei gleichermaßen. Man muss im Vorfeld Dinge lernen, die man nachher nicht mehr anwenden darf. Zumindest nicht in eigener Sache. Kritisches Denken etwa oder knackiges Formulieren. Weil Aufstieg immer das ist, was als Gnadenakt bezeichnet wird. Er setzt das Teilen einer Macht voraus, das Abgeben von Privilegien. Und wer die Hand beißt, die ihn mal gefüttert hat, ist ganz schnell „unten durch“. Der hat sich dann umsonst den Hintern aufgerissen und alle Ursprungsbindungen gekappt.
Nun ja. Ich hatte offenbar auch zu viel Zeit zum Denken. Ich bin ja auch nicht weiter aufgestiegen, seit ich die Uni abgeschlossen habe. Denn wie das Arschaufreißen anderen bekommen ist, hab ich schon damals gut erkennen können. Und nun mal was, was ihr nicht glauben werdet, Leute: Ich bin verdammt stolz drauf, dass ich nie aufgestiegen bin. Euch muss ich das zwar nicht beweisen, erzählen kann ich es euch aber doch.
zum Beitrag15.07.2021 , 14:43 Uhr
Es mag herzlos klingen angesichts der vielen Toten und der Schäden, die das Hochwasser verursacht hat, aber der Begriff „Jahrhunderthochwasser“ bezeichnet eigentlich nur eine Berechnungsgrundlage. Er definiert die Menge an Wasser, für die Anlagen ausgelegt werden müssen, damit KEIN Schaden entsteht. In sofern haben die Zuständigen womöglich ein wenig untertrieben. Wenn nicht, sollten sie schleunigst an die Arbeit gehen und ihre Dämme, Deiche und Kanäle generalüberholen. „Jahrhunderthochwasser“ sind dank Klimawandel nämlich neuerdings alle paar Jahre zu erwarten, nicht erst in 100 Jahren wieder. Und die nächsten Opfer gehen dann womöglich auf das Konto derer, die jetzt glauben, der Sache mit Wortakrobatik und Gefühligkeit Herr werden zu können.
zum Beitrag15.07.2021 , 14:12 Uhr
Ob ich eine Partei, die sich von einem selbsternannten „Plagiatsjäger“ aus dem Konzept bringen lässt, für eine „seriöse Alternative zu den Regierungsparteien“ halten soll, muss ich mir erst noch überlegen, glaube ich. Ich fürchte fast, es wird mir schwer fallen, selbst mit viel guten Willen.
Was ist denn ein nicht ganz korrekt zitierter Satz in einem Buch gegen die Mitwirkung an einer Klimakatastrophe, die den Planeten ruiniert? Eine Frau ist Annalena B. immer noch. Relativ „frisch“ ist sie auch, verglichen mit den Dinos, die sonst so ihre Partei repräsentieren. In wieweit sie „integer“ ist, müssen andere wissen, denn was Frau B. in ihren Hinterzimmern treibt, kann ich von hier aus nicht gut sehen. Aber „dynamisch“? Wie Dynamit hat das ja eher nicht geklungen, als sie erklärt hat: „Ja, ich hab mich vertan“. Das klang doch eher kleinlaut.
Wenn schon der Vorwurf, nicht korrekt zitiert zu haben, zu einer Schockstarre führt bei einer Möchtegern-Kanzlerin, will ich nicht wissen, was passiert, wenn irgendwann die Bildzeitung erklärt, dass Deutschland ruiniert wird durch die Klimapolitik. Die Sache ist ernst, Leute. Und sie ist hoffnungslos, wenn die, die „die Union herausfordern wollen“, dazu mental nicht in der Lage sind.
Da spielen viele große Jungs, die sich den Teufel scheren um das Wohl der Welt, um den „Platz eins“ an deren Futtertrögen. Den Luxus, „spektakulär [zu] implodier[en]“, können sich weder Frau Baerbock noch die Grünen leisten, wenn sie tatsächlich glauben, was sie postulieren. Und wir anderen auch nicht.
Ob „Kleinigkeiten“ eine „[große] politische Wirkung“ haben, sollte nicht Leuten wie Stefan W. überlassen bleiben. Nicht größer wirken zu wollen als man ist, wäre gewiss hilfreich. Aber wir brauchen gute Politiker, keine Engel. Glaubwürdig ist nicht, wer (angeblich) keine Fehler macht. Glaubwürdig wird, wer mehr und wichtigeres richtig macht. Prüft eure Prioritäten, Leute, und dann glaubt an euch selbst. Dann tun es andere womöglich auch.
zum Beitrag15.07.2021 , 11:47 Uhr
Die Vorfreude der Autobauer kann ich verstehen. Das geplante Verbot dürfte ihnen noch viel lukrativer erscheinen als jede Abwrackprämie. Zwingt es doch viel mehr Leute, ein neues Auto anzuschaffen. Dass damit dem Klima oder den Arten geholfen ist, darf allerdings bezweifelt werden. Im günstigsten Fall dürfte es sich um ein „Nullsummenspiel“ handeln, wenn zwar der Schadstoffausstoß am Ende der Verbrauchskette sinkt, der am Beginn dafür aber steigt.
Im Übrigen finde ich die blöde Angewohnheit angeblich wirtschaftlich ganz besonders potenter Menschen, lautstark nach staatlichen Windelpackungen zu brüllen, zum Kotzen. Einen Wettbewerb zu gewinnen, wenn man gedopt wird, ist schließlich keine große Kunst. Es erfordert nur einen gewissen Mangel an Selbstwertgefühl, der zu allem Überfluss auch noch durch Großspurigkeit und Überkonsum ausgeglichen wird
zum Beitrag15.07.2021 , 11:34 Uhr
Mir scheint manchmal, es könnte Menschen geben, die nur deswegen Präsident werden wollen, weil sie sich dann berechtigt fühlen, irgendwie unbotmäßige Mitmenschen möglichst empfindlich abzustrafen bzw. abstrafen zu lassen.
Ich persönlich erkenne allerdings keinen größeren Sinn darin, Menschen, die sich schon aus irgendwelchen Gründen (die den Herrn Präsidenten offensichtlich einen feuchten Kehricht interessieren) nicht impfen lassen wollen, zur Strafe auch noch nicht zu testen. Die Tests dienen ja schließlich nicht der Demonstration präsidialer Potenz, sondern der Gesundheitsvorsorge. Das hat der feine Herr R. offenbar völlig vergessen, sonst würde er nicht an den Geiz, die Gier und den Neid des sogenannten Beitragszahlers appellieren. Er würde statt dessen versuchen, den Ursachen der Impf-Ablehnung zu begeben. Schließlich hat er als Ärztepräsident eine Verantwortung. Und zwar weniger für das Geld der Beitragszahler, als vielmehr dafür, dass die Ärzte ihren Job ordentlich machen können. Und dieser Job besteht nicht darin, Geld zu zählen, sondern darin, Menschen gesund zu machen oder besser noch: gesund zu erhalten. Und zwar auch dann, wenn sie aus irgendwelchen Gründen gar nicht geimpft werden können. Im Übrigen ist das Testen entscheidend, wenn rechtzeitig auf eventuelle Mutationen reagiert werden soll, die sich von einer Schutzimpfung gar nicht beeindrucken lassen. Aber so weit denkt der Präsident offenbar nicht. Seine Weitsicht endet schlagartig am Geldbeutel. Vor allem am eigenen, schätze ich, sonst würde er wohl für wenig Geld eigenhändig impfen, statt für viel Geld Unsinn zu verbreiten und einen auf dicke Hose zu machen.
zum Beitrag13.07.2021 , 10:09 Uhr
Zitat: „Ob es jetzt besonders schlimm ist, dass auch Beyoncé diese Strukturen offenbar nutzt – oder ihr eher verziehen werden kann, weil sie sonst so viel Gutes tut? Diese Frage muss jede*r für sich beantworten.“
Na super! Und wenn dann jede*r in ihrem bzw. seinem stillen Kämmerlein zu einem Schluss gekommen ist, ändert sich: gar nichts. Weil: Es gibt keine Kritische Masse.
Und nun mal ernsthaft, Leute: Grundsätze sind nicht das Gegenteil der Individualität. Sie machen sie überhaupt erst möglich. Allerdings muss, wer über Grundsätze reden will mit anderen, erst mal eine gemeinsame Sprache finden. Eine, in der Worte nicht nur einen Klang haben, sondern auch eine Bedeutung. Fangen wir also mal mit dem Wort Emanzipation an.
Der Begriff geht zurück auf das Lateinische und bedeutet ursprünglich „Entlassung“ (aus der väterlichen Gewalt) oder Freilassung“ (eines Sklaven). Erst nach 1600 ist es interessierten Kreisen gelungen, aus einem Akt der Gnade einen Akt der Selbstermächtigung zu machen. Aus der Pflicht der Mächtigen, etwas zu geben, wurde erst ein Recht der Ohnmächtigen, sich etwas zu nehmen, und schließlich eine Pflicht, sich gegen andere durchzusetzen. Aus einem Akt, der Einsicht i.S.v. Vernunft erfordert, wurde ein Akt, der auch mit Gewalt vollzogen werden kann und auf die Angst davor setzt.
Danke, Aufklärung. Selbstkritik war offenbar deine Stärke auch nicht. Wie auch, so ganz geprägt von einer Zeit, in der die Mächtigen keine Moral gepflegt haben, sondern nur Moden?
Das ist in 2021 offenbar nicht anders. Beyoncé etwa scheint nicht zu wissen, dass sie eine Verantwortung besitzt, zu geben, was den eigenen „Erfolg“ schmälern könnte. Ich, dann eine Weile nichts. Und weil die Welt ist wie sie ist, stellt sich die Frage, ob mit dem nackten Zeigefinger auf eine nackte Kaiserin gedeutet werden darf, die sich ganz sicher ist, Mode zur Schau zu tragen.
Die Antwort ist die ewig gleiche: Darf man natürlich, keine Frage. Es hilft bloß leider niemandem.
zum Beitrag12.07.2021 , 14:32 Uhr
Wie Menschen mit ihrer eventuellen Resilienz umgehen, ist leider/zum Glück sehr unterschiedlich.
Es gibt die passiven Typen, die auf externen Druck reagieren wie ein Tafelschwamm und einfach da weiter machen, wo sie vor dem Druck aufgehört haben. Die sind ein echtes Problem für Grüne Spitzenpolitiker, weil sie schlicht nichts dazu lernen. Andererseits sind die positiven Entwicklungen der letzten Jahrzehnte bei diesen Leuten in guten Händen, weil sie nicht immer gleich das Kind mit samt dem Badewasser ausschütten.
Die aktiven Typen hingegen gehen mit ihrer Resilienz ganz anders um. Sie warten nicht auf Druck vom außen. Sie begeben sich sehenden Auges in Konflikte in der Gewissheit, dass sie wahrscheinlich nicht verbogen werden darin. Diese Leute können auch zum Problem werden. Zum Beispiel, wenn sie sich als Rechtspopulisten betätigen. Andererseits können sie im Sinne einer „guten Sache“ viel einstecken und setzen sich deshalb mitunter durch gegen die (ewig) gestrige Konkurrenz.
Natürlich wäre es gut, die Welt würde insgesamt besser, sodass die Einzelindividuen sich kein ganz dickes Fell wachsen lassen müssen. Leider sind auch manche Arschlöcher extrem resilient. Von ganz alleine wird die Welt also nicht besser werden. Und was das ärgerlichste ist: Ob etwas gut ist oder schlecht, ob jemand ganz okay oder ein Arschloch ist, merkt man mitunter erst mit sehr viel zeitlichem Verzug.
Immerhin: Am Klimawandel ist zu sehen, welche Macht Einzelne haben, wenn sie nur viele sind. Sollte uns Menschen denn nicht mit unserer eigenen Spezies gelingen, was wir sogar mit dem Weltklima geschafft haben? Was wir brauchen, sind vielleicht nur andere Politiker. Solche, die im Problemfall nicht irgendwas tun, sondern was sinnvolles. Leute, die die Gesellschaft nicht „komplett umwerfen“, sondern heilen, statt sich als Diktatoren zu profilieren.
zum Beitrag10.07.2021 , 19:41 Uhr
Zitat: „Mein Mann verdient gut – aber warum muss ich mich wieder von einem Mann abhängig machen?“
Weil das der Dualismus der westlichen Welt ist: Entweder sind andere von dir abhängig, oder du bist von andere abhängig. Das ist es, woran die Leute ihre Beziehung zu dir fest machen. Im ersten Fall giltst die als attraktiv, egal wie du aussiehst, im zweiten Fall nicht. Ein Leben ganz ohne Abhängigkeit aber ist einfach nicht vorstellbar für Otto und Ottilie Normalverbraucher. Denn immer haben andere etwas, was man gerne hätte - und umgekehrt.
zum Beitrag08.07.2021 , 21:04 Uhr
Zitat: „Ist es denn nicht auch ein Selbstverständnis von Literatur, solchen Stimmen Gehör zu verschaffen, die für sich selbst nicht sprechen können?“
Es kann durchaus „auch ein Selbstverständnis von Literatur“ sein, „Stimmen Gehör zu verschaffen, die für sich selbst nicht sprechen können“. Muss es aber nicht unbedingt. Es gibt schließlich nicht nur paternalistische Literatur.
Es gibt auch die, die jedem Menschen eine eigene Stimme zutraut. Nur wird ein Literat, der andere für sich selbst sprechen lässt, nicht unbedingt bekannt oder berühmt. Er wird einfach nicht wahrgenommen als Literat, wenn er nicht wenigstens Spannendes über sich selbst zu berichten weiß.
Im übrigen ginge etwa Goethe kaum als deutscher Literat durch, müsste alle Literatur für die sprechen, die nicht selber sprechen dürfen oder können. Aber das scheint der Kritikerin ziemlich egal zu sein. Sie muss halt ihre Überzeugung los werden. Die, dass es nur eine legitime Wahrnehmung der DDR geben kann: Jene, die gerade Staatsräson ist.
Was leider niemandem erklären kann, warum das ärmere, hässlichere, kleinere „Konkurrenz-Deutschland“ erst 1989 implodiert ist und nicht 1949 schon - oder wieso der überlebende siamesische Zwilling derart unfähig ist, sich ganz aus eigener Kraft so zu fortzuentwickeln, dass er weniger toxisch wirkt auf den winzigen Rest der Schöpfung.
Sieht aus, als hätte Miriam N. Reinhard Angst gehabt, sich etwas mehr Offenheit beim Lesen der Erklärung einer 90jährig zu leisten. Ganz ohne Gewissheit scheint es für sie nicht zu gehen. Eigentlich schade. Nicht nur für die Literatur.
zum Beitrag08.07.2021 , 20:28 Uhr
Zitat: „Aber was diese 20 Jahre uns selbst angetan haben, unserer Kultur, unserem Denken, das zieht nicht vorüber.“
Hat es jemals eine größere Zahl von Menschen interessiert, was Siege und Niederlagen mit dem Denken und der Kultur der Sieger bzw. der Besiegten machen? Waren denn nicht immer der Gewinn und der Verlust das, was nach den Kriegen der Vergangenheit gezählt oder gewogen wurde, das, was die Leute interessiert hat? Sind Siege und Niederlagen nicht schon so lange „Dinge an sich“ nach dem Verständnis der aller meisten Menschen, dass nach ihren Konsequenzen für die Psyche der Nationen wie der Einzelnen gar nicht gefragt wird? Weil Fragen dieser Art nirgendwo hin führen, außer vielleicht ins Abseits, ganz an den Rand, da hin, wo niemand gerne sein möchte, weil Menschen ohne Menschen nicht gut leben können?
zum Beitrag08.07.2021 , 15:31 Uhr
Impfen in Kneipen? Super Idee! Wenn nicht dahinter wieder das Vor-Urteil lauern und unverschämt grinsen würde…
Nein, nicht jeder Gering-Verdiener verbringt seine Freizeit vorm Tresen. So wenig, wie jeder arme Mensch zu dumm ist, sich einen Impftermin geben zu lassen. Aber fast alle Menschen, die wenig verdienen, müssen sich noch mehr gängeln lassen als Gut-Verdiener, deren Lobbys immerhin für soziale Wohltaten gesorgt haben.
Während Chefs (mehr oder weniger) frei über ihre Terminkalender verfügen und hoch dotierte Fachkräfte sich notfalls auch während der Arbeitszeit impfen lassen können, müssen Schicht- oder Bandarbeiter fürs Impfen tauschen oder Urlaub nehmen. Urlaub, der ihnen zu allem Überfluss auch noch kurzfristig verwehrt werden kann „aus betrieblichen Gründen“. Wo ausschließlich Schlagkraft was gilt, sind halt Nicht-Schläger gekniffen.
Wenn „die Menschen nicht zur Impfung kommen“, muss das jedenfalls nicht zwingend an den Menschen selber liegen. Käme die Impfung zu den Menschen, könnte das hilfreich sein. Es würde etwa die „Arbeitgeber“ in Zugzwang bringen, ihr Scherflein doch beizusteuern, statt auf dem Buckel ihrer Beschäftigten Konkurrenzkämpfe auszufechten.
„Niederschwellige Angebote“ wären überhaupt eine gute Sache. Nur stehen sie im Widerspruch zum Machtgebaren mancher Alphatiere. Die wollen es schließlich nicht nötig haben müssen, sich irgendwie zu kümmern um Minderbemittelte aller Couleur. Dafür, schließlich, haben sie ja Personal, dass sie nur denen hinterherzurennen brauchen, die noch etwas mächtiger sind als sie selbst - und nur die Klinken an den Türen putzen, hinter denen es golden glitzert.
zum Beitrag08.07.2021 , 15:06 Uhr
Zitat: „Die besonders strengen Reisebeschränkungen für Portugal, Großbritannien und Nordirland, Russland, Indien und Nepal werden […]wieder gelockert. [Aus den] fünf Länder[n], in denen sich besonders ansteckende Coronavirus-Varianten ausgebreitet hatten, […] ist die Einreise nach Deutschland […] wieder möglich. Für vollständig Geimpfte und Genesene entfällt die Quarantänepflicht ganz, für alle anderen wird sie verkürzt. Hintergrund ist, dass die Delta-Variante des Coronavirus auch in Deutschland schon weit verbreitet ist. Der eigentliche Zweck der drastischen Reisebeschränkungen – die Ausbreitung der Delta-Variante zu bremsen - hat sich damit weitgehend erledigt.“
Was‘n das für ne Logik? Heißt das übersetzt: „Nun is’ eh alles wurscht“?
Statistisch gesehen reisen aus Ländern mit hoher Infektionszahl immer noch mehr potentiell-zusätzliche Infektionsquellen nach Deutschland ein als aus Ländern mit geringer Inzidenz. Ein Grund, pauschal auf jede Quarantäne zu verzichten, ist das sicherlich nicht. Auf ein hohes Risiko sollten verantwortlich Handelnde anders reagieren als auf ein niedriges, finde ich. Schon um glaubwürdig zu bleiben und den Anschein von Willkür und Vetternwirtschaft zu vermeiden. Und überhaupt: Wenn Geimpfte nun auch wieder erkranken, stehen ihre Privilegien eigentlich auch wieder zur Disposition. Wie man vor diesem Hintergrund einen „Impfruck“ (und nicht nur einen Impdruck) erzeugen will, hätte ich gerne erklärt.
Merke: Wer keine vernünftigen Präventionsmaßnahmen entwickelt und sich von Infektionszahlen von einem Lockdown zum nächsten treiben lässt, der kann in alle Ewigkeit den Schalter umlegen von Null auf Eins und wieder zurück. Immer wird ihm das Virus um (mehr als) eine Nasenlänge voraus sein. Nein, nicht der Mensch ist Herr der Pandemie. Dazu ist er zu unsolidarisch. Er kann nur auf die eine oder andere Art profitieren davon - oder immer verlieren. Je nachdem, ob er sich ums „System“ kümmert, oder ob das „System“ sich mit ihm befasst.
zum Beitrag08.07.2021 , 14:34 Uhr
Zitat: „Die Länder dürften nicht nur auf sich selbst schauen“
In einer Welt, in der global gehandelt und gereist wird, ist Solidarität ein Muss. „Nur auf sich selbst [zu] schauen“ und national-egoistisch zu handeln, ist schlicht keine sinnvolle Option, wenn Grenzen weder für Waren oder Geld undurchlässig sind, noch für Personen, die Geld gegen Mobilität tauschen.
Das ökonomische Überleben gerade der reichen Staaten beruht auf ihrer Weltoffenheit. Die nationalen Grenzen wieder „dicht“ zu bekommen, ist nicht nur schwierig, es hätte auch verheerende Folgen für das Image und das Gewicht von „Exportmeistern“ wie Deutschland. Nicht umsonst waren vor allem die Kultur, das Privatleben und Schröders „Gedöns“ von den staatlichen Lockdowns betroffen. Die Wirtschaft wurde weitgehend verschont.
Aber auch das hat Wirkung gezeigt. Hat die „Spanische“ Grippe bei damals 1,8 Milliarden Menschen weltweit noch 20 bis 50 Millionen Tote gekostet (andere Schätzungen sprechen von bis zu 100 Millionen), müsste Corona, auf die 8 Milliarden Erdenbürger von heute umgerechnet, mindestens 90 Millionen Tote vorweisen, um die erste große Grippeepidemie zu topen.
Die Menschheit kann froh sein, dass Corona nicht später ausgebrochen ist. Noch sind die Gesundheitssysteme nicht komplett kaputtgespart von neo-„liberalen“ Managern, Unternehmern und Politikern. Und einen Weltkrieg gibt es auch gerade nicht. Wären Impfstoffe (die unter Einsatz horrender Steuermittel entwickelt wurden) nun nicht gerade eine Ware unter vielen auf einem „freien Markt“, hätte Corona vielleicht keine Chance. So aber kann es munter mutieren, bis die Vakzine, die es derzeit gibt, gar nicht mehr wirken.
Aber das soll so, schätze ich. So lang Wettbewerbs- und Wachstumsambitionen noch auf der Angst und dem Tod von Millionen Schwächerer gründen dürfen und „Volksvertreter“ außer Verboten und Beschränkungen nur Wirtschaftsförderung können müssen, wird weiter sinnlos gestorben werden für Profit. Gerne auch anderswo.
zum Beitrag07.07.2021 , 12:38 Uhr
Dem Humoristen Valentin Ludwig Fey verdanken wir die griffige Formulierung einer weit verbreiteten Erkenntnis: Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Da Arbeit eine Ware ist in einer Marktwirtschaft, kostet sie was. Die spannende Frage ist: Wen kostet sie wieviel.
Die Schönheit eines Blumenkranzes kostet etliche Gänseblümchen ihr ohnehin relativ kurzes Leben. Schön ist das nicht. Gäbe es nicht auf jeder Wiese massenhaft Gänseblümchen, wäre das Bewusstsein dafür sicher größer. Es gibt aber genug. Und sie gehören niemandem. Also spielt ihr vorzeitiges Ableben in der Kalkulation keine besonders große Rolle. Es ist halt alles eine Frage der Relation.
Wohl dem, der sich vollkommen frei fühlt von aller (Vor-)Sorge. Wer sich für nichts und niemanden verantwortlich fühlt, der gibt den besten aller Künstler ab. (Vorausgesetzt, er hat Talent.) Vermutlich entsteht „ganz große Kunst“ genau deswegen (zu) häufig dann, wenn ihre Schöpfer grade halbwegs abgeschlossen haben mit der Welt. Weil sie kurz vor dem Wahnsinn stehen, vor einem Selbstmord oder von andren intensiv gejagt werden. Dann fragt der Mensch nicht mehr, was wen was kostet.
Dem Konsumenten kann das alles wurscht sein. Vor allem, wenn der Künstler „klassisch“ ist, also schon tot. Oder ein Gänseblümchen. Wenn er noch lebt oder womöglich gar der Konsument selbst ist, ist das irgendwie anders. Dann tritt ein sogenannter Abwägungsbedarf auf.
Zum Beispiel zwischen Zeit und Zeit. Wer sich dem Kunstmarkt nicht gern unterwerfen will, der muss seine täglich Brot irgendwo anders hernehmen. In einer Zeit, die dann natürlich an der Kunst fehlt. Abwägen wirkt sich nicht zwingend kreativitätssteigernd aus.
Manch einer ruft an dieser Stelle nach dem „Bürgergeld“. Nur muss das leider auch jemand erwirtschaften. Und Kunst hat sehr viel mit Geschmack zu tun, den man entweder hat, oder auch nicht. Dass das so ist, macht Steuerzahlungen nicht angenehmer - und Kunst nicht unbedingt beliebter. Vor allem nicht die kritische.
zum Beitrag03.07.2021 , 07:29 Uhr
Zitat: „Man kommt also […] nicht […] zu neuen Einsichten über die 90er in den „neuen Bundesländern“.
Tja. Verpasst ist halt verpasst. Eigenes Erleben ist durch den Konsum von „Coming-of-Age-Geschichten“ nicht zu ersetzen. Und selbst wenn das anders wäre - wer mit einer derartigen Erwartungshaltung auf die Leute zugeht, kann eigentlich nur total enttäuscht werden.
Würde mich mal interessieren, wie Julia Lorenz auf die Idee kommt zu erwarten, im Osten Sozialisierte müssten zwingend das gleiche Bedürfnis haben, anderen mit Gewalt die Welt zu erklären, wie manch ein im Westen Aufgewachsener. Sie sollte bei Gelegenheit vielleicht mal ein Buch darüber schreiben.
Die Bringschuld, die ein Schriftsteller angeblich hat der Gesellschaft gegenüber, ist im Vorwende-Osten zwar ausgiebig thematisiert worden, sie ist aber nichts, was man hier und jetzt unbedingt haben muss, wenn sie einem damals und dort gestunken hat. Vor allem dann nicht, wenn die Beteitschaft der zu Belehrenden, anderes wahrzunehmen als die eigenen Erwartungen und Klischees, derart deutlich zu erkennen sind.
Der Osten nach 1990 war, wie er nun einmal war. Denen, die sich so durchgewurstelt haben in einer Zeit des Umbruchs und der Ahnungslosigkeit, weltrettende Erkenntnisse für heute oder eine Erklärung dafür abzuverlangen, wie alles kam, ist jedenfalls ziemlich borniert. Borniert und dumm. Hinterher schon vorher alles besser gewusst zu haben, ist schließlich nichts, was einen guten Schriftsteller auszeichnet, finde ich - oder auch nur einen sympathischen Menschen.
zum Beitrag02.07.2021 , 16:47 Uhr
Zitat: „Es kommt vor, dass du eine Unterbrechung beantragst, aber das System sie dir verwehrt“
Das kommt davon. wenn sich „künstliche Intelligenz“ von natürlicher Idiotie programmieren lässt. Ich persönlich finde ja, dann kann sie wirklich intelligent nicht sein.
Schließlich wusste schon der alte Ford (der zwar halbwegs geschäftstüchtig gewesen ist, aber nicht wirklich ein Einstein), dass Autos keine Autos kaufen. Dass Menschen ohne Einkommen zu viel Geld für die Benutzung autonom fahrenden Taxis ausgeben können, deren Besitzer sich auf die Art eine goldene Nase verdienen wollen, ist mindestens genau so unwahrscheinlich.
zum Beitrag02.07.2021 , 10:48 Uhr
Zitat: „Man kann die Erinnerung nicht einfach abreißen“.
Nein, das kann man tatsächlich nicht. So wenig, wie man sid dauerhaft irgendwo verscharren kann. Aber man kann es natürlich immerhin versuchen. So, wie man versuchen konnte, die, nun ja, „indianische Kultur“ herauszuprügeln aus den Kindern, die diese Internate besuchen mussten. Um so wichtiger ist die Erkenntnis, dass zumindest einige der Opfer dieser kulturellen Vergewaltigung ihre Würde nur an den Orten zurückgewinnen können, an denen sie ihnen genommen wurde.
Ich hoffe und wünsche den Überlebenden, dass der Heilungsprozess nicht willkürlich unterbrochen oder mit Macht unterbunden wird von Leute, die sich vor ihrer Verantwortung drücken wollen, weil sie sich außerstande fühlen, ihr tatsächlich gerecht zu werden. Denn auch diese Leute, mögen sie mir auch noch so unsympathisch sein, sind eigentlich vor allem eins: hilflose und zum Teil sogar willige Opfer eines unmenschlichen Systems. Opfer, die aus lauter Scham über die erfahrene mentale Vergewaltigung nicht in der Lage sind, das eigene Gesicht im Spiegel zu erkennen.
zum Beitrag02.07.2021 , 09:44 Uhr
Opern sind definitiv Geschmacksache. „Faszinierend“, würde Mr. Spock das Verhältnis von Mensch und Oper finden, schätze ich.
Nein, Ulf Poschardt hat sich nicht verabschiedet von seiner Herkunft. Er möchte ihr immer noch entkommen in seiner „Diva“, mit des sich angeblich so hervorragend „driften“ lässt. Er hat offenbar Angst, dass sie ihn eines Tages doch wieder einholt, seine Vergangenheit. Weil er im Grunde der ist, der er immer war. Und es auch bleiben wird. Ganz unbegründet scheint mir diese Angst nicht zu sein. Leute seines Schlages, die sich in der arroganten Pose des Dandys sonnen, gibt es etliche. Vor allem da, wo sich der „Vorstand“ täglich rumtreibt. Und auch diese Leute fragen sich, warum sie ihr Leben verschwenden sollten für naheliegende Lösungen: Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit etwa.
Im Übrigen stelle ich mir ein Leben im Ferrari-Universum etwa so öde vor wie eines im Schlaraffenland. 24/7 Faul sein und dabei dick und doof werden, wäre für mich irgendwie nicht genug. Ich will mich nicht entscheiden müssen zwischen Vernunft und Emotion. Ich möchte beides, und zwar halbwegs austariertes. Der Kick entsteht beim Balancieren, Leute. Dass ich mit diese Einstellung bei Ferrari falsch bin, wenn ich meine Kohle wieder los werden will, ist dabei mein kleinstes Problem.
zum Beitrag02.07.2021 , 09:13 Uhr
Zitat: „Eine Partei mit einem so intimen Verhältnis zur Hochstapelei hat kein Recht, den Moralrichter zu spielen.“
Das vielleicht nicht. Aber das Bedürfnis, andere zu sich herunter zu ziehen und möglichst auch noch unter die Füße zu bekommen, hat sie ganz sicher.
Ich glaube kaum, dass eine ganze Generation hierzulande so privilegiert aufgewachsen ist, dass die solche simplen Zusammenhänge nie auch nur ansatzweise am eigenen Leib erfahren hat. Ich glaube allerdings ganz sicher, dass die Grünen eine besondere Anziehungskraft auf solche Menschen ausüben. Das hat wenig mit ihrem Programm und viel mit ihren medial vermittelten Image zu tun.
Die sorglosesten unter diesen bis zur Sorglosigkeit privilegierten Menschen haben es unter solchen Umständen naturgemäß am leichtesten, an die Parteispitze aufzusteigen. Es hat eben jede Partei das Personal, das sie verdient (und mit dem sich ihr Klientel identifizieren kann): Die Union beheimatet (vor allem an der Parteispitze), vergleichsweise viele gewissenlose Lügner, die SPD etliche resolute Emporkömmlinge, die FDP zieht dreiste Egomanen an, die Linke viele populistische Maulhelden, die AfD Leute ohne generelle Menschlichkeit und die Grünen halt sorglose Stümper. Alle zusammen sind sich immerhin so ähnlich, dass sie das Land halbwegs unfallfrei im Sinne seiner Bewohner regieren können.
Sind eben doch wahre Volksvertreter, unsere demokratisch gewählten Politiker*innen. Ob das auch tatsächlich „gut so“ ist, lässt sich natürlich diskutieren.
zum Beitrag02.07.2021 , 08:39 Uhr
Wir sollten uns gut merken, finde ich, wer jetzt vornehme Zurückhaltung übt. Das sind nämlich genau die Leute, die aus der Not und dem Elend anderer Profit schlagen wollen.
Wären sie Arbeiter, würden sich die (Staats-) Chefs (u.a.) von Irland, Ungarn, Estland und diverser britischer Banken ganz sicher als Streikbrecher betätigen. Da sie Spitzenpolitiker sind, verbünden sie sich mit den Unternehmen, die um ihrer Marktmacht willen die Ausbeutung von Mensch und Natur auf die Spitze treiben. In der Hoffnung, dass eine Mehrheit ihrer Untertanen blöd genug ist, nicht unterscheiden zu können zwischen einen kurzfristigen Kaufrausch im Rahmen einer Schnäppchen-Jagt und dem guten Gefühl, für sich selbst und andere eine lebenswerte Zukunft gesichert zu haben.
Leider ist zu erwarten, dass sie sich nicht verrechnet haben, die Bremser und Boykotteure. Eine Mehrheit der Menschen hat sich das Denken schon andressierten lassen. Sie fühlen nur noch, dass sie unbefriedigt sind. Und alle, die taz eingeschlossen, so: „Yeah, come on, drama baby!“
zum Beitrag02.07.2021 , 08:24 Uhr
Zitat: „Für einige Hundert unbeherrschter Fußballfans muss also ein ganzes Land herhalten.“
Ja, ganz genau: Für einige wenige Unbeherrsche müssen alle anderen mehr oder weniger stark leiden. Aber diese Erkenntnis ist weder neu noch ist sie auf den Fußball beschränkt. Sie ist ein Grundsatz des Zusammenlebens. Besonders in den sogenannten „westlichen Gesellschaften“.
Mag sein, das hat damit zu tun, dass der beste Kunde (und überhaupt der beste follower) der ist, der sich um jede Vernunft fühlt. Er kauft (bzw. handelt), ohne über die Folgen nachzudenken. Vor allem die Folgen für seine Mitmenschen oder die Natur sind ihm herzlich egal. Emotionen herrschen, das ist nun mal Fakt. Und zwar um so mehr, als der davon beherrschte über die nötigen Finanzmittel verfügt. Es ist ein struktureller Mangel der (a-)sozialen Marktwirtschaft, dieses Prinzip zu einer tragenden Säule der Gesellschaft gemacht zu haben.
Die Macht der UEFA ist ja nicht vom Himmel gefallen. Sie ergibt sich aus dem Verhalten von Millionen Konsumenten, Produzenten und Politikern. Genau genommen also sind wir keine wirklich unschuldigen Opfer. So wenig, wie es 1945 unschuldige Deutsche gab, gibt es heute unschuldige Europäer. Das zu erkennen sollte eigentlich leicht fallen, wo der Feind ein Virus ist, das keine Nationalität besitzt. Offenbar aber ist das mit der Leichtigkeit so eine Sache. Leichter, als die einfachste Erkenntnis, fällt es offensichtlich viele Leuten, das gebetsmühlenartig zu wiederholen, was immer schon gesagt wurde: „Die da, die Anderen sind Schuld an der Misere, nicht ich und auch nicht meine Freunde“
zum Beitrag02.07.2021 , 08:05 Uhr
Zitat: „Wie dies gelöst werden kann, beschäftigt auch die Politik seit einigen Jahren. Seit Juni gibt es das ‚Gesetz gegen Hass im Netz‘“.
Sollte mich wundern, wenn gegen Hass (wo auch immer er sich äußert) Gesetze helfen würden. Hass ist ein starkes Gefühl. Eins, das mindestens so stark ist wie die Liebe. Und wir alle wissen, wie sehr Gesetze (i.S.v. Verboten und Strafandrohungen) gegen die Liebe helfen.
Wenn menschliche Gefühle stark sind, kommt keine Drohung an dagegen. Dass unsere Politiker das nicht kapieren wollen, finde ich traurig. Es zeigt mir nämlich, wie hilflos sie im Grunde sind. Sie wollen oder können rein gar nichts tun, um die Entstehung von Hass zu minimieren. Dazu, es der Liebe schwer zu machen, sind sie viel eher bereit und in der Lage. Wer so eine Regierung hat, der, die oder das braucht keinen externen Aggressor mehr.
zum Beitrag01.07.2021 , 18:05 Uhr
So etwas ist nicht zu verstehen. Es ergibt schlicht keinen Sinn für einen Menschen, der von seinen Gefühlen überwältigt wird. So etwas können sich nur Menschen ausdenken, die eine rein theoretische Verantwortung tragen. Zum Beispiel für die Gesundheit von Leuten, die sie nicht kennen und die ihnen auch herzlich egal wären, wäre es anders.
Es gehört zu den Dingen, die das Leben in einer Gesellschaft mitunter fast in erträglich machen, dass man sich immer wieder entmündigen lassen muss. Sobald das Risiko, Dritte zu gefährden, nicht zuverlässig ausgeschlossen werden kann (und manchmal selbst dann noch), fühlen sich von Amtswegen Zuständige verpflichtet, anderen das Recht auf eigene Entscheidungen ohne vorherige Anhörung komplett oder teilweise zu entziehen (und ganz nach Gutdünken irgendwann wieder zurückzugeben oder auch dauerhaft einzubehalten). Sie haben dazu zwar kein moralisches Recht, aber immerhin ein juristisches. Zumindest bis zum gerichtlichen Beweis des Gegenteils.
„Verklag‘ mich doch!“ heißt es dann höhnisch, wenn man sich beklagt. Es gibt kein Untechts-Bewusstsein, wo es ein Gesetz gibt, und sei es auch nur ein gefühltes. Gib einem Menschen Macht und du lernst ihn kennen. Wohl dem, dem die Erkenntnis dann noch etwas nützt, weil die Abhängigkeit noch nicht 100%ig ist.
zum Beitrag01.07.2021 , 14:33 Uhr
Zitat: „Welche Legitimität habt ihr, um die Verantwortung zu übernehmen für Kinder, die auf die Welt kommen, ohne je einen Vater zu haben?“
Ich verstehe nicht: Gab es in Frankreich bis zur Verabschiedung dieses Gesetzes etwa keine Kinder, die nie einen Vater hatten? Weil ihre Mütter zwar ein Kind wollten, aber keinen Mann, weil ihre Väter zwar eine Frau wollten, aber keine Kinder oder weil neun Monate eine sehr lange Zeit sind für (zu) junge Leute? Und überhaupt: Wer gibt den Ultrakonservativen etwa das Recht, Männer in Kriegseinsätze zu entsenden, deren Frauen oder Freundinnen schwanger sind oder grade entbunden haben? Was ist mit der „Verantwortung“ dafür? Werden Kriegswaisen allesamt adoptiert von Agnès Thill? Hatte diese Person ernsthaft angenommen, ein wirklich starker Kinderwunsch ließe sich unterdrücken, wenn die künstliche Befruchtung verboten bleibt für Lesben und Unverheiratete? Wie ignorant kann man denn sein als Konservative*r - oder wie verstört?
Ich vermute, es geht diesen Leuten ausschließlich um Abschreckung. Sie möchten, dass es den Frauen (und Männern), die nicht in ihr starres Familienbild passen, so schwer wie irgend möglich gemacht wird, Kinder zu bekommen. Warum? Weil sie Angst haben vor positiven Erfahrungen, die ihre um 1900 eingefrorenen Ansichten auftauen, sodass sie anfangen, komisch zu riechen?
Wieso wollen diese Leute Probleme minimieren, die nur die allein sehen können, obwohl oder gerade weil sie selbst gar nicht betroffen sind? Ich kann die, die ihre Nase in anderer Leute Angelegenheiten stecken, ohne dazu eingeladen worden zu sein, nicht ausstehen. Dass es anderen Menschen offenbar anders geht, wundert mich immer wieder.
Aber vielleicht ist es ja gar nicht das Prinzip, das die Leute ablehnen oder befürworten. Entscheidend scheint vielmehr zu sein, ob sie selber gegängelt werden, oder ob es andere sind, die der Kandare unterworfen sind. Wenn dem so wäre, könnte ich eigentlich nur beten: „Heiliger Sigmund F. hilf!“
zum Beitrag01.07.2021 , 12:16 Uhr
Warum es „vor allem Frauen in Tschador [sind], die den Ultrakonservativen unterstützen?“ Warum wählen Frauen in Kittelschürzen gern die Union? Womöglich gefällt ihnen ja schlicht das Image, das die Union von sich hat schaffen lassen.
Aber mit solch einfachen Erklärungen können sich manche Menschen wohl nur schwer abfinden. Als Soziologe etwa müssen sie Frauen kollektiv unterstellen, sie dächten „pragmatisch“ und wählten das aus ihrer Sicht kleinere Übel. Als wären Frauen außerstande, auf Grund eigener Erfahrungen und Prioritäten zu wählen und hätten immer ausschließlich die Macht der Männer im Auge.
Dabei wäre es so einfach: Man(n) müsste die einzelne Frau nur mal fragen - und ihr dann auch glauben, statt ihr zu unterstellen, sie wäre nicht „Herr“ der eigenen Entschlüsse, sondern eine Marionetten der Männer. Aus: „Vielleicht tut er nichts für uns. Aber zumindest werden wir nicht gestört“ würde dann plötzlich werden: „Die amerikanische und die europäischen Regierungen [wollen] für uns entscheiden […] Das wollen wir nicht“. Und warum auch sollten nur Männer Nationalisten sein? Der Mensch will, wenn er sich denn schon unterwerfen muss, wenigstens wählen dürfen, vor wem er sich verneigt.
Ist ja nicht so, dass es die Probleme, die im Text genannt werden, im „Westen“ (?) nicht gibt. Unterschiedlichen Kulturen haben nun einmal mit unterschiedlichen Defiziten zu kämpfen. „Der Westen“ will das bloß nicht wahrhaben.
Die Summe allen Ärgers, scheint mir, ist doch eine Naturkonstante. Der Mensch kann sich nur die Zusammensetzung aussuchen. Im Öffentlichen Dienst beispielsweise kann auch in Deutschland nur jemand Karriere machen, der mit bestimmten Regeln kein Problem hat. „Nichtwissenschaftliche Standards“ gibt es auch hier. Ich bekomme sie täglich mehrfach präsentiert - und werde einen Teufel tun, mich auf Führungsposten zu bewerben, für die ich zweifellos qualifiziert wäre. Entscheidend ist nämlich für mich, was nicht in der Ausschreibung steht.
zum Beitrag30.06.2021 , 21:42 Uhr
Nein, natürlich „mildert“ es „die Ungeheuerlichkeiten, die sie begangen haben“ in keiner Weise, dass „Hitler und Konsorten“ psychisch deformiert waren. Aber darum geht es auch nicht, wenn die Hintergründe thematisiert werden. Es geht um die Frage, was getan werden kann, damit nicht noch mehr Leid entsteht, als unvermeidlich ist.
Ist Prävention möglich? Wenn ja, mit welchen Mitteln? Um diese Frage richtig zu beantworten, muss geklärt werden, was genau die Ursachen der Gewalt sind. Schließlich ist gegen vieles ein Kraut gewachsen. Aber nicht jedes hilft jedem gleichermaßen gegen alles.
Apropos: Dass „Ohnmachtsgefühle“, die „Erklärungswut der Medien und ‚Experten‘“ oder gar jene „Kette von Ursachenvermutungen und Schuldzuweisungen“, die nach jedem Amoklauf „in Gang“ kommen, auch nur eine einzige „tödliche Eskalation […] im trauten Heim“ verhindern könnten, wenn sie den massenhaft publiziert werden würden, halte ich noch für ein Gerücht. Mediale Kampagnen werden in aller Regel grade nicht mit „Akribie“ betrieben. Medienleute sind oft zu laut, (vor-)schnell, reißerisch und oberflächlich. Meist recherchieren sie auch noch unsauber und drücken sich ungeschickt aus. Journalismus ist halt keine Wissenschaft. Im besten Falle ist er gut gemeint. Dieser Text von Joachim Kersten kann als Exempel dafür gelten.
zum Beitrag30.06.2021 , 15:10 Uhr
Zitat: „Und doch fällt es mir schwer, mich aufs Unbekannte einzulassen.“
Die schlechte Nachricht ist: Das wird mit zunehmendem Alter nicht besser. Und zwar vor allem deswegen, weil man im Laufe der Zeit so viele unterschiedliche Erfahrungen macht, dass man gewisse Muster auch da erkennt, wo sie nicht auf den ersten Blick zu sehen sind. Was eben noch unbekannt schien, weil es eine ungewohnte Form hatte, kommt einem spätestens nach ein paar Tagen doch wieder irgendwie bekannt vor. Und warum sollte man denn Energie verschwenden auf etwas, was einen (bestenfalls) langweilen oder (schlimmstenfalls) frustrieren würde?
Nehmen wir nur mal die Sache mit den, nun ja, Beziehungen. Jede davon ist zu Beginn aufregend. Weil zu Beginn keinesfalls klar ist, auf wen oder was man sich da gerade eingelassen hat.
Sexuelle Attraktivität entsteht nicht im Frontalhirn. Sie ist ein uraltes, rein biologisches Prinzip. Erst, wenn der hormonelle Rausch vorbei ist, erkennt man, wen man sich „angelacht“ hat in seinem Tran. Man kann dann noch versuchen, Differenzen zu managen, aber mit Verliebtsein hat das meist nichts mehr zu tun.
Die gute Nachricht ist also: Man kann das Beziehungenhaben nicht verlernen. So wenig wie das Radfahren, nur aus ganz anderen Gründen. Es gibt keine Norm für Beziehungen, nichts, was man auswendig lernen könnte. Also gibt es auch nichts, was sich vergessen ließe. Wir alle sind einmalig. Unsere genetische Ausstattung und die Erlebnisse, die uns geprägt haben, machen uns zu Individuen. Jede mögliche Konstellation zweier Individuen aber ist eine völlig „neue Welt“. Eine, für die ihre Bewohner die Regeln jeweils neu aushandeln müssen. Haben die Partner Glück und sind einander ähnlich, ist das verhältnismäßig leicht. Wenn nicht, nicht.
zum Beitrag30.06.2021 , 14:29 Uhr
Ach, und bei all jenen Verteidigungsministern, die uns (und Frau von der Leyne…äh: Leyen) den ganzen Schlamassel vor Jahren schon eingebrockt haben, wundert sie was?
Nein, es wurde nichts gelernt aus Afghanistan. Wie auch? Frieden schafft man nicht mit Militär. Soldaten lernen gehorchen und schießen, nicht denken und reden. Das einzige, was mich dabei noch irritiert, ist: Die UN ist gar kein reines Militärbündnis. Da haben eigentlich Zivilisten das Sagen. Was haben die eigentlich gelernt?
zum Beitrag30.06.2021 , 09:27 Uhr
Erstaunlich! Da steht ein riesiger pinkfarbener Elefant im Raum und Michael Kopatz scheint ihn nicht zu sehen.
Stimmt schon: Aus „ökologischer Sicht ist es günstig, wenn ein nennenswerter Teil der Gesellschaft seine wöchentliche Lohnarbeit zugunsten pflichtenfreier Zeit verringert“. Nur hat die ökologische Sicht derzeit keinerlei Priorität.
Die Mitglieder westlicher Gesellschaften sind seit spätestens 1949 auf den Konsum konditioniert worden. Fällt der Konsum immer neuer, immer billigerer Waren weg, kann leicht die mühsam bewahrte Stabilität der angeblich demokratischen Nationen in Gefahr geraten. Zumal weniger Erwerbsarbeit nicht nur weniger Einkommen, weniger Konsum und weniger Umweltschäden bedeutet, sondern auch weniger Profit. Weniger Profit aber bedeutet weniger Wettbewerbsfähigkeit.
Leider ist der Wettbewerbsgedanke, neben dem des permanenten Konsumwachstums, die zweite heilige Kuh westlicher Gesellschaften. Ohne ihn wäre „der Westen“ nicht, was er zu sein glaubt - und müsste sich eine ganz neue Identität zulegen. U.a. würde es „dem Westen“ rein gar nichts mehr nützen, den Kalten Krieg gewonnen zu haben, wenn er das Heilsversprechen des immer weiter wachsenden Konsums/Profits nicht länger halten könnte.
Kann ja gut sein, dass Menschen überall auf dieser Welt von Freundschaften, Begegnungen, Gesundheit und Sicherheit träumen. Nur lassen Träume sich nicht unbedingt verwirklichen mittels Anwendung der sogenannten Sekundärtugenden. Sie sind zu einem guten Teil glücksabhängig. Und vom Glück abhängig zu sein, ist für manchen unter uns nur sehr schwer zu ertragen.
Nein, nicht „die Ökonomen sind gefragt“, wenn der Trend zum Niedergang unserer Art gestoppt werden soll. Gefragt sind gute Psychologen. Solche, die „der Wirtschaft“ nicht dabei helfen, sinnlose Dinge massenhaft abzusetzen, sondern die Ursachen der Gier angehen. Das allerdings wird eine Herausforderung, denn dafür werden sie nicht all zu gut bezahlt werden. Und ob sie das aushalten…?
zum Beitrag29.06.2021 , 17:29 Uhr
Ich schätze, Herr Kretschmann ist nicht ganz umsonst mehrheitsfähig in „einem der reichsten Bundesländer“ dieser Republik.
Aber warum sollten auch ausgerechnet solche Leute in Chancengleichheit investieren wollen, die vor zwei Generationen noch Schlusslichter waren im Kohle-Ranking? Die sind doch froh, dass sie endlich wer sind, auch wenn das ganz ohne Ausbeutung und Umweltzerstörung wohl nie so gekommen wäre!
Vermutlich genügt es der Mehrheit aller Untertanen des Winfried Kretschmann, dass sie einen grün angestrichenen Rechten (nein, keinen Extremen) zum König gemacht haben. Mehr Progressivität darf ihrer Meinung nach offenbar niemand von ihnen verlangen. Nicht, bevor sie ihren Super-Ländle-Status nicht vollständig ausgekostet haben. Wann das genau sein könnte? Na, nicht all zu bald jedenfalls.
zum Beitrag29.06.2021 , 17:03 Uhr
Na dann: Viel Fun mit‘m Teddy. Gibt es gewiss auch als Sex-Spielzeug. Ist heute ja nichts mehr unmöglich. Toyota.
Alternativ könnte mensch natürlich auch zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht alle sind wie die, die hier beschrieben wurden: verspätete Teenager bzw. Barock- und Rokoko-Menschen, an denen die Aufklärung spurlos vorübergegangen ist.
Aus Erfahrung kann ich berichten: Es gibt auch noch andere. Und zu denen ist der Kontakt gar nicht erst abgebrochen. Nicht in der Pandemie und auch nach der Schule/der Uni schon nicht. Weil die Beziehung zu ihnen belastbarer war. Es gibt also auch nicht sehr viel zu rekapitulieren an Schnörkeln und Floskeln und angeblich alles entscheidenden Must-Haves für die Leute, die Klasse statt Masse bevorzugen.
zum Beitrag29.06.2021 , 16:34 Uhr
Zitat: „Wir haben Durchschnitte ermittelt, und da liegt der durchschnittliche Lerneffekt im Distanzunterricht eben bei dem der Sommerferien.“
Dadurch, dass ein launig hingeworfener Vergleich dreimal wiederholt wird, wird er noch lange nicht plausibel.
Sollte es ihm wirklich geben, den Durchschnittsschüler, dann lernt er während der Sommerferien nicht mehr und nicht weniger als in der Schulzeit, sondern anders und Anderes. Genau das macht die Sommerferien ja „effektiv“: Sie haben einen gewissen Erholungs- und Festigungs-Effekt. Der hatte der Distanz-Unterricht so ganz sicher nicht, auch nicht im Durchschnitt.
Wenn diese Meta-Studie mit der gleichen Logik erstellt wurde, die dieses Interview erkennen lässt, würde ich mich als Lehrerverband gar nicht ernsthaft befassen damit. Und wenn ich die taz wäre, würde ich kritischer nachfragen.
zum Beitrag29.06.2021 , 12:20 Uhr
Arme Wessis! Scheint nicht ganz leicht zu sein, aus der Mitte einer „patriarchal geprägten westlichen Historie“ heraus Machtstrukturen nicht nur bloß zu legen und zu analysieren, sondern auch bewusst und konsequent abzulegen.
Wie war das noch bei Marx? Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert. Es käme allerdings drauf an, sie zu verändern. Recht hat der Mann. Immer noch. Leider.
Die Ungleichheit (nicht nur) der Geschlechter reicht vermutlich vor allem deswegen bis in die Gegenwart hinein, weil die ihr zugrundeliegenden Prämissen nicht in Frage gestellt werden. Westliche Gesellschaften versprechen sich noch immer sowohl ihre Sicherheit als auch ihre Handlungsfähigkeit in erster Linie von der Macht, die ihre Mitglieder über andere ausüben. Wobei diese Anderen nicht unbedingt bestimmte körperliche Merkmale aufweisen müssen. Sie können auch schlicht in die „falsche“ Familie hineingebeten sein. Wenn sich nun auch einzelne Frauen als Super-Heldinnen stilisieren, ändert das rein gar nichts daran, dass es ein „Oben“ ohne ein „Unten“, ein „Groß“ ohne ein „Klein“, ein „Stark“ ohne ein „Schwach“ einfach nicht geben kann. Eines vom beiden für grundsätzlich besser zu halten, bleibt nach wie vor Mist.
Die Idee, dass Menschen in all ihrer Verschiedenheit gleichwertig sein könnten, scheint in den Gehirnen noch nicht wirklich angekommen zu sein. Sie wird zwar mittlerweile häufig formuliert, aber leider nicht genug gelebt. Zu groß scheint die Angst vor der Missbrauchserfahrung zu sein.
Stell dir vor: Es ist Krieg, und keiner geht hin. So weit reicht dann die Fantasie auch drei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges noch nicht. Vielleicht auch schon wieder nicht mehr. Frieden ist halt doch was mehr als die Abwesenheit von offiziell erklärten Kriegen. Und was ein Hänschen oder eine Gretel nicht lernen als Kind, das lernen der Hand und die Grete womöglich ihr Leben lang nicht. Auch nicht als Super-Zeichner.
zum Beitrag28.06.2021 , 13:04 Uhr
Zitat: „Es gibt anderseits eine Tendenz, solche Anschläge kleinreden zu wollen, weil man so vermeiden möchte, Rechtsradikalen und Populisten Futter für ihre rassistischen Vorstellungen zu liefern.“
Diese Reaktion ist kindisch. Sie gleicht der von Dreijährigen, die Augen zuzukneifen und die Finger in die Ohren zu stecken. Hass geht nicht weg, wenn er geleugnet wird. Im Gegenteil: Er kann sich erst recht unkontrolliert ausbreiten. Und zwar ganz unabhängig von der Hautfarbe, der Herkunft, vom Geschlecht oder der politischen Überzeugung.
Nein, psychische Probleme sind nie „alleinige Ursache“ von Hass. Sie manifestieren sich lediglich darin. Psychologisch gesehen handelt es sich beim Hass um eine Affektstörung. Aber solche Störungen kommen nicht aus dem Nichts. Sie entstehen in der Interaktion zwischen Individuums und Gesellschaft. Sie entstehen, wenn Konflikte nicht rechtzeitig gelöst werden, weil Kompromissfähigkeit als Schwäche interpretiert und missbraucht wird.
In sofern sind tatsächlich auch alle Antisemiten ein Fall für den Psychiater. Sie wollen das nur leider nicht wahr haben. Das entlastet zwar die Krankenkassen, schafft aber zusätzliche Risiken. Die Gesellschaft tut einen Teufel, sich mit diesem Umstand auseinander zu setzen. Sie behauptet einfach, psychische Probleme ginge sie nichts an, denn sie wären eine rein persönliche Sache.
Sind sie nicht. Wer quer durch die Welt in eine unsichere Zukunft flüchtet (oder in Geflüchteten per se eine Bedrohung für sich sieht), braucht nicht nur was zu essen und ein Dach über dem Kopf. Er braucht vor allem Menschen, die sich mit ihm und seinen Erlebnissen befassen, damit er sie richtig verarbeiten kann.
Solche Menschen gibt es eindeutig zu wenige im Westen. Warum? Ganz klar: Westliche Gesellschaften brauchen den Hass. Sie werden sonst unregierbar. Das kann natürlich bestritten werden, aber vom Leugnen, wie gesagt, gehen Probleme nicht weg. Sie wachsen sich höchstens zu Katastrophen aus.
zum Beitrag27.06.2021 , 21:37 Uhr
Zitat 1: „So belegt die Studie eher, dass mehr Leute gern ‚rechtsextrem’ wären, wenn es nicht so schändlich klänge.“
Zitat 2: „Hier ergab sich, dass in der Uefa zwei konkurrierende Geschäftsmodelle Krieg bekamen: hemmungslose Ranschmeiße an Antirassismus und LGBTQ, und Willfährigkeit gegen potente Despoten.“
Ob die Studie aus Zitat 1 wohl unter Mitwirkung der Uefa-Typen aus Zitat 2 entstanden ist? 🤔
Mir scheint, der Fußball ist nicht zuletzt deswegen der ergiebigste Goldesel unter allen Sportarten, weil Fans und Organisatoren sich mental überaus ähnlich sind. Außen bunt und innen braun. Wobei - außen bunt? Eigentlich nicht. Eigentlich versichern sich König Kunde und König Dealer permanent gegenseitig, wie schick sie gekleidet sind, obwohl sie beide keinen Faden Irgendwas am nackten Körper haben. Baron Münchhausen wäre begeistert. Der Sport ist halt doch als kleiner Bruder des Krieges geboren, auch wenn das heute niemand mehr wahrhaben will.
zum Beitrag24.06.2021 , 16:52 Uhr
Kommt her, liebe Kinder, und setzt euch zu uns. Sperrt eure Ohren auf. Klappt eure Schnäbelchen zu. Der Opa erzählt was vom Krieg! Hört ganz genau hin, staunt, und dann: lernt was dabei!
Lernt, etwa, dass die (Haupt-)Schwierigkeit heutigen Tags leider darin besteht, „dass wir durch den Lauf der Geschichte jetzt eine völlig andere Lage haben“. Eine, die Pazifismus (fast) unmöglich macht (der war in den 70-ern gut), und die „von den Deutschen verlangt, entgegen [ihr]er positiven Erfahrungen plötzlich wieder in weltpolitischen Kategorien zu denken und zu handeln“, sprich: Waffen zu liefern in Konfliktzonen und Kriege zu führen, auch wenn sie nicht selbst oder einer der Partner düpiert wird.
Und fragt bloß nicht, ihr Kinder, ob sich die Geschichte ganz ohne die Grünen verlaufen hat im dunklen Wald. Sonst wird Opa böse. Es ist ja nicht so, dass Geschichte gemacht wird von Leuten, die gern was davon hätten.
zum Beitrag24.06.2021 , 16:11 Uhr
Nun ja. Ein anderer Fußball WAR jedenfalls möglich. In wie weit der „Arbeiterfußball“ (fast) ohne die Arbeiter noch Fußball sein könnte, sei noch dahin gestellt.
Arbeiter sind nicht per se bessere Menschen. So wenig, wie Antifaschisten per se bessere Menschen sein müssen. Man muss nicht unter Honecker gelebt haben, um das zu wissen. Dass eine sündhaft teure Fußballarena doch nicht in sämtlichen Regenbogenfarben angestrahlt wird, finden jedenfalls auch ein paar Arbeiter gut. Wenn auch nicht unbedingt aus den richtigen Gründen.
zum Beitrag24.06.2021 , 16:03 Uhr
Zitat: „Solche Übungen, bei denen der Künstler gemeinsam mit geneigten Besucher*innen Tai Chi mit Bäumen macht, Sonne trinkt, Unkraut zeichnet oder Pflanzen Lieder vorsingt, eben die Sensibilität für unsere grüne Umgebung schärft...“
Mag ja sein, dass es „die Sensibilität für unsere grüne Umgebung schärft“, wenn ein Mensch Pflanzen zeichnet. Er muss nämlich zu diesem Zweck ganz genau hinsehen. Aber schon der Versuch, Tai Chi nicht nur unter, sondern auch „mit Bäumen“ zu machen, schärft im besten Fall die Selbstwahrnehmung. Genau wie „Sex mit Farnen“. Und ganz irre wird es, wenn Menschen versuchen, Sonne zu „trinken“. Wer sich jemals für Pflanzen interessiert hat, weiß, dass die Arten verschieden sind. Menschen atmen mit der Lunge, Pflanzen benutzen dafür Chlorophyll, das der Mensch gar nicht hat.
Es wäre schön, wenn wenigstens die moderne (Konzept-)Kunst nicht genau so autoritär daher käme, wie die Alten Meister. Wenn man drüber reden, sie auch kritisieren dürfte, wenn sie sich versteigt um der Aufmerksamkeit willen. Eine Kunst, die sich von ihren Betrachtern nach rechts oben abhebt, kann ich nicht ernst nehmen. Auch nicht, wenn sie aus China kommt und da ganz doll verfolgt wird. Dass eine KP eine Kunst nicht kapiert oder mag, heißt schließlich lange noch nicht, dass sie wirklich was taugt. Es ist der Prozess, den sie auslöst, nicht nur das Geschwätz.
zum Beitrag24.06.2021 , 15:42 Uhr
Zitat: „Glück, muss man haben, um eine*n anständige*n Vermieter*in zu finden.“
Glück? Was hat denn Glück mit den Folgen der Kapitalisierung wichtiger Lebensbereiche (Gesundheit, Wohnen, Bildung etc.) zu tun? Seit wann ist denn einer gesamtgesellschaftlichen Fehlkonstruktion mit persönlichen glücklichen Zufällen beizukommen?
Mietverträge wie diesen unterschreiben die Leute nicht ganz ohne Not. Es sei denn, sie wissen, wie deutsche Gerichte entscheiden, und fühlen sich clever genug und moralisch berechtigt, einer all zu gierigen Vermieterin ihre Grenzen aufzeigen zu lassen. Zum eigenen Vorteil, versteht sich (und zu dem der taz).
In den aller meisten Fällen ist es das Machtgefälle, das sich aus Geld ergibt, das Geld „heckt“. Nicht jeder Mensch ist Mensch genug, Macht nicht zu missbrauchen, wenn er sie denn hat. Wer nicht rechtzeitig gelernt hat, von seiner Macht so viel abzugeben, dass gar kein Gefälle entsteht, wird immer gefährdet sein. Er wird den Verlockungen nie widerstehen, Menschen in Not abzuzocken. Dafür bräuchte es Mitgefühl, und das hat manch eine*r unter uns nicht. Weil (gefühlt) keiner je mit ihm Mitgefühl hatte noch hat.
Gerechtigkeit lässt sich nicht in Menschen hinein prügeln. Sie lässt sich nur dadurch erlernen, dass Menschen sie selber erfahren. Am eigenen Leib quasi. Wer also will, dass die Leuten nich blind auf ihr Glück hoffen, sondern so was wie Verantwortungsgefühle entwickeln, der sollte von Machtambitionen absehen und ganz konkret anpacken, wo Hilfe gebraucht wird. Arbeitsteilung sollte nicht vertikal oder horizontal erfolgen, sondern entsprechend konkretem Bedarf. Die Rosinen-Pickerei der Reichen macht nicht nur die Armen wütend, sie macht auch die Reichen noch dümmer, als sie ohnehin sind.
zum Beitrag24.06.2021 , 15:04 Uhr
So sind sie, die PwC (People without Color): Je mehr sie zahlen, um so größer ist ihre „Erwartungshaltung“ (anderen gegenüber) und um so geringer ist ihre Bereitschaft, Probleme selbständig zu lösen. Man könnte auch sagen: Geld verdirbt vielleicht nicht unbedingt den Charakter. Es macht aber extrem unselbständig.
Diese Unselbständigkeit aber hat Folgen. Wer es gewohnt ist, jedes Problem gegen Bar- oder Kreditkartenzahlung oder per Überweisung lösen zu lassen, der fragt nicht mehr nach dessen Ursachen. Auch nicht nach den Spätfolgen für and‘re (und sich). Er sieht höchsten herab auf Nationen, in denen Familienstrukturen „intakt“ sind und Generationen einander stützen, ohne dass Geld eine sichtbare Rolle spielt. Weil er sich ja frei fühlen darf in der stinkenden Stadtluft von (familiären) Abhängigkeiten und Pflichten. Ein Gehalt genanntes Schmerzensgeld macht’s möglich.
Erstaunlicherweise macht ihre mehr oder weniger offen zur Schau getragene Arroganz die Vermögenden für einige Menschen sehr attraktiv. So attraktiv, dass sie diejenigen, denen sie eigentlich verpflichtet wären und die sie angeblich auch lieben (etwa ein 75-jähriger Vater), im Stich lassen, und statt dessen hinter einem Ozean wildfremde Personen für Geld pflegen, die ihnen im besten Fall mit latenter Überheblichkeit begegnen und schlimmstenfalls mit offenem Hass.
Gut, ein pflegebedürftiger Vater lässt sich vielleicht manchmal gehen seinem Kind gegenüber. Alter macht halt mitunter auch böse. Professioneller Abstand macht eine schwierige Aufgabe also nicht unbedingt schwerer. Aber wer kümmert sich um die alten Beniner, wenn das Land seine jungen Leute zum Training nach Frankreich und Deutschland schickt - wo ihnen anschließend unsittliche Angebote gemacht werden, so dass sie das Zurückkommen bis zu ihrer Rente aufschieben?
Schon klar: Leute, denen es (angeblich oder tatsächlich) noch schlechter geht. Und wer macht am Ende das Licht in aus? Der Staatschef. Alle anderen beißen vorher ins Gras.
zum Beitrag24.06.2021 , 14:18 Uhr
Tja, die Union würde ich ohnehin nicht wählen. Ich kann nämlich genau so gut lesen, wie Matthias Greffrath. Meine Wünsche allerdings unterscheiden sich deutlich von denen des taz-Journalisten. Sie sind irgendwie sehr viel weniger bescheiden, finde ich.
Ich wünsche mir nämlich (wenn überhaupt), eine*n Kanzler*in, der/die/das nicht nur schön reden (bzw. für Geld schöne Programme verfassen lassen) kann, sondern auch wirklich plausibel erklären, wie ganz genau sie ihr wohlklingendes Wahlprogramm umsetzen will unter den aktuellen Bedingungen (Machtverhältnisse, reaktionäres und neoliberales Erbe, sinkender Moral- und Bildungsstandard der Massen, zunehmende Panik angesichts schrumpfender Pfründe etc.).
Am liebsten hätte ich natürlich eine*n Kanzler*in, der/die/das schon einmal ansatzweise bewiesen hat, dass sie nicht nur die Hosen an hat, sondern auch einen Arsch drinnen. Und zwar nicht, weil sie „die Polizei“, „die Armee“ und/oder „die Wirtschaft“ hinter sich weiß (oder sonst einen Knüppel-Besitzer), sondern weil sie ihrem Volk vertraut und von ihm mehrheitlich respektiert wird. So sehr, dass es, wenn nötig, auf ihre Bitte hin wirksam generalstreikt. Weil sie es ihrerseits respektiert (und nicht zusätzlich dümmer macht, als es ohnehin ist. Und sei es auch nur durch das Bashing der taz).
Unterhalb dieser Schwelle möchte ich am liebsten gar niemanden wählen. Unterhalb dessen könnte ich schließlich auch selbst kandidieren. Das wäre mir überhaupt überaus angenehm. Weil ich mich dann nämlich nicht mehr gar so sehr bevormunden lassen müsste von einer Person, die ich nie persönlich getroffen und mit der ich noch nie auch nur zwei Pferde geklaut habe. Gar nicht davon zu parlieren, dass ich noch keine zwei Kinder erzogen habe mit ihr und schon deswegen nicht weiß, was herauskommt, wenn ich mich ihrem Urteil (und sei es partiell) unterwerfe. Kann so etwas zu meiner Zufriedenheit ausgehen? (Die Kindererziehung, meine ich. Unterwerfung wird niemals mein Steckenpferd.)
zum Beitrag24.06.2021 , 13:42 Uhr
Zitat: „Nahezu alle Zertifikate haben Probleme bei der Finanzierung.“
Nanu? Wie das nur kommt...?! 🤔😝
Wäre „Glaubwürdigkeit [...] im nachhaltigen Tourismus“ tatsächlich „gefragt“, ließe sie sich in einer Marktwirtschaft vermutlich sehr leicht finanzieren. Leider sorgen immer mehr immer buntere Label nicht unbedingt für mehr Transparenz oder Wissen. Sie sind also nicht gleichermaßen bei allen gefragt. Wer sich damit schmücken möchte, mag sie vielleicht lieber als jemand, der Orientierung vermisst, weil er nie was riskiert. Uns das mit der Glaubwürdigkeit ist ja auch so eine Sache, wo noch der billigste Plunder bombastisch beworben wird.
Der Gedanke, Umwelt- und Sozialverträglichkeit ließen sich durch Zertifikate sicherstellten, ist jedenfalls sehr autoritärer. Autorität einfach per Lautstärke zu behaupten, ist in Systemen, in denen eine gewisse Wahlfreiheit herrscht, allerdings keine sehr gute Idee. Einmal enttäuscht, fragt sich der Kunde, wer sonst alles noch Tag und Nacht lügt, nur um an Geld zu gelangen. Ein klein bisschen schwanger sein kann mensch halt nicht.
Wo Freiheit ein Grundrecht ist, muss Zwang kläglich versagen. Menschenrechte sind extrem gefährlich für alle Alleinherrscher. Sie minimieren die Angst und maximieren den Widerspruchsgeist. Entweder eine Gesellschaft entscheidet sich dafür, dann müssen die Entscheider wohl oder übel überzeugen, wenn sie Gefolgschaft wollen, oder die Gesellschaft spricht sich offiziell dagegen aus. Dann können die Entscheider die Angst für sich arbeiten lassen, sehen aber nicht mehr ganz so gut aus im Vergleich mit historischen Diktatoren.
Es gibt, haben Studenten im Osten Europas gelernt vor der Wende, antagonistische Widersprüche. Solche, die ganz unvereinbar sind. So, wie es Koppunkte gibt, gibt es Entwicklungstendenzen auch in Gesellschaften, die an einen Punkt führen, von dem aus es nicht mehr zurück geht. „Der Westen“ lässt sich von seinen Vordenkern und Großlenkern gerade mal wieder an so einen führen.
zum Beitrag24.06.2021 , 11:35 Uhr
Zitat: „Die männliche Natur ist gewalttätig, territorial und dominant“.
Soso. Und Wölfe sind von Natur aus bösartig und fressen Großmütter im Ganzen.
Wie armselig muss ein Mann eigentlich sein, wie klein und schlecht muss er sich fühlen, wenn er Zuflucht in solchen Märchen suchen muss? Und wieso wird diese Frage so selten gestellt? Gibt es noch andere Gründe, wenn sich fröhlichen, vielleicht etwas schüchternen kleinen Jungs zu Zombies auswachsen, die derartige Weisheiten predigen, als die Erfahrung körperlichen, seelischen und/oder geistigen Missbrauchs durch ebenfalls traumatisierte Väter, Großväter, Lehrer, Chefs oder Offiziere, gern auch mit *innen am Arsch?
Wieso lachen Männer (und Frauen) nicht einfach über Typen, die solchen Mist von sich geben? Wieso drehen Menschen zum Thema viel lieber dramatische Serien als kurze Komödien? Weil Mist sich als Dünger verkauft? Wieso guckt sich das Publikum so etwas derart fasziniert an? Und wieso, zum Henker, tun selbsternannte und fremdberufene Feminist*innen den Märchen-„Wölfen“ den Gefallen, ihr dämlicher Spiel mitzuspielen?
Mir „Die Meute“ auf dem Schirm oder der Leinwand anzusehen, kann ich mir sparen. Erstens erlebe ich so was seit Jahrzehnten alle Nasen lang live in der Realität, und zweitens ist der Lerneffekt echt minimal. Dass die, die sich an derartigen Jagden beteiligen, geistig und seelisch unmöglich auf der Höhe sein können, hab ich schon beim ersten Mal kapiert. Und Irren soll man ja nicht widersprechen. Es hätte doch eh keinen Wert.
zum Beitrag24.06.2021 , 11:11 Uhr
Ich frage mich ernsthaft, wie lange „die Grenzen des Wachstums“ noch eine reine dekorative These ohne praktischen Bezug zum eigenen Leben bleiben soll in den Köpfen meiner Mitmenschen. 🤔☹️
zum Beitrag24.06.2021 , 11:04 Uhr
Das Problem an Zwangsmitteln ist: Wenn jemand erst mal so wütend ist, dass er/sie/es aus Frust alles in Kauf nimmt, womit andere drohen können, sind sie relativ wirkungslos.
Es liegt leider in der Natur des (untauglichen) Prinzips, dass Leute, die Zwangsmittel nutzen (wollen), nicht genug Fantasie und/oder Mut haben, sich das tatsächlich vorzustellen.
Das Sprichwort sagt: „Das, was ich selber denk‘ und tu‘, trau‘ ich auch allen and’ren zu.“ Eigentlich müsste es anschließend noch weiter gehen: „Und was nicht, das nicht.“ Aber wir Deutschen sind nun mal das „Volk der ersten Strophe“ - und außerdem ganz große Freunde fett gedruckter Überschriften.
zum Beitrag24.06.2021 , 10:53 Uhr
Je nun. Darüber, was ganz genau ein „Fortschritt“ ist, gehen die Ansichten wohl auseinander.
Wenn sich Unions-Größen die Strategien vermeintlich linker Kräfte zueigen machen, ist das für mich nur dann wirklich ein Fortschritt, wenn sich die „Linken“ nicht zuvor mehr oder weniger unkritisch am „Erfolg“ etwa eines Adenauers orientiert haben.
zum Beitrag24.06.2021 , 10:37 Uhr
Schade, dass dieses Museum erst jetzt eröffnet. Jetzt, meine ich, wo die Leute, die nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“ leben, schon in den Führungsetagen sitzen und keine Zeit mehr haben für Museums-und andere Pädagogen. Heute, auch, wo selbst die ehrgeizigsten (und illusorischstem) Klimaziele nach Ansicht seriöser Wissenschaftler (und ihrer menschlichen Sprachrohre) nur noch mit einer 39-%-Wahrscheinlichkeit helfen.
Wobei. Eigentlich ist ja das Eröffnungsdatum gar nicht entscheidend. Mit denen, die unbedingt ganz weit nach oben wollen, wäre vermutlich auch dann niemand in eine solche Ausstellung gegangen, als die noch sechs oder acht Jahre und aufnahmefähig gewesen sind für die einfachen Wahrheiten dieser Welt. Deswegen müssen sie ja heute unbedingt ganz weit nach oben, da ganz viel entscheiden, und ganz viel (falsche) Achtung und Aufmerksamkeit generieren als Ober-Spitzen-Alpha-Tiere, weil sie immer noch das Gefühl haben, sid kämen anderenfalls zu kurz.
Es ist also ziemlich egal, wie viele Museen noch eröffnet werden und wie gut deren Konzepte sind - Menschen, die zu kurz gekommen sind in ihrer Präge-Phase, wird es vermutlich immer geben. Schon, weil Bedürfnisse ziemlich verschieden sind. Das Problem ist also nicht der einzelne Mensch mit seinen eventuellen Defiziten. Das Problem ist ein System, das die verkehrten Leute privilegiert. Eins, das nach falschen Kriterien ausgerichtet wurde und keine Fehler-Korrektur erlaubt.
Aber wer sollte daran etwas ändern? Die, die die Macht dazu hätten, werden es vermutlich nicht tun.
zum Beitrag24.06.2021 , 10:19 Uhr
Na toll! So etwas nennen Medienleute ja wohl einen Cliffhanger. „... und nächste Woche verratender Ihnen, dann, was Sie jetzt unbedingt wissen wollen. Also bleiben Sie dran!“
Wenn „die Wissenschaft“ (who the fuck... und unter welchen Bedingungen...?) errechnet hat, dass in 39 Prozent ihrer Simulationen bei einer Erderwärmung um 2 Grad alle (in die Betrachtung einbezogenen) Kippelemente stabil geblieben sind, wüsste ich doch wirklich gern, was diese 39% aller Simulationen von den übrigen unterscheidet. Um genau zu sein wüsste ich gern, unter welchen Bedingungen die (wenigstens politisch formulierten) Klimaziele überhaupt hilfreich sein können, und wann sie lediglich Makulatur sind.
Danach hat Lalon Sander offenbar a) nicht gefragt, oder er behält b) sein frisch erworbenes Wissen lieber für sich. In beiden Fällen wüsste ich gern, wieso und was daraus folgt. Weniger für mich (die Konsequenzen für mich selbst kann ich relativ gut erfassen), als vielmehr für meine diversen Mitmenschen und ihr Verhältnis zu einander.
Merke: Mit jeder Antwort ergeben sich (mindestens) dreimal so viele neue Fragen, die ihrerseits dreimal so viele Fragen nach sich ziehen, wenn sie beantwortet werden. Unter dieser Voraussetzung vom „Wissen-Schaft“ zu sprechen oder zu schreiben, ist irgendwie irritierend, finde ich.
zum Beitrag23.06.2021 , 14:42 Uhr
Zitat: „Sie sagt, als Mediatorin trage sie keine Ergebnisverantwortung. ‚Das tun die Teilnehmenden. Ich bin dafür verantwortlich, dass das Verfahren fair verläuft.‘“
Na super! Wenn also nur die teilnehmen, die sich ohnehin einig sind, kann eine Mediation nur von Erfolg gekrönt sein, richtig? Wie nennt man sowas? Eine Win-Win-Win-Situation?
Mir scheint, Mediationen dieser Art passen zum Zeitgeist. Konflikte? Werden instrumentalisiert, nicht gelöst. Kaum jemand übernimmt freiwillig Verantwortung dafür, dass seine/ihre Profession die Gesellschaft insgesamt voran bringt. Man/Frau möchte an persönlichem Profil gewinnen (und sich damit für die nächsten Kartiereschritte empfehlen) und sich nebenher auskömmlich bezahlen lassen. Wenn das zu schwierig scheint, wird die größtmögliche Distanz zum Thema und den übrigen Akteuren gesucht bzw. signalisieren. Polarisierung, scheint’s, ist das Gebot der Stunde. Kompromisse waren selten derart unbeliebt. Sie wirken offenbar, als hätten alle irgendwie verloren und niemand so richtig gewonnen.
So lässt sich aus Geschichte gar nichts lernen, denke ich. Für die Gegenwart nicht, und für die Zukunft schon gar nicht.
zum Beitrag20.06.2021 , 14:21 Uhr
Zitat: „Nach meiner Überzeugung hat Kunst weder mit Politik noch mit Abstammung etwas zu tun, ich kann daher der Preußischen Akademie der Künste […] nicht länger angehören, da dieser mein Standpunkt keine Geltung mehr hat.“
Wieso, zum Henker, hätte es eine „PREUSSISCHE Akademie der Künste“ geben sollen, wenn Kunst tatsächlich „weder mit Politik noch mit Abstammung etwas zu tun“ hat?
Schon von Beginn an war Kunst nicht nur Ausdrucksmittel, sondern auch Dekoration von Macht - und umgekehrt. (Entfremdungseffekte machen es möglich.) Künstler haben sich mit dem Urteil der Mächtigen kaum weniger gern oder häufiger geschmückt, als die Mächtigen sich mit der Kunst (und einzelnen Künstlern) geschmückt haben. Das war zu Liebermanns Zeiten nicht anders als zu Zeiten der Pharaonen, Kaiser Wilhelms oder Kanzler Schmidts Zeiten. Anno 2021 ist es immer noch so. Ein Mensch muss schon eine ziemliche Portion Ignoranz aufbringen, finde ich, wenn er/sie/es das nicht zur Kenntnis nehmen will.
Sieht aus, als wäre das Verdrängen eine Kunst, die nicht nur Nazis beherrscht haben (und beherrschen), sondern auch viele ihrer Opfer. Eine Kunst, im Übrigen, die nicht nur Glanz-, sondern auch Schattenseiten hat: Mit all zu fest geschlossenen Augen und Ohren kann das kommende Verhängnis nicht sonderlich gut wahrgenommen werden.
Ausgegrenzt werden im Übrigen vor allem solche Menschen, die anderen das Ignorieren erschwert, weil sie entweder nicht fähig oder aber nicht willens ist, die Augen und Ohren fest genug zu verschließen. Auch das hat Tradition. Juden (allen) und Kommunisten (den echten) dürfte das besonders schwer gefallen sein zwischen 1933 und, sagen wir, 1973, weil sie a) als imaginierte Gruppe mit Abstand die größten Opfer zu bringen hatten und b) nicht all zu stark in Versuchung geführt wurden von den Mächtigen. Zumindest nicht im „Westen“.
zum Beitrag19.06.2021 , 23:06 Uhr
Zitat: „Wer sich, gegen den Willen der eigenen Klientel, jahrzehntelang ziert zu regieren, macht sich überflüssig.“
Seltsam, diese Behauptung! Ausgerechnet in einer Konkurrenzgesellschaft sollte Konkurrenz überflüssig sein? Niemals!
Es sind nicht nur „die antirassistischen, woken AktivistInnen in Berlin-Kreuzberg, oder die Krankenpflegerin und den Malocher in der Provinz“, die profitieren, wenn es eine Anti-Partei gibt, eine, die sich nicht korrumpieren oder einbinden lassen will in ein „System“, das den Planeten ruiniert. (Hat dieses System vielleicht nicht bislang jeden rückstandslos zu braunem Schlamm verdaut, der sich von Macht hat locken lassen?) Es sind vielmehr sämtliche demokratische Parteien (und sogar die AfD), die eines Korrektivs bedürfen. Es ist die Gesamtgesellschaft die die Linkspartei verdammt nötig hat als Alternative zum autoritären Gehabe der übrigen Möchtegern-Führer. Es gibt schließlich wichtigeres als die „Regierungsverantwortung“ um jeden Preis. Die Grünen haben das früher mal sehr gut gewusst. Sie haben es nur mittlerweile völlig vergessen.
Nein, Opposition ist nicht „Mist“. Opposition ist ein Muss, ohne das eine Demokratie nicht funktionieren kann. Das heißt nicht, dass eigene Ideen und Konzepte verzichtbar wären für die Linke. Im Gegenteil. „Nein!“ ist keine befriedigende Antwort auf die großen Fragen unserer Zeit. Wer keine Alternative anbietet zum autoritären Common Sense, kann vielleicht bremsen, das Ruder herumreißen kann er aber nicht. Leider ist mir nicht so richtig klar, woher ausgerechnet eine Partei, deren Mitglieder vom Staat länger als andere ausgebildet wurden und obendrein auch noch bezahlt werden, kreative Ideen nehmen soll. Wenn die Linke (und damit ganz Deutschland) tatsächlich ein Problem hat, ist es meiner Ansicht nach genau dieses.
zum Beitrag18.06.2021 , 14:22 Uhr
Zitat: „Wenigstens warnte der Nachrichtensprecher im italienischen Staatsfernsehsender RAI...“
Wenigstens? Soll mich das trösten? Ich meine: Wenn die Zuständigen beim italienischen Staatsfernsehen „frei von Skrupeln“ sind, hat das doch vermutlich damit zu tun, dass sie ihre Verantwortung einfach delegiert haben, oder? Mit einer launigen Floskel übertragen sie die moralische Verantwortung für ihr eigenes (Nicht-)Handeln einfach auf Menschen, die gar nicht bezahlt werden dafür, dass sie sie übernehmen. Das ist ungefähr so, als wenn konflikt- und arbeitsscheue Eltern ein Kindermädchen einstellen, das zwar keinerlei Befugnisse hat, aber trotzdem geteert und gefedert werden darf, wenn sich der zu betreuende Nachwuchs zu ausgewachsenen Mistkäfern entwickelt.
Im übrigen kann ich die Behauptung, „in Deutschland [sei] seinerzeit exakt das Gegenteil [geschehen]“, nicht nachvollziehen. Klar, das kann daran liegen, dass mir der RAI als Referenzgröße nicht zur Verfügung gestanden hat. Ich spreche kein Italienisch. Mir ist nur aufgefallen in den letzten Italien-Urlauben, dass auf italienischen Sendern noch mehr und noch druckvoller geredet wird als auf deutschen, weswegen sie für mich nicht mal als Unterhaltungsprogramme in Betracht kommen. Aber was heißt das schon?
Aufgefallen ist mir hingegen ganz deutlich, dass sich die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland seit Jahren anpassen an das Niveau der Privaten - mit Betonung auf dem au. Konkurrenz mag das Geschäft ja mitunter beleben, gänzlich unreguliert kann sie der Qualität und vor allem auch der Moral aber trotzdem extrem abträglich sein. Echt Mist, wenn zwar das Sein das Bewusstsein bestimmt, umgekehrt aber nur Sendepause ist.
Wie auch immer. Momentan sehe ich jedenfalls eher schwarz. Auch für den deutschen Mediensektor. Und zwar nicht nur, weil ich immer öfter gar nicht erst auf den Einschalt-Knopf drücke.
zum Beitrag18.06.2021 , 12:56 Uhr
Seit mindestens 500.000 Jahren muss sich der Mensch (anfangs von seinem eigenen zu groß geratenen Gehirn und später von einer auf den Geldwert von Skandalen getrimmten Medienlandschaft) jeden Tag wieder sagen lassen: „Vorsicht! Die Natur lässt sich nicht nur ausnutzen, sie kann dir und deinen Lieben auch gefährlich werden!“ Die „professionelle Deformation“ des Bernhard Pötter beruht also auf einer allgemeinen, sehr viel älteren, die kaum thematisiert aber intensiv ausgebeutet wird. Es fehlt schlicht das Bewusstsein für eine Beziehung, die nicht erlebbar ist. Danke also für diesen Text.
Dass sich die Sache mit der Gefährlichkeit mittlerweile umgekehrt verhält, dass sich das Machtverhältnis also quasi umgekehrt hat in den vergangenen 100 Jahren, merkt mensch deswegen nicht, weil die Natur ihm eben KEIN Nachbar mehr ist. Nur eine sehr kleine Minderheit von uns arbeitet täglich in oder mit der Natur, die zudem allenthalben menschlich überformt ist. Der Rest erfährt Natur nur medial vermittelt - als Nachricht mit (meist negativem, seltener positiven) Erregungs-Potential.
Nur noch sporadisch (Wander-Urlaub) kommt Mensch in Kontakt mit der Natur. Und selbst dann braucht er sich im Grunde nicht zu einigen mit ihr, weil sie schon soweit domestiziert ist, dass er sie (mehr oder weniger) unbekümmert genießen und benutzen kann. Der moderne Mensch ist der Natur quasi entfremdet. Das macht es ihm leicht, sie zu missachten.
Nein „einfach“ ist er momentan weiß Gott nicht, „wahrzunehmen, dass da draußen und hier drinnen eine Welt existiert, in der das Tier Homo sapiens sapiens eine Spezies unter vielen ist“. Das war sie nämlich schon seit der neolithischen Revolution nicht mehr. Seit 12.000 Jahren sind wir Menschen überzeugt, etwas Besonderes zu sein, die Herrscher über Zeit, Raum und alles, was darin lebt. Wird Zeit, uns diese Überheblichkeit bewusst zu machen. Darüber zu reden, wie es dazu kam und was passieren würde, wenn wir kollektiv umdächten, wäre dann Schritt 2.
zum Beitrag18.06.2021 , 12:13 Uhr
Zitat: „Konkret sollen die Mehrkosten ausgeglichen werden, die den Unternehmen durch die Umstellung von herkömmlichen auf klimafreundliche Verfahren entstehen.“
Ich verstehe nicht: Haben Unternehmen denn ein Recht (oder auch nur ein gesteigertes Interesse daran), das Klima unseres Planeten zu ruinieren? Wenn ja, auf welcher (Rechts-)Grundlage?
So weit ich weiß, sind Unternehmen bereits jetzt gesetzlich verpflichtet, ihre Produktion nach dem „Stand der Technik“ und damit so auszurichten, dass (gesamtgesellschaftlich, also auch für das Klima) möglichst wenig Schaden entsteht. Das steht unter anderem in Paragraf 5ff des Bundesimmissionschutzgesetzes. Wieso ignoriert ausgerechnet eine Kanzler-Kandidatin der Grünen die mittels Engagement der Grünen(Basis) mühsam genug in geltendes Recht überführten Grundsätze? Weil sie glaubt, dass die Bundesgesetzgebung für Unternehmen nicht gilt?
Setzt A.B. tatsächlich die „richtigen Anreize“, wenn sie so tut, als hätten Unternehmen eine Wahl, ob sie das Klima zugunsten kurzfristiger Profite ruinieren möchten oder nicht? Oder möchte sie sich lediglich als Kanzlerkandidatin derjenigen profilieren, die zwar alle Rechte aber keinerlei Pflichten für sich in Anspruch nehmen wollen?
Wäre die Akzeptanz des neoliberale Status Quo in der Machtfrage nicht eigentlich etwas zu wenig für eine glaubwürdige „grüne“ Kanzlerkandidatin? Ich meine: Einen „roten“ und männlichen „Genossen der Bosse“ hatten wir schon. Brauchen wir so eine Person jetzt auch noch in weiblich und grün, damit auch noch dem letzten Trottel klar wird, wie unerheblich Identitätsfragen im Ernstfall sind?
zum Beitrag16.06.2021 , 21:29 Uhr
Wenn irgend ein Mensch, egal wie alt, ernsthaft glaubt, ersiees wüsste immer und überall ganz genau, was ersiees tut, können alle anderen sicher sein, dass das ein Irrtum ist.
Erwachsen werden heißt wohl auch, mit dem Wissen um die eigene permanente Unsicherheit und Unzulänglichkeit klar zu kommen. Immerhin hat einer der klügsten Köpfe der Antike mal von sich behauptet, er wüsste, dass er nichts weiß. Ich wünschte nur, Weise dieser Sorte gäbe es auch heute noch. Und wahrscheinlich gibt es sie sogar. Nur machen sie halt nicht unbedingt „was mit Medien“.
zum Beitrag15.06.2021 , 14:07 Uhr
Alt zu werden, hat gewisse Vorteile. Zumindest so lange, wie noch nicht alles, was mensch erlebt hat, demenzbedingt verschwunden ist aus dem Gehirn. Ich erinnere mich beispielsweise (noch) an eine Zeit, in der der „Minimalkonsens“ nicht publikumswirksam gefunden werden musste, sondern zumindest den Beteiligten und politisch interessierten Zuschauern klar gewesen ist.
Er hieß „Nichteinmischung in innere Angelegenheiten“, der Minimalkonsens, und hat auf der Übereinkunft beruht, dass Saaten souveräne Gebilde sind, deren Bevölkerung nicht nur das Recht, sondern auch die verdammte Pflicht hat, interne Angelegenheiten auf demokratischem Weg selbstbestimmt (wenn auch nicht unbedingt einhellig) zu regeln.
Dass dieser alte Minimalkonsens derzeit nicht „in Mode“ ist, zeigt im Grunde zweierlei:
1) Weder Russland noch die USA legen sonderlich Wert auf demokratische Spielregeln. Nicht im eigenen Land und auch nicht anderswo. Weder Putin noch Biden mögen dem eigenen Volk (in Demokratien auch Souverän genannt) oder gar dem des Konkurrenten zubilligen, innere Angelegenheiten vernünftig zu regeln.
2) Das hat vermutlich a) damit zu tun, dass sowohl Putin als auch Biden ihre Karriere im Kalten Krieg begonnen haben, dem sid auch ihren Aufstieg verdanken und b) sowohl die USA als auch Russland dermaßen von inneren Konflikten und der Unfähigkeit der Regierenden, diese halbwegs befriedigend zu lösen, gebeutelt sind, dass die jeweiligen Führer sich nur in der Konfrontation mit anderen Mächten profitieren können.
Das IST definitiv eine schlechte Ausgangslage, finde ich. Irgendwie waren wir alle miteinander schon mal weiter. Damals, als der Kalte Krieg angeblich (fast) vorbei gewesen ist. Vor 30 Jahren war das, ungefähr. Manchmal hat es wohl doch Nachteile, alt zu werden, ohne dabei total dement zu sein.
zum Beitrag12.06.2021 , 16:49 Uhr
Ein latenter Nationalismus ist nicht das einzig Problematische an der Haltung der Stiko. Problematischer ist die professionelle Verantwortungsscheu, die offenbar nur sehr partiell greift.
Die Verantwortung dafür, dass junge Menschen in der Prägephase massenhaft in ihren sozialen Kontakten und ihrer Ausbildung behindert und verängstigt werden, übernehmen die Mitglieder der Kommission offenbar gern. Entsprechende Nebenwirkungen fallen ja auch nicht in ihr Ressort. Die Angst vor der seltenen Narkolepsie quält sie scheinbar viel mehr. Womöglich deswegen, weil hier schon einmal öffentlich ein Zusammenhang hergestellt und wohl auch nachgewiesen wurde zwischen Impfung und Erkrankung.
Diese Art der „Rosinen-Pickerei“ ist zwar üblich, aber überhaupt nicht hilfreich. Dass sie „egoistisch und überheblich [wirkt]“, ist dabei noch das kleinste Problem. Viel schlimmer ist, dass sie Leute, die nach Orientierung suchen, total meschugge macht. Dir wissen nämlich schon jetzt kaum noch, wem sie was glauben können. Wenn sich „Autoritäten“ - immer scharf an der persönlichen Zuständigkeitsgrenze entlang - um die eigene Sicherheit sorgen, hilft ihre teure Ausbildung niemandem mehr.
Am Ende wird zwar von allen Seiten gewarnt (vor dem Rat anderer Profis, aber konkrete und kompetente Hinweise darauf, was zu tun ist, gibt es keine mehr. So verspielen die „Führer“ auch noch die letzte verbliebene Sach-Autoritärät. Wenn sie dann noch ernst genommen werden wollen, bleibt ihnen nichts anderes mehr übrig als der Weg über den staatlichen Zwang und empfindliche Strafen.
Und dann? Dann braucht es womöglich am Ende doch noch eine Impfpflicht für Kinder, falls eine künftige Corona-Mutante sich in Ermangelung älterer Opfer auf jüngere kapriziert und denen richtig schwer zu schaffen macht. Das ist dann womöglich der Anfang vom Ende der großen Freiheit, auf die sich „der Westen“ früher einmal so viel eingebildet hat. Das ist dann die Art „Sozialismus“, den auch die KP China praktiziert.
zum Beitrag11.06.2021 , 09:14 Uhr
Merke: Wer sich um die Art der Aufklärung, die letztlich zu Frei-Willigkeit führt, gar nicht erst bemüht, weil ihm/ihr die Argumente fehlen und/oder er/sie auch viel zu gerne kommandiert, und wer statt dessen so um- wie durchgehend auf Zwang und Macht(-Instrumente) setzt, muss sich nicht wundern, wenn (zu) viele Menschen versuchen, sich lügend und betrügend vor ihrer Verantwortung zu drücken. Ist das Pragmatismus? Nein. Ist es fahrlässig? Bestenfalls.
zum Beitrag10.06.2021 , 22:16 Uhr
Immer der selbe Mist! Es ist wie z.B. auch im Zusammenhang mit Prostitution oder Migration: Autoritär-wohlmeinende Menschen verwechseln den Kampf gegen das Phänomen mit dem Kampf gegen die davon Betroffenen. Verständlich, irgendwie. Sie könnten nur an Prestige verlieren, wenn sie die Kompetenz der Betroffenen anerkennen würden. Im direkten Vergleich würde nämlich auffallen, dass die Theoretiker im Grunde keinen blassen Schimmer haben - weswegen sie die Lage der Betroffenen häufig „verschlimmbessern“, am liebsten natürlich, ohne die Konsequenzen dafür tragen zu müssen.
zum Beitrag10.06.2021 , 17:54 Uhr
Ich glaube, es war Gitte Henning, die schon vor 40 Jahren behauptet hat, sie wolle „nicht perfekt sein, nur gut“ und dass sie „alles“ wolle. Ich kann das nachvollziehen. Für uns Menschen ist es viel zu anstrengend, Perfektion anzustreben - und auf die Dauer auch viel zu frustrierend. Außerdem kann ein perfekter Mensch unmöglich alles sein bzw. haben, sondern nur das, was „der Gesellschaft“ (who the fuck...!) grade als Zeichen für Perfektion gilt.
Und was den Stolz angeht, so ist das ein Gefühl, das mir immer schon ein paar Nummern zu groß war. Das Wörterbuch übersetzt das mittelniederdeutsche Wort Stolz mit „prächtig“ oder „stattlich“, und ich bin weder das eine noch das andere. Was durchaus Vorteile hat, wie ich finde.
Pracht liegt mir entschieden zu dicht am Prahlen. Und nachdem es derzeit geschätzte 7,9 Milliarden Menschen gibt auf dieser Erde, kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass auch nur einer davon für sich in Anspruch nehmen sollte, etwas ganz besonders Besonderes zu sein. (Besonders sind wir schließlich alle. Das ist eine mathematisch belegbare Tatsache, die sich sogar auf unseren sexuellen Präferenzen erstreckt.)
Gut allerdings wäre ich auch ganz gern. Und zwar so oft wie möglich. Öfter nicht, aber halt auch nicht seltener. Gut natürlich nicht im Sinne eines (materiellen) Besitzes oder einer bestimmten Eigenschaft, sondern im ethischen Sinne. Gut sein zu wollen, kann nämlich ein echt starker Motor sein. Ich kenne nichts, was mich stärker und nachhaltiger antreiben könnte. Uns was wäre ich ohne jeden Antrieb? Ein Fall für Psychologen und Psychiater womöglich, die mich als Mittel zum Zweck missverstehen, ihre eigene Perfektion in Szene zu setzen und darauf dann auch noch stolz zu sein. Darauf, solchen Leuten einen Gefallen zu tun, der eigentlich gar keiner ist, kann ich sehr gut verzichten. 🤷
zum Beitrag10.06.2021 , 15:24 Uhr
Diversity allein macht keine Gesellschaft und erst recht keine Gemeinschaft. Etwas anderes kann nur behaupten, wer mit Margaret Thatcher der Ansicht ist: „There‘s No Such Thing as Society.“ Der/die/das zeigt damit allerdings nur, dass er/sie/es nicht verstanden hat, was es bedeutet, menschlich (englisch: human) zu sein. Von solchen-welchen aber sollten Menschen sich gar nichts sagen lassen.
zum Beitrag10.06.2021 , 14:55 Uhr
Zitat: „Die Idee, dass wir durch das Leben gehen mit einem Plan und Absichten, die wir klar definieren können, basteln wir uns doch im Nachhinein im Kopf zusammen, damit wir unser Tun irgendwie begründen können.“
Ich verstehe nicht ganz: Was hat die zitierte Behauptung mit der Tatsache zu tun, dass in einer Urteilsbegründung „die ganzen mentalen Schritte des Täters, die zu einer Mordabsicht geführt haben“ aufgeführt werden müssen?
Die Mordabsicht ist nachzuweisen vom Gericht, nicht einfach zu unterstellen. Dazu gehört, dass dem Angeklagten und seinen Anwälten die „mentalen Schritte“ genannt werden, die das Gericht als plausibel angesehen hat. Die Strafen für Mord ist schließlich eine andere als die für Totschlag.
Das ist im Übrigen keine Frage der Objektivität. Es ist eine Frage der Fairness. Wenn Richter ihre Urteile ausführlich begründen müssen, soll das lediglich Willkür und Machtmissbrauch verhindern. Richter sind schließlich auch Menschen. Manche von ihnen haben sogar Töchter, um die sie sich Sorgen machen. In jedem Fall aber haben Richter Macht.
Wenn Richter Angst haben müssen, weil auch sie nicht wissen, ob ein Angeklagter wirklich „Fortschritte gemacht“ hat, könnten sie leicht auf die Idee kommen, ein Missbrauch dieser Macht würde die Sicherheit vergrößern. Dagegen muss sich ein Verurteilter im Ernstfall wehren können, auch wenn er selber straffällig geworden ist. Das hilft den Richtern, das erforderliche Mindestmaß an professioneller Distanz zu wahren.
Traurig, dass solche rechtsstaatlichen Zusammenhänge nicht jedem bekannt sind, der öffentlich agieren darf. Was lernt man heute eigentlich im Sozial- oder Gemeinschafts-Kunde-Unterricht? Wahrscheinlich, dass es geil ist, die seelischen Abgründe anderer beleuchten und jede Chance, in die eigenen zu blicken, verstreichen zu lassen.
Ach ja, eins noch: Im Wort Dokumentarfilm steckt das Wort Dokument. Ich finde, bei aller Kunstfreiheit setzt das der Subjektivität doch irgendwie Grenzen.
zum Beitrag09.06.2021 , 16:32 Uhr
Zitat: „Es muss neben der ökonomischen und der technischen auch eine soziale und kulturelle, das heißt eine linke Kritik der Bürokratie geben. Denn genau hier entscheidet sich, ob Demokratie eine Zukunft hat.“
Klingt gut. Dass Bürokratie von links kritisiert werden sollte, finde ich als kleines Rädchen im Getriebe auch häufig. Immer dann etwa, wenn „meine“ Verwaltung den Großen mal wieder eine besonders fettere Extrawurst gebraten hat, während den Kleinen einen Stein nach dem anderen in den Weg gelegt wurde, wenn sie zum Selbstzweck wird, abstrakt und verklausuliert vor sich hin geheimniskrämert oder einfach nur um sich selbst kreist, anstatt zu tun, was nötig wäre. Nur: Wie ganz genau kann so eine Kritik von links aussehen? Eine Kritik, meine ich, die mehr ist als die Selbstbeweihräucherung der Kritiker und ein außergerichtliches Todesurteil für die Kritisierten? Eine, die nicht alles bloß noch schlimmer macht, weil sie sofort von Unbedarften missverstanden, von interessierter Seite bewusst fehlinterpretiert oder von Rechten gekapert wird? Eine, die tatsächlich beim Empfänger ankommt und die richtige Reaktion auslöst und sich nicht bestenfalls „versendet“?
Wenn Bürokratie - was ich mitunter auch glaube - tatsächlich nicht lernen will aus ihren Fehlern, weil Fehler vertuscht werden müssen (sie könnten schließlich die Karriere kosten) und eine funktionierende Bürokratie auch gar nicht gewollt ist von den Noch-Mächtigeren, wäre Kritik von links dann nicht genau so, als würde man Perlen vor Säue werfen? Eine Einladung an jeden, der immer schon wusste, wo der eigene Arsch am kommodesten zu platzieren ist, sich zu ganz eigenen Zwecken zu bedienen?
Mit Rechten reden? Bringt einfach nix. Schon gar nicht für die Zukunft der Demokratie.
zum Beitrag09.06.2021 , 15:44 Uhr
Interessant, welch negativen Klang das schöne Wort „eigenwillig“ in der Überschrift bekommt, wenn man den Text erst mal gelesen hat. Fast so, als wäre ein eigener Wille per se etwas negatives. Aber das ist sicherlich nicht beabsichtigt. Denn wenn A. Dirk Moses (wer auch immer das sein mag) nicht einen eigenen Willen gehabt hätte, hätten Volker Weiß und Till Schmidt sich ja schließlich nicht dazu verhalten können.
zum Beitrag09.06.2021 , 10:30 Uhr
Nein, manche Feuer entstehen nicht einfach so. Damit ein „Zombie-Brand“ entsteht, muss es schon früher große Brände gegeben haben, die tief eingebrannt sind in die Böden - und dann oberflächlich mit Schnee und Eis bedeckt worden sind.
Nicht nur die zu große Hitze scheint gefährlich zu sein, sondern auch zu große Kälte. Was nicht zu sehen ist, wird schließlich nur selten bekämpft. „Aus den Augen, aus dem Sinn“, hieß es früher, wenn sich Leute auf den äußeren Anschein verlassen haben. Aus Angst vor der Angst, aus Bequemlichkeit oder weil sie gern „wichtigeres“ tun wollten. Karriere machen beispielsweise oder Kohle scheffeln.
Es brennt wieder in Deutschland. Und daran ist nicht nur das Wetter schuld. Wobei: Was ist das aktuelle Wetter, wenn nicht Ausdruck eines Klimawandels, bei dem es sichtbar heißer wird und fühlbar kälter?
zum Beitrag09.06.2021 , 10:14 Uhr
Zitat: „Das Wissen über das Darlehen und diese Freundschaft rückt für mich alles in ein anderes Licht“
Wie hoch muss denn ein Darlehen sein, um aus einem „Kauz“ und „Theoretiker“ einen gefährlichen Neonazi zu machen? Keiner meiner 3 Großväter hatte jemals zu viel Kohle. Sie hätten nichts verleihen können, auch wenn sie gewollt hätten nicht. Dass ich kaum hätte herausfinden können, wen der Verfassungsschutz überwacht, weil Schlapphüte nicht mit Leuten wie mir reden, ist also nicht kriegsentscheidend. Wie ich die Frage nach dem in meinem Familienkeller versteckten Nazi unter diesen Bedingungen beantworten soll, hätten mir die beiden Textverfasser wohl erklären müssen.
Wieso nur habe ich jetzt das dumme Gefühl, die aktuelle Verfasstheit unseres Staates sei womöglich kein all zu großes Wunder angesichts einer „Vergangenheitsbewältigung“ wie dieser? Ich meine: Was macht einen (Neo-)Nazi eigentlich aus? Zu viel Geld? Freunde, die vom Verfassungsschutz überwacht werden? Dunkle Büros mit noch dunklerem Bücherregalen, in denen seltsame Bücher stehen? Das Pfeife rauchen?
Womöglich muss sich ja jemand, der nach eigenen Angaben kaum einen Bezug zu einem Großvater hatte, den er denn auch beim Vornamen nennt, mit solchen Indizien behelfen. Größtmögliche Abgrenzung und genaues Sehen schließen sich ja doch ein wenig aus. Aber ohne Abgrenzung vom Nazi-Opa hat man hierzulande nun mal keine Zukunft. Wer Nazis all zu nahe zu stehen scheint, könnte ja infiziert sein von der Seuche.
Nur: Irgendwem steht jede*r nahe. Und ziemlich viele Leute sind irgend jemandes Opa/Oma. Woher soll ich wissen, mit wem ich es grade zu tun habe? In der Familie gibt es verbale und materielle Überlieferungen, die zur Vorsicht mahnen. Außerhalb hat kaum jemand Zugang zu solch einem Erbe. Im Umgang mit Nicht-Familien-Mitgliedern helfen letztlich nur die eigene Vernunft und die eigene Haltung. Wie gut also, dass man nicht jede*n dermaßen blind lieben muss, dass man genau so werden will.
zum Beitrag08.06.2021 , 14:28 Uhr
Jetzt mal ganz unabhängig davon, was „Herr AfD“ so denken mag und was nicht: Es ergibt schon irgendwie einen Unterschied, ob jemand seine Meinung („Der Osten ist doof!“) in einer Tageszeitung veröffentlichen kann, oder ob er seiner Überzeugung(„Alle Journalisten sind Idioten!“) nur im Kreise seiner Saufkumpane verlauten lassen kann. Zumindest gefühlt. Gut möglich, dass der mit dem Stammtisch findet, er bräuchte zum Ausgleich für das empfundene Machtgefälle eine Vertretung im Parlament, die vor der Kamera in seinem Namen ausspricht, was er beim Herrengedeck nur raunt.
zum Beitrag08.06.2021 , 13:14 Uhr
Wir erinnern uns bitte: Der Niedriglohnsektor liegt im Osten bei fast 40 Prozent aller Beschäftigten, im Westen sind es dagegen nur 20 Prozent. Und nun die 15-Prozent-Frage: Wo werden sich wohl mehr Leute vor der Konkurrenz zugewanderter Billiglöhner mit immerhin extremer Mobilität und großem Erfolgsdruck fürchten?
zum Beitrag04.06.2021 , 17:03 Uhr
Ist grade mal ein paar Jahrzehnte her, dass „die Bayern“ die Bummelletzten waren. Heute verkaufen sie sich super, weil sie sich damals billig verkauft haben. Es ist also nicht unbedingt zu erwarten, dass den Sachsen-Anhaltern das schwere Schicksal der Bayern auf Dauer erspart bleiben wird. Schon gar nicht, wenn sie erst mal schwarz-blau regiert werden. Denn wie war das noch? Dem ein’ sin Uhl ist dem annern sin Nachtigall.
Wobei ... sind die Wirtschaftswunderjahre nicht mittlerweile für alle Deutschen irgendwie vorbei? Ich meine: Für alle, die ihre trockenen Semmeln mit eigener Hände Arbeit verdienen müssen? Das mit der System-Konkurrenz hat sich doch mittlerweile erledigt, oder?
zum Beitrag04.06.2021 , 16:43 Uhr
Sehe ich auch so. Aber so lange noch mit Neid Politik gemacht werden kann, wird sich Vernunft kaum durchsetzen. Es werden weiter angebliche oder tatsächliche Gruppen gegeneinander ausgespielt, zum Nutzen einer Minderheit und zum Nachteil aller anderen. Aber wo käme „der Staat“ (who the fuck... ?) auch hin, würde die Bevölkerung erst einmal aufhören, die Gesellschaft, in der wir leben, als mittelalterlichen Erbhof zu begreifen? Am Ende stünde dann womöglich das Gottes-Gnaden-Kaiserrtum zur Disposition, und das kann doch bestimmt niemand wollen...!
zum Beitrag03.06.2021 , 16:27 Uhr
Zitat: „Verschwörungsmythen [...] sind längst da. Lügen über ein Virus aus dem Labor, [...]“
Am 26.05.2021 ist Fabian Kretschmer in der taz einem Wall-Street-Journal-Artikel nachgegangen, der auf einem US-Geheimdienst-Bericht beruhen soll. Unter der Überschrift: „Nahrung für die Labor-Theorie“ hat Kretschmer die „umstritten[e]“ Frage aufgeworfen, „ob [...] auch ein Laborunfall verantwortlich gewesen sein könnte“. Er schrieb: „Dass diese Labor- oft als Verschwörungstheorie stigmatisiert wird, liegt an einem Missverständnis: Sie besagt eben nicht, dass das Virus von Menschen kreiert und absichtlich ausgesetzt wurde, sondern nur, dass bei legitimen Forschungen an Coronaviren ein Mitarbeiter sich versehentlich infiziert haben könnte.“
Gehört Fabian Kretschmer damit zu jenen „30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland“, die „Verschwörungserzählungen für wahrscheinlich richtig oder sicher richtig [halten]“? Ist er vielleicht gar eine Art Nazi? Nein. Denn: „Ein Mythos kann einen wahren Kern haben“, er ist aber keine Diskussion. Er „lebt“ grade nicht „von These und Antithese“, sondern „ist eine Verfestigung von nur einem dieser Bestandteile“, oft sogar eine bloße Behauptung, eine „Gedankensackgasse“ also.
Und sonst so? Wenn 30% aller Deutschen mit Verschwörungstheorien sympathisieren, dann zeigt das eigentlich nur, dass sie Ungewissheit nicht ertragen können. Womöglich aus Angst davor, bloßgestellt und/oder abgewertet zu werden. Das aber sagt viel über die gesellschaftliche Realität in Deutschland aus, u.a. auch über deutsche Schulen/Lehrer/Erziehungsberechtigte.
Nein, Plausibilität ist keine Frage von Mehrheiten. Wenn 28 Menschen anders denken, heißt das noch lange nicht, dass ein*e Einzelne*r ins Grübeln kommt oder gar „den eigenen Standpunkt zu verändern“ bereit ist. Gedankensackgassen können schließlich nich nur nach rechts oder links führe, sondern in jede beliebige Himmelsrichtung.
zum Beitrag03.06.2021 , 14:50 Uhr
Warum sich nur an Claas Relotius abarbeiten? Ganz einfach: Damit das „System“ bleiben kann, wie es jetzt ist. Es hat ja schließlich öffentlichkeitswirksam einen Sündenbock in die Wüste gejagt, ist also quasi rehabilitiert. 🤷
zum Beitrag03.06.2021 , 14:23 Uhr
Zitat: „Beim [...] Online-Meinungsbarometer [...] erhärteten die Teilnehmer in diesem Mai das Schlusslicht-Dauerimage ihres Landes. 69 Prozent der jungen Menschen halten dieses für unattraktiv. Im Vergleich mit Sachsen und Thüringen wird Sachsen-Anhalt auch bei Gewerbeansiedlungen, medizinischer Versorgung, Umwelt- und Klimaschutz oder bei der Anbindung ländlicher Räume am schlechtesten bewertet.“
Na bravo! Genau das ist das Problem mit Rankings: Damit die einen glänzen können, müssen sich andere die rote Laterne anhängen lassen.
Und damit der Glanz auch wirklich bis in den letzten Winkel strahlen kann, müssen Umfrageergebnisse wie diese medial flächendeckend breitgetreten werden - auf dass sich eventuelle negative Erfahrungen Einzelner zu einer vermeintlichen Gruppen-Identität verdichten. Super, liebe taz, wie du den Sachsen-Anhalter*innen bei ihrer Identitätsfindung behilflich bist! Wobei - wie viele Leser*innen hast du eigentlich unter den früher Aufstehenden? Ich tippe auf eine Zahl, die kleiner ist als 1. Sonst würdest du dich womöglich etwas erkennbarer um diese Menschen bemühen.
Merke: Wenn es schon keinen König gibt, auf den der brave Untertan sich etwas einbilden mag, dann kann der Möchtegern-Führer von heute wenigstens für einen gewissen „Erlösungsbedarf“ sorgen, der sich in ein „volatile[s] Wählerverhalten“ umwandeln lässt, das wiederum Macht legitimiert. So viel Traditionsbewusstsein muss schon sein, nicht wahr? Auch und gerade im „Bindestrich-Land“ Sachsen-Anhalt. Beziehungsweise auf dessen Kosten.
zum Beitrag02.06.2021 , 15:56 Uhr
Was‘n Geschwätz! Gäbe es sie wirklich, die „Generation X“, müssten die Kids gar nicht „for future“ demonstrieren. Leider ist nur ein Teil der Um-die-50-Jährigen zu bräslg, was „zu reißen“. Ein anderer Teil macht unterdessen jede Menge Mist. Nein, nicht als Kleinvieh. Als Spitzenkraft in Wirtschaft, Politik und Rest-Gesellschaft. Aber woher soll das jemand wissen, der von Kindesbeinen an ausschließlich den eigenen Nabel betrachtet hat und mit dem Wort Individualität allenfalls den gemeinsamen Konsum angeblicher Must-Haves verbindet?
zum Beitrag31.05.2021 , 13:50 Uhr
Das Prinzip wäre nicht halb so problematisch, wenn nicht die Unterschiede so groß wären zwischen den Pflegebedürftigen.
Die einen haben zeitlebens viel verdient (nun ja, oder halt hohe Bezüge erhalten), rechtzeitig genug geerbt oder auch erfolgreich in ihre eigenen Erben investiert, während die anderen immer schon „von der Hand in den Mund“ gelebt haben, nie was zurücklegen konnten und auch keine*n haben, der für sie zahlen könnte/würde.
Letztere halten sich quasi in „Toten Winkel“ der Politiker*innen auf. Erstere sind hingegen ziemlich gut sichtbar und stellen die Referenzgruppe dar, wenn denn tatsächlich mal nach den Folgekosten politischer Wohltaten gefragt wird. Und würde sich „die Politik“ aus Versehen doch mal nach den Habenichtsen richten, würden die Wohlhabenden auch wieder überproportional profitieren.
Das war schon anno Brecht ein Problem: Die im Dunklen sieht man nicht. Und fürchten braucht man sie schon zweimal nicht. Nicht als Spitzenpolitiker. Als Spitzenpolitiker hat man nach 8 Jahren nämlich auch ohne liebende Kinder/Enkel weitgehend ausgesorgt.
zum Beitrag24.05.2021 , 10:23 Uhr
Sieht aus, als hätte das Konzept des Heiligen den Niedergang der Katholischen Kirche in Europa überdauert. Muss ein echtes Bedürfnis dahinter stecken. Eins, das sich heute noch auf ganz verschiedene Art nutzen lässt.
Aber was soll’s? Happy Birthday, Mr. Bob. Du hast das Leben besser gemacht. Nicht nur dein eigenes. Dafür sollte dir der Himmel offenstehen, wenn es ihn gibt. Auf der Erde und auch sonst überall.
zum Beitrag23.05.2021 , 07:28 Uhr
Zitat: „Nun kann man daran vielerlei Überlegungen anstellen, ob der Status eines [...W]erkes [...] durch Verfehlungen oder charakterliche Fragwürdigkeiten eines Künstlers berührt ist.“
Man kann, ja. Aber man muss natürlich nicht. Und hier zeigt sich einmal mehr, wes‘ Geistes Kind „wir“ alle sind.
Zum „kulturellen Kanon“ der „Rich Boys“ gehört es, Überlegungen bezüglich des Charakters oder eventuelle Verfehlungen vor allem dann anzustellen, wenn diese Überlegungen einen Mehr-Wert abwerfen. Und zwar nicht unbedingt zugunsten der Gesellschaft insgesamt oder gar der Schwächsten unter uns, sondern zugunsten derer, die unbedingt „was werden“ bzw. „jemand sein“ wollen. Denken als Waffe im Konkurrenzkampf quasi.
Keine Frage: Der Geniekult sollte kein Alibi dafür sein, schlechte Charakterzüge auszuleben. Allerdings ist die Frage, welchem „Genie“ welche „ Charakterzüge“ zugebilligt werden (und welche nicht) immer auch eine Machtfrage. Und Machtfragen nicht thematisieren zu müssen, ist und bleibt ein Privileg alter/toter weißer Männer, auch wenn sie äußerlich jung, weiblich/diverse und „of color“ sind.
Wie „man siegt“ über andere, lernen Menschen halt immer von Menschen, die vor ihnen bereits „gesiegt“ haben über andere - vorausgesetzt natürlich, sie wollen überhaupt siegen lernen über andere. Und dann bleibt leider immer die Frage: Wozu? Sogar in einer „reinen“ Wissenschaft wie der Mathematik übrigens.
Wo Selbstoptimierung nicht auf ein ganzes Selbst gerichtet ist, sondern nur auf ein bis zwei Detail wie etwa den Bekanntheitsgrad oder das Bankkonto, kann so ein Optimum ganz schön unbequem sein. Natürlich nur für den, der seine Umgebung nicht „total im Griff“ hat. Schön also, wenn eine*r während Corona Zeit findet, eventuelle Bildungslücken wasserdicht zu schließen (und andere genau diese Chance entweder nicht kriegen, oder aber nicht nutzen).
zum Beitrag17.05.2021 , 19:36 Uhr
Zitat: „In den meisten Texten und Interviews geht es um Analyse der Strukturen und Instrumente der Veränderung.“
Das mag ein Anfang sein, ist aber längst nicht genug. Und ziemlich erstaunlich ist es obendrein. Denn wo, wenn nicht am Theater, müsste klar sein, dass Strukturen und Instrumente nichts sind ohne das Individuum, das sich ihrer bedient?
„Es ist die Psyche, Dummkopf“, möchte man den Theater-Retter*innen zurufen. „Vergiss die Menschen nicht vor lauter Stolz auf deine Theorie!“ Was einen Menschen nach der Macht greifen lässt, war, ist und bleibt entscheidend. Im Theater, aber auch überall sonst.
zum Beitrag11.05.2021 , 21:10 Uhr
Aha. „Um festzustellen, ob durch die Durchfeuchtung der elektrischen Anlage eine Eigen- und/oder Fremdgefährdung vorlag“, wurde also kein Elektriker gerufen und auch kein Klempner, sondern die Polizei. Wer käme auch auf die verrückte Idee, erst zu fragen und dann zu schießen, wenn Western- und andere Medien-Helden es doch immer andersherum halten?
zum Beitrag11.05.2021 , 20:55 Uhr
Zitat: „Irritierenderweise war ich auch immer wieder sehr erleichtert, wenn mir Entscheidungen von politischer Seite abgenommen wurden.“
Irritierenderweise geht der Wunsch nach Erleichterung oft so weit, dass Leute, die sich ihre Entscheidungen im Zweifel gern abnehmen lassen, jede und jeden, die oder der sich weniger bereitwillig unterwirft, umstandslos zu hassen bereit sind. Ein eventuelles Bedürfnis, die individuellen Gründe für die Unbotmäßigkeit zu erfragen, wird jedenfalls oft schon im Keim erstickt. Frei nach dem Motto: Alles Schlampen - außer Mama. Und mir.
Ja, es ist schön, wenn eine Person, die verstanden hat, dass wir Menschen alle ständig irgendwelchen Denkfehlern unterliegen, fremden Fehlern mit mehr Verständnis begegnen. Das heißt aber leider noch lange nicht, dass diese Person auch das dumme Gefühl ertragen kann, ein*e andere*r könnte eventuell weniger Fehler machen als sie selbst.
Großmut zu zeigen Schwächeren gegenüber, ist vergleichsweise leicht für eitle Menschen. Nicht neidisch zu werden auf (tatsächlich oder nur vermeintlich) Stärkere, ist offenbar sehr viel anstrengender. Die Folgen dieser Tatsache für die öffentlichen Debatten sind leider verheerend.
zum Beitrag07.05.2021 , 23:47 Uhr
Und doch hat die DDR aufgehört zu existieren. „Der Westen“ aber will sich nicht mal ändern. Der will sich immer noch für überlegen halten. Und überhaupt: Wo sind denn heute noch die mit den (friedlich-)alternativen Ideen? Eben.
zum Beitrag06.05.2021 , 11:53 Uhr
Zitat: „[...] Reich-Ranicki: ‚Der Name Erich Fried wird nicht in Vergessenheit geraten, darf nicht in Vergessenheit geraten.‘“
Ja da schau her! Schade, dass an dieser Stelle nicht wenigstens eine Warum-Frage kommt. Eine progressive Zeitung, finde ich, darf sich nicht im Zitat erschöpfen. Sie sollte fragen, was sich der Zitierte wohl gedacht haben mag bei seinem Ausspruch. Sie ist sonst keine progressive Zeitung, sondern eine konservativ-regressive. Dass sich MRR mit einem Zitat zufrieden gegeben hätte, ist für mich im Übrigen zwar vorstellbar, aber nicht wirklich tröstlich.
Wenn Erich Fried tatsächlich „ein unbequemer Schriftsteller zwischen allen Stühlen“ war (was ich nicht wirklich beurteilen kann), könnte es jedenfalls genau deswegen „lohnenswert“ sein, sein „Werk“ anlässlich seines 100. Geburtstages neu zu entdecken, und nicht etwa „dennoch“. Und nein, das ist keine Wortklauberei. Bequeme tote Dichter sind schließlich eher unergiebig für die positive Entwicklung einer konfliktbeladenen Gesellschaft wie unserer. Sie lösen keine Debatten aus, sondern höchstens ein wohliges Gefühl der Bestätigung - dem nicht selten ein herzhaftes Gähnen folgt.
Womit ich nicht gesagt haben will, dass alles, was grade als „Debatte“ durchgeht, auch tatsächlich einer Konfliktlösung dienen kann. Manch ein Meinungs-Austausch soll auch einfach nur einen Austausch der Meinung bewirken - beim Anderen, versteht sich. Und ist der nicht willig, wird das als Erlaubnis gewertet, (verbale) Gewalt anzuwenden.
zum Beitrag05.05.2021 , 21:21 Uhr
Da ist sie wieder, die Langeweile. Nichts scheint schlimmer zu sein für manch eine*n als genau das: langweilig zu sein.
Bleibt nur die Frage, wieso sich derart viele Besser-Wisser seit so vielen Tagen derart engagiert abarbeiten an 53 „Allesdichtmachern“, wenn die doch einfach nur langweilig sind. Wäre in dem Fall nicht zu erwarten gewesen, dass Deutschland kollektiv gähnt, sich ab- und anschließend spannenderen Themen zuwendet?
Nein, aufregend ist nicht dieses ominöse „Allesdichtmachen“. Aufregend ist nur die Gelegenheit, der Welt mal wieder zu zeigen, wo ganz genau der große Hammer hängt und dass man ihn zu schwingen weiß. Stimmt schon: Von Satire verstehen wir Deutschen wenig. Viel verstehen wir nur von der Macht und ihrem Missbrauch. Autorität geht uns über alles. Über alles auf der Welt.
Im übrigen frage ich mich, ob die, die gerade raunen davon, dass „Allesdichtmachen“ von Anfang an politisch gewesen sei, weil da einer mitmischt, der schon mal übel aufgefallen ist und dem jede Verschwörung zugetraut werden muss, ganz sicher sind, dass sie ihr Welt- und Menschenbild nicht von (Ur-)Großeltern geerbt haben, die vor 75 Jahren überzeugt waren, gegen Subversive Elemente, die dem Volkskörper schaden mit ihrem losen Maul, könne nur die ganze Entschlossenheit deutscher Kruppstahl-Härte zum Einsatz kommen. Oder von (Groß-)Eltern, die vor 35 Jahren ähnlich gedacht haben, nur ohne Krupp.
Mir scheint, die Erfinder des Begriffes Neoliberalismus haben noch weit mehr Verwirrung gestiftet, als sie selber geplant hatten. Wenn Altes als neu und Autoritäres als freiheitlich durchgehen kann, wo sind dann die Grenzen? Dass Satire dann auch nicht mehr ist, was sie selbst früher nur ganz selten war, wundert mich unter diesen Umständen kaum. So wenig, wie es mich wundert, wenn Menschen, die keine Bodenhaftung mehr haben, keine tragfähigen Entscheidungen mehr treffen können. Schon gar nicht im Namen aller anderen
zum Beitrag02.05.2021 , 11:57 Uhr
Schon mal den Begriff Optimum gehört? Oder das Wort „Glockenkurve“ gelesen?
Lebewesen passen sich ihrer Umwelt an. Und zwar nicht nur von jetzt auf gleich, sondern auch über Generationen. Ändern sich einzelne Umweltfaktoren zu schnell, schafft nicht mehr jedes Individuum die nötige Anpassung schnell genug. Dann gibt es zunächst vereinzelte Ausfälle. Die Schwächsten sterben zuerst. Nimmt die Veränderung dann so richtig Fahrt auf, können ganze Arten aussterben. Und das gilt sowohl für Veränderungen „nach rechts/oben/vorn“, als auch für Veränderungen nach „links/unten/hinten“. Als Mensch kann man so etwas wissen. Muss man aber heute nicht mehr unbedingt.
zum Beitrag27.04.2021 , 21:04 Uhr
Die „Vorherrschaft der Affekte“ konnte, wer es darauf angelegt hätte, lange vor Corona diagnostizieren. Das Virus hat sie nur - wie so viele gesellschaftliche Sollbruchstellen, sichtbarer gemacht.
Gleich nach der Frage, welche Affekte eigentlich vorherrschen, könnte übrigens die Frage gestellt werden, was die Ursache der Affekt-Vorherrschaft ist, was ihr Auslöser war und wer davon profitiert.
Eine ehrliche Antwort auf diese Fragen könnte sich allerdings durchaus unangenehm anfühlen für Leute, die unbedingt „was mit Medien machen“ wollen. Und dann? Genau: Es lebe der Affekt!
Bleibt eigentlich nur die Frage, ob Affekt von Affe kommt. 🙈
zum Beitrag23.04.2021 , 14:22 Uhr
Zitat: „Lentz war früher selbst mal in der Pflege tätig – und kann nicht nachvollziehen, warum in Alten- und Pflegeheimen nun Soldat:innen präsent sein sollten, die eigentlich an der Waffe ausgebildet sind.“
Echt nicht? Nanu? Ich meine: „Die Wirtschaft“ wähnt sich doch schon länger im Krieg. Und dass „die Pflege“ mittlerweile Teil „der Wirtschaft“ ist, kann Herrn Lentz unmöglich entgangen sein, wenn er da mal gearbeitet hat. Zumal der „Kampf gegen Corona“ ja zuletzt im gesamten Staat für eine Art Kriegs-Recht gesorgt hat, nicht nur im Gesundheitswesen.
Ist eben immer die Frage, wie man mit seinen Gegnern umgeht. Mit Viren kann selbst der kompetenteste Mensch schlecht verhandeln. Für Konkurrenten im Kampf um Maximalprofite gilt dasselbe. „Ganz viel [...] Empathie“ ist da eher nicht zielführende. So wenig, wie in jedem anderen Existenzkampf. Der Einsatz drastischer Mittel schon eher.
Und die Pflegebedürftigen? Die können unter den gegebenen Bedingungen wohl froh sein, wenn sich demnächst überhaupt noch jemand um sie kümmert, der nicht völlig aus Stahl oder Carbon ist. Wegen der Kosten. Die nicht der private Pflege-„Dienstleister“ zu tragen hat, wenn seine Leute Uniform anhaben, sondern der Staat. Die Rentner also unter anderem, die neuerdings Steuern zahlen müssen auf ihre eigentlich bereits versteuerte Rente, damit man sie im Pflegefall betreuen kann, wenn grade nicht wieder irgendwo Krieg ist.
Fürs Geschäft ist diese „Lösung“ jedenfalls super. Sowohl für das der Pflege-Unternehmer, als auch für das der (Möchtegern-)Krieger, die ihr Dasein auch dann rechtfertigen müssen, wenn ausnahmsweise mal kein junger, dummer Bürger dieses Landes am Hindukusch oder anderswo weit weg vom Bundeskanzleramt Öllieferungen privater Multimillionäre... äh: Europas Freiheit natürlich (!) mit dem Leben zu verteidigen hat, damit deutsche Spitzenpolitiker sich endlich wieder Weltmarkt... äh: Weltmachtfähig fühlen können. 🤷
zum Beitrag14.04.2021 , 20:47 Uhr
Zitat: „Ist der Bremer Flughafen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor oder eine verzichtbare Dreckschleuder?“
Wieso „oder“?
zum Beitrag14.04.2021 , 20:43 Uhr
... und es blieb nichts als ein Grinsen zurück. 😁
zum Beitrag06.04.2021 , 19:43 Uhr
Zitat: „Die EU interessiert sich für Macht, nicht für Menschenrechte.“
Ist Ursula von der Leyen wirklich „die EU“? Ich meine: Die Behauptung „l’état c’est moi“ („Der Staat bin ich!“) wird Ludwig XIV zugeschrieben, und der Mann war ein absolutistischer Monarch. Frau von der Leyen ist angeblich Demokratin, wenn auch eine, die sich erkennbar mehr für Macht interessiert, als für die Menschen, die der Macht unterworfen sind. Was also will uns Jürgen Gottschlich sagen mit seiner Behauptung? Dass er von der Karrieristin an der EU-Spitze das Siegen gelernt hat?
zum Beitrag24.03.2021 , 19:54 Uhr
Was‘n das für ‘ne Demokratie, die mündige Bürger verzaubern muss, damit sie ihre Füße still halten?
Nein, es geht nicht um Stilfragen. Jedenfalls nicht nur. Dass eine Kanzlerin, die sich als Managerin begreift und versucht, ihre Nerven beisammen und „den Überblick zu behalten“ sowie „am Ende den Konsens zu formulieren“ jetzt öffentlich ihre Alleinschuld erklärt, hat was von Harakiri. Für mich sieht es so aus, als würde die Noch-Kanzlerin versuchen, mit ihrem Bauern-, genauer: Dame-Opfer Schaden von ihren potentiellen Nachfolgern und den überforderten Landesfürsten abzuwenden. Frei nach dem Motto: „Rette das System! Es ist wichtiger als eine Kanzlerin!“
Wie auch immer. Auch die größte „Meisterin des Machbaren“ kann jedenfalls nichts managen, was es nicht gibt. Wo kaum eine*r der Landesfürst*innen und Minister*innen eine gute Idee von einer schlechten unterscheiden kann, sieht halt der Konsens dementsprechend aus. Seit dem Beginn der Pandemie hat überhaupt niemand ernsthaft versucht, den Bürger*innen zu erklären, wieso genau was entschieden worden ist. Das hat offenbar niemand für nötig (oder auch nur für möglich) gehalten. Arroganz der Macht, nennt sich das, hab ich gelernt.
Es gibt bis heute weder eine vernünftige Abwägung zwischen den sogenannten Rechtsgütern, noch gibt es eine plausible Strategien. Es gab nur ein Spielen am Lichtschalter: Lockdown an, Lockdown aus, Lockdown an... Die großen Hebel zu bedienen, war offenbar spannender als der Einsatz irgendwelcher Grauen Zellen, die Kompetenz-Behauptung war wichtiger als die Kompetenz selbst. Das Volk ist ja auch darauf konditioniert. Das Virus wird die Chance zu nutzen wissen. Es lebt und es mutiert ganz ohne Rücksicht auf menschliche Eitelkeiten.
Ob sie sich wohl wenigstens für ihren Schutz bedankt haben bei ihrer „Mutti“, die großen Jungs mit den noch größeren Egos und der nicht annähernd so großen Vernunft? Ich zweifle dran. Aber für mich stellt sich ja auch schon länger die sogenannte System-Frage.
zum Beitrag24.03.2021 , 09:09 Uhr
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern.“ K. Marx, Feuerbach-Thesen (Deutschland, 1818-1883)
-
„Alle wollen die Welt verändern, aber keiner sich selbst.“ L. N. Tolstoi (Russland, 1828-1910)
-
„Existieren heisst sich verändern. Sich verändern heißt reifen. Reifen heisst sich selbst endlos erschaffen“ H. Bergson, Schöpferische Entwicklung vw (Frankreich, 1851-1941)
-
„Du selbst zu sein in einer Welt die dich ständig anders haben will, ist die größte Errungenschaft.“ R. W. Emerson (USA, 1803-1882)
Nicht all zu viel Neues unter der Sonne also. Wie auch, wenn Herrschaft immer noch die Kontrolle über den jeweils anderen ist - und als solche unbedingt anstrebenswert?
zum Beitrag17.03.2021 , 21:26 Uhr
Zitat: „Will ich freundlich sein, weil ich gefallen will, weil ich eine Frau bin, weil ich eine nichtweiße Frau bin?“
Womöglich gibt es von hier eine Verbindung zur Frage, “warum wir so tun, als wäre sie [allein]“, die Wut. Offenbar gehört zu unserer Kultur eine Art emotionale Arbeitsteilung. Frauen (nicht-weiße und überhaupt alle nicht dominierenden Menschen) haben freundlich zu sein und zu gefallen, während Männer (und überhaupt alle, die was auf sich halten) wütend sein dürfen. Und bitte keine Unklarheiten! Wo kämen wir sonst hin?
Nein, die Freundlichkeit hat keine sonderlich gute Presse derzeit. Was auch kein großes Wunder ist. In dieser Gesellschaft bestimmt ja nicht der Gebrauchswert den Wert einer Sache, sondern der Markt bzw. das Marketing. Und wieso? Weil alle den Scheiß mitmachen.
Freundlichkeit wird sehr gern als Zeichen von Schwäche fehlinterpretiert. Und wer kann sich schon eine Schwäche leisten, wo die als Einladung zur Selbstbedienung angesehen wird? Dann lieber Wut, oder? Wer wütend ist, zeigt, dass er niemandem gefallen muss, dass er stark ist und unabhängig, frei. Auch von Moralgrenzen. Was, eigentlich, zählt mehr heute und hier? Sch... Ideologie!
zum Beitrag16.03.2021 , 10:59 Uhr
Wenn Sie schon das Lexikon zitieren, hätten Sie vielleicht wenigstens bis zum Ende des Absatzes lesen sollen. Da steht nämlich unter anderem: „Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Konfessionszugehörigkeit und Hexenverfolgung liegt nicht vor.[4]“
Im Übrigen kann ich Ihren Hass auf „den Reformator“ nicht so ganz nachvollziehen (was womöglich damit zusammenhängt, dass ich nie ein katholisches Internat von innen gesehen habe und von keiner sonderlich katholischen Person erzogen worden bin). Mag ja sein, dass Luther mit seiner Bibel-Übersetzung „den“ Frauen einen sogenannten Bärendienst erwiesen hat. Nur kann seine eventuelle Frauenfeindlichkeit unmöglich eine Folge des Protestantismus gewesen sein, denn als sie angelegt wurde, war Luther noch Katholik. (Wie sich ein eventuelles schlechtes Gewissen des Ex-Mönchs ob seiner Ehe mit einer entlaufenen Nonne auf sein „Lebenswerk“ ausgewirkt hat, mögen besser bezahlte Forscher untersuchen. Mir genügt es zu wissen, was passiert, wenn von einem unter Dampf stehenden Topf plötzlich der Deckel entfernt wird.)
Im Übrigen hat die Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit nur deswegen an Fahrt aufgenommen, weil die im Spätmittelalter herrschenden Machtstrukturen zu unmöglichen Zuständen geführt hatten, die durch Naturkatastrophen (kleine Eiszeit etc.) noch verstärkt wurden. Hätte die katholisch Kirche nicht so hartnäckig versucht, von der Unwissenheit und Ohnmacht der unteren Schichten brutalstmöglich zu profitieren, wäre der ganzen Spuk schon ein paar hundert Jahre früher zu Ende gewesen und Luther wäre nur einer unter unzähligen selbsternannten Propheten gewesen, die kaum wer beachtet. Niemand hätte dann ernsthaft eine Reform der Religion und der auf sie zugeschnittenen Machtverhältnisse betrieben.
Merke: Es ist nie die Schuld der Frau, wenn sie vergewaltigt wird. Und wer dem Katholizismus nachträglich aber noch vor jeder Beichte die Absolution erteilt, kann den Protestantismus nicht wirklich erklären. Nur hassen.
zum Beitrag15.03.2021 , 11:47 Uhr
Zitat: „Wer Nazis auch bei Beweisschwierigkeiten verfolgen will, produziert schnell kriminalpolitische Kollateralschäden.“
Vermutlich ist das den Betreffenden egal. Es muss ihnen egal sein, denn sie glauben nicht daran, dass Gewalt gegen Menschen grundsätzlich problematisch ist. Sie wurden in eine Welt hineingestampft, in der es Menschen gar nicht gibt. Es gibt nur Teufel und Engel. Wobei die Teufel die anderen sind und die Engel sie selber. Das Leben aber ist für sie ein immer währender Kampf des Guten gegen das Böse, in dem Gewalt unverzichtbar war, ist und bleibt.
Gegen böse Leute mit Waffen braucht es ihrer Ansicht nach einfach nur ein paar mehr gute Leute mit Waffen. Über die Ursachen menschlicher Aggressionen wollen sie sich schon deswegen keine Gedanken machen, weil sie auf der Suche danach auch bei sich selber landen würden. Das wäre in sofern ein Problem, als sie die Ursachen der eigenen Brutalität nicht mehr beheben können. Mit eventuellen Präventivmaßnahmen könnten sie also nicht sich selbst helfen, sondern nur ihren Feinden. Die „Kampfkraft“ der eigenen Fraktion würden sie schwächen. Und es gibt keine Garantie, dass die des Feindes im selben Maß abnimmt. Schließlich: Welcher „echte Kerl“ der „alten Schule“ mag sich schon von seinem Feind zum Gewaltverzicht überreden lassen, wenn der nicht ebenfalls glaubhaft zu Chorknaben mutiert?
Mit den Über-Zeugungen ist das halt so eine Sache: Sie erleichtern zwar nicht das Leben, dafür machen sie aber immerhin das Sterben einfacher. Für eher konservative, nicht übermäßig kreative Menschen, die sogenannten „alten weißen Männer“ jeglichen Geschlechts, jeden Alters und aller Hautfarben, muss so ein Schwarz-Weiß-Denken sehr verlockend sein. Schließlich: Sterben müssen wir alle. Genau einmal. Das hat noch jede*r geschafft. Leben hingegen will gekonnt sein. Anders als das Sterben ist es immer mit dem Risiko des Scheiterns verbunden. Mehrfach sogar. Das aber scheint manch einem/einer viel zu viel Angst zu machen.
zum Beitrag14.03.2021 , 20:44 Uhr
Zitat: „Jene, die uns eigentlich ähnlich sind, bekämpfen wir besonders leidenschaftlich, da wir uns von denen ja stärker abgrenzen müssen als von jenen, bei denen sich die Abgrenzung von selbst versteht.“
Alles eine Frage der Prioritäten. Wer auf Abgrenzung konditioniert wurde, weil das in dieser Gesellschaft (insbesondere in der Politik bzw. den Medien) nun einmal die Grundvoraussetzung für Sichtbarkeit und also für die Chance auf einen persönlichen Gewinn ist, hat keine andere Wahl (und will auch gar keine). Wie Pawlows Hund muss er/sie in der einmal verinnerlichten Art und Weise reagieren. Es gibt für solch einen Menschen keine „Sache“, ja überhaupt kein Thema mehr, das ihm/ihr wichtiger ist als die möglichst plastische Zurschaustellung der eigenen Überlegenheit. Alles wird für ihn/sie ein Mittel zum (Selbst-)Zweck. Kein Preis ist zu hoch. Erst recht keiner, den andere zahlen müssen.
Nein, es geht nicht um eine wie auch immer geartete Verbesserung. Es geht darum, möglichst billig ans persönliche Ziel zu gelangen. Und das gelingt nun mal am ehesten, wenn die Differenzen vernachlässigbar gering sind. Sch... neoliberale Markt-„Logik“! Links ist das natürlich nicht. Aber das interessiert auch niemanden, wo Behauptungen nicht mehr begründet oder gar bewiesen werden müssen, sondern nur noch möglichst machtvoll durchgedrückt gegen jeglichen Widerstand.
zum Beitrag10.03.2021 , 21:03 Uhr
Zitat: „Aber [...] warum ändern sich Männer nicht?“
Ganz einfach: Weil Männer anderen Männern seit Jahrtausenden mehr oder weniger gewaltsam beibringen, dass sie sich weder der eigenen, noch einer fremden Vernunft und auf gar keinen Fall einem eventuellen unguten Gefühlen unterwerfen dürfen, sondern allenfalls der überlegenen Gewalt des jeweils Mächtigeren. Zumindest, wenn sie als Mann (und nicht als Maus oder Muschi) wahrgenommen und als per es wertvoller angesehen sowie entsprechend privilegiert werden wollen. Wer kämpft, heißt es dann regelmäßig, der könne selbstverständlich auch verlieren. Wer aber nicht kämpft, hätte schon verloren. Wobei das Tätigkeitswort kämpfen nach keinem anderen Sinn fragt als dem Sieg um seiner selbst willen.
Manche Traditionen sind einfach Mist - und genau deswegen wahnsinnig zäh. Im Übrigen kenne ich auch einzelne Frauen, die stolz drauf sind, von Männern diese Art des Siegens gelernt zu haben - und (zumindest vor sich selber) damit angeben, dass in ihrem Wohnzimmer neben etlichen Frauen-Köpfen auch der eine oder andere Kopf eines Mannes, der sich der Tradition nicht beugen konnte oder wollte, zum Beweis ihrer Potenz an der Wand hängt.
zum Beitrag09.03.2021 , 21:15 Uhr
Zitat: „Es spricht ja überhaupt nichts dagegen, dem eigenen Aussehen Bedeutung beizumessen, sofern dies nicht in selbstschädigende Gedanken und Verhaltensweisen mündet.“
Hm. Wieso eigentlich nur „selbstschädigend[]“? Wenn eine Frau zufällig der Norm entspricht, sollte sie ihrem Aussehen womöglich auch dann keine all zu große Bedeutung beimessen, wenn ihre Eitelkeit „nur“ in selbstschädigendem Verhalten von durch Mutter Natur weniger Begünstigte mündet, finde ich.
Ideale (wie im Übrigen auch jeder andere Luxus) wären ja womöglich gar kein Problem, wenn es nicht jede Menge Menschen gäbe, die - auf Kosten anderer - davon zu profitieren versuchen. Und: Nein, dass der Betroffene selber darunter leidet, ist keine hinreichende Voraussetzung für eine psychische Störung. Es gibt auch Wahnvorstellungen, unter denen andere Menschen leiden als die Wahnsinnigen selber.
zum Beitrag09.03.2021 , 20:39 Uhr
„Abenteuerlich“ ist nicht nur „die Behauptung, die identitätspolitischen Bewegungen der Frauen, der Queeren oder von Black Lives Matter bewirkten [...] gesellschaftliche Spaltung“. Abenteuerlich ist vor allem die Idee, es gäbe so etwas wie „DIE identitätspolitische[] Bewegung[]“. Wer so redet, will das Publikum vergessen machen, dass die Träger jeder Bewegung Individuen sind. Individuen mit sehr unterschiedlichen Charakteren.
Ja, Identitätspolitiker*innen machen reale gesellschaftliche Spaltungen sichtbar. Leider genügt das vielen von ihnen nicht. Die größte mediale Aufmerksamkeit aber kriegen immer diejenigen Personen, die provozieren. Leider können solche Personen nur sehr bedingt zur Überwindung der Spaltung beitragen. Wer versucht, persönlich zu profitieren davon, vertieft die Spaltung nur.
Das Problem mit der menschlichen Psyche ist: manches Opfer grober Ungerechtigkeiten ist einfach nicht stark genug. Es wird selber zum Täter. Dazu kommt, dass Ungerechtigkeit ein überaus dehnbarer Begriff ist. Manch eine*r fühlt sich schon ungerecht behandelt, wenn die Sonne auch für andere scheint und die Schatten wandern. Aber ein Diebstahl dient der ausgleichenden Gerechtigkeit nicht allein schon dadurch, dass ihn ein Bestohlener begeht. Wer nicht nur in den eigenen Augen eine Art Robin Hood sein will, sondern auch in den Augen anderer, der sollte besser differenzieren: Woher nehmen und wem geben?
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist jedenfalls kein wirksames Mittel gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Wer etwas anderes behauptet, ist bestenfalls dumm. Im schlimmsten Fall outet sich auf die Art ein Möchtegern-Diktator. Und glaubt mir, Leute, den gibt es auch in weiblich und sogar mit zwei X-Chromosomen. Bloß nicht in fair.
zum Beitrag08.03.2021 , 14:46 Uhr
Zitat: „[..], aber am Ende geht es darum, eigene Privilegien abzugeben; darum, Macht zu teilen. Und das geht nicht, ohne sich auch über Klassismus Gedanken zu machen.“
Genau das, fürchte ich, ist der springende Punkt.
Ob es eine entsprechende Statistik gibt, weiß ich nicht. Ich bin allerdings ziemlich sicher, dass nahezu jeder Mensch irgendwann in seinem Leben Klassismus-Erfahrungen gemacht hat. Schon in der Familie gibt es Unterschiede. Wessen Gefühle zählen? Wer darf seine Gefühle wie äußern? Wer muss Rücksicht nehmen und wer darf Rücksicht einfordern? In der Schuld geht der Ärger weiter. Wer legt die Themen fest? Wer bestimmt die Trends? Wer macht den Mund besser nicht auf? Wer bewertet und wer wird bewertet? Und ganz schlimm wird es danach: Wer legt fest, wer wie lange und zu welchen Konditionen welchen „Job“ zu erledigen hat?
Um den Wunsch nach Macht und Kontrolle zu entwickeln, müssen Menschen in hierarchischen Gesellschaften nicht unbedingt eine bestimmte Hautfarbe haben. Es genügt, wenn sie sich von anderen verletzt fühlen. Wer das nicht versteht, kann unendlich Studien anstellen und Kurse anbieten, ohne für eine nachhaltige Verbesserung der Lage zu sorgen. Er/sie/es wird nur den ohnehin herrschenden Wettbewerb ankurbeln - möglichst natürlich zum eigenen Vorteil.
So lange die Frage nach der Legitimität von Dominanz nicht grundsätzlich gestellt wird, bleiben die eventuellen Folgen von Antirassismus- oder Gender-Studien Makulatur. Menschen wie Ikram Errahmouni-Rimi können zwar Regeln aufstellen, aber die können nicht dafür garantieren, dass die Regeln angewandt werden, wenn es „hart auf hart“ kommt. Wo echte Bedürfnisse aufeinander prallen, werden die Studenten all zu leicht rückfällig, wenn sie zwar von Einzelnen aufgestellte Regeln auswendig gelernt, sich aber nicht von ihrer tief im Inneren steckenden Angst befreit haben, zu kurz zu kommen. Bulimie-Lernen ist grundsätzlich Mist, nicht nur im Kontext von Naturwissenschaften oder Sprachen.
zum Beitrag05.03.2021 , 23:56 Uhr
Zitat: „Sind sie also endgültig vorbei, die Zeiten, in denen junge, schöne Frauen [...] sich begutachten und bewerten, vorführen – und verkaufen ließen?“
Quatsch! Wo bliebe denn da das Geschäft?
Wer heutzutage unter Zuhilfenahme der uralten Idee des Sklavenhandels erfolgreich Geld, nun ja, verdienen möchte, muss immer noch aus einer Person eine Ware und aus dieser anschließend eine „Projektionsfläche“ machen. Frauenkörper eignen sich zu diesem Zweck nur deswegen besonders gut, weil sie für die meisten Menschen sozialisationsbedingt bereits Projektionsflächen sind. Ein Teil der Arbeit, die der Händler/die Händlerin erledigen müsste für seinen/ihren Gewinn, erübrigt sich also. Zwecks Maximierung des Gewinns gilt es lediglich herausfinden, worauf der Kunde/die Kundin gerade besonders fixiert ist und seine „Ware“ entsprechend zu präsentieren. (Und ihr, liebe Medien, solltet euch endlich besser bezahlen lassen für euren nicht unerheblichen Beitrag zum Geschäft, statt immer nur zu jammern darüber, wie schlecht ihr derzeit dran seid.)
Nein, ein Sieg des Feminismus sind „moderne“ Miss-Wahlen gewiss nicht. Denn nie hat eine der Teilnehmerinnen auch nur ansatzweise zu bestimmen darüber, welche ihrer Eigenschaften zählt. Das jeweilige Ideal wird vom Veranstalter und vom Publikum vorgegeben. Die Bewerberinnen haben sich lediglich einzufügen in den vorgegebenen Rahmen, wenn sie „gewinnen“ wollen.
Einen „blöde[n] PR-Gag“ dahinter zu vermuten, wird der Sache allerdings auch nicht gerecht. Denn „blöde“ würde voraussetzen, dass die Akteure nicht wissen können, was sie tun. Und wer ihnen das unterstellen würde, täte ihnen vermutlich ganz schwer Unrecht.
Merke: Selbst wenn zur Abwechslung mal nicht „auf Brüste und Beine geschaut“ wird, sondern tatsächlich „Charakter und Ausstrahlung gefragt“ sind, bestimmen noch immer nicht die Aspirantinnen darüber, welchem Ideal diese „Werte“ zu entsprechen haben. Selbstbestimmung? Fehlanzeige! Das ist und bleibt Fremdbestimmung.
zum Beitrag02.03.2021 , 14:43 Uhr
Wie jetzt? Ist denn die deutsche Gesellschaft „eine Gesellschaft [...], in der man zusammen lebt“? Das ist mir ja noch gar nicht aufgefallen! Meiner Erfahrung nach lebt „man“ nicht „zusammen“ in einer Konkurrenzgesellschaft wie unserer. „Man“ lebt bestenfalls aggressionsreduziert neben einander her - und bildet sich dabei auf seine eigene Kultiviertheit etwas ein.
zum Beitrag02.03.2021 , 13:56 Uhr
Zitat: „Eine Karriere zu haben, die vernachlässigt werden könnte, ist eine durchaus privilegierte Situation.“
Also wirklich: eine „privilegierte Situation“?
Für mich klingt das mit der Karriere, die angeblich ein Privileg ist, in etwa so albern, wie die Sache mit den drei Tagen. Ich kann mir auch nicht so recht erklären, wieso so viele Menschen jeglichen Geschlechts sich privilegiert fühlen, wenn sie den mehr oder weniger vernünftigen, mehr oder weniger nachvollziehbaren Kommandos eines/einer Vorgesetzten folgen dürfen, der/die/das sich einen feuchten Kehricht interessiert für sie und ihre Träume, Wünsche oder Hoffnungen, der/die/das aber immerhin über ihre Aufstiegschancen entscheiden darf.
Wieso nur fühlen sich hierzulande und heutzutage nicht auch diejenigen privilegiert, die es sich leisten können, den Bedürfnissen kleiner Kinder nachkommen, die ihnen im besten Fall ein Leben lang in Zuneigung und Liebe verbunden sein werden zum Dank für ein paar anstrengende Tage und unruhige Nächte? Das kann doch unmöglich nur am Geld liegen, oder?
Obwohl - was darf ich schon erwarten von den Mitgliedern einer Gesellschaft, die Menschen mit wenig Geld unbesehen und ohne auch nur drüber nachzudenken pauschal als „sozial Schwache“ stigmatisiert? Ich meine: Wenn die Mitglieder dieser Gesellschaft nie gelernt haben, dem eigenen Gefühl und der eigenen Vernunft mehr zu vertrauen als den ideologischen Vorgaben der Leute, die über das Geld und damit über den Einfluss verfügen? Auch über den Einfluss auf die Gedanken derer, die sie auch morgen noch für sich arbeiten lassen wollen, obwohl sie sich einen Dreck um sie als Menschen scheren...?
zum Beitrag23.02.2021 , 18:15 Uhr
„Die Grünen“ gibt es gar nicht. Es liegt in der Natur (auch) grüner Macht-Politker, „unterkomplex und gestrig“ zu agieren und „ihren Willen nach Umbau, nach Kontrolle und Macht“ über die Notwendigkeiten zu stellen, die „natürlich gewachsene[] ökologische[] Netzwerke des Lebens“ diktieren würden. Sie tun, woran sie nicht gehindert werden, genau wie alle übrigen Autoritäts-Fanatiker. In der Natur der Grünen-Basis liegt es lediglich, diese Tatsache in der irren Hoffnung auf die segensreiche Wirkung Grüner Minister- und Kanzler*innen standhaft zu ignorieren. Gelernt ist eben gelernt.
Das politische „System“, das „die Grünen“ zwar nicht erfunden haben, dem sie sich aber unterwerfen zu müssen meinen, macht unsinnige Fixierungen auf griffige Einzelthemen schlicht notwendig. Diese müssen an besonderen Tagen wie eine Monstranz an der Spitze der Bewegung getragen (und an Nicht-Feiertagen in irgendwelchen dunklen Nebenräumen aufbewahrt werden können), damit das Fußfolk weiß, wieso und wohin es zu marschieren hat. Mit vernünftiger Abwägung ist einfach kein Wahlkampf zu machen (und schon gar nicht zu gewinnen). Auch nicht unter studierten Bürgerkindern. Dazu sind moderne Menschen im Westen viel zu sehr am (überwunden geglaubten) Katholizismus orientiert und auf die Gesetzen der Werbung konditioniert worden.
zum Beitrag16.02.2021 , 21:19 Uhr
Tja, werter Christian Rath, so ist das halt: Im Zweifel muss auch in der besten aller Welten mit zweierlei Maß gemessen werden. Selbst vor Gericht. Die Staatsraison geht vor. Irrtum, jedenfalls, ist nicht gleich Irrtum für die EU-Richter. Whistleblower dürfen nicht einmal den guten Ruf ihres Arbeitgebers ungestraft gefährden, wenn sie nicht vor dem Gang an die Öffentlichkeit genauestens geprüft haben, ob ihre Schlussfolgerungen korrekt sind. Militärs hingegen dürfen straffrei afghanische Zivilisten bombardieren auf Basis der ungeprüften Aussage eines Informanten. Wie das in der Liebe ist, weiß ich zwar nicht genau, aber im Krieg scheint tatsächlich immer noch alles erlaubt zu sein. Danke, dass ihr das einmal mehr klar gestellt habt, liebe EU-Richter. Aber schon klar: Auf hoher See und vor Gericht... 🤷
zum Beitrag17.01.2021 , 19:48 Uhr
Oh! Ich persönlich gönne jedem und jeder jede seiner bzw. ihrer Schwächen. Mit einer Ausnahme: Wer mich zu dominieren versucht, sollte, verdammt noch mal!, vernünftiger sein als ich - oder wenigsten auf mich so wirken.
Die aktuelle Zeit ist mental schon anstrengend genug für mich. Bei jedem Einkauf muss ich nicht nur damit rechnen, auf Leute zu treffen, die 24 von 25 Richtige haben - und außerdem einen Fehler gemacht oder schlicht einmal Pech gehabt. Ich bin mir auch 24/7 zu 150% bewusst, dass es all meinen Lieben so gehen könnte wie mir. Zum Teil mit viel dramatischeren Folgen.
Wir alle haben bessere und schlechtere Tage. Aber einige von uns maßen sich an so zu tun, als wären sie die Ausnahme von dieser Regel. Wenn man diese Art Leute nicht permanent beäugt, wenn man mit denen all zu gnädig ist, überschreiten sie sehr gern fremde Grenzen. Sie werden übergriffig und fallen über andere her. Und das, obwohl (oder vielleicht auch gerade weil) sehr viele Menschen auf dieser Welt nicht nur deutlich bescheidener sind, sondern auch noch bessere innere Voraussetzungen dafür haben, anderen unter die Arme zu greifen.
Gnädig zu sein fällt mir jedenfalls um so leichter, je weniger ich gestresst werde von überforderten Alphas, die sich nicht auch mal zurückhalten können, wenn sie nicht wissen, was zu tun wäre (oder nicht können wir sie sollten). Das Gönnen nicht zu verlernen, ist ausgesprochen schwer, wenn andere sich nicht beherrschen wollen und sich ihrerseits selber mehr gönnen, als ihnen von Rechtswegen zusteht.
Denn wenn wir ehrlich sind, ist es doch so: Längst noch nicht jede und jeder versucht gerade, einen moralisch halbwegs sauberen und emotional halbwegs befriedigenden Weg durch diesen Schlamassel zu finden. Manch eine*r passt seine Moral auch an die Gegebenheiten an. Und einige versuchen sogar, ungestraft Kapital zu schlagen aus dem Leid anderer. Wäre es anders, wäre die aktuelle Gesellschaftsordnung kein Problem für den Planeten. Ist sie aber leider.
zum Beitrag13.01.2021 , 11:49 Uhr
Zitat: „Es sind nicht die Menschen, die mich anstrengen, sondern die Umstände.“
Das geht mir auch so. Jeden Tag wieder. Und es frustriert mich ungemein, dass ständig so getan wird, als ließen sich die Umstände nicht ändern, die Menschen aber schon.
Nein, es liegt nicht an der Sprache, wenn ich das nicht verstehe. Ein „Kultur-Dolmetscher“ würde mir rein gar nicht helfen. Weil ich nämlich gar nicht verstehen WILL, dass Menschen verbogen werden müssen, damit sie zu Umständen passen, unter denen sie leiden.
Für mich gehört es nun einmal zum „guten Ton“, mir keine Autorität anzumaßen, der ich nicht gewachsen bin. Etwa weil ich von der praktischen Seite einer Sache keine Ahnung habe und auch nicht gewillt bin, mich mit den Randbedingungen auseinanderzusetzen, die Einfluss auf den Gang der Dinge haben.
Es fiele mir im Traum nicht ein, Leuten, für deren Probleme ich mich einen Dreck interessiere, bloß zu sagen, was sie alles lassen sollen. Ich würde mich schlicht schämen dafür, mit meiner Ignoranz und meinem Egoismus Probleme noch zu vergrößern, die sich bei etwas mehr gutem Willen und Kompetenz meinerseits vielleicht verkleinern ließen.
Leider scheine ich damit einer (schrumpfenden) Minderheit anzugehören. Dass das „alles keine böse Absicht [ist]“, glaube ich so langsam nicht mehr. „Unterschiedliche Kulturen“ müssen schließlich kein Problem sein, so lange nicht eine davon auf dem festen Willen beruht, kein My weit abzuweichen von der eigenen Position. Wo aber nur die eigene Überzeugung zählt, gibt es keinen vernünftigen Umgang mit Diversität. Da gibt es letztlich nur Gewalt: das Recht des Stärkeren.
Nur: Was ist schon Covid für jemand, der weit schlimmeres überlebt und dem nie jemand geholfen hat dabei? Welche Veranlassung hätte ein Mensch, der sich zeitlebens nur auf sich selbst verlassen konnte, sein Heil von einer ihm gängelnden Autorität zu erwarten? Keine. Und welche Daseins-Berechtigung hat jemand, von dem sich niemand etwas erhofft? Eben.
zum Beitrag11.01.2021 , 21:44 Uhr
Zitat: „Bekannt ist natürlich der Krümmungsgrad von Bananen, den die EU angeblich festlegen wollte.“
Stimmt, das mit den Bananen war eine Ente. Es waren nämlich die Gurken, deren Krümmung reglementiert werden sollte. Wegen der Transportprobleme, die es beim Export unordentlich gekrümmter Gurken gab.
zum Beitrag11.01.2021 , 21:31 Uhr
Zitat: „Haben DIE überhaupt Vollmacht von Latten-Jupp persönlich?“
Die brauchen keine Vollmacht. Die können sich drauf verlassen, dass „Latten-Jupp“ sie machen lässt in seiner grenzenlosen Gnade - und seine Stellvertreter sich für unkündbar halten dürfen.
zum Beitrag11.01.2021 , 21:17 Uhr
Zitat: „Die Vereinigung Christlicher Anwälte geht noch einen Schritt weiter. Sie hat den Museumsdirektor des Reina Sofía, Manuel Borja-Villel, wegen ‚Verletzung religiöser Gefühle‘ angezeigt.“
Ja da schau her! Wer hätte gedacht, dass Bigotterie ein religiöses Gefühl ist, von dem seine Besitzer glauben, sie müssten/könnte/dürften es dem Rechtsstaat gegenüber einklagen, nachdem sie sich öffentlich dazu bekannt haben?
Manchmal finde es ausgesprochen schade, dass Jesus seine Postulate (keine Gewalt, rechte Wange - linke Wange etc.) so ernst zu nehmen scheint, dass er nicht einmal ab und zu ein Exempel statuiert an Leuten, die sich der Blasphemie schuldig machen. Nein, es sind nicht Künstler wie Ferrari oder Museumsdirektoren wie Borja-Villel, die „Jesus beleidigen und sich über das Evangelium lustig machen“. Es sind jene Schein-Heiligen, die andere im Namen Gottes oder doch wenigstens mit Billigung mehr oder weniger mächtiger Christen übervorteilen, ausbeuten, unterdrücken oder umbringen. Und es sind angebliche Christen, die das gnädig ignorieren oder sogar honorieren für einen Judaslohn.
zum Beitrag11.01.2021 , 20:54 Uhr
Zitat: „Der Tagesspiegel zitierte mal die Anthropologen Joseph Henrich und Robert Boyd, die das zivilisierte Anstehen als Fähigkeit der Krone der Schöpfung bezeichnen und wissen lassen, dass die ‚freiwillige Interaktion mit Fremden’ die ‚höchste Form kooperativen Gruppenverhaltens‘ sei.“
Da kann man mal wieder sehen, wie dämlich es von den DDR-Machthabern war, den Spiegel zu konfiszieren, wenn er beim Grenzübertritt entdeckt wurde! 😅
zum Beitrag11.01.2021 , 20:44 Uhr
Zitat: „Darin hat die Kanzlerin geschworen, das Grundgesetz und damit die Menschenwürde zu wahren und ‚Gerechtigkeit gegenüber jedermann‘ zu üben – also nicht nur gegenüber der Bevölkerung in Deutschland.“
Je nun. Das finde ich jetzt doch ziemlich weit hergeholt. Angela Merkel hat den Amtseid einer deutschen Kanzlerin geschworen, nicht den einer UN Generalsekretärin. Sie ist also in erster Linie dem Wohl des deutschen Volkes verpflichtet, nicht dem der Weltbevölkerung.
Allerdings verlangt das Wohl des deutschen Volkes durchaus nach Gerechtigkeit. Auch mit den Angehörigen anderer Nationen. Schon Kant wusste, dass Menschen vorzugsweise so handeln sollten, wie auch alle anderen handeln können, ohne dass dadurch größere Probleme entstehen. Der Volksmund hat das schon vor vielen Jahren so übersetzt, dass es sogar Menschen mit nicht unbedingt überragenden Geisteskräften begreifen können: „Was du nicht willst, dass man dir tu‘, das füg‘ auch keinem andern zu.“
Deutschland mag ja ein Nationalstaat sein, es ist allerdings auch ein Land, das von vielfältigen internationalen Beziehungen lebt. Und zwar von solchen, die auf gegenseitigem Vorteil beruhen, nicht auf dem Faustrecht des Stärkeren. Müsste es seine Bevölkerung ein- und den Rest der Welt aussperren, damit sein Gesundheitssystem nicht innerhalb kürzester Zeit kollabiert, wäre es nicht all zu lange überlebensfähig. Und wachsen könnte es schon gar nicht. Corona schert sich nämlich nicht um Eitelkeiten. Es hat schlicht keinen Respekt vor der deutschen Staatsbürgerschaft.
Dass das nicht jeder weiß oder auch nur wissen will, muss einer Kanzlerin egal sein. Sie muss nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden, wie es so schön heißt. Und nachdem Angela Merkel weiß, dass „ihre“ Deutschen um so sicherer sind, je gesünder ihre ausländischen Partner sind, bleibt ihr gar nichts anderes übrig als zu teilen. Aber wie soll das ein gelernter Egoist begreifen, der zeitlebens nur zu nehmen gelernt hat und nie zu geben?
zum Beitrag11.01.2021 , 16:15 Uhr
Zitat: „Das Gesundheitsministerium ist grundsätzlich der – stopp - Auffassung, dass ArbeitnehmerInnen zu Hause arbeiten und auf ihre Kinder aufpassen können.“
Ob sich „das Gesundheitsministerium“, Jens Spahn allen voran, diese Meinung wohl im Homeoffice gebildet hat - während es Nasen geputzt, Windeln gewechselt, Fragen beantwortet, Unfälle und Katastrophen aller Art verhindert und die Grundsätze einer selbständigen Existenz gelehrt hat? 🤔
Vermutlich nicht. Denn dass „das bisschen Haushalt“ sich „von allein [macht]“, hat ja auch nur der Ehemann (und Ernährer) von Johanna von Koczian gesagt. Und zwar schon 1977. Damals war von Corona, berufstätigen Müttern oder gar Homeoffice mit Kindern noch keine Rede. Die gute Johanna von aber war überzeugt: „Und was mein Mann sagt, stimmt ganz genau. Ich muss das wissen. Ich bin ja seine Frau.“
Wär‘ interessant zu erfahren, was die Lady zur aktuellen Lage ihrer Geschlechtsgenossinen zu singen wüsste.
zum Beitrag11.01.2021 , 16:00 Uhr
Zitat: „Der Putschversuch in den USA ist keine in der Vergangenheit abgeschlossene Sache. Er ist ein laufender Prozess. Der Ausgang ist offen.“
Diesen Satz kann ich guten Gewissens unterschreiben. Nicht einverstanden bin ich nur mit der Behauptung, erst nach „vier Jahren“ Trump sei „die Büchse der Pandora [...] weit geöffnet“.
Ist ja nicht so, dass erst seit Trumps Präsidentschaft gelogen und gehetzt wird in den USA. Wer irgendwo im „Ostblock“ aufgewachsen ist, ist groß geworden mit „tagtägliche[n] Lügen“ und „Hetze“. Und wer in einem der „Hinterhöfe“ der USA zuhause war, wundert sich vermutlich gar nicht, dass Trumps Fans glauben, sie könnten „so etwas“ auch.
Wo auch immer auf der Welt Menschen eine Regierung gewählt haben, die der US-Administration und/oder dem US-Geheimdienst und/oder großen US-Konzernen nicht ins Konzept gepasst hat, mussten sie damit rechnen, dass diese Regierung weggeputscht wird mit Unterstützung bzw. unter Führung der USA. Jede*r „Wessi“, der bzw. die sich nicht ausschließlich für Supermarkt-Schnäppchen, teure Uhren oder das Liebesleben Adliger interessiert hat, sondern zumindest ansatzweise auch für Außen- und Welt-„Politik“, weiß das. Wobei längst nicht jede*r darin ein Problem gesehen hat bzw. sieht. Schließlich: „Der Westen“ hat gewisse Ansprüche an sich als Führer-... äh, sorry: Führungs-Ideologie.
Nein, die „Aushöhlungen des Rechtsstaats“ hat nicht erst mit Trump angefangen. Trump war nur einer der ersten, der das „Lobliedern auf die ‚schweigende Mehrheit‘“ gesungen und so den nicht fest im System Eingebundenen gesagt hat, dass sie Amerika „wieder groß“ machen müssen, nicht „das Establishment“.
Dass die hässlichen kleinen Enten nun wieder zurück in ihre Eier kriechen werden, ist extrem unwahrscheinlich. Genau deswegen werden nicht nur „die verbleibenden neun Tage [...] eine Zeit maximaler Risiken bleiben“, sondern die nächsten Jahrzehnte. Von hier aus sehe ich derzeit keine „Maßnahmen“, die daran etwas ändern könnten.
zum Beitrag10.01.2021 , 21:54 Uhr
Zitat: „Was braucht man mehr?“
Gegenfrage: Wofür?
Wenn die 190 demokratischen Abgeordneten der Welt zeigen wollen, dass sie „Eier haben“, brauchen die weiter nichts. Trump hat ihnen ja die Gelegenheit dazu gegeben. Wollen sie, dass Joe Biden eine Chance bekommt, wenigstens den erkennbaren Versuch einer Befriedung der verfeindeten Lager zu unternehmen, brauchen sie womöglich mehr als einen von Trump gelieferten Vorwand. (Selbst-)Kritische Vernunft beispielsweise und eine Ahnung davon, was die Konsequenz ihres erneuten Profilierungsversuches sein könnte.
Leider gibt es Leute, die es einfach nicht ertragen können, mal nicht gesiegt zu haben, nachdem sie sich in aller Öffentlichkeit auf eine Wette eingelassen haben. Wahrscheinlich gibt es die auch unter US-Demokraten. Wie viele davon es als persönliche Beleidigung empfunden haben, mit dem ersten Amtsenthebungs-Verfahren nicht durchgekommen zu sein, möchte ich ganz genau lieber nicht wissen.
Dass es manch ein „Hohes Tier“ unter den Abgeordneten der Demokratischen Partei nicht auf sich sitzen lassen will, verloren zu haben gegen einen Kerl wie Trump, kann ich verstehen. Gut heißen kann ich es nicht. Schon gar nicht, wenn es praktisch gar keinen Unterschied ergibt, ob das neue Verfahren eingeleitet wird oder nicht. Abgeordneter ist man schließlich nicht nur um des eigenen Egos willen. Abgeordnete sollen die Interessen ihrer Wähler vertreten. Und dazu müssen sie im Zweifel auch mal einen Schritt neben sich treten und abwägen können. Wer von seinem Ego ohne Rücksicht auf (fremde) Verluste zur Revanche genötigt wird, ist dazu nicht in der Lage. Er ist psychisch gehandicapt. Und mit ihm leider eine ganze Nation.
zum Beitrag10.01.2021 , 19:00 Uhr
Zitat: „Mich bewegt das bis heute. Wie meine Lehrerin aus dem Nichts auftauchte, und ich noch einmal etwas Grundsätzliches lernte.“
Schade um die verpasste Chance. Es wäre schön gewesen, wenn auch die Ex-Lehrerin noch etwas hätte lernen können auf ihre alten Tage. Aber womöglich hätte sie das ja gar nicht gekonnt. Schließlich haben nicht nur Schüler-Gehirne ihre Grenzen.
Nur wirklich gute Lehrer können von ihren (Ex-)Schülern etwas lernen. Die ganz besonders guten lernen sogar von den besonders schlechten Schülern, wie sie noch etwas besser werden können. Schlechte Lehrer hingegen können nicht einmal von guten Schülern etwas lernen. So wenig, wie schlechte Schüler etwas lernen können von Lehrern, die nicht wirklich gut sind. Weil beide überzeugt sind, dass es einfach nicht lohnt.
Manche Lehrer stecken zu sehr in ihrer Uralt-Rolle fest, vermute ich. Sie haben Angst, sich einen Zacken aus ihrer mühevoll genug erworbenen Krone zu brechen, wenn sie nicht mehr top-down Absolut-Wahrheiten verkünden dürfen, sondern sich selber hinterfragen sollen. Dagegen hilft dann auch kein IQ > 130. Angst essen Hirn auf, nicht nur die Seele.
Übrigens: Was für die Lehrer gilt, gilt genau so auch für Medienschaffende. Es gibt solche und solche und dann gibt es noch die, die völlig anders sind. Manche verstehen, dass es bei der Medien-Berichterstattung nicht ausschließlich um ihre privaten Befindlichkeiten und/oder ihr Sendungsbewusstsein gehen sollte, und manche kapieren es bis zum Schluss nicht. Manche begreifen, dass es nicht unbedingt gut sein muss, wenn sie es schaffen, einer Mehrheit aller Leser und Zuhörer die Überzeugung einzuimpfen, aus einer Hand voll Texte ließe sich ein Wahlverhalten ableiten, und manche fragen sich auch noch als 70-Jährige, was schlecht sein sollte an der permanenten Vermischung von persönlicher Meinung und sachlicher Information. 🤷
zum Beitrag09.01.2021 , 10:58 Uhr
Genau das ist der Punkt. Und wenn man diese Einsamkeit schon riskiert, möchte man wenigstens halbwegs sicher sein, dass man nicht in 6 Monaten wieder vor dem selben Problem steht.
Leider ist es relativ wahrscheinlich, dass auch derzeitige Alternativen keine bleiben werden. Erfolg macht nun mal sexy. Leider zieht er nicht nur ganz normale Leute magisch an, sondern auch Ar... äh... Leute mit deformiertem Ego und fehlender Sozialkompetenz. Und anders als im Privatleben ist das in „der Wirtschaft“ ein echtes Problem.
In „der Wirtschaft“ entscheidet nun mal das Geld, nicht das Herz und auch nicht der Kopf. Geld aber haben unangenehmen Zeitgenossen leider oft in rauen Mengen. Weil die nie Skrupel hatten, auch das großzügig zu nehmen, was ihnen gar nicht zusteht (und es anschließend mit niemandem mehr zu teilen).
Es kann also gut sein, dass man eines schönen Tages aufwacht und sich für nichts und wieder nichts selbst isoliert hat. Von dieser Tatsache profitiert WhatsApp. Ich möchte sogar wetten, dass der Zeitpunkt dieser Nutzer-Info nicht ganz zufällig gewählt war. Danke, Corona. Danke, Regierung. Die Oma hatte wohl tatsächlich recht: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.
zum Beitrag08.01.2021 , 19:52 Uhr
Zitat: „Der Sturm aufs Kapitol war der sichtbare Kulminationspunkt von vier Jahren Trump.“
Schon klar. Und Auschwitz-Birkenau war der sichtbare Kulminationspunkt von acht Jahren Hitler.
Sicher, man kann sich in die eigene Tasche lügen. Es zwingt einen ja niemand zur Ehrlichkeit. Aber Trumps Präsidentschaft war selbst auch nur ein Kulminationspunkt. So, wie Hitlers Regentschaft ein Kulminationspunkt war.
Wir sollten aufhören so zu tun, als würden Wahlergebnisse und ihre Folgen plötzlich und unerwartet vom Himmel fallen. Das tun sie nämlich nicht. Die haben immer viele Väter - und sogar einige Mütter.
Die US-Gesellschaft hat sich seit Jahrzehnten in eine gefährliche Richtung entwickelt. Die Angst davor, nicht genügend Wahlkampfgelder einzunehmen, wenn der Vorwurf des Sozialismus aufkommt, war nur ein Grund dafür, dass sich Republikaner und Demokraten einander immer weiter angenähert haben in ihren Überzeugungen - bis Trump möglich geworden ist.
Obamas Regierungszeit leider gar nichts geändert am Grund-Kurs der US-Gesellschaft. Sie war nicht lang genug, als dass sie die Entwicklungsrichtung nachhaltig hätte korrigieren können. (Womöglich war der Schwenk auch gar nicht gewollt. Es sollte wohl lediglich Schadensbegrenzung betrieben werden.) Dass viele Europäer die Probleme, die es immer schon gab in den USA, nicht sehen mochten, weil sie ihren Amerikanischen Traum nicht verlieren wollten, hat die Entwicklung nur verstärkt.
Europa war und ist bis heute kein Korrektiv. Aber einen „Großen Bruder“ unkritisch anzuhimmeln, weil man den Stärkeren um seine „Erfolge“ beneidet und seinen Schutz nicht verlieren will, ist grundsätzlich keine gute Idee. (Auch das eine DDR-Erfahrung, wenn auch keine 1:1 übertragbare.)
Wer mit Kritik nicht umgehen kann, wird nie ein gutes Vorbild sein. Wer aber keine Kritik riskiert, wird nie erfahren, wem er nacheifert. Er darf sich nicht beschweren, wenn er dem „Großen“ ein paar Jahre später in den Knast/unter die Brücke folgt.
zum Beitrag08.01.2021 , 18:54 Uhr
Zitat: „Die sagen dann immer, man müsse was ändern, aber das Ausland macht es ja auch so. Das stimmt auch, teilweise geht es den Mädchen anderswo sogar noch schlechter. Aber das ist ja kein Grund, es genauso zu machen!“
Doch muss man, wenn nur Gewinner als erfolgreich gelten und Verlierer in jeder Beziehung benachteiligt werden. Nicht nur im Sport übrigens.
zum Beitrag08.01.2021 , 16:01 Uhr
Zitat: „Dabei ist die Klimadebatte nicht „zu emotional“, im Gegenteil: Unsere Gefühle helfen uns, die Klimakrise zu begreifen.“
Das mag sein. Nur geht es nicht alleine ums Begreifen. Eine Klimakrise kann der oder die Einzelne unmöglich allein lösen. Es geht also auch darum, Mitstreiter zu finden. Und an dieser Stelle sind Angst, Trauer und Wut nicht unbedingt hilfreich. Im Gegenteil: Sie schrecken andere ab.
Es wäre also gut, wenn die Klimarettung ein 3-Stufen-Plan würde, wenn zwischen der Erkenntnis und der Debatte eine Art Puffer käme. Wer sich Gelegenheit gibt, die eigenen Ängste zu rationalisieren und seine Wut zu zivilisieren, der hat womöglich mehr Erfolg in einer Debatte. Weil seine Argumente vom Gegenüber nicht als Angriff aufgefasst werden müssen, sondern als Angebot begriffen werden können.
Schwer genug wurde es für die Klimaretter dann immer noch werden. Denn es ist für Menschen, die mit den falschen pädagogischen Mitteln erzogen wurden, extrem schwer, Fehler einzusehen und sich zu korrigieren. Weil es ihnen Angst macht, etwas falsch gemacht zu haben (oder etwas anders zu machen als alle anderen), und weil sie sich schämen dafür. Auch das wissen Kognitionsforscher schon lange.
Nur wer die Angst, die Trauer und die Wut derer, die ihr Leben lang Teil eines Problems waren, zulassen und anerkennen kann, wird etwas bewegen in der Zukunft. Denn Angst, Trauer und Wut sind ja nicht nur für Teenager „angemessene Reaktionen auf zutiefst deprimierende und beängstigende Realitäten“. Erst, wenn wir die Wucht der Erkenntnis, dass gesellschaftliche Normen und soziale Zwänge Menschen stärker verformen können als gut für uns alle ist und eigene Gefühle jede Demo junger Klimaaktivisten in den Schatten stellen, wirklich zu uns durchdringen lassen, können wir die Kraft finden, eine Klimakatastrophe zu verhindern. Wut, Angst und Trauer allein retten die Erde jedenfalls nicht.
zum Beitrag08.01.2021 , 15:35 Uhr
Es ist leider tatsächlich zu erwarten, dass diese Notlösung nicht dauerhaft helfen wird. Und genau deswegen ist es falsch, das Hausrecht privater Unternehmer, und seien sie auch noch so mächtig, zum Ersatz für einen funktionierenden Rechtsstaat machen zu wollen: Damit wird mehr zerstört als gewonnen für die Demokratie.
Tanja Tricarico, scheint mir, hat recht: Demokratische Grundwerte sind keine Selbstverständlichkeit mehr. Das gilt allerdings nicht nur für die äußere Form und das Verhalten von Präsidenten. Es gilt genau so für deren Kritiker. Die Grenzen individueller Freiheitsrechte beispielsweise sollten in einem demokratischen Rechtsstaat durch auf demokratischem Weg entstandene Gesetze bestimmt werden, nicht durch Bauchgefühle und schon gar nicht durch moralische Erwägungen nicht legitimierter Einzelner. Ob die Grenzen überschritten wurden, haben Gerichte zu klären. Falls ja, ist die Polizei zuständig.
Es war ihr Bauchgefühl und ihr (woraus auch immer resultierendes) moralisches Empfinden, das Trumps Anhänger das Kapitol hat angreifen lassen, kein missachtetes Gerichtsurteil und auch kein gebrochenes Gesetz. Wer sich nicht gemein machen will mit Trumps Anhängern, der sollte also vielleicht nicht nach einem Machtwort von Marc Zuckerberg rufen oder ihn bejubeln für seine „Selbstjustiz“. Er sollte lieber laut und deutlich fragen, wieso der Rechtsstaat im Fall Trump offenbar kläglich versagt hat und wie eine Wiederholung so einer Panne künftig vermieden werden kann. Kein Rechtsstaat ist schließlich auch keine Lösung.
Private Unternehmer wie Zuckerberg sind schon mächtig genug, nicht nur in den USA. Sie sollten nicht auch noch Legislative, Judikative und Exekutive in Personalunion spielen. Schon gar nicht ohne vorheriges Gerichtsverfahren. Die Meinungsfreiheit ist schließlich nicht nur für den wichtig, der sie wahrnimmt, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt. Ohne freie Rede keine Zukunft. Wer je in der DDR gelebt hat, sollte das aus Erfahrung wissen.
zum Beitrag07.01.2021 , 09:00 Uhr
Wie lange „keine Ahnung“ dauert? Das frage ich mich, ehrlich gesagt, bereits seit Ende März.
Bei Kindern dauert „keine Ahnung“ erfahrungsgemäß so lange, bis irgendwer ihnen die Dinge so erklärt, dass sie „Sinn machen“ für die lieben Kleinen. Bei Erwachsenen ist das ein bisschen anders. Da dauert „keine Ahnung“ manchmal viel länger. So lange, bis sie beschließen, Ahnung haben zu wollen.
Wie lange es dauern wird, bis Eltern in der Lage sind, neben dem eigenen Job und all dem sonstigen „Kram“, der einer Familie die Existenz sichert, auch noch den Job ausgebildeter Lehrkräfte zu erledigen? Ich weiß es nicht. Ist ja auch sicher verdammt unterschiedlich. Wie lange sie das anschließend durchhalten? Danach fragt bisher leider kaum jemand. Wieso eigentlich nicht?
Vermutlich, weil alle wie verrückt hoffen. Darauf, dass Corona bald wieder verschwindet. Wie diese Hoffnung begründet ist, hat mir leider noch niemand so erklärt, dass ich‘s verstehen konnte. Auf die Maßnahmen, die „unsere“ Regierung seit Februar gegen Corona ergreift, möchte ich mich jedenfalls nicht verlassen. Die Wirkung dieser Maßnahmen scheint ja doch eher begrenzt zu sein. So wie die Maßnahmen selbst. Eigentlich seltsam angesichts der vielen Virologen, die derzeit mitregieren.
Früher einmal hatte ich geglaubt, es sei „der Wissenschaft“ nicht genug, Probleme zu beschreiben. Dass sie gern Angst verbreitet (wie in US-Katastrophenfilmen häufig gezeigt), hatte ich eigentlich für ausgeschlossen gehalten. Ich hatte immer angenommen, „die Wissenschaft“ sei irgendwie lösungsorientierter. Ist sie offenbar nicht. Sie hat, wie‘s aussieht, immer noch keine Ahnung, was wir außer Maske tragen, Hände waschen und uns einigeln (lassen) tun können gegen das Virus. Deswegen weiß es auch unsre Regierung nicht, schätze ich.
Und nun noch mal die Kinder-Frage: Wie lange dauert keine Ahnung? Länger als die Durchhaltekraft deutscher Mütter und Väter? Länger als der (Über-)Lebensmut isolierter 80-er? Und wenn ja: Wieso?
zum Beitrag07.01.2021 , 08:33 Uhr
Dann möchte „man“ es vielleicht nicht verstehen. Und das macht mir am meisten Angst.
zum Beitrag06.01.2021 , 22:03 Uhr
Zitat: „Aber unser aller Leben ist von einer Erschütterung betroffen [...]: die Erfahrung, dass das Gerüst des Hauses, in dem wir wohnen, nicht mehr stabil ist. Offensichtlich reagieren Menschen unterschiedlich darauf.“
Sach bloß...!? Menschen reagieren unterschiedlich? Wer hätte das gedacht? Gewiss niemand, der nicht „viel nachgedacht“ hat dieser Tage. Ich persönlich befürchte ja sogar, dass bereits die „Erschütterung“, die wir grade erfahren, ganz unterschiedlich wahrgenommen wird.
Der Mehrheit aller Menschen in meiner Umgebung scheint sie vor allem Anlass zum Stolz zu sein. Sie bewundern sich offenbar grenzenlos und vollkommen unkritisch selber dafür, dass sie ohne zu zucken jede „Erschütterung“ aushalten können, der man sie aussetzt. Nur eine Minderheit meutert. Und diese zerfällt dann auch noch in Teilgrüppchen.
Für die einen geht es offenbar ganz abstrakt zu: Um eine Freiheit, die sie bisher kaum genutzt haben und die sie auch nicht nutzen würden, wenn sie sie plötzlich zurück hätten. Diese Leute pochen aufs Prinzip: Was mein ist, muss mein bleiben! Für andere scheint es hingegen darum zu gehen, dass sie sich nicht von jedem einschränken lassen wollen. Von einer Kanzlerin und einem Virologen beispielsweise nicht. Von einem Führer, der sie für Mannhaftigkeit lobt, allerdings schon. Wieder anderen geht es um die Frage, zu wessen Gunsten sie verzichten sollen. Wenn sie selber nicht profitieren können von der Askese, wollen sie davon nichts wissen. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen, wenn nicht die Zeichen begrenzt wären.
Und sonst? Fragt leider kaum eine*r, ob tatsächlich jeder Stoß notwendig ist, wie tief die Erschütterung geht und ob Fundamente beschädigt werden davon, die besser stabil blieben, auch unter Corona-Bedingungen. Weil eine individuelle Infektionsgefahr nicht das Schlimmste ist, was vorstellbar wäre.
Erbitterung scheint also auch nicht gleich Erbitterung zu sein. Welche ein „Omen“ ist? Bin ich vielleicht das Orakel von Delphi?
zum Beitrag06.01.2021 , 15:19 Uhr
Zitat: „Aus epidemiologischer Sicht sind aber genau diese unentdeckten Infektionen das Tückische an der Pandemie. Ansteckungen lassen sich nicht mehr eindeutig nachvollziehen.“
Von wegen: Was ich nicht seh‘, tut mir nicht weh..!
Fest steht: Im vorliegenden Fall hilft Ignoranz einfach nicht weiter. So wenig, wie es geholfen hat, die Verbreitung der Erkenntnis, dass unsere Erde keine Scheibe sondern eher eine (nicht ganz kuglige) Kugel ist, bei Todesstrafe zu verbieten. So wenig, wie es bis heute hilft, faschistische Grundtendenzen zu leugnen mit Verweis darauf, dass es verboten ist, den ausgestreckten rechten Arm schräg nach vorn oben zu heben und dabei ein rotes Fähnchen mit Sonnenrad drauf zu schwenken.
Für unsere Gesellschaft ist das ein mittleres Problem. Sie kennt schließlich keine anderen Lösungen als Ver- und Gebote von oben. Und die greifen erst, wenn das Problem sichtbar wird, nicht präventiv. Außer im Falle Coronas natürlich. Da glaubt man, die „Schuldfrage“ sei nicht mehr relevant.
Das blöde dabei ist: Wenn die, die Ver- und Gebote von oben erlassen, sich vor der Verantwortung für die immer damit auch verbundenen negativen Konsequenzen drücken, hilft das letztendlich niemandem. Jeden finanziell zu entschädigen, der einen Verlust erleidet deswegen, kann sich auch nicht das reiche Deutschland leisten auf die Dauer. Nicht mal, wenn Zinsen keine Rolle spielen. Davon, dass nicht alle Folgen falscher oder unterlassener Hilfeleistung finanziell ausgeglichen werden können, will ich gar nicht erst anfangen.
Ich bin also ziemlich gespannt, wie lange die Bundesregierung ihre Prioritätensetzung noch einseitig abfedern will, bevor sie sich ernsthaft mit den diversen Dunkelziffern auseinandersetzt. Vermutlich so lange, wie auch andere Staaten das tun. England zum Beispiel. Ob irgendwas sinnvoll ist, ist in einem auf Konkurrenz fußenden System schließlich gar keine Frage. Die Frage ist eher, wer nicht den Anschluss verliert an den Zug rasender Lemminge.
zum Beitrag06.01.2021 , 14:56 Uhr
Schon Berthold Brecht hatte sich einstmals gefragt, ob eine Regierung, die das Vertrauen des Volkes verscherzt hat mit ihren Entscheidungen, nicht einfache ein neues wählen sollte, nachdem sie das alte aufgelöst hat. So, wie sich zum Beispiel Heuschrecken ein neues Feld suchen, wenn sie das alte vollkommen kahl gefressen haben.
Nein, das „Hamburger Modell“ wird das Problem mit den Volksabstimmungen ganz sicher nicht lösen. Ob Machthaber ihre Macht mit 2,5 oder mit 5 Prozent einer Bevölkerung teilen, ist sekundär. Primär ist, dass eine Mehrheit der Machtlosen genau so „tickt“ wie die Machthaber selber. Wenn nämlich jeder nur an sich selber denkt, ist (anders als oft kolportiert) ja nicht wirklich an alle gedacht. Schon gar nicht gleichermaßen. Vor allem dann nicht, wenn sich kaum jemand als Teil einer Gruppe Gleichberechtigter versteht, sondern (fast) alle allenfalls Teil einer Elite sein wollen, wenn nicht gar Zar oder Gottkönig.
zum Beitrag05.01.2021 , 19:42 Uhr
Zitat: „Das Gesundheitsministerium ist nun mal ein CDU-Laden, der von einem von der Kanzlerin handverlesenen, aber völlig untauglichen Anlageberater ohne die leiseste Fachkompetenz geführt wird.“
Als ich noch relativ neu war im Westen hat mir ein West-Kollege, der ziemlich von sich überzeugt war, mal breitbrüstig bzw. -beinig die Demokratie erklärt. Und zwar wie folgt:
Minister, meinte der gelernte Bundesbürger, der sich erkennbar er was eingebildet hat auf sein überragendes Wissen, bräuchten gar keine eigene Sachkompetenz. Sie bräuchten vor allem Durchsetzungskraft und kompetente Berater. Wie ein Mensch ohne Sachkompetenz sachlich kompetente Berater von total inkompetenten unterscheiden soll, hat er mir leider ebenso wenig erklärt, wie er mir erklärt hat, was demokratisch ist an einem Minister, der auf Basis einer womöglich inkompetenten Beratung erlassenen Regeln mit erhöhter Durchsetzungskraft zur Wirkung verhilft. Aber womöglich war ja auch mein Kollege eher inkompetent beraten und ohne eigene sachliche Kompetenzen, dafür aber um so mehr von sich überzeugt. 🤷
zum Beitrag30.12.2020 , 11:54 Uhr
Zitat: „Ich habe aber auch das Gefühl, dass viele Menschen zwar Corona-bedingte Probleme in der Pflege wahrnehmen, aber immer noch nicht die strukturellen Probleme. Dennoch glaube ich, dass der öffentliche Druck ein wenig gestiegen ist.“
Dass der „öffentliche Druck“ gestiegen ist, glaube ich auch. Ich glaube bloß nicht, dass die strukturellen Probleme dadurch erkennbarer oder gar korrigierbarer werden.
Schließlich: Nicht nur in der Physik erzeugt Druck Gegendruck. Vor allem in geschlossenen System kann er nach anfänglicher Komprimierung dazu führen, dass der Behälter platzt. In diesem Zusammenhang finde ich es ausgesprochen schade, dass zwar die Vokabel Druck aus dem physikalischen in den allgemeinen Wortschatz eingewandert ist, das Wissen um die damit verbundenen Phänomene aber kaum einen Weg in die Köpfe der diversen Schwärzer gefunden hat.
Der Mensch ist schließlich kein Papagei. Es sollte ihn schon interessieren, was er so schwätzt. Dann müsste er sich vielleicht nicht permanent und zu allem Überfluss auch noch öffentlich darüber wundern darüber, dass Druck alleine eher das Gegenteil dessen bewirkt, was er angeblich bewirken soll. Womöglich wäre dann auch der Respekt wesentlich größer.
Fakt ist: Wer sich gerade nicht direkt vom „Druck“ betroffen fühlen muss, weil um des größeren Skandals willen mit Namen hantiert wurde, hat im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Er kann sich a) möglichst unsichtbar wegducken und er kann b) den Druck vorsorglich weiter geben. Vor allem „nach unten“, da hin, wo seine Macht hin reicht dank Geld und Arbeitsvertrag.
Leider er damit noch kein Problem. Die ohnehin überlasteten Protagonisten an der „Basis“ können Fehler der oberen Etagen nicht korrigieren, wenn sie auch morgen noch ihre trockenen ALDI-Brötchen verdienen wollen in ihrem Job und ihre Bosse mit Kritik nicht umgehen können. Und dass die Teil eines Systems und also immer ein (potentielles) Problem sein werden, dürfen die bei Strafe ihres Abstiegs nicht einsehen,🤷
zum Beitrag30.12.2020 , 09:44 Uhr
Sie wissen aber schon, wie das mit den gesetzten Prioritäten normalerweise ausgeht, werter ALIAS?
Das Blöde am Verwöhntwerden ist, dass man sich selber nichts zutraut, wenn einem alles einfach vor die Füße gekippt wird und man niemals aktiv zu werden braucht. Außerdem hat alles seinen Preis, auch das Verwöhntwerden. Man muss sich viel zu oft an fremde Regeln halten, wenn es nicht plötzlich aufhören soll. Profis reden in diesen Zusammenhängen von fehlender Selbstwirksamkeit, glaube ich. Die aber macht aus dummen, ängstlichen Kleinkindern das, was Onkel Kalle relativ unreflektiert „Arschgeigen“ genannt haben soll. Vielleicht, weil er nicht gerne nachgedacht hat und außerdem auch einen brauchte, auf dem er seinen eigenen Frust abladen konnte. Und zwar auch (über-)morgen noch.
Nein, vom Beschimpftwerden ist auch noch niemand ein besserer Mensch geworden. Schon gar nicht, wenn er zuvor nach Strich und Faden verwöhnt worden ist. Vom Beschimpftwerden allein wird nämlich die Selbstwirksamkeit auch nicht größer. Es sei denn, man macht es wie Onkel Kalle und drischt verbal oder mit Fäusten ein auf andere, die man womöglich gar nicht kennt und auch nicht kennen lernen will.
Wer Leute als Arschgeigen beschimpft, kann jedenfalls sicher sein, dass sie a) seine Ratschläge in den Wind schlagen und b) eventuelle gute Vorsätze nicht durchhalten, weil nur die schlechten Vorsätze wirklich Erleichterung verschaffen, wenn man sich selbst als „Arschgeige„ ansieht. Aber schon klar: Dem gemeinen Zeitungsschreiber bleibt ja gar nichts anderes übrig, als sinnfrei und unter lautstarker Beteuerung, er wolle nur das Beste für die armen Opfer dieser Welt, gegen „Arschgeigen“ anzustinken. Jetzt, wo es einen Impfstoff gegen Corona gibt, meine ich. Denn sein wir doch mal ehrlich, Leute: Gute Nachrichten sind schlechte Nachrichten, nicht wahr? Davon kann keine Zeitung überleben, die ihre Leser*innen jahrzehntelang auf Dramen und Skandale konditioniert hat.
zum Beitrag29.12.2020 , 21:49 Uhr
Danke. Auch wenn das hier eine Einzelmeinung sein sollte, ist es doch gut zu sehen, dass nicht ausschließlich Zombies unterwegs sind da draußen.
zum Beitrag29.12.2020 , 18:26 Uhr
Himmel! Wenn es doch endlich eine zuverlässige Impfung gegen die grassierende Verbieteritis gäbe! (Nicht, dass ich eine große Impfbereitschaft vorhersehe...)
Das Autoritätsgehabe der Hinterbänkler nicht nur aus der SPD nimmt manchmal echt skurrile Züge an. Es verkehrt etwa den Sinn rechtsstaatlicher Regelungen in ihr exaktes Gegenteil, nur um der fünf Minuten Aufmerksamkeit willen, die das den Irgendwie-zu-kurz-Gekommenen einbringen kann. Als hätten die Verbitetitis-Infizierten nie kapiert, worin der „Witz“ des Rechtsstaats eigentlich besteht.
Aber womöglich ist es ja tatsächlich wahr: Manch ein Machthaber begreift einfach nicht, dass er nicht König ist oder Gittkaiser, sondern von Volkes Gnaden herrscht. Kann er nicht Willkür walten lassen, fühlt er sich nicht als ganzer Mann. Erst nimmt er einem ganzen Volk kollektiv wichtige Freiheitsrechte, obwohl es dafür keine Rechtsgrundlage gibt, dann gibt er ein Gesetz in Auftrag, das jede Klage dagegen verhindern soll, und schließlich will er das dämliche Prinzip dadurch für alle Zeiten zementieren, dass er zur Unzeit drüber diskutieren lässt, ob nicht doch besser die Freiheiten der Einsichtigen beschnitten werden sollen mit polizeistaatlichen Mitteln, als die der tatsächlich Gefährlichen. Tsss!
Ich frage mich ja nicht zum ersten Mal, wie schräg man eigentlich drauf sein kann als Abgeordneter des deutschen Volkes. Aber jedes Mal, wenn ich mir (ziemlich) sicher bin, dass es dümmer nun bald echt nicht mehr geht, muss ich erkennen: Doch, dümmer geht ümmer.
Zum Beispiel finde ich es relativ dämlich, aus einer (Schnaps-)Laune heraus ein Privilegienverbot gesetzlich untermauern lassen zu wollen, wenn die Möglichkeit dazu bereits ein Privileg ist. Sein wir doch ehrlich: Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft ist gar nicht zu verhindern derzeit. Es gibt sie nämlich schon. Aber das wollen sich manche Menschen offenbar nicht einmal vor sich selbst eingestehen.
zum Beitrag29.12.2020 , 13:16 Uhr
Sehr schön! Leider mag längst nicht jede*r begreifen, dass es bei diesem Würfelspiel so zugegangen ist wie im richtigen Leben. Wo Dummheit schon in der ersten Klasse bestraft wird, scheint kaum wer einsehen zu wollen, wie dumm er immer noch ist. Angst essen Großhirn auf.
zum Beitrag28.12.2020 , 20:34 Uhr
Da sind sie wieder, die schrägen Vögel, die nach besten Kräften in ihre Behausung kacken und anschließend jede*n, der das öffentlich zu thematisieren wagt, als Nestbeschmutzer bezeichnen.
Nein, die Pflegerin hat mit ihren Aussagen nicht das Gesundheitssystem als Ganzes kritisiert. Und schon gar nicht hat sie ihre Kolleg:innen in Misskredit gebracht. Es ist schließlich nicht Aufgabe der Pflegekräfte dafür zu sorgen, dass genügend Personal eingestellt wird in einem Krankenhaus. Es ist Aufgabe der Klinikleitung. Wenn also ein Vertrauen leidet unter dem Bericht, dann ist es das Vertrauen der Hamburger in einen Krankenhausbetreiber, dem hohe Gewinne und monetäre Wettbewerbsvorteile offenbar wichtiger sind als Leben und Gesundheit der Patienten.
Im Übrigen kann ich die „ideologisch-politisch motivierten Gründen“, von denen da die Rede ist, von hier aus nicht erkennen. Mitgefühl und das Streben nach Gerechtigkeit sind weder politisch noch eine Ideologie. Sie sind schlicht menschlich. Ideologisch und politisch ist es nur, der Legislative Untergrenzen einzureden, die mit einem Versorgungsauftrag nichts, mit Gewinnstreben aber alles zu tun haben - nur um sie anschließend nicht einmal einzuhalten, sondern die traurige Regel zur seltnen Ausnahme zu erklären. Und das auch noch mit Duldung der (am Gewinn beteiligten) Exekutive.
Nein, BWLer schwören keinen Eid darauf, dass sie das Leben schützen wollen. So wenig, wie Verwalungsleute einen schwören. Und selbst wenn - was ist ein Schwur denn heute wert? Kaum einen Vogelschiss, nicht wahr?
Wie einst im Mittelalter ist Gesundheit zur käufliche Ware verkommen, die allenfalls „Besserverdienern“ sicher ist. Die Deutschen waren schon mal weiter, will mir scheinen. Rein menschlich, meine ich. Allerdings waren sie auch noch nie so reich wie grade heute. Zumindest einige wenige unter ihnen.
zum Beitrag26.12.2020 , 23:55 Uhr
Stimmt. Ist sicher ganz wunderbar mutterseelenallein unterm beleuchteten Baum zu lesen. 🎄👍
zum Beitrag25.12.2020 , 15:51 Uhr
Zitat: „Liebe wird [...] nur noch als sinnentleertes Schlagwort benutzt, das jenseits seines ursprünglichen Zusammenhangs die eigene Agenda aufwerten soll.“
Sieht aus, als wäre Liebe die neue Freiheit.
Auch die Freiheit muss “als Rechtfertigung für den Rückzug ins Egozentrische, Egoistische und kindlich Fordernde herhalten“, und zwar schon ziemlich lange. Ich, dann eine Weile nichts. Dabei ist Freiheit ursprünglich auch die des jeweils Anderen gewesen. Das ist den egoistischen, egozentrischen Kindsköpfen allerdings wurscht: „Freiheit für mich! Wer etwas abhaben will, kann ja versuchen, mir was wegzunehmen.“ (Das fällt unter survival of the fittest, glauben sie, und joggen ein paar Runden extra, eh sie die Ellenbogen anspitzen.)
Und noch eine Parallele fällt ins Auge. Dank ihrer neo-liberalen „Fans“ fällt es zunehmend schwer, der Freiheit „ohne Skepsis zu begegnen“. Wenn davon lautstark eine Rede ist, muss immer irgendwer teuer bezahlen. Die Freiheit wurde quasi tot geritten. Nun muss ein neuer Gaul herhalten. Die Liebe hat sich wohl nicht stark genug gewehrt gegen den Missbrauch durch die Amophilen. Sie wurde auch nicht all zu gut beschützt in letzter Zeit.
Vielleicht hätten „wir“ ja schon vor einer halben Ewigkeit anfangen müssen, die Liebe vorm Erwartungsdruck zu retten. Denn etwas, was zwischen uns Menschen praktiziert wird, kann ganz perfekt einfach nicht sein. Wir Menschen sind es schließlich selber nicht. Und wo etwas perfekt sein muss, das eigentlich gar keine Chance drauf hat, da ist der Missbrauch noch nie weit gewesen. Auch das lehrt uns die Freiheit, finde ich.
Und nun? Nun bin ich echt gespannt. Die Freiheit haben wir bis heute nicht „zurück[]erober[t]“, nicht einmal als Begriff. Wir haben sie einfach im Stich gelassen. Wenn das jetzt auch der Liebe blüht, wär das wirklich extrem ärgerlich. Es hieße ja, dass auch „wir“ nur ein Haufen egozentrischer, egoistischer Kindsköpfe ohne Verantwortungsgefühl sind. Wollen wir das?
zum Beitrag24.12.2020 , 11:41 Uhr
Hm. Nun. Wären tatsächlich „nur“ der Freund der Autorin oder die Lesrebrief-Schreiber*innen überzeugt, die „Führungsspitze“ der „Exekutive“ sei raffiniert (und egoistisch) genug, eine „relativ unbedeutende Nachricht“ für „eigene Zwecke“ einzusetzen, wäre das zwar immer noch schlimm genug aber es wäre noch kein ganz großes Drama. Ich denke nur: Schön wär’s!
Auch ich bin manchmal etwas neidisch. Auf Leute beispielsweise, die Typen wie Boris Johnson oder Emanuel Macron die „Hysterie“ abkaufen, die sie (mit tatkräftiger medialer Unterstützung) in Richtung ihrer Untertanen zelebrieren. Mir fällt das nämlich zunehmend schwerer. Ich fürchte sehr, dass diese Herrschaften sich immer noch ganz stark selbst überschätzen. So was passiert, wenn einem permanent gelobhudelt wird und alle immer machen was man sagt.
Boris Johnson und seine Amtskollegen halten sich vermutlich für besonders schlau. Sie glauben ernsthaft, dass sie ihre Ziele noch erreichen werden, wenn sie das, was sie schon etliche Jahre tun, anlässlich von Corona auf die Spitze treiben. Sie hoffen immer noch, sie könnten Kapital schlagen aus einer Hysterie, die eigentlich gar nicht die ihre ist (angeblich waren sie ja längst selbst infiziert), die aber doch für sie arbeiten soll. Wie immer alle arbeiten für sie.
Das Problem ist: Eine Hysterie hat keine eignen Ziele. Sie ist nicht korrumpierbar, reißt sich also auch nicht selbst zusammen, wenn das ein Machthaber von ihr fordert. Einmal von ihrer Leine losgemacht, lässt sie sich auch von arroganten Machos nicht mehr lenken. Sie wird den „großen Jungs“ (und Mädchen), die nur Grenzen andrer erkennen wollen, vermutlich ihren Stinkefinger zeigen. Und wenn die Teenager im Hermelin begreifen, dass ihr Intrigen-Stadel sich für sie selber gar nicht lohnt, dass sie die Zukunft einfach falsch berechnet haben, wird es nicht nur für sie zu spät sein. Dann erst wird wirklich die Hysterie ausbrechen. Auch unter den vier Gewalten. So war das bisher jedes Mal, oder?
zum Beitrag23.12.2020 , 14:09 Uhr
Über dem Artikel ist als Datum der 29.09.2000 angegeben. Wissen sie machmal, ob und wenn ja wie die Ärztekammer letztlich entschieden hat? Wäre doch interessant, finden Sie nicht?
zum Beitrag23.12.2020 , 14:02 Uhr
Mistgabeln und Fackeln? Ganz sicher nicht. Schon gar nicht in Hamburg. Auch da sind schwerkranke Menschen (noch) in der Minderheit - und keine gefährliche Gruppe. Die Interessen machtloser Minderheiten aber verfolgt hierzulande nicht unbedingt, wer sich schon abendfüllend den eigenen Interessen widmet.
Mich würde mal interessieren, ob die Klinikleitung und die Behördenleiter*innen in ihrer Freizeit zusammen golfen oder vielleicht segeln. Zumindest dürften sie ja in den selben „Kreisen“ verkehren. In „Kreisen“, zu denen Pflege- oder Reinigungskräfte nicht unbedingt Zugang haben. Würde mich also gar nicht wundern zu erfahren, dass hinter der Aussage: „Asklepios versichert uns aber, dass das nicht der Fall sei“, mehr als nur mangelnder Arbeitseifer und fehlende Kritikfähigkeit stecken. Zumal ja Untergrenzen auch nicht von Gott gemacht werden, sondern von Menschen, die Kontakte pflegen. Wenn auch nicht unbedingt zu allen gleichermaßen.
Aber schon klar, das elfte Gebot lautet: Du sollst nicht spekulieren. Wenn es keinen seriösen Investigativ-Journalismus gibt, gibt es auch keine belastbaren Informationen. Ich sollte also meine Klappe halten. Schade eigentlich für die unter und, die von einem eventuellen Notstand betroffenen sind oder betroffene Patienten mögen. Aber was soll’s? Gewisse Opfer müssen womöglich einfach gebracht werden so kurz vor einer Wahl, von der sich manche ziemlich viel versprechen, nicht wahr, liebe taz? Eine Regierungsbeteiligung unter der Führung von Herrn Friedrich Merz etwa gibt es womöglich nicht umsonst. Und wer nicht andere zahlen lassen mag, muss vielleicht selber ins Portemonnaie greifen...
zum Beitrag23.12.2020 , 13:33 Uhr
Hm. Ergibt sich die Frage: Ist sie nun (schon/noch) Realität, die Demokratie, oder (noch) nicht (mehr)?
Ich glaube, das mit dem Test geht auch viel simpler. Ein Philosophiekurs ist völlig unnötig. Die Gretchenfrage lautet: Bist du nur auf deinen eigenen, kurzfristigen Vorteil bedacht, oder willst du ein (gleichberechtigter) Mensch unter vielen anderen, ziemlich verschiedenen Menschen sein - und vor allem bleiben?
zum Beitrag23.12.2020 , 13:18 Uhr
Na endlich! Ich danke Richterin Nancy Poser von ganzem Herzen für ihr Engagement und schlage sie für den nächsten möglichen Empfang im Schloss Bellevue mit anschließender Ordensverleihung vor.
Genau wie diese Richterin bin auch ich der Ansicht, dass sich gerade in der aktuellen Krisensituation zeigen wird, ob das deutsche Grundgesetz 75 Jahre nach Holocaust und Euthanasie immer noch hält, oder ob es zu Staub zerfällt unter dem Druck reaktionärer, neoliberal konditionierter, durch und durch egoistischer Wähler, Politiker, Verwaltungs- und Medienmenschen mit Gedächtnisschwund.
Auch, wenn es meine eigenen Erfolgsaussichten wahrscheinlich schmälern würde, kann ich keine vernünftige Alternative zum Prioritäts- bzw. Randomisierungs-Prinzip erkennen. Denn ich bin überzeugt: Entscheidungsträger haben nur dann eine Veranlassung, Leute ohne Macht mit einzubeziehen in ihr Denken und Entscheiden, wenn im Ernstfall auch das Leben der besonders „fitten“, ans System Angepassten also, vom Zufall abhängt und nicht von der Entscheidungen potentiell korrumpierbarer Menschen.
Das Gesundheitssystem so umzubauen, dass es auch im Fall einer Pandemie leistungsfähig bleibt, kann noch Jahrzehnte dauern. Vor allem, wenn sich an der Bezahlung der Pflegekräfte und anderen Rahmenbedingungen nichts ändern darf. Und es dauert vermutlich um so länger, je später die „Entscheidungsträger“ Angst um den eigenen, jetzt noch gepamperten Hintern bekommen.
Schließlich: Kommt die Triage, wird es bei der Entscheidung nach dem Alter oder den Vorerkrankungen nicht bleiben. Unter „Erfolgsaussichten“ fallen dann wahrscheinlich sehr bald (wieder) sämtliche Privilegien: Geld, Einfluss und Beziehungen, etc. pp. Das kann ich noch weniger wollen, als eine Berufsrichterin. Denn all meine Lieben wären extrem gefährdet mit der Triage. Ich ganz allein kann ihre Gesundheit nämlich nicht garantieren. Corona-Skeptiker entscheiden bei jedem Kontakt mit. Dann doch lieber das Zufallsprinzip.
zum Beitrag23.12.2020 , 11:26 Uhr
Danke für diesen Hinweis auf Tübingens Kreisfreiheit. Wär gut gewesen, die taz hätte ihn gegeben. Was sprach eigentlich dagegen?
Die Tübinger Strategie scheint mir sehr vernünftig und einer Studentenstadt würdig zu sein. Eigenverantwortung ist etwas für freie Erwachsene mit Hirn, nicht für tumbe Untertanen. Ich hoffe, sie wird durchgehalten, die Strategie, auch wenn sie angegriffen wird. Der Schnelltest mag zwar keine absolute Sicherheit geben, aber er erleichtert den Getesteten doch die Entscheidung und nimmt ihnen einen Teil ihrer Angst. Vorausgesetzt, sie verlassen sich nicht blind darauf.
Und noch zwei Anmerkungen:
Erstens: Engagierte Personen wie Lisa Federle müssen nicht nur helfen wollen und helfen können, sondern vor allem auch helfen dürfen. Wäre die DRK-Präsidentin nur Mitarbeiterin oder einfaches Mitglied und/oder mit Leuten konfrontiert, die wie die Zuständigen in der Hamburger Sozialbehörde lieber gar nichts tun als (womöglich) nicht alles ganz richtig zu machen, wäre sie aufgeschmissen - und mit ihr eine ganze Stadt. Es kommt halt sehr drauf an, wie stark der Fisch vom Kopf her müffelt.
Zweitens: [...] Würden im Westen genau so viele Frauen Vollzeit arbeiten wie im Osten, stünden die Vereine dort vermutlich auch nicht viel besser da. Hinzu kommen statistische Unterschiede etwa in der Altersstruktur oder im Bildungsgrad. Und nicht zu vergessen: Wer etwas werden durfte nach der Wende beim DRK, haben weniger die (angeblich unmündigen) Ossis entschieden, als vielmehr zugezogene Besser-Wessis. Das gilt für alle Schaltstellen im Osten. Bis heute sind es mehrheitlich West-Sozialisierte, die entscheiden, wofür Geld ausgegeben wird. Der Ossi bräuchte also extrem viel Frustrationstoleranz. Wo soll die herkommen, wenn alles Mist gewesen ist im Osten?
Dieser Kommentar wurde gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation
zum Beitrag21.12.2020 , 12:28 Uhr
Zitat: „Wir haben dem Schlechten immer etwas entgegenzusetzen, so klein es auch ist. Wir haben zwar leider oft keine Kontrolle darüber, ob wir fallen. Aber wir entscheiden, wie wir landen. Wir entscheiden, was bleibt.“
Ach ja, ist das so? Na dann...
Dann schau’n wir doch mal, was positiv ist an der angeblichen „Wahrnehmungsstörung“ unseres Gehirns. Müssen wir uns wirklich selbst austricksen, weil die Evolution irgendwie versagt hat, als unser Gehirn geformt wurde? Oder hat es womöglich einen tieferen Sinn, wenn unser Gehirn „auf Negatives wie Klett, auf Positives wie Teflon [wirkt]“?
Der Mensch an sich ist faul. Nicht, weil er böse wäre, sondern weil Aktivitäten Energie verbrauchen und diese Energie andere Lebewesen liefern müssen. Tiere und Pflanzen müssen sterben, damit wir Menschen leben können. Mutter Natur hat sich also etwas gedacht, als sie das Energiesparen erfunden hat. Ihr sind all ihre „Kinder“ gleich wichtig.
Weil Menschen Energie sparen, schieben sie Dinge auf. Auch wichtige Dinge. Vor allem solche, die irgendwie gefährlich sind. Würden wir schlechte Erlebnisse genau so leicht vergessen wie positive, wäre das ein Problem. Wir würden uns nämlich vor lauter Faulheit selbst ruinieren. Weil wir Dinge, die uns schaden, nicht mehr aktiv angehen würden. Wir würden versuchen, sie zu verdrängen, „auszusitzen“.
Was also würde passieren, wenn wir uns einbilden würden, wir wären schlauer als die Evolution? Genau! Wir würden uns ständig an positiven Erinnerungen glücklich saufen. Leider nicht alle. Manch einer würde unsere Untätigkeit nutzen, um uns zu schaden. Weil auch er glaubt, er wäre klüger als Mutter Natur (und als wir anderen).
Ich möchte nicht all meine schlimmen Erlebnisse vergessen. Ich möchte, dass einige davon Anlass zur Veränderung sind. Besteht nicht mehr die Gefahr, dass andere auch so leiden wie ich gelitten habe, werd‘ ich vergessen. Vorher allerdings nicht. Denn ich entscheide, was bleibt, auch von mir - und wie andere landen.
zum Beitrag18.12.2020 , 20:27 Uhr
Ich persönlich warte ja jetzt drauf, dass Jens Spahn, Angela Merkel und Christian Drosten sich a) vor einer ARD-Abendnachrichten-Kamera impfen lassen und b) anschließend drei Monate lang in einem Corona-Hotspot ihrer Wahl Krankenhaus-Pflegedienst schieben. Das, schätze ich, würde die Impf-Skeptiker (vielleicht) überzeugen.
zum Beitrag18.12.2020 , 14:50 Uhr
Echt jetzt? Fast 80 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft verzögert Corona die Aufarbeitung der NS-Verstrickungen des Kanzleramtes? Verdammt! Und ich dachte, die Übersterblichkeit der letzten Jahrzehnte wäre jeweils eine grippebedingte gewesen...!
zum Beitrag18.12.2020 , 11:49 Uhr
„Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“ Samuel Becket
Darauf, dass Weihnachten (noch) nicht überall funktioniert (und unter den gegebenen Bedingungen im Grunde auch gar nicht „funktionieren“ kann), kommt es nicht an. Es kommt drauf an, dass die Hoffnung nicht verloren geht. Auch darauf, dass Weihnachten irgendwann (annähernd) das sein wird, was wir alle gerne hätten, weil wir es wirklich dringend brauchen. Denn nur wo Hoffnung ist, ist eine Chance, Dinge zu ändern, die (noch) nicht wirklich gut sind.
Andreas Rüttenauer sieht das etwas anders, schätze ich. Er glaubt einfach nicht (mehr) dran, dass Hoffnung wirklich etwas ausrichtet in der Familie oder im Freundeskreis. Vermutlich glaubt er nicht einmal daran, dass eine nennenswerte Zahl an Menschen überhaupt Hoffnung hat. Weil er sie selber nicht (mehr) empfinden kann.
Wie die Bilderstürmer der Reformation rennt Rüttenauer blindwütig (wenn auch quasi-humoristisch bemäntelt) gegen eine optische Erscheinung an, die viele von uns nicht sonderlich mögen. Die eigentlichen Ursachen der hässlichen Entstellung der Erscheinung thematisiert er gar nicht erst.
Verständlich, irgendwie. Rüttenauer ist Sport-Journalist. Und Sport ohne Sieger ist einfach kein Sport. Nur: Siege werden für gewöhnlich nicht vererbt. Wer sich nicht selber quält, kann davon nur sehr selten profitieren. Aber sein wir mal ehrlich: Ganz ohne Hoffnung ist das Siegen auch im Sport nicht so ganz leicht.
Ich wüsste gar zu gern, ob taz-Autor Andreas Rüttenauer auch sportlichen Nachwuchstalenten gnadenlos (und öffentlich) sagt: „Du hast doch eigentlich gar keine Chance! Und außerdem ist das System ein großer Mist! Lass es doch einfach sein, du armes Schweinderl!“ Weil: Wenn das alle machen täten, über wen wollte Herr Rüttenauer dann noch in der taz berichten für sein Einkommen?
zum Beitrag17.12.2020 , 12:27 Uhr
Man(n) muss nicht aussehen oder reden wie Donald Trump, um so zu ticken wie er.
zum Beitrag17.12.2020 , 10:32 Uhr
Deswegen mussten ja die Schulen und die Kultur geschlossen werden: damit das große Produzieren und Ex- bzw. Importieren weitergehen kann, ohne dass wir alle der Triage zum Opfer fallen.
Aber so viel Corona kann die Weltbevölkerung gar nicht kriegen, dass wir den ganzen Kram wieder los werden, bevor wir dran ersticken. Die Entsorgung ins All wär viel zu teuer. Zumal die unser Satelliten-TV stören tät. Und wenn der Mensch nicht mehr frohglotzen kann, kommt die Revolte vielleicht doch noch.
zum Beitrag16.12.2020 , 13:46 Uhr
Im April hat Anna Dushime über die Stärke ihrer Mutter geschrieben. Vor 26 Jahren hat ihr diese Frau mitten in einem Völkermord ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Obwohl sie selber gelitten hat und leicht hätte umkommen können. „Wie hat sie das gemacht?“, hat sich Anna Dushime gefragt. Vermutlich ist die Antwort zugleich simpel und kompliziert: Mit Liebe.
Liebe, Vertrauen und das Gefühl von Sicherheit bedingen einander. Wie das kommt, können Psychologen und Hirnforscher gewiss ganz genau erklären. Das hilft bloß niemandem, der das Phänomen nicht selber erfahren hat.
Nein, Nächstenliebe braucht kein „Rebranding“. Sie muss erlebbar werden, wenn sie überleben soll. Nicht als abstrakte Pflicht, sondern als echtes Bedürfnis. Als Bedürfnis, das seinerseits aus Erfahrungen erwachsen ist. So, wie in der Familie der Autorin.
Möglich, dass in Anna Dushimes Familie die Religion eine der Quellen dieses Bedürfnisses ist. Nur scheint das Christentum da nicht mit Feuer und Schwert geherrscht zu haben. Liebe ist nichts, was Menschen aus einer Machtposition heraus beanspruchen könnten. Als Pflicht ist Liebe nicht überlebensfähig. Sie stirbt und verwandelt sich dabei in Angst bzw. Hass. Hass oder Angst aber können niemandem Sicherheit geben. Sie können nur wieder Angst und Hass erzeugen.
Vermutlich liebt Anna Dushimes Mutter ihre Kinder einfach zu sehr, als dass sie ihnen ihre eigene Furcht hätte zeigen wollen. Erleichtert hat ihr den Wunsch, stark zu sein, womöglich die Liebe zu einem Gott, auf dessen Schutz sie vertrauen konnte. Und zwar auch ohne Hilfe einer mächtigen Institution wie etwa einer Kirche oder der UN.
Die Mutter der Autorin konnte Sicherheit geben, weil sie es wollte. Sie hatte die nötigen Ressourcen und konnte nicht daran gehindert werden. Wer sich trotz aller Schwächen geliebt fühlt, kann geliebte Menschen unmöglich bewusst leiden lassen. Daraus erwächst die Kraft einer Selbstbeherrschung, die stärker ist als alles andere.
zum Beitrag16.12.2020 , 11:27 Uhr
Zitat: „Die Terroristen lassen keinen Zweifel daran, dass sie uns mit Beilen und Messern unterwerfen wollen. Die Frage aber ist. Was antworten wir darauf?“
Gute Frage. Lautet die Antwort: „Auge um Auge“? Lautet sie: „Halte auch die andere Wange hin“? Oder gibt es womöglich gar eine dritte Antwort, eine, die die „westliche Gesellschaft“ erst noch finden muss?
Fakt ist: Europa ist nicht mehr so homogen, wie es mal war. Gerade die Ex-Kolonialmacht Frankreich ist eine Art Sammelbecken unterschiedlicher Kulturen, die sich allerdings schwer tun mit ihrer Verschmelzung. Auch, weil zu viele Vertreter der verschiedenen Kulturen auf Selbstermächtigung, Konfrontation und Unterwerfung setzen, statt auf Kommunikation und Konsens. Bei aller offensichtlichen Unterschiedlichkeit scheint man einander doch relativ ähnlich zu sein in wesentlichen Annahmen. Kein Wunder bei der gemeinsamen Historie.
Ob die Aussage „Wir werden nicht auf unsere Freiheit, die Religionen zu kritisieren, und auch auf die Karikaturen verzichten“ tatsächlich „ein Plädoyer für [...] Freiheit und Laizität“ ist, hängt nicht allein vom Willen derer ab, die den Satz sagen. Es hat auch mit den Umständen zu tun. Richard Milka scheint das nicht bewusst zu sein. Aber vielleicht sieht das ja auch nur so aus. Wegen seiner Rolle als Nebenkläger.
Womöglich weiß der Mann ja außerhalb des Gerichtssaales durchaus, dass „unsere Geschichte“ im Frankreich des Jahres 2020 nicht allein die Geschichte bürgerlicher Freiheiten, relativ hoher Bildungs- und Erziehungsstandards und vergleichsweise großen, breit angelegten Wohlstands ist. In Frankreich und auch überall sonst in Europa ist die Geschichte der letzten 70 Jahre auch eine der Anderen. Es gibt keine allgemeingültige Definition des Begriffs Freiheit derzeit. Sollte die „Idee“, von der Milka redet, die Idee einer kleiner werdenden Minderheit sein, ist ihr Überleben nicht garantiert. Sie brauch mehr Freunde, als sie derzeit hat. Ob sie die findet, wenn sie beleidigt?
zum Beitrag16.12.2020 , 10:56 Uhr
Zitat: „Aber die japanische Gesellschaft funktioniert nach dem Prinzip, dass man seine Mitmenschen nicht belästigen soll. Oder negativ formuliert: Man kontrolliert sich gegenseitig.“li
Würg! So ist er, „der Wessi“ vom alten Schlag: Was er nicht versteht, legt er einfach auf der Basis eigener Überzeugungen aus.
Nein, sich gegenseitig zu kontrollieren ist nicht dasselbe wie einander nicht zu belästigen. In einer Kultur, in der Rücksichtnahme Konsens ist, sind Blockwarte weitgehend überflüssig. Die Selbstkontrolle ist der Fremdüberwachung schon deswegen überlegen, weil sie weniger personalintensiv ist. Martin Fritz scheint dieser Umstand nicht bewusst zu sein. Ich möchte also lieber gar nicht so genau wissen, wer diesen Mann erzogen hat. Japaner waren es jedenfalls nicht.
Die „Obrigkeitsgläubigkeit“ der Bürger Nippons, scheint mir, speist sich aus einer etwas anderen Quelle als die der Deutschen. Zwar ist in beiden Fällen eine Quasi-Göttlichkeit der Macht Grundlage der Unterwerfung, das jeweils göttliche ist allerdings von recht unterschiedlicher Art.
Der Gott der Deutschen ist eher der des Alten Testaments: Ein fordernder, aggressiver, brutaler, der auch vor Menschenopfern nicht zurückschreckt. Allerdings konnte nicht einmal das angebliche Opfer des Sohnes dieses Gottes seine Anhänger mit sich selbst versöhnen. Gewalt und Unterdrückung sind offenbar einfach nicht geeignet als Mittel gegen Gewalt und Unterdrückung.
Japaner haben sich zwar auch geopfert für ihren (Gott-)Kaiser, im 2. Weltkrieg etwa oder in den Wirtschaftskriegen seit 1945, aber das haben sie weniger aus Angst um ihr eigenes Wohl getan als aus dem Glauben an ein Kollektiv, das wichtiger ist als das einzelnes Individuum.
Dass dieser Glaube besser ist, will ich gar nicht behaupten. Ich will nur sagen, dass der japanische „Erfolg“ im Corona-Jahr nicht zu verstehen (und schon gar nicht zu kopieren) ist, wenn die kulturellen Unterschiede nicht beachtet, sondern weginterpretiert werden.
zum Beitrag16.12.2020 , 10:26 Uhr
Zitat: Kann man da noch Ernährungsempfehlungen geben? Ja und sie klingt banal: selbst kochen!“
Fein. Bleibt eigentlich nur die Frage, wer sich an den Herd stellt, wer vorher einkauft/gärtnert und nachher abwäscht oder wenigstens die Spülmaschine ein- und wieder ausräumt - und natürlich den Müll rausbringt. Will ja fast niemand mehr selbst arbeiten.
Übrigens finde ich es auch nicht besonders hilfreich, wenn ausschließlich molekularbiologisch argumentiert wird. Es wäre schon schöner, würde wenigstens ein Teil derer, die sich ihren Kopf über meine Ernährung zerbrechen, einander zuhören und sich miteinander abstimmen, statt ausschließlich auf die Konkurrenzkarte zu setzen und jeden zu verteufeln, der sich ihren Postulaten nicht komplett unterwerfen will. Am meisten leidet die Glaubwürdigkeit Wohlmeinender nämlich darunter, dass sie a) den Adressaten ihrer Weisheiten jede Selbstkompetenz absprechen und b) sich selber als Besitzer der einzig wahren Wahrheit vermarkten.
Wer erst einmal so alt geworden ist wie ich, glaubt nicht mehr dran, dass 500.000 Jahre Menschheitsgeschichte in einer einzigen Wahrheit gipfeln können. Dazu waren die Zeiten entschieden zu turbulent. Überlebt hat in den letzten Jahrtausenden vor allem der, dessen Art nicht all zu homogen/speziell veranlagt war. Der Mensch hätte sich sonst gar nicht zur Plage auswachsen können für unseren Planeten.
Was wir jetzt brauchen, ist nicht noch mehr Faktenwissen. Was wir brauchen, ist weniger Gier und mehr Vernunft. Ein Faktenwissen, das nicht eingeordnet und deswegen nicht angewendet wird, ist schließlich sinnlos. (Außer für die, die nicht genug davon verkaufen können, weil sie „Erfolg“ wie Zucker oder Fleisch konsumieren.) Weniger Gier und mehr Vernunft aber sind nur zu haben, wenn wir lernen, uns unserer eigenen Vernunft zu bedienen, statt jede neue Mode kreischend mitzumachen, weil wir uns eine Art Himmelreich davon versprechen.
zum Beitrag14.12.2020 , 18:00 Uhr
Zitat: „Je weniger Menschen wegschauen, desto mehr Menschen wird geholfen.“
Schön wär‘s!
(Zu) Viele Leute helfen nicht. Sie wissen nicht mal, wie das gehen sollte. Lieber wird lautstark geklatscht und getratscht auf Kosten der Betroffenen, lieber machen wohlmeinende Nachbarn, Kollegen und selbst vollkommen Unbekannte den Frauen Vorwürfe. Dafür etwa, dass sie sich nicht wehren oder befreien von ihren Peinigern. Mitunter wird auch einfach die Polizei gerufen, die dann nichts dringenderes zu tun hat, als selber brutal zu werden. Entweder gegen die verdächtigten Männer, oder auch gegen die Frauen, denen sie gern autoritär kommen.
Wenn „die Medien“ Gewalt gegen Frauen nur skandalisieren, ohne praktikable Lösungsansätze aufzuzeigen (möglichst sogar in Alternativen, denn jeder Einzelfall ist anders gelagert), tun sie von Gewalt betroffenen Frauen jedenfalls keinen Gefallen. Mag ja sein, dass Menschen sich, medial angespornt, ermutigt fühlen, Frauen zu „helfen“, indem sie „Druck“ aufbauen. Aber gut gemeint ist selten gut gemacht.
Menschen müssen nicht nur helfen dürfen und helfen wollen. Sie müssen auch in der Lage sein dazu. Und an der Kompetenz hapert es oft. Auch, weil (vermeintlich) Schwache nicht nach ihren Bedürfnissen gefragt werden. In unserer Gesellschaft ist es üblich, jedem die (Selbst-)Kompetenz abzusprechen, der andere nicht herrscht. Die angeblich Starken maßen sich an, für andere mitzuentscheiden. Gewalttätige Männer tun das auf eine besonders gefährliche Art und Weise. Manche „Helfer“ allerdings ticken kaum anders. Frauen, die solche „Helfer“ haben, brauchen gar keine Feinde mehr. Dumm nur, dass das die Feinde nicht besonders schert.
Merke: Selbstermächtigung mag eine gute Idee sein, wenn es bloß um die Durchsetzung eigener Interessen geht. Im Kampf um Posten und Privilegien etwa, in dem die Konkurrenz sich um sich selber kümmern kann, weil ihr der Rücken freigehalten wird. Geht‘s aber auch um die Interessen anderer, sind Machtansprüche Mist.
zum Beitrag14.12.2020 , 16:25 Uhr
Zitat: „Wenn die Menschen hier wählen dürften, dann weiß man nicht, wer an die Macht kommt und welche Entscheidungen diese Person treffen würde.“
Und was ist eine Wahl, deren Ergebnis schon vorher feststeht? Ist so eine Wahl nicht eine Farce?
Eine Regierung, die Angst haben muss, den Bürgern die Möglichkeit einer freien, gleichen und geheimen Wahl zu lassen, macht definitiv etwas falsch. Und sei es auch nur eine Informationspolitik, die offenbar nicht überzeugt. Vielleicht, weil viele Bürger die Propaganda und das eigene Erleben nicht übereinander bekommen in ihrem Kopf bzw. Bauch.
Legitim ist so eine Regierung jedenfalls nicht. Sie wird es auch dann nicht, wenn „die taz“ nur solche Leute interviewt, die mit der von der Regierung eingesetzten, nicht demokratisch gewählten „militärisch-zivile Verwaltung“ durchaus zufrieden sind, etwa weil sie sich „auf diese verlassen“ zu können glauben.
Wären diese Bürger wirklich repräsentativ für die Bewohner des Grenzgebietes, müsste die Regierung sich vor Wahlen schließlich nicht fürchten. Sind sie es aber nicht, ergibt sich irgendwie die Frage, warum die taz dann ausschließlich mit ihnen Info-Politik betreibt unter ihren deutschen Leser*innen, während sie andere Stimmen unter den Tisch fallen lässt.
Gönnt sie den Menschen in der (Ost-)Ukraine die Segnungen der Demokratie etwa nicht? Findet sie Demokratie im Osten Europa überflüssig, so lange eine „Annäherung an den Westen“ auch ganz ohne Demokratie erklärtes Regierungsziel ist (und keiner der Interviewten offen erklärt, das Recht zu wählen schmerzlich zu vermissen)? Hält sie „die Osteuropäer“ grundsätzlich für nicht demokratiefähig? Oder darf Demokratie bloß nicht „den Russen“, genauer: Wladimir Putin in die Karten spielen?
Das sind alles so Fragen. Sicher, wer diese Fragen nicht beantworten kann/möchte, könnte das Fragen verbieten oder den Fragesteller beleidigen, bedrohen oder verunglimpfen. Mit Ruhm bekleckert er sich anno 2020 damit allerdings nicht mehr.
zum Beitrag13.12.2020 , 21:06 Uhr
Zitat: „Selbst Silvester wird ein echter Knaller, weil Feuerwerk zwar nicht verboten wird, aber es nirgendwo Raketen und Böller zu kaufen geben wird. Stille Nacht!“
Ich sehe sie schon vor mir, die Schlagzeilen, die Bild den jugendlichen Opfern eines gewissen Selbstermächtigungswahns widmen wird: „Marc C. und Selim K. - vier Hände für den verbotenen Bums!“
zum Beitrag13.12.2020 , 18:53 Uhr
Was für ein schöner, berührender Text! Wie kaltherzig muss ein Mensch sein, um nach dem Lesen dieser Worte nicht zu begreifen, was gut gemeinte Regeln den Einzelnen mitunter kosten - und was sie neben dem beabsichtigten Nutzen anrichten können unter Umständen.
Mir persönlich ist die Entschiedenheit, mit der manche meiner Mitmenschen ihr Umfeld gerade zum „Arschbackenzusammenkneifen“ auffordern, jedenfalls unheimlich. Zweifel gar nicht erst zuzulassen oder schwungvoll zur Seite zu wischen mit Verweis auf die Alternativlosigkeit eigener Überzeugungen, scheint mir jedenfalls einfacher zu sein ohne Mitgefühl. Etwa mit Menschen, die sich grade schwer tun mit der Einhaltung mehr oder weniger rationaler Anweisungen.
Ich weiß, dass diese Frage nicht sonderlich hilfreich ist, aber angesichts solch demonstrativ geballter Entschlusskraft frage ich mich unwillkürlich, ob wirklich jedes Leben jeden Preis wert ist.
zum Beitrag13.12.2020 , 18:05 Uhr
Zitat: „[...]; ebenso unbeantwortet bleibt die Frage, was es heißen kann, dass sogar Menschen, die unmenschlich gehandelt haben oder handeln wollen, betrauerbar sein sollen.“
Ist das wirklich so schwer zu kapieren?
Dass „kein Individuum seine Existenz sich selbst verdankt“, dass wir unsere Existenz wie unsere Individualität vielmehr allesamt „der hilfreichen Abhängigkeit von anderen verdanken“, dürfte unstrittig sein. Schon für die Zeugung menschlichen Lebens braucht es zwei Individuen. Für die Geburt mindestens ein zweites und nach der Geburt geht das mit der Abhängigkeit erst richtig los. Bis an unser Lebensende sind wir Menschen auf die Gemeinschaft mit anderen angewiesen. Wir können unmöglich existieren völlig allein.
Daraus folgt, dass Menschen, die unmenschlich gehandelt haben oder unmenschlich handeln wollen, dies gegen ihre eigenen Interessen, ja gegen ihre artspezifischen Bedürfnisse tun bzw. getan haben. Um sich zu einem derartigen Bruch mit der eigenen Biologie veranlasst zu sehen, müssen Menschen zuvor extrem gelitten haben. Und zwar unter anderen Menschen, nicht unter sich. In einer Phase größter Bedürftigkeit sind sie enttäuscht, allein gelassen oder misshandelt worden. Statt zum Menschen hat ihr Umfeld sie zum Un-Menschen gemacht. Wenn wir als Art überleben wollen, müssen wir solch ein kollektives Versagen unbedingt betrauern. Wir dürfen es nicht einfach verdrängen, denn das würde uns selber zu Un-Menschen machen.
Schließlich ist uns Menschen nicht nur die Abhängigkeit von anderen in die DNA eingeschrieben. Auch das Bedürfnis, fürsorglich zu handeln ist artspezifisch für den Homo sapiens. Unterdrücken wir dieses Bedürfnis, etwa aus kulturelle Zwänge heraus, kommt uns das teuer zu stehen. Toxische Männlichkeit etwa resultiert aus kulturell verankerten Zwängen. Leider ist sie wegen der Machtstrukturen, die sie zu ihrem Schutz erschaffen hat und zementiert, extrem schwer zu überwinden. Wenn das nicht traurig ist, was soll es dann sein?
zum Beitrag13.12.2020 , 15:47 Uhr
Zitat: „Es gibt nur Unikate auf dieser Welt. Warum muss dann die Welt so normiert, quadratisch, praktisch gut sein?“
Diese Frage ist ganz einfach zu beantworten: Die Welt muss normiert werden, damit Menschen gerade NICHT respektvoll umzugehen brauchen miteinander.
Müssten sie respektvoll miteinander umgehen, dürften die Menschen einander weder ausbeuten noch unterdrücken. Dann wäre es Essig mit den Privilegien Einzelner. Leider können manche Opfer brauner/Schwarzer Pädagogen mit ihrer traurigen Vergangenheit nur ganz schlecht umgehen, wenn sie sich nicht wenigstens in der Gegenwart privilegiert fühlen dürfen .
Für die Verbogenen unter uns ist es extrem hilfreich, wenn alle leben müssen, wie die Nachbarn, die Familie oder irgendwelche Eliten es vorgeben. Das schafft nämlich nicht jeder. Wir alle sind Unikate. Und manche von uns sind so einmalig, dass sie sich als Sündenböcke geradezu anbieten. Weil sie entweder nicht wie die Norm leben wollen oder aber schlicht nicht leben können wie die Norm es vorschreibt. Vor die Wahl gestellt, sich umzubringen oder „querzuschlagen“, entscheiden sich viele dieser Unikate für das Leben. Auch wenn sie wissen, dass das Ausgrenzung und Missbrauch bedeuten kann.
Die Mehrheit aller Deutschen findet leider nichts dabei, wenn Typen wie Söder, Seehofer oder Merz in diesem Land die Regeln aufstellen. Sie sind sogar stolz darauf, sich so perfekt ausrichten zu können daran, dass sie dafür ausgezeichnet werden von denen, die die Regeln gemacht haben. Auf den Sonntags-Club könnten diese Leute hingegen überwiegend gut verzichten. Sie wollen gar nicht wissen, was sie verpassen, wenn sie sich der herrschenden Moral anpassen.
Lieber ist der brave Untertan normiert als der Gefahr ausgesetzt, als Unikate zum Sündenbock gemacht zu werden. Wer der Gesellschaft all zu sehr vertraut, war in den letzten 5.000 Jahren ja auch wirklich ganz oft ziemlich besch... äh: belämmert dran. Feigheit kann Leben retten, Mitmenschlichkeit kostet es oft.
zum Beitrag10.12.2020 , 21:29 Uhr
Was sagt eigentlich der Rechtsstaat zu BDS? Müsste dem Verein nicht auf direktem Weg beizukommen sein, wenn er tatsächlich Volksverhetzung betreibt? Hat sich denn bis heute noch kein Kläger gefunden, der das abklären lassen wollte vor Gericht? Wieso muss der Bundestag die Arbeit der Richter machen - und werden deutsche Richter im Gegenzug demnächst Gesetze erlassen, statt sie lediglich auszulegen bzw. anzuwenden? Könnte nicht bitte mal wieder jeder die Arbeit machen, für die er ausgebildet bzw. gewählt worden ist? Wenigstens für eine Weile? Wie weit soll denn die Selbstermächtigung noch gehen? Werden Dachdecker bald am offenen Herzen operieren und Postboten an Unis unterrichten, nur weil inzwischen jeder eine Meinung nicht nur haben, sondern auch verbreiten kann unter Leuten, die genau so ticken wie er selbst?
zum Beitrag10.12.2020 , 11:04 Uhr
Typisch! (West-)Geld als Wunder- und Allheilmittel?
Leider hat uns genau dieses Denken, die Erwartung, dass Konsum Frieden schafft, da hin gebracht, wo wir jetzt sind. Klimakrise, Artensterben, Pandemie und letztlich auch der „Rechtsruck“ - alles Folgen einer Ideologie, die Haben predigt und nicht Sein.
Wo der Einzelne nicht zu sich selber finden darf, weil er mit immer „effizienterer“ Arbeit immer mehr Geld einnehmen (und noch viel mehr Geld einbringen) muss, das anschließend zum Zweck der Stabilisierung der gesellschaftlichen „Ordnung“ zu verkonsumieren ist, kann es kein vernünftiges Miteinander der Menschen geben - und keinen Frieden mit der Natur.
Sie sagen, es liegt am unterschiedlichen Bildungsniveaus. Sagen Sie bitte: Was verstehen Sie unter Bildung? Ist Bildung in hohle Köpfe gefülltes Faktenwissen? Oder ist Bildung nicht vielmehr die Fähigkeit, erworbenes Faktenwissen vernünftig anzuwenden und lebenslang zu komplettieren?
Wenn, was gewiss jeder Pauker des frühen 20. Jahrhunderts unterschreiben würde, Bildung Faktenwissen wäre, das mit Gehorsam und Fleiß kombiniert wird, wäre das Studienergebnisse zweifellos zurückzuführen auf zwei selten dämliche Entscheidungen: a) das deutsche Bildungssystem dem Wettbewerb zwischen den einzelnen Ländern zu unterwerfen und b) die Lehrpläne der Länder nicht wenigstens aufeinander abzustimmen.
Wäre Bildung aber mehr als die Summe aus Faktenwissen, Gehorsam und Fleiß (Mütter könnten das gewiss mehrheitlich bestätigen, wenn mann sie fragen würde), wären die Studienergebnisse ein Hinweis darauf, dass dem deutschen Bildungssystem die soziale Komponente fehlt.
Erziehung, so lautet das Mantra der Zuständigen seit 1990 auch im Osten, ist ausschließlich Elternsache. Was aber, wenn die Eltern aus einem totgeschwiegenen Einparteienstaat kommen? Aus einem Land, von dem sie bis heute nicht sagen dürfen: „Es war nicht alles schlecht“, weil diese Aussage nicht diskutiert wird, sondern lediglich mit Ausgrenzung bestraft?
zum Beitrag09.12.2020 , 20:14 Uhr
Es gibt Dinge, die man lieber nicht hören möchte. Und zwar auch nicht im Westen Deutschlands. Dazu gehört vermutlich, dass es vor allem im Westen Sozialisierte waren, die in den letzten 30 Jahren Verantwortung getragen haben für die Ost-Entwicklung.
Bis heute sind grade mal 10% aller Führungsposten ostdeutsch besetzt - bundesweit. In Ostdeutschland ist es knapp ein Viertel der Spitzenpositionen in Politik, Verwaltung, Justiz, Medien, Wirtschaft und Wissenschaft – bei einem Ossi-Anteil von über 85 Prozent. Dreiviertel aller Führungskräfte sind also Wessis. Immer noch. Es waren allerdings auch schon mal mehr.
Das sage nicht ich. Das sagt der Vorsitzende der Regierungskommission ‚30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit‘, Matthias Platzeck, einem der wenigen Ossis an der Spitze dieses Landes. Wenn also 30 Jahre nach dem Ende der DDR „das Bild einer diktatorischen, rechten Gesellschaft kein Schrecken, sondern viel mehr ein Sehnsuchtsraum ist“ für viele junge Ostdeutsche, ist das vor allem ein westdeutsches Führungsversagen.
Wer hat auch erwartet, dass die Kinder von Leuten, die den allermeisten Westdeutschen unbesehen als „unmündig“ gelten, allein aufgrund ihres Aufwachsens im vereinten Deutschland eine demokratische Weltanschauung entwickeln? Doch höchstens die, die sich auch darüber wundern, dass „Migranten“ der 3. Generation nicht unbedingt bessere Deutsche werden, wenn die Mehrheitsgesellschaft ihnen Chancen vorenthält.
Von nichts kommt offenbar nichts. Jedenfalls nichts Gutes. Aber das, nicht wahr, möchten Führungskräfte so genau gar nicht wissen. Viel wichtiger ist ihnen, welche Privilegien mit ihrem Job verbunden sind. Die Verantwortung muss ihnen immer erst jemand unter die zu hoch getragene Nase reiben. Und dann? Dann werden sie sauer.
Nein, mit dem Schämen haben sie‘s nicht so. Aber von den Ossis erwarten, dass sie zucken, wenn sie pauschal abqualifiziert werden von Wessis, die auch nicht gut sind, sondern nur etwas besser!
zum Beitrag09.12.2020 , 14:39 Uhr
Es sieht in der Tat aus, als wollten die Öffentlich-Rechtlichen eher die private Konkurrenz kopieren, als ihrem gesetzlich verankerten Auftrag zu folgen. Allein das Werbeverbot lässt sie noch in gewissem Maß wie eine Alternative zum Dudel-Funk wirken.
Dabei hat das Bundesverfassungsgericht schon 1987 festgestellt, dass eine Grundversorgung keine Minimalversorgung ist. Wenn allerdings nun auch noch alle 30 Minuten für jeweils 5 Minuten „Nachrichten“ gesendet werden, die wer auch immer nach was auch immer für Kriterien zusammengestellt hat und die mich ob ihrer unterirdischen Qualität regelmäßig zum Abschalten veranlassen, ist für mich selbst die Minimalversorgung nicht mehr gewährleistet.
Dass die Rundfunkfreiheit als „dienende Freiheit“ zu verstehen ist, die eine „freie und umfassende Meinungsbildung“ garantieren soll, ist jedenfalls aus Nutzersicht kaum noch zu erahnen. Mag ja sein, dass sich der Rundfunkrat (der schon länger nicht mehr die gesamte Gesellschaft abbildet) derzeit mit Ach und Krach noch auf die Wichtigkeit von Sportberichten (vor allem über Fußball) verständigen kann. Aber können Brot und Spiele allein (ggf. ergänzt durch Aufrufe zur Massenimpfung) in einer modernen Demokratie wirklich das Ziel sein? Wäre der Blick über den Tellerrand und/oder in die Tiefe nicht auch wichtig?
Übrigens: Schon 1994 in seinem 8. von bisher 14 Rundfunk-Urteilen hat das Bundesverfassungsgericht beklagt, das KEF-Verfahren würde gerade keine Staatsunabhängigkeit garantieren. Geändert hat sich seither wenig. Bis heute werden die 16 Mitglieder der KEF von den Ministerpräsidenten der Länder bestimmt. Nach welchen Gesichtspunkten auch immer.
Und: Obwohl nicht zuständig für Sendeinhalte weist die KEF alle Jahre wieder darauf hin, dass der Sport mit Abstand die höchsten Kosten verursacht (z.B. 27,7 % bei der ARD 2010). Den Rundfunkrat lässt das offenbar kalt. Er glaubt wohl, Sport wäre per se staatsfern und damit außer Reichweite der Kritiker*innen.
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