Petition von Wagenknecht und Schwarzer: „Atomkriege sind unumkehrbar“

Thilo Bode unterstützt das „Manifest für Frieden“. Ein Gespräch zur Frage, wie man Russland zu Friedensverhandlungen bewegen soll.

Porträt eines grauhaarigen Mannes: der Aktivist Tilo Bode

Ein Leben lang Aktivist: Thilo Bode, Gründer von Foodwatch Foto: Sabrina Weniger

wochentaz: Herr Bode, Sie gehören zu den Erstunterzeichnern des „Manifests für Frieden“. Weshalb ist Ihnen diese Initiative wichtig?

Thilo Bode: Ich finde den Krieg natürlich furchtbar und bin der Meinung, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, zu Verhandlungen zu kommen. Und die erfordern zuvor einen Waffenstillstand. Beide Seiten haben sich militärisch irgendwie festgebissen.

Wer soll diesen Waffenstillstand bewirken, wenn nicht die Ukraine?

Das müssen Frankreich und Deutschland mit den Amerikanern versuchen, die Russen zu einem Waffenstillstand zu bewegen, natürlich auch die Ukrainer.

Der Greenpeace-Chef

1989 wurde der Volkswirt Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland. Von 1995 bis 2001 war er Chef von Greenpeace International.

Der Verbraucherschützer

2002 gründete er die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, bis Ende 2021 war er dort aktiv.

Das „Manifest für Frieden“

Adressat der Petition für Friedensverhandlungen ist der Bundeskanzler. Er soll die „Eskalation der Waffenlieferungen“ an die Ukraine stoppen.

Frieden in Kriegszeiten ist immer wünschenswert. Aber es gibt keine Anzeichen, dass Putins Russland für ein solches Projekt bereit wäre.

Das muss man halt versuchen. Ernsthaft versuchen. Militärisch bewegt sich aktuell nichts – und nach dem Eindruck wird sich auch nicht viel bewegen in diesem Krieg. In den Verhandlungen wird es um die großen Fragen der territorialen Ansprüche gehen, klar. Man kann jedenfalls nicht einfach sagen, die wollen doch nicht.

Die Ukraine besteht auf ihren Grenzen mindestens von vor dem 24. Februar 2022.

Auf die muss man halt bestehen in den Verhandlungen.

Nur mal theoretisch: Um den Krieg zu beenden, müsste Putin etwas geboten werden, nicht wahr?

Das ist die entscheidende Frage. Jetzt geht es um einen Waffenstillstand als erste Stufe, und danach muss über die territorialen Fragen gesprochen werden. Und da könnte man sich ja auch an das, was schon mal im letzten März, der Kriegsbeginn war noch nah, diskutiert wurde. Dass es darum ging, die Frage von Donezk und Luhansk, also dem Donbass, extra zu regeln. Jedenfalls sollte mit mehr Erfolg als beim Minsk-II-Abkommen verhandelt werden. Bei solchen Verhandlungen müssen beide Seiten ihre Kriegsziele definieren.

Minsk II war ein für die Ukraine extrem nachteiliges, von Kanzlerin Angela Merkel mitbewirktes Abkommen.

Von der Krim, über die ebenso extra gesprochen muss, abgesehen, müssten der Ukraine Sicherheitsgarantien gegeben werden – deren Einhaltung durch einflussreiche Garantiemächte überwacht werden.

Die USA, die EU …

Die Bestimmung der Garantiemächte ist Verhandlungssache. Das Wichtigste: Der Frieden muss wieder her und bleiben. Man muss es versuchen.

Während wir sprechen, bombardiert Russland die Ukraine. Das muss bedingungslos sofort aufhören, oder?

Genau. Und deswegen ist der Waffenstillstand ganz entscheidend.

Haben Sie zumindest eine Idee, welches politische Druckmittel Russland gegenüber aufgewendet werden muss, um dessen Zerstörungswerk zu beenden?

Ich würde es darauf ankommen lassen, wie die Russen in Verhandlungen reagieren. Bei einem Waffenstillstand ist es möglich, über Sicherheitsgarantien für Russland zu sprechen. Einer der wesentlichen Streitpunkte war doch, dass Russland die Ukraine nicht in der Nato wünscht.

Aber wenn die Ukraine das schon aus Gründen der eigenen Sicherheit möchte?

Unser gemeinsames Ziel ist, dass das Sterben aufhört. General Milley, US-Generalstabschef, sagt, dass aktuell nichts gewonnen wird. Es wird einfach nur gestorben. Das muss aufhören.

Die Ukraine möchte – anders, als es ihre Invasoren wollen – ein autonomes Land sein.

Das muss aus meiner Sicht genau das natürliche Ziel sein, das des Westens und der Ukraine sowieso. Einen Waffenstillstand braucht es hierfür aber. Danach geht es um die Zukunft der Ukraine.

Russland wird darauf bestehen, dass es keine Nato-Mitgliedschaft geben wird, auch keinen Schutz durch Mächte wie die USA oder die EU.

Das würde alles bei Verhandlungen erörtert werden – aber, ich wiederhole mich, Verhandlungen muss es erst mal geben.

Gehört es nicht in gewisser Weise zu einer deutschen Überlieferung zu sagen, Kriege seien sinnlos? In Ländern, die von Deutschland überfallen wurden, sieht man die Lehre des Krieges anders: Man hatte sich zu verteidigen. Wie jetzt die Ukraine.

Ich selbst finde Waffengewalt schrecklich, aber nicht aus der Perspektive des angegriffenen Landes. Als ich bei Greenpeace war, gab es dort einen stark pazifistischen Flügel. Als es damals um den Irakkrieg ging, waren die Briten für den Krieg, die Italiener dagegen – und ich als Deutscher dazwischen. Ich wurde als Nachfolger der Nazis gesehen. Ich sagte aber immer, ohne Krieg und ohne Gewalt wären wir nicht befreit worden von Hitler. Ich lehne also Waffengewalt nicht prinzipiell ab.

Was soll bei den Verhandlungen herauskommen?

Die Ukraine braucht Sicherheitsgarantien, Russland aber auch.

Warum Sicherheitsgarantien für Russland? Russland war ja hochbeliebt im westlichen Kontext, auch wegen seiner Rohstoffvorkommen.

Aber wenn Russland sagt, sie wollen die Nato nicht so nah in der Nachbarschaft, dann muss dies berücksichtigt werden. Solche russischen Wünsche muss man erst mal ernst nehmen.

Müsste Russland nicht bis zur buchstäblich letzten Kopeke für die berechtigten Reparationsforderungen der Ukraine aufkommen?

Dazu kann ich nichts sagen, mir fehlt der Einblick in diesen Teil des internationalen Rechts.

Fürchten Sie tatsächlich, wie im „Manifest“ behauptet, den Einsatz atomarer Waffen?

Ich habe schon Angst, muss ich sagen. Dass das außer Kontrolle gerät. Atomkriege sind unumkehrbar, sie riskieren das Leben von Abermillionen. Aber es geht in dieser Frage auch um geostrategische Interessen – auch die Russlands.

Alice Schwarzer, Sahra Wagenknecht und Erich Vad, Brigadegeneral a. D., rufen für den 25. Februar zur Kundgebung am Brandenburger Tor auf. Werden Sie dabei sein?

Ich würde natürlich dort hingehen, aber ich bin aus privaten Gründen an jenem Tag in Bayern.

Auch viele aus dem Umfeld der AfD wollen teilnehmen.

Ich habe Ähnliches erlebt bei den Demonstrationen gegen das Freihandelsabkommen TTIP vor einigen Jahren. Ich wurde damals kritisiert, weil diese Demo von ultrarechten Menschen missbraucht werden könnte. Wir haben zu unserer Aktion gesagt, wir sind gegen TTIP, wer da mitmacht, teilt dieses Ziel.

Und jetzt beim „Manifest“?

Es geht um unsere Forderungen nach Waffenstillstand, nach dem Ende des Sterbens in der Ukraine. Damals, bei TTIP, haben wir uns nicht abhalten lassen von ein paar rechten Fahnen, ich bereue das nicht. Jetzt können auch Leute mitgehen, die andere politische Meinungen haben als ich. Die AfD besteht ja nicht nur aus Nazis.

Die fühlen sich glatt eingeladen, oder?

Sie würden nicht unbedingt mit warmem Herzen empfangen. Diese Demonstration muss stattfinden, denn wenn ich meine Auffassungen von Menschen, die der AfD zuneigen, abhängig machen würde, dann würde ich mich meines Rechts auf öffentliche Meinungsäußerungen berauben.

Eine gefährliche politische Mischung, die sich da braut …

… bei TTIP damals habe ich das überlegt. Leute sagten mir, Trump ist auch gegen TTIP, also sind Sie für Trump. Das ist natürlich Unfug. In unserem Manifest geht es um Frieden – und am Brandenburger Tor darum, dies öffentlich zu zeigen.

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