Umgang mit Coronaleugner_innen: Es hätte nie so weit kommen dürfen

Die Gewaltbereitschaft von Corona-Leugner_innen ist kein Geheimnis. Trotzdem begegnen ihnen manche Politiker_innen weiter mit Empathie.

Armin Laschet hält einem Man ein Mikrophon hin

„Querdenker“ Thomas Brauner und Armin Laschet bei einer Wahlkampfveranstaltung Foto: Michael Kremer/imago

Neulich saß ich mit einem Corona-Leugner an einem Tisch. Es war ein gemeinsames Abendbrot im Rahmen einer Literaturveranstaltung, an der großen Tafel saß er als Begleitung einer Autorin neben mir, und in diesem Moment war mir noch gar nicht bewusst, mit wem ich es zu tun habe. Vielleicht hatte ich eine leise Ahnung, aber ich befand mich noch im Prozess, mein eigenes Bauchgefühl zu unterdrücken und mir einzureden, paranoid zu sein.

Suchen meine Freund_innen bei mir Rat, so neige ich immer zu einem Plädoyer auf die Intuition. Sie sollen sich bloß von niemaus erzählen lassen, ihre Wahrnehmung sei gestört. Trotzdem gaslightet uns die Gesellschaft alltäglich, etwa indem sie faschistoide Dynamiken, Verhaltensweisen oder Aussagen verharmlost oder normalisiert. Ich kenne diese Mechanismen, und trotzdem erwischte ich mich dabei, wie ich mir die Skepsis gegenüber diesem Typen ausgeredet habe.

Stundenlang mit demonstrativ unter die Nase gezogener Maske im Innenraum zu hocken macht eigentlich schon ziemlich verdächtig. Für cis Typen, bei denen oft unklar ist, ob sie nur dumm tun oder es wirklich sind, ist dieser Style zwar auffällig populär – das Manspreading in Zeiten der Pandemie, wie es so schön heißt –, aber macht das allein Menschen zu Verschwörungstheoretiker_innen? Es könnten schließlich auch nur rücksichtslose Arschlöcher sein? Ich überlegte. Der Mann ist Mediziner. Er sollte eigentlich wissen, dass das Atmen durch Nase und Mund funktioniert – und somit auch aus beiden Öffnungen Aerosole ausgestoßen werden.

Dann die Tischgespräche. Tipps, wie maus auf Zugfahrten durch das Verweilen im Bordbistro um das Tragen einer Maske käme. Warum sollte es in meinem Interesse sein, im überfüllten ICE ungeschützt rumzusitzen, dachte ich beim Zuhören. Und bei seinem Nörgeln darüber, wie anstrengend das Maskentragen generell sei, dachte ich nur: Was für eine nervige Memme.

Die Warnungen waren sehr früh sehr laut

Auf der Heimfahrt dann die Auflösung: Er ist nicht nur irgendein Corona-Leugner, sondern auch noch ein hoher Funktionär der MFG (mit freundlichen Grüßen hat diese Partei leider nichts zu tun, sie ist das österreichische Pendant zu „Die Basis“). Warum schockierte mich die Info, wenn ich ohnehin geahnt hatte, dass er aus diesem politischen Spektrum stammen könnte?

Einerseits hatte ich – naiverweise – nicht damit gerechnet, einem verschwörungsideologischen Hardliner auf so einem Kultur-Event zu begegnen beziehungsweise hatte ich mir die Wahrscheinlichkeit dafür kleiner ausgerechnet, weil maus sich das Leben irgendwie aushaltbar machen muss. Andererseits steckt in dieser Anekdote eine größere Symptomatik über den Umgang mit Corona-Leugner_innen.

Die Warnungen über die Querfront waren sehr früh sehr laut. Die Gewaltbereitschaft von Corona-Leugner_innen war kein Geheimnis. Wer sie auf eine Maskenpflicht hingewiesen hat, kassierte oft aggressive Reaktionen. Weitere Eskalationen häuften sich: Von Angriffen auf Journalist_innen über Anschläge auf Impf- und Testzentren bis hin zum Mord an dem Tankstellenmitarbeiter Alexander W. in Idar-Oberstein steigerte sich das Ausmaß in den letzten gut 1,5 Jahren kontinuierlich.

Anstatt sich zu fragen, wozu eine Gruppe, die Feindeslisten anfertigt und in den Bundestag stürmt, noch so fähig ist, setzen rechtsaußenoffene Politiker_innen noch immer auf die Empathieschiene. So auch der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der in seinem am Montag erschienen Wahlkampfspot unter anderem mit dem Coronaleugner Thomas Brauner schnackt. Selbst nach Bekanntgabe des Anschlags von Idar-Oberstein bleibt das Video online. In einschlägigen Chat-Gruppen gibt es für die Tat Lob und Verständnis. Selbst für die Union, die trotz des rechtsterroristischen Mordes an ihrem Parteikollegen Walter Lübcke vor einem „Linksrutsch“ warnt, ist diese Anbiederung niederträchtig.

Auf das Bauchgefühl zu hören und trotz Einschüchterung zu intervenieren erfordert Mut – den hat Alexander W. am Wochenende bewiesen und musste mit seinem Leben bezahlen. Es hätte nie so weit kommen dürfen. Durch ihr Appeasement gegenüber Rechten trägt auch die Union Verantwortung – vor allem dafür, dass sich eine solche Gräueltat nicht wiederholt.

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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