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Kretschmanns Ideen zu FöderalismusHand aufhalten und pöbeln

Ralf Pauli
Kommentar von Ralf Pauli

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält das Bundesbildungsministerium für überflüssig. Geld vom Bund nimmt er aber gerne.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) Foto: photothek/imago

E s gibt gute Gründe, die Arbeit von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) zu kritisieren: die viel zu späten Coronahilfen für Studierende, ihre Gleichgültigkeit gegenüber den prekären Arbeitsbedingungen an Hochschulen, das Unvermögen, die Länder in Bildungsfragen stärker zu vereinheitlichen. Siehe Abiturnoten oder zuletzt Pandemiepolitik.

Was jedoch der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann soeben in einem Interview ins Spiel bringt, stellt nicht die Ministerin in Frage – sondern das ganze Ministerium. Kretschmann leuchtet nämlich nicht ein, „warum ein Ministerium auf einer Ebene eingeführt wird, für die man nicht zuständig ist. In Baden-Württemberg gibt es ja auch kein Außenministerium“.

Was Kretschmann damit sagen möchte: Das Bundesbildungsministerium ist überflüssig, Bildung ist schließlich Ländersache. Bitte, lieber Bund, begreif das nun endlich mal! Doch ganz so einfach, wie Kretschmann es sich macht, ist es nicht.

Denn erstens nimmt Kretschmann seit Jahren gerne die Gelder aus Berlin, um damit auch munter in Stuttgart oder Heidelberg in „seinen“ Hoheitsbereich zu investieren: beim Bafög, Kitaausbau, Ganztag, zuletzt beim Digitalpakt und Nachhilfeprogramm. Um mal nur einige Bundesprogramme zu nennen.

Erpressung im Bundesrat

Kretschmann greift also zu, verbittet sich gleichzeitig aber die Mitsprache bei den Zielvorgaben. Undankbar wäre noch ein nettes Adjektiv für dieses Verhalten. Doch es kommt noch dicker: Denn der undankbare Kretschmann torpediert wichtige Bildungsinvestitionen über den Bundesrat, wenn ihm der Bund zu wenig Kohle locker macht. Zuletzt geschehen am vergangenen Freitag.

Der Bundesrat sollte da einem Prestigeprojekt der Bundesregierung zustimmen: dem Gesetz, das den Eltern einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen garantiert. 3,5 Milliarden Euro würde der Bund zahlen, dazu langfristig eine Milliarde jährlich zur Deckung der Betriebskosten. Doch was vielen Ländern reicht, reicht Kretschmann nicht. Baden-Württemberg bliebe so auf dauerhaften Betriebskosten sitzen, schimpfte er. Der Bund müsse mehr Geld rausrücken.

Kretschmanns maue Bilanz

Das Gesetz wurde erst einmal nicht verabschiedet. Man muss an dieser Stelle betonen: Kretschmanns eigene (neue und ebenfalls grüne) Bildungsministerin, Theresa Schopper, befürwortet den Ganztagsausbau. Dass die Investitionen bildungspolitisch sinnvoll und notwendig sind, ist also auch in Stuttgart unbestritten. Nur: Bisher hat das Land selbst nicht allzu viel dafür getan. Im Ländervergleich liegt Baden-Württemberg bei der Ganztagsbetreuung an Grundschulen weit abgeschlagen an letzter Stelle.

Man kann es also auch so sehen: Wenn es einem der reichsten Bundesländer in der Vergangenheit nicht Wert war, in Chancengleichheit zu investieren, dann sind die Forderungen, der Bund soll jetzt gefälligst alles bezahlen, eine glatte Unverschämtheit. Das sollte auch Winfried Kretschmann endlich begreifen.

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Ralf Pauli
Redakteur Bildung/taz1
Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.
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8 Kommentare

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  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - fragt nach:

    “Kretschmann Forsch

    "Bundesministerium für Bildung und Forschung." Oder ist es umgekehrt?



    Forschung hat der "forsche" Herr K. nicht auf dem Schirm. In BaWü gibt`s ja ein Kultusministerium, welches für Schulen zuständig ist.“

  • Das ist nichts neues. Das ist alter Kaffee. Eiskalter Kaffee, abgestanden seit mindestens der Zeit, da eine Annette Schavan Bildungsministerin in Baden-Württemberg war.



    Dort war sie treibende Kraft, die letzten Reste von Bundeszuständigkeit aus dem Bildungswesen herauszubekommen. Erfolgreich wie bekannt.



    Später, als Bundesbildungsministerin stellte sie fest, dass das ja keine so gute Idee gewesen war und arbeitete dafür, dem Bund wieder mehr einfluß auf die Bildungspolitik zu verschaffen. Das Ergebnis ist bekannt: Doktortitel verloren, zurückgetreten.

    Es ist seit jeher das Problem: jedes Land werkelt für sich. Tobt sich an den Schülern für sich aus und wer versucht das zu ändern, der wird mit allen Mitteln abgesägt. Und ich wage zu behaupten, sollte einer/eine tatsächlich mal drohen Erfolg zu haben, werden die Länderminister einen Weg finden diesen/dieses jenigen/jenige rechtzeitig zu entfernen, bevor der Plan umgesetzt werden kann. Ich wage sogar zu behaupten, dass die dazu bereit sind über Leichen zu gehen. Es it jedes Mittel recht, mit dem verhindert werden kann, dass der Bund auf die Bildungspolitik mehr Einfluß nehmen kann – schließlich arbeitet man seit begin der Republik daran diesen Bundeseinfluss los zu werden, aber das Geld das mit dem Einfluß verbunden war weiter zu bekommen. Möglichst ungeprüft und ohne Auflagen.

  • Ich schätze, Herr Kretschmann ist nicht ganz umsonst mehrheitsfähig in „einem der reichsten Bundesländer“ dieser Republik.

    Aber warum sollten auch ausgerechnet solche Leute in Chancengleichheit investieren wollen, die vor zwei Generationen noch Schlusslichter waren im Kohle-Ranking? Die sind doch froh, dass sie endlich wer sind, auch wenn das ganz ohne Ausbeutung und Umweltzerstörung wohl nie so gekommen wäre!

    Vermutlich genügt es der Mehrheit aller Untertanen des Winfried Kretschmann, dass sie einen grün angestrichenen Rechten (nein, keinen Extremen) zum König gemacht haben. Mehr Progressivität darf ihrer Meinung nach offenbar niemand von ihnen verlangen. Nicht, bevor sie ihren Super-Ländle-Status nicht vollständig ausgekostet haben. Wann das genau sein könnte? Na, nicht all zu bald jedenfalls.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Diese ganzen Provinzkasper, ob Bildung, Umwelt, Landwirtschaft etc. sollte man einsparen und das Geld in die Lüftung der Schulen stecken.



    Allein Wirtschaftsministerien braucht jedes Bundesland, denn Wirtschaft ist nicht gleich Wirtschaft. Straußenwirtschaft, Hafenkneipen oder Trinkhallen sind eher regional aufgestellt.

  • Ich bin Herrn Kretschmann sehr dankbar für seinen Vorstoß. Dieser sollte als Anstoß genutzt werden, den Ländern den Bildungsbereich zu entziehen und die Zuständigkeit auf den Bund zu übertragen. Die Länder haben lange genug an den Zukunftschancen unserer Kinder herumoperiert.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      "den Ländern den Bildungsbereich zu entziehen ..." Wie geht das? Wer darf das? Die FDP?

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Bund und Länder gemeinsam. Hierfür bräuchte es eine Änderung der Verfassung, welcher Bundestag und Bundesrat mit den entsprechenden Mehrheiten zustimmen müssten.

        Länder wie Berlin müssten jedoch geradezu darum betteln, dass sie von dieser Verantwortung endlich entbunden werden. Bayern und Baden-Württemberg könnte man insoweit entgegen kommen, dass deren System bundesweit übernommen und ein entsprechendes Ministerium in München angesiedelt wird.

  • Ach was!

    “ Kretschmann leuchtet nämlich nicht ein, „warum ein Ministerium auf einer Ebene eingeführt wird, für die man nicht zuständig ist. In Baden-Württemberg gibt es ja auch kein Außenministerium“.“

    kurz - Erfahrungsjurist ist unterschreitbar!



    Klar: Persetter Pauker Steißtrommler Leerer Lehrer!



    Besonders - aber nur am Rande - wannse:



    exK-Schrägschisser &/vel Minischdrande •



    & selber bhäb but =>



    Dabei - für Mutti fei bede - un alles wege - geil Knede 💴 -



    Unds 🧠 fei Kehrgewoch🧹- ♦️einfach - dazu doch noch!



    Andreas Reber sagt es mal fei so - locker ohne sich zu quälen:



    “Provinz? Provinz ist da wo - die Lehrer zu den Intellektuellen zählen!“

    kurz - Damit mag‘s haben sein Bewenden.



    Guter Anlaß - sich voll Grausen - Abzuwend&enden - 🤑 -