Grünes Sondierungsteam: Divers wie Weißwurst

Die Grünen kämpfen für Diversität. Da befremdet es, dass ihr Verhandlungsteam nicht eine einzige Person mit Migrationsgeschichte aufweist.

Cem Özdemir mit Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg

Holte ein spektakuläres Direktmandat: Schwäbischer Landesverdienstordensträger Cem Özdemir Foto: Ulmer/imago

Toll, wie die Grünen sich stets für Diversität stark machen. „Was soll das für eine Gesellschaft abbilden?“, klagen sie gerne, wenn irgendwo ignoriert wurde, dass Deutschland nicht nur aus lichtempfindlichen Hell- und Dunkelblonden mit Brustbehaarung besteht. Eine vielfältige, bunte Gesellschaft sei nun mal gesellschaftliche Realität, war bei grünen Wahlkampfterminen landauf-landab über Monate zu hören. Wohl wahr.

Umso mehr verwundert es, dass diese gesellschaftliche Realität sich nicht im Verhandlungsteam der Grünen wiederfindet. Die handverlesene Truppe ist so divers wie Weißwurst. Unter den zehn am Mittwoch veröffentlichten Namen ist nicht ein Mensch mit Migrationsgeschichte. Diese Tatsache ist umso erstaunlicher, als dass zwei Abgeordnete mit Wurzeln in der Türkei und im Iran unter spektakulären Umständen in den Bundestag gewählt wurden.

Cem Özdemir hat mit sage und schreibe 40 Prozent sein Direktmandat gewonnen, während die grünen Zweitstimmen nur bei 28,6 Prozent lagen. Und das auch noch in Stuttgart, einer der Herzkammern der Autoindustrie. Der andere ist Omid Nouripour, der mit 29 Prozent (Zweitstimmen 25,6 Prozent) erstmals den Wahlkreis Frankfurt/Main für die Grünen geholt hat. Das hat nicht einmal Joschka Fischer fertig gebracht.

Stattdessen haben es Po­li­ti­ke­r*in­nen ins Team geschafft, bei denen man sich fragt, was sie dort eigentlich zu suchen haben. Da wäre zum Beispiel Michael Kellner, der den verhunzten Wahlkampf der Grünen zu verantworten hat, inklusive des ungeprüften Lebenslaufs von Annalena Baerbock und der Wahlplakate, auf denen die Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen so grünlich aussehen wie Kotz-Emojis. Als Direktkandidat in seinem Wahlkreis Uckermark erzielte er übrigens 5,8 Prozent, weniger als der grüne Zweitstimmenanteil von 7 Prozent.

Oder auch Katrin Göring-Eckardt, die bisher als zweimalige Spitzenkandidatin (2013 und 2017) Bundestagswahlen versemmelt hat, aber nie dafür Konsequenzen ziehen musste. Und dann wäre da noch Ricarda Lang, die bisher eigentlich politisch noch gar nichts vorweisen kann außer einer Menge Follower in den sozialen Medien.

Die Grünen scheinen nach einer hochgeheimen Formel zu entscheiden, bei der ethnische Diversität oder politische Erfolge jedenfalls keine Rolle spielen. Es wird Zeit, dass die Grünen sich der gesellschaftlichen Realität anpassen. Wenn man Diversität nicht nur als glückliche bunte Plakatwelt inszeniert, sondern wirklich ernst meint, bedeutet das eben auch, dass manche auf ein Stück Macht zugunsten anderer verzichten müssen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik

Bei wieviel Prozent liegen die Parteien? Wer hat welche Wahlkreise geholt?

▶ Alle Zahlen auf einen Blick

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.