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Gesetz gegen FeindeslistenEs kann auch die Falschen treffen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Beispiel Feindeslisten macht deutlich, wie schwierig Gesetzgebung ist, die auf Rechtsextremisten abzielt. Auch Linke können so verfolgt werden.

Christine Lambrecht Foto: Christoph Hardt

J ustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat schnell reagiert und die geplante Strafnorm gegen sogenannte Feindeslisten entschärft. Journalistische Berichterstattung und zivilgesellschaftliche Aufklärung sollen nun doch nicht zu Strafverfolgung führen – auch wenn in anprangernder Form konkrete Namen genannt werden.

Diese Klarstellung ist erfreulich und sollte selbstverständlich sein. Man fragt sich, warum das Ministerium nicht gleich an eine derartige Klausel gedacht hat. Allerdings kann die neue Strafnorm, die eigentlich gegen Rechtsextremisten gedacht war, noch immer auch gegen die Antifa eingesetzt werden. Das liegt zum einen an Teilen der Antifa, die es mehr oder weniger offen billigen, wenn Gewalt gegen Nazis eingesetzt wird. In einem solchen Umfeld kann das Outing von Nazis leicht als verkappte Aufforderung zur Gewaltanwendung interpretiert werden.

Doch auch die Konstruktion der neuen Strafnorm bleibt problematisch, weil sie gar nicht auf die Absichten der Handelnden abstellt. Vielmehr soll es genügen, wenn die Weitergabe von Namen „geeignet ist“, dass die Betroffenen der Gefahr von schweren Straftaten ausgesetzt werden. Die Absenkung der Strafbarkeitsschwelle soll Beweisschwierigkeiten vermeiden.

Das kann aber auch Folgen für die praktische Arbeit der Antifa haben. Wenn sie etwa einen Nazi-Kader outet, um ihn in der Nachbarschaft, im Sportverein und am Arbeitsplatz unmöglich zu machen, dann kann dies bereits strafbar sein. Es genügt, dass die Justiz dies für „geeignet hält“, auch zu Gewaltattacken anzustacheln. Es kann dann auf Details in der Wortwahl ankommen und auf das Fingerspitzengefühl von Staatsanwaltschaft und Gerichten.

Das Beispiel Feindeslisten macht deutlich, wie gefährlich es ist, bei Gesetzen, die auf Rechtsextremisten zielen, die Schwellen der Strafbarkeit so niedrig anzusetzen, dass auch gewaltfreie Linke damit verfolgt werden können. Wer Nazis auch bei Beweisschwierigkeiten verfolgen will, produziert schnell kriminalpolitische Kollateralschäden.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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12 Kommentare

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  • "Wenn sie etwa einen Nazi-Kader outet, um ihn in der Nachbarschaft, im Sportverein und am Arbeitsplatz unmöglich zu machen, dann kann dies bereits strafbar sein."

    Sorry, aber wer das Vorgehen in Ordnung findet, hat was grundsätzlich nicht verstanden. Entweder bekämpft man sich politisch und mit Anstand oder der Rechtsstaat schreitet halt ein.

    Aber Mobbing, Denunziantentum, Feindeslisten, Leute in die soziale Isolation treiben... Das geht nicht in einer demokratischen Gesellschaft.

  • Ich finde die Überschrift irritierend. Wenn jemand eine Liste anfertigt mit bestimmten Daten von Personen, die geeignet ist, diese Personen einer konkreten Gefahr auszusetzen, dann trifft es nicht die Falschen. Egal ob von rechts, links, oben oder unten.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    "Das kann aber auch Folgen für die praktische Arbeit der Antifa haben. Wenn sie etwa einen Nazi-Kader outet, um ihn in der Nachbarschaft, im Sportverein und am Arbeitsplatz unmöglich zu machen, dann kann dies bereits strafbar sein. Es genügt, dass die Justiz dies für „geeignet hält“, auch zu Gewaltattacken anzustacheln" Wenn das zu Gewalt führt ist es strafbar, es gibt kein Recht für Links und ein anderes für Rechts, man legt keine Feindeslisten an, veröffentlicht die dann und erwartet das nichts weiter passiert.

  • Man muss schon naiv sein um zu glauben das in Deutschland solche Sachen nicht schon längst gegen "Links" verwendet werden.

    • @Megatronic:

      Vor dem Gesetz gibt's kein links oder rechts. Entweder jemand macht sich strafbar oder nicht.

      Es gibt keinen guten Baseballschläger, Farbbeutel oder Molotow- und auch keine gute Feindesliste. Kein gutes Denunziantentum, keine guten Extremisten.

      Brauchen wir in Deutschland alles nicht.

      • 1G
        11758 (Profil gelöscht)
        @Wonneproppen:

        Sehr schön geschrieben!

  • @GLEICHSTELLUNGSBEAUFTRAGTER

    Ist somit einer Liste der Abgeordneten der AfD (oder von mir aus der Grünen-) Bundestagsfraktion illegal?

    Sorry. Sie sind beim Eignungstest zum Bundesjustizminister durchgefallen ;-)

    • @tomás zerolo:

      Heißt das, die Listen wurden ohne Zustimmung der Abgeordneten erstellt?

  • Tja, das Problem scheint mir doch ein ganz anderes zu sein:



    Es gibt Menschen die meinen sie müssen die demokratischen Rechte mit zweierlei Maß beurteilen: Als "gute Nutzung" und als "böse Nutzung".



    Und das kann selbstverständlich nicht funktionieren. Wann immer man versuchen wird die "böse Nutzung" zu verhindern wird man die "gute Nutzung" auch erwischen.

    Es ist wie mit dem Messer: Man kann es als mutmaßliches Mordwerkzeug selbstverständlich generell verbieten - aber dann gäb's natürlich nur noch Haferbrei.

    Und weil diese Geschichte mit dem Messer doch nichts sooo einfach ist betraft man nicht "das Messer" (bzw. dessen Besitz) sondern "die Tat".

    Ach so ... von wegen Messer:

    WaffG 42a: Es ist verboten feststehende Messer mit einer Klingenlänge über 12 cm zu führen.

    Und weil der Gesetzgeber genau weiß dass das Quatsch ist heißt es weiter:

    Absatz 1 gilt nicht "...sofern ein berechtigtes Interesse vorliegt.



    Ein berechtigtes Interesse ...liegt vor, wenn das Führen der Gegenstände einem allgemein anerkannten Zweck dient."

    Jetzt ist die Frage: Ist das Abmurksen ein allgemein anerkannter Zweck ?

    Und? - Heut' schon strafbar gemacht ?

  • Also, entweder ein Vorgehen ist verurteilenswert oder nicht.



    Aber es davon abhängig machen, wer es praktiziert, ist... schwierig.

  • Zitat: „Wer Nazis auch bei Beweisschwierigkeiten verfolgen will, produziert schnell kriminalpolitische Kollateralschäden.“

    Vermutlich ist das den Betreffenden egal. Es muss ihnen egal sein, denn sie glauben nicht daran, dass Gewalt gegen Menschen grundsätzlich problematisch ist. Sie wurden in eine Welt hineingestampft, in der es Menschen gar nicht gibt. Es gibt nur Teufel und Engel. Wobei die Teufel die anderen sind und die Engel sie selber. Das Leben aber ist für sie ein immer währender Kampf des Guten gegen das Böse, in dem Gewalt unverzichtbar war, ist und bleibt.

    Gegen böse Leute mit Waffen braucht es ihrer Ansicht nach einfach nur ein paar mehr gute Leute mit Waffen. Über die Ursachen menschlicher Aggressionen wollen sie sich schon deswegen keine Gedanken machen, weil sie auf der Suche danach auch bei sich selber landen würden. Das wäre in sofern ein Problem, als sie die Ursachen der eigenen Brutalität nicht mehr beheben können. Mit eventuellen Präventivmaßnahmen könnten sie also nicht sich selbst helfen, sondern nur ihren Feinden. Die „Kampfkraft“ der eigenen Fraktion würden sie schwächen. Und es gibt keine Garantie, dass die des Feindes im selben Maß abnimmt. Schließlich: Welcher „echte Kerl“ der „alten Schule“ mag sich schon von seinem Feind zum Gewaltverzicht überreden lassen, wenn der nicht ebenfalls glaubhaft zu Chorknaben mutiert?

    Mit den Über-Zeugungen ist das halt so eine Sache: Sie erleichtern zwar nicht das Leben, dafür machen sie aber immerhin das Sterben einfacher. Für eher konservative, nicht übermäßig kreative Menschen, die sogenannten „alten weißen Männer“ jeglichen Geschlechts, jeden Alters und aller Hautfarben, muss so ein Schwarz-Weiß-Denken sehr verlockend sein. Schließlich: Sterben müssen wir alle. Genau einmal. Das hat noch jede*r geschafft. Leben hingegen will gekonnt sein. Anders als das Sterben ist es immer mit dem Risiko des Scheiterns verbunden. Mehrfach sogar. Das aber scheint manch einem/einer viel zu viel Angst zu machen.

  • Ob Feindes- oder Freundeslisten: Namenslisten sind schon aus Datenschutzgründen in jedem Fall illegal, wenn die Betroffenen der Verwendung ihrer personenbezogenen Daten nicht zugestimmt haben. Dazu braucht es eigentlich kein neues Gesetz.