Ulrike Herrmann Cash & Crash
: Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt eine Bleibe sucht, ist oft verzweifelt

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Droht eine neue Wohnungsnot? Bauarbeiter sind knapp, die Kreditzinsen steigen, und Baustoffe werden teurer. Wer jetzt eine Bleibe sucht, ist oft verzweifelt. Dennoch kann es keine Lösung sein, permanent auf Neubau zu setzen. Denn an Flächen fehlt es nicht: Im Durchschnitt verfügt jeder Bundesbürger über 47,4 Quadratmeter Wohnraum. Das ist sehr üppig, die Flächen sind nur falsch verteilt. Gutsituierte wohnen großzügig, während Arme oder junge Familien oft beengt leben. Dieses Problem ist altbekannt, wurde aber nie gelöst, obwohl ständig weitere Wohnungen entstehen. Neubau allein hilft offenbar nicht – ruiniert aber die Umwelt.

Jeder Bau benötigt Beton, der zudem unschlagbar praktisch ist: Er ist billig, haltbar, feuerfest und rostfrei. Leider emittiert er sehr viel CO2, was sich nicht verhindern lässt. Denn Beton basiert auf Zement, der wiederum aus Kalk entsteht – indem Kohlendioxid abgespalten wird.

Theoretisch könnte Holz eine ökologische Alternative sein, weil es Kohlendioxid bindet. Aber leider gibt es viel zu wenig Holz, um jene 4,6 Milliarden Tonnen Zement zu ersetzen, die weltweit jährlich verbaut werden. Schon jetzt ist Holz so knapp, dass die Preise explodieren. Und das Angebot dürfte weitersinken: Die Waldflächen schrumpfen in einem alarmierenden Tempo, weil sie in vielen Ländern zu Äckern werden.

Der Neubau muss enden, zumal Gebäude nicht nur Zement verbrauchen – sondern auch Boden. Jeden Tag gehen in Deutschland 60 Hektar verloren, weil Straßen asphaltiert oder Häuser errichtet werden. Freie Flächen werden aber benötigt, um Grundwasser zu bilden und Kohlendioxid zu binden. In den Böden und im Humus sind weltweit etwa 1.500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert – dreimal mehr, als alle Wälder absorbieren. Werden Flächen bebaut, ist der versiegelte Boden für immer verloren: Es dauert mindestens 100 Jahre, bis ein Zentimeter Humus neu entsteht.

Deutschland hat daher zugesagt, den Bodenverlust bis 2030 auf null zu senken. So ist es in den UN-Nachhaltigkeitszielen vereinbart. Trotzdem geht der Flächenfraß ungebremst weiter, und die politische Debatte gleitet sofort ins Hysterische ab, wenn das Eigenheim in die Kritik gerät. Dies mussten auch die Grünen im Wahlkampf 2021 erleben, als Fraktionschef Anton Hofreiter in einem Interview feststellte: „Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr.“ Prompt hagelte es Vorwürfe, dass die Grünen eine „Verbotspartei“ seien und ein „gestörtes Verhältnis zum Eigentum“ hätten.

Richtig wäre, Wohnraum gerecht zu verteilen. Dieser Vorschlag ist radikal, aber eine andere Lösung bleibt nicht, wenn der Flächenfraß enden soll

Jeder Neubau ist Umweltfrevel. Dies gilt auch für Passivhäuser. Sie verbrauchen zwar wenig Strom, aber es kostet eine Menge „grauer Energie“, diese angeblich grünen Häuser zu errichten. Und zur Erinnerung: Wir benötigen die Böden, damit Grundwasser entstehen und Kohlendioxid gespeichert werden kann. Richtig wäre daher, Wohnraum gerecht zu verteilen. Dieser Vorschlag ist radikal, aber eine andere Lösung bleibt nicht, wenn der Flächenfraß enden soll.

Ulrike Herrmann, wirtschaftspolitische taz-Korrespondentin, analysiert hier monatlich ein Zukunftsthema aus ökonomischer Perspektive.