Szenarien zur Klimakrise: G20-Staaten steuern auf 2,4 Grad zu

1,5 Grad? Weit daneben: Die derzeitige Klimapolitik der größten Industrie- und Schwellenländer hätte einen stärkeren Temperaturanstieg zur Folge. Drei Szenarien.

Ingenieure mit roten Helmen arbeiten an Solarpanelen auf einer Solarfarm

Erneuerbare boomen in China, aber das Land subventioniert auch die Fossilen mit 8 Mrd. Dollar Foto: Huang Bohan/imago

Berlin taz | Wenn sie wollten, könnten die in der G20 organisierten großen Industrie- und Schwellenländer die Klimakrise praktisch allein lösen. Schließlich sind sie für etwa 75 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Aber von den 19 Staaten plus EU kommt viel zu wenig, zeigen zwei neue Berichte, die zwei Wochen vor dem G20-Treffen in Rom und der direkt darauf beginnenden UN-Klimakonferenz in Glasgow erschienen sind: Mit dem, was sie bisher planen, ist die Welt auf dem Weg zu einer Erhitzung von etwa 2,4 Grad.

Das befürchten die Autoren des aktuellen Reports der Initiative Climate Transparency, in der weltweit 16 Thinktanks und Umweltgruppen aus 14 G20-Staaten regelmäßig die Politik der führenden Länder beurteilen. Demnach steigen die Treibhausgasemissionen nach der Pandemiepause wieder steil an, in Indien, China, Argentinien und Indonesien sogar auf höhere Werte als vorher. Außerdem seien nur 300 Milliarden von 1,8 Billionen US-Dollar Coronahilfen in klimagerechtes Wirtschaften investiert worden, hieß es.

Wenn die G20-Länder die Emissionen in den nächsten zehn Jahren nicht deutlich senkten, „droht das 1,5-Grad-Limit unerreichbar zu werden“, warnt Jan Burck von der Entwicklungsorganisation Germanwatch, der einer der Autoren ist. Insgesamt hoffen KlimaschützerInnen weltweit darauf, dass der G20-Gipfel einen starken Schub für die Klimakonferenz bringt: Etwa 130 Staats- und Regierungschefs, viele aus den G20-Nationen, sind zur Eröffnung angemeldet.

Bisher allerdings haben die „Dreckigen Zwanzig“ dort wenig anzubieten: Anstatt sich von den fossilen Energien zu verabschieden, subventionierten die Regierungen Kohle, Öl und Gas in der letzten Zeit mit insgesamt etwa 50 Milliarden Dollar jährlich direkt. Japan führt dabei mit 10 Milliarden vor China mit 8 Milliarden. In Deutschland gab es 5 Milliarden Staatshilfen, fast die Hälfte für die Kohle.

Deutschland macht es nicht gut

Insgesamt sieht der Bericht Deutschland nicht als Vorreiter: Beim Kohleausstieg, beim Ende des Verbrennungsmotors, beim Ausbau der erneuerbaren Energien oder beim CO2-Preis „haben viele andere G20-Staaten in den vergangenen Jahren deutlich größere Schritte gemacht als Deutschland“, sagt Burck. Nur bei den grünen Coronahilfen ist Deutschland spitze: Immerhin rund 50 Prozent der Ausgaben flossen in grüne Bereiche.

Deutschland fällt bei konkreten Schritten deutlich hinter andere G20-Staaten zurück

Dass von Glasgow ein Kurswechsel in der globalen Energiepolitik ausgehen muss, fordert auch die Internationale Energieagentur IEA in ihrem aktuellen Welt-Energiebericht: Demnach eilten Wind- und Solarstrom zwar von Rekord zu Rekord, aber auch die Verbrennung von Kohle habe neue Höhen erreicht, warnt die OECD-Behörde. „Der immens ermutigende Schwung der Erneuerbaren läuft sich gegen die hartnäckige Widerstandskraft der Fossilen fest“, stellt Exekutivdirektor Fatih Birol fest. Weil nicht genug in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert werde und deshalb die Zukunft der Versorgung unsicher sei, sagt er „Turbulenzen auf den globalen Energiemärkten“ voraus.

2,6 Grad, 2,1 Grad oder 1,5 Grad

Die IEA hat drei Szenarien berechnet: In einem werden die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen weitergeführt: Der Zuwachs beim Energieverbrauch kommt aus Erneuerbaren, aber die Emissionen sinken bis 2050 praktisch nicht und bringen 2100 eine Erhitzung von 2,6 Grad. In einem zweiten Szenario setzen die Staaten all das um, was sie bisher angekündigt haben. Hier sinken die Emissionen bis 2050 um 40 Prozent und führen bis 2100 zu 2,1 Grad zusätzlicher Erwärmung. In ihrem dritten Szenario stellt die IEA ihren Weg zu 1,5 Grad vor: Der erfordert ein sofortiges Ende neuer Kohlegruben, Öl- und Gasquellen, ein Aus für Verbrennungsmotoren bis 2035 und einen Stromsektor, der bis 2040 nur noch Ökostrom liefert. „Die Investitionen in Erneuerbare müssten sich im nächsten Jahrzehnt verdreifachen, 70 Prozent davon muss in den Schwellenländern stattfinden“, so Birol.

Das könne aber „weniger belastend sein, als es scheint, denn 40 Prozent der nötigen Emissionsreduktionen würden aus Maßnahmen bestehen, die sich rechnen“: bessere Effizienz, Methanlecks schließen und auf Wind und Solar bauen, die billiger als Fossile sind.

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