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Abdurchdiemitte
„Im Leben gibt es immer Verluste“, sagt Armin Papberger, Chef des größten deutschen Rüstungskonzerns.
zum BeitragNa dann, er muss die Verluste ja nicht bezahlen, das tun andere. Er und andere Kriegsgewinnler verdienen sich eine goldene Nase an diesem Krieg. So war es immer und so wird es bleiben.
Abdurchdiemitte
So langsam wird es absurd. Eine Ausstellung zur Nakba zu verhindern, die seit 2008 unterwegs ist, u.a. auf mehreren Kirchentagen gezeigt wurde, nun aus Rücksicht auf eine rechtskonservative, geschichtsrevisionistische Dekonstruktion des Antisemitismusbegriffs zu unterbinden. Gibt es denn valide Erkenntnisse, dass diese Ausstellung in der Zeit den Antisemitismus hierzulande nachhaltig befördert hat?
zum BeitragSo habe ich mir die „Freiheit“ eines Christenmenschen nicht vorgestellt. Kleingeistigkeit - in vorrevolutionären Zeiten „Muckerertum“ genannt - kann jedenfalls kein geeigneter Beitrag sein, um Faschismus, Antisemitismus wie Rassismus und allenFormen menschenbezogenen Hasses entgegenzutreten.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Die Sache mit dem antisemitischen BDS ist ein anderer Schnack.“
zum BeitragJa, da mögen Sie recht haben. Im Grunde ist der „Schnack“ aber nebensächlich (will nicht sagen, bedeutungslos), es sei denn, Sie wollten alle Muslime unter antisemitischen Generalverdacht stellen, um - wie die AfD - damit Stimmung gegen Migranten mit muslimischen Hintergrund zu machen.
Und wenden wir unsere Aufmerksamkeit jetzt doch mal bedeutenderen Themen wie dem von neurechter Seite neuerdings entdeckten „Philosemitismus“ zu. Und den ideologischen Motiven, die wohl dahinterstehen mögen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Allerdings sind die Verharmlosung und Relativierung antijüdischer Hasstiraden seitens propalästinensischer Aktivisten und ihrer Unterstützer hierzulande kein probates Mittel, um eine geschichtsrevisionistische Dekonstruktion des Antisemitismus von rechtskonservativer Seite aufzudecken. Es ist eine Schande, dass sich die AfD inzwischen als philosemitisch verkaufen und Muslimen wie Linken Antisemitismus in die Schuhe schieben kann.
zum BeitragUnd renommierte Wissenschaftler und Publizisten wie Wolfgang Benz, Moshe Zimmermann oder Micha Brumlik, die sich hierzulande um die Erforschung des Antisemitismus verdient gemacht haben, plötzlich in die andere Ecke gestellt werden, weil sie in Frage stellen, dass Kritik an der israelischen Siedlungspolitik oder an nationalchauvinistischen Tendenzen innerhalb der zionistischen Ideologie mit Antisemitismus gleichzusetzen seien.
Dieser Diskurs jedoch muss in unserer Gesellschaft unbedingt geführt werden, um Hass und Gewalt gegen Juden, Muslime und anderen Minderheiten (Antiziganismus) entgegentreten zu können. Insofern können wir Frau Roth noch dankbar sein, dass ihr ungeschicktes, opportunistisches Lavieren hier eine Debatte angestoßen hat.
Abdurchdiemitte
Das Lamento über die zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber diesem Krieg gilt wohl für alle Kriege weltweit, deren Folgen für die Betroffenen nicht minder grausam sind wie der russische Überfall für die Ukrainer.
zum BeitragDer Appell gegen Apathie und Gleichgültigkeit kann jedoch nicht allein mit dem Argument begründet werden, dass die Ukraine uns schließlich näher stehe oder es um die (stellvertretende) Verteidigung unserer freiheitlichen Werte gehe, wohingegen die Warlords dieser Welt allesamt blutige Hände hätten. Denn die Folgen dieser EINEN globalen Krise - Krieg und Gewalt sind nur einer der Apokalyptischen Reiter, ein anderer die globale Erderwärmung - kommen uns ebenfalls spürbar näher, die Einschläge werden dichter.
Und was das Versagen von Politik und Diplomatie auf der internationalen Bühne betrifft, so wissen wir es doch alle, dass Krieg nur weitere Kriege gebiert und die Welt noch nie zu einem besseren Ort gemacht hat. Vielleicht für uns in Europa, nicht aber für die Mehrheit der Menschen. Die zerstörten Hoffnungen auf die UN als wirksames Mittel der Konfliktregulierung zwischen Staaten nach dem Ende des WK2 zeigen das eindringlich.
Die mit dem Krieg gegen die Ukraine einsetzende Diskreditierung des Pazifismus ist somit Ausdruck der eigenen Lähmung, der sinnlosen Gewalt eine sinnvolle, nachhaltige politische Alternative entgegensetzen zu können. Und der Hilflosigkeit und Verzweiflung darüber, dass Aggressoren wie Putin leider nur die Sprache der Gewalt verstehen und uns in den Strudel der Gewalt hineinziehen, aus dem wir auch nicht mehr mit „reiner Weste“ herauskommen werden. Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms sowie der Streit über die Verantwortlichen sind Symbol dieses Dilemmas, in dem wir stecken.
Insofern ist Frau Arilla beizupflichten: die Feinde der Demokratie hierzulande sind Apathie und Gleichgültigkeit (vielleicht noch das kleine, erbärmliche Häuflein der Putin-Versteher), nicht aber der Pazifismus.
Abdurchdiemitte
[Re]: Das Argument mit den verschiedenen militärischen Traditionen bzw. „Schulen“ am russischen und US-amerikanischen Beispiel hatte ich nicht unbedingt auf dem Schirm, aber es überzeugt mich auch nicht besonders.
zum BeitragAbgesehen davon, dass es der Rede vom “gerechten Krieg” wieder Tor und Tür öffnen könnte. Ihre Gegenüberstellung der russischen und amerikanischen Kriegsführung legt das geradezu nahe. Da habe ich dann doch erhebliche Zweifel bezüglich der ethischen Unterscheidung bzw. Bewertung.
Im Grunde können Sie auch gleich sagen, Kriege unter US-Flagge seien von vornherein “gerecht”, wenn es um die Verteidigung oder auch den Angriff bzw. die militärische Durchsetzung (Stichwort Regimewechsel) demokratischer Werte geht. Das zu widerlegen wird anhand zahlreicher historischer Beispiele nicht schwierig sein und ich denke, das wissen Sie auch.
Ich kann so weit mitgehen, dass Kriege als ultimo ratio gerechtfertigt sein können, wenn es eben um eine echte Bedrohung demokratischer, freiheitlicher Werte geht, ein Aggressor erfolgreich gestoppt werden kann, Kriegsverbrechen und Völkermord somit verhindert werden können, kurz, wenn es sich um einen Verteidigungskrieg wie jetzt in der Ukraine handelt.
Und selbst da gibt es in der Geschichte zahllose Beispiele des Missbrauchs, in denen die Rechtfertigung der Verteidigung bloß vorgeschoben war, um möglicherweise eigene aggressive Absichten zu verschleiern.
Und „false flag“ als eine Art der Kriegsführung zu bezeichnen, die von den USA eher weniger eingesetzt wird, dürfte jedenfalls auch nicht den Tatsachen entsprechen.
Nein, Krieg ist und bleibt in jedem Fall ein blutiges, schmutziges Geschäft, da bleibe ich bei meiner grundsätzlichen pazifistischen Haltung. Auch wenn ich die militärische Hilfe für die angegriffene/verteidigende Seite gutheiße, mache ich mich aus ethischer Sicht in jedem Fall mitschuldig bzgl. der Folgen des Krieges. Dessen muss ich mir in meiner Entscheidung bewusst sein.
Abdurchdiemitte
[Re]: Gut, ich hätte auch “Islamophobie” schreiben können, um Stigmatisierung, Ausgrenzung und Dämonisierung ganzer Bevölkerungsgruppen aufgrund ethnischer, religiöser oder sozialer Merkmale zu beschreiben. Oder ganz allgemein von Rassismus.
zum BeitragDie von Ihnen aufgezählten Kriegsverbrechen der russischen Armee in der Ukraine wurden von mir in keiner Weise relativiert oder bestritten. Ich selbst habe davon gesprochen, dass es sich um Tatsachen handelt. Jedoch ein ganzes Volk dafür in Sippenhaft zu nehmen, halte ich für problematisch. Und den Begriff der Kollektivschuld lehne ich grundsätzlich ab.
Was den Antisemitismus betrifft, so teile ich in dieser Frage die Einordnung von Wolfgang Benz, der hierzu wesentliche Beiträge geliefert hat. Mir ist durchaus bewusst, dass im wissenschaftlichen wie politischen Diskurs über den “richtigen” Antisemitismus-Begriff eine heftige Kontroverse entfacht ist. Das nur, damit Sie meinen Standpunkt verstehen und einordnen können, bevor Sie ihn kritisieren.
www.deutschlandfun...o-einfach-100.html
www.deutschlandfun...umente-in-100.html
www.deutschlandfun...aus-einem-100.html
Deshalb sehe ich zwar die spezifischen Besonderheiten der antisemitischen Ideologie, betrachte sie aber im Kontext mit anderen Spielarten des Rassismus, z.B. dem Antiziganismus, einer Bevölkerungsgruppe, die ebenfalls zum Opfer des NS-Rassenwahns wurde. Auch hier ging es um Stigmatisierung einer ganzen Gruppe aufgrund bestimmter Merkmale, die den erklärten Willen zu deren physischer Vernichtung umfasste.
Abdurchdiemitte
[Re]: Man kann natürlich dagegen halten, dass “Maskirowka”grundsätzlich ein wesentliches Element der psychologischen Kriegsführung ist. Ich denke, die historischen Beispiele dazu fallen Ihnen selbst ein, die muss ich nicht noch aufzählen. Deshalb ja die Redensart, dass im Krieg zuerst die Wahrheit sterbe.
zum BeitragUnd die dahinter stehenden Erfahrungen halte ich immer noch für zutreffend, trotz meiner grundsätzlichen Haltungsänderung zu DIESEM Krieg.
Die Zuschreibung von Attributen wie List, Tücke, Verschlagenheit, besonderer Grausamkeit und Brutalität allein an die russische Seite zu adressieren, könnte auch mit Fug und Recht als Russophobie betrachtet werden (und zwar ungeachtet der Tatsache, dass die russische Propaganda diesen Vorwurf selbst an die westliche Adresse richtet).
Und es dürfte auffallen, dass alle von mir genannten, gegen “die Russen” gerichteten Negativ-Attribute auch im Kontext des Antisemitismus gegenüber den Juden eine wesentliche Rolle gespielt haben bzw. spielen.
Hier werden aus meiner Sicht in der medialen und öffentlichen Beurteilung des russischen Angriffskrieges - und selbst der schlimmsten Kriegsverbrechen, die ja zweifellos nachweisbar sind - eindeutig Grenzen überschritten. Diese Kritik gilt natürlich nicht Ihnen persönlich, andere sollten sich angesprochen fühlen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Könnte es nicht sein, dass die Perspektive die jeweilige Haltung bestimmt und Sie von daher nicht einfach unterstellen können, dass bestimmte Positionen grundsätzlich rein opportunistischen Erwägungen geschuldet sind? Sondern z.B. ernsthaften ethischen Standortbestimmungen, über die auch gestritten und heftig gerungen werden kann?
zum BeitragWenn Sie auf die Notwendigkeit von Ideologiekritik verweisen, bin ich ganz bei Ihnen … nur gilt das dann nicht bloß für Gläubige, sondern z.B. auch für Religionskritiker und Atheisten.
Auch deren Haltung ist möglicherweise ideologisch motiviert, kann ebenso opportunistischen Gesichtspunkten folgen und ist von daher genau so hinterfragbar, kritikwürdig und keineswegs sakrosankt wie auch religiöse Glaubensüberzeugungen. Das war es nur zu DDR-Zeiten nicht.
Abdurchdiemitte
[Re]: Stimmt natürlich. Die Vermutung, Russland wolle vor seinem Abzug noch möglichst viel verbrannte Erde bzw. überschwemmtes Land hinterlassen, ist auch nur eine Spekulation bzgl. Putins Motive. Die setzt Johnson jedoch als gegeben voraus. Dass man den Russen jegliche Sauerei zutrauen kann, ist noch kein Beweis dafür, dass sie tatsächlich den Staudamm gesprengt haben, es passt jedoch in das Bild, was wir uns inzwischen über die russische Kriegsführung machen konnten (und mich bewogen hat, meine eigene pazifistische Haltung zu diesem Krieg seit dem 24. Februar letzten Jahres zu überdenken und zu ändern).
zum BeitragAuch wenn der Grundsatz gilt, im Zweifel für den Angeklagten, so liegt in anderen Fällen genügend beweiskräftiges Material hinsichtlich abscheulicher russischer Kriegsverbrechen vor.
Abdurchdiemitte
[Re]: Nicht alles falsch, was Sie hier schreiben, teils könnte ich sogar zustimmen.
zum BeitragAber irgendwie kriegen Sie die argumentative Kurve nicht, was Ihre klugen Einlassungen zur Kritik des Linksliberalismus mit russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine zu tun haben, wie jetzt der Zerstörung des Kachowka-Staudamms.
Wären Sie so liebenswürdig, das noch näher zu erläutern?
Abdurchdiemitte
[Re]: Wir Deutschen kennen das doch aus unserer eigenen Geschichte. Diktatoren neigen dazu, vor ihrem eigenen Untergang noch möglichst viel zu zerstören und die Menschen mit in den Tod hineinzureißen.
zum BeitragDeshalb muss die Konsequenz sein - neben der Unterstützung der Ukraine -, im eigenen Land wachsam zu bleiben, die Demokratie (so unvollkommen sie auch erscheinen mag) zu verteidigen, auch über politische Differenzen hinweg, und alles zu tun, damit ideologische Rattenfänger nicht wieder das Ruder übernehmen können.
Der Meinungsstreit unter Demokraten, das Ringen um den richtigen Weg und die richtigen Konzepte kann zu anderen, besseren Zeiten ausgetragen werden.
Abdurchdiemitte
MIt Verweis auf Tschernobyl schreibt Dominic Johnson: “Das Staudammverbrechen von Kachowka 2023 sollte für das Putin-System eine ähnliche Wirkung entfalten.” Er bezieht sich damit auf die russische Strategie der verbrannten Erde in der Ukraine.
zum BeitragPutin und den Seinen indes sollte klar sein, dass dieses Verbrechen das Ende ihrer Herrschaft einleiten könnte, ähnlich wie Tschernobyl seinerzeit den Anfang vom Ende der Sowjetunion bedeutete.
Aber vorher spielen sie noch die Klaviatur der Erpressung und Einschüchterung, bis hin zu dem Signal, vor dem eigenen Abgang noch möglichst viele mit in den eigenen Untergang reißen zu wollen. Die besetzten Gebiete in der Ukraine und ihre Bewohner sind dabei ihr Faustpfand.
Erbärmlich. Ich kann vor diesen Kriegsverbrechern nur ausspucken.
Abdurchdiemitte
Ich stimme der Bischöfin in allen Punkten zu und ergänze: Kohelet 3, 1-15
zum Beitragwww.uibk.ac.at/the...um/bibel/koh3.html
Abdurchdiemitte
[Re]: Die heutigen Probleme der Palästinenser ausschließlich auf die westliche Wahrnehmung des Konflikts bzw. die pro-israelische Öffentlichkeit schieben zu wollen, wäre zu einfach.
zum BeitragIch räume ein, dass die israelische Gesellschaft inklusive ihrer (sich eh in der politischen Defensive befindlichen) liberalen und linken Kräfte bei weitem nicht bereit und in der Lage ist, die Bedeutung der Nakba für die Palästinenser zu erkennen und anzuerkennen. Dafür ist in den Kämpfen, die 1948 zur Gründung des Staates Israel führten, von beiden Seiten zu viel Blut vergossen worden.
Dann bemühen Sie auch wieder den palästinensischen Opfermythos. So kommen wir nicht weiter. Es ist einfach nicht wahr, dass die Palästinenser und ihre Anliegen auf der internationalen Bühne völlig isoliert dastehen, das Gegenteil ist der Fall. Denken Sie an die UN-Resolutionen in den vergangenen Jahrzehnten mit eindeutiger Verurteilung der israelischen Politik. Die Chancen für eine Zweistaaten-Lösung sind von ihnen und ihren arabischen Verbündeten allerdings stets ausgeschlagen worden. Und ich kann nicht erkennen, dass diejenigen Kräfte in der palästinensischen Gesellschaft, die weiterhin die physische Vernichtung des israelischen Staates fordern und den Juden in unversöhnlichem Hass gegenüberstehen, zurückgedrängt wurden. Auch hier gilt eher das Gegenteil.
Mich würde z.B. interessieren, welchen Beitrag der von Ihnen genannte Mohammad al-Kurd für den Friedensprozess leistet, wie er die Bedeutung der Shoa für die israelische Staatsgründung bewertet oder welche Position er zu linkem und islamischem Antizionismus und Antisemitismus bezieht.
Abdurchdiemitte
[Re]: Die Frage nach dem ZUERST ist eine schwierige, da man tatsächlich an beide Seiten appellieren muss, die Gewaltspirale zu unterbrechen. Auf beiden Seiten wird sie momentan aber leider immer noch weiter angefacht.
zum BeitragWo liegen die Probleme? Auf israelischer Seite sicherlich in der zunehmenden gesellschaftlichen Rechtsentwicklung, die in den letzten Wahlen zu dieser unsäglichen Regierungskoalition unter Beteiligung offen rechtsextremistischer Parteien geführt hat. Netanyahu, dem die Aufhebung der politischen Immunität und Anklagen drohen, ist hochgradig erpressbar und somit auf Gedeih und Verderb seinen rechtsextremistischen Verbündeten ausgeliefert. (Natürlich sind Netanyahu und sein Likud dieses Bündnis mit Kalkül und trotz Bestehens anderer Koalitionsmöglichkeiten eingegangen.)
Auf der palästinensischen Seite sehen wir eine korrupte, machtlose Autonomiebehörde unter dem Greis Abbas, die den Respekt der Bevölkerung längst verloren hat, sozusagen eine Königin ohne Land. Radikale antisemitische, islamistische Gruppierungen geben mittlerweile den Ton an. In Gaza gewinnen inzwischen noch radikalere Islamisten gegenüber der dort regierenden Hamas an Einfluss.
Während in Israel die Zivilgesellschaft zu Hunderttausenden auf die Straße geht, um gegen ihre eigene Regierung zu protestieren, laufen die Palästinenser in ihrer Perspektivlosigkeit den hasserfüllten Fanatikern in den eigenen Reihen hinterher. Oder sie resignieren entmutigt.
Ganz trübe Aussichten also. Welche Vorschläge haben Sie anzubieten, damit die Region aus der Sackgasse der Gewalt wieder herauskommen kann? Welche Perspektiven müssen den Palästinensern eröffnet werden, wie kann dabei eine Garantie für die Existenz des Staates Israel gewährleistet werden?
Abdurchdiemitte
[Re]: Ihr Unverständnis, den Ärger und die Wut über die regelmäßigen Krawalle in Connewitz kann ich nachvollziehen. Mir würde es genauso gehen.
zum BeitragDer Kommentar von Konstantin Nowotny geht jedoch auf das Ursache-Wirkungs-Verhältnis dieser Ausschreitungen ein, eine Billigung oder gar Zustimmung zu linksautonomen Gewalttaten kann ich darin beim besten Willen nicht erkennen. Und die Ursachen sollten Sie - bei aller persönlichen Betroffenheit - nicht aus dem Blick nehmen.
Von einigen Foristen wurden die Ursachen zutreffend unter dem Stichwort Staatsversagen subsummiert. Es ist v.a. ein Versagen der Politik, der Polizei und der Justiz im Umgang mit rechtsextremistischen Demokratie- und Verfassungsfeinden, das sprichwörtliche Blindsein auf dem rechten Auge.
Mir persönlich bereitet die zunehmende Gewalt auf den Straßen, das Triggern linksradikaler Gewalttäter, das Staatsversagen angesichts dieser Lage auch Sorgen, erinnert es mich doch an die bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen am Ende der Weimarer Republik 1932/33.
Statt „bürgerlicher“ Aufregung, Rufe nach mehr Polizei, härteren Gesetzen und Überwachungsstaat wäre meine Antwort immer noch die konsequente Bekämpfung des Faschismus. In dessen schleichender Aneignung unseres Staat nämlich liegt letztlich die Ursache für die „Unannehmlichkeiten“, die Sie als Leipziger Bürger*in anlässlich solcher Ausschreitungen zu erdulden haben.
Dass es sich bei diesen reflexartigen gewalttätigen Reaktionen der linksautonomen antifaschistischen Szene um alles andere als kluge Mittel handelt, dürfte auch hinlänglich klar sein.
Aber Ihre Bezeichnung dieser Szene als „linken Mob“ zeigt schon an, wie Sie sich in diesem Konflikt positionieren. Ich hoffe nur inständig, sie sehen in den AfD-„Biedermännern“, die im Hintergrund diskret oder auch offen rechtsextremistische Gewalttäter und Terroristen munitionieren, nicht die Alternative, für die sie sich ausgeben.
Abdurchdiemitte
[Re]: Dass es aus palästinensischer Perspektive eine Katastrophe war, die sich zudem in der völkerrechtswidrigen und ungerechten israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik fortsetzt, wird von mir nicht bestritten.
zum BeitragAus jüdischer Perspektive jedoch sieht das alles ein bisschen anders aus, solange von führenden Vertretern der palästinensischen Bewegung das Existenzrecht Israels nicht anerkannt (Antizionismus) oder sogar die physische Eliminierung des jüdischen Volkes (Antizionismus) propagiert wird. So einfach ist das.
Kann man von Unterstützern der palästinensischen Ansprüche hierzulande nicht erwarten, diesem Antizionismus und Antisemitismus klar und deutlich entgegenzutreten statt stets in (letztlich infantiler) „Aber-die-anderen-sind-schuld“-Manier den Ball lediglich permanent hin und her zu spielen?
Und ja, ich bin fest davon überzeugt, dass eine historische, politik- und sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung weiter führt als eine lediglich subjektivistische Parteinahme für eine der beiden Seiten.
Sie haben vermutlich auch keine Vorstellung davon, was Flucht, Vertreibung und Genozid für die betroffenen Menschen wirklich bedeuten, es sei denn, sie selbst sind davon betroffen. Uns bleibt jedoch, wenigstens zu versuchen, die Hintergründe und Ursachen menschenverachtendender und gewaltbereiter Ideologien zu erforschen, in der Hoffnung, dass daraus die „richtigen Lehren“ gezogen werden.
Und klar, ein wenig Empathie mit Blick auf die (kollektive, sich intergenerationell fortsetzende und ständig neu genährte) Trauer und den Schmerz der jeweils anderen Seite. Und dafür zu arbeiten, dass das alles nicht in Hass und Gewalt umschlägt.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Verzweiflung über einen Staat, der offensichtlich blind gegen die Gefahr von rechts ist oder unwillig, dagegen vorzugehen.“
zum BeitragSie haben den Kern des Problems herausgearbeitet, wie mein Deutschlehrer so schön und treffend zu sagen pflegte.
Was aber ist, wenn eine Mehrheit unserer deutschen Mitbürger das Problem nicht als solches erkennt, sondern im Gegenteil in der Gefahr von rechts noch die Erlösung von allen möglichen Übeln sieht? Ist in einer liberalen parlamentarischen Demokratie nicht immer noch das (Staats-) “Volk“ der Souverän?
Abdurchdiemitte
Man könnte den Beitrag von Erik Peter auch als Gegenrede zu dem von Gereon Asmuth lesen, wenn die Perspektive der Beurteilung antifaschistischer Gewalt nicht so unterschiedlich wäre. Ich wäre geneigt zu sagen, dass beide Autoren Recht haben, nur hilft das in diesem Kontext nicht viel weiter.
zum BeitragEs macht ja schon einen Unterschied, ob ich im Zusammenhang mit dem Fall Lina E. von hilflosem Aktionismus, unverhältnismäßiger, brutaler Gewalt oder - angesichts der menschenverachtenden Brutalität des faschistischen Gegners - einer (leider) notwendigen und legitimen Handlungsweise im antifaschistischen Kampf spreche.
In der Einschätzung, was passieren würde, gelangten die Höckes an die Macht, sind wie uns alle wohl überwiegend einig, man kann es bei Höcke auch selbst nachlesen. Seine Aussagen lassen an seinen Intentionen nicht den geringsten Zweifel, wie man es auch bei Hitler schon hätte wissen können.
Es ist also klar, dass mit bürgerlichem (Links-)Liberalala-Geschwafel und Pazifismus den Faschisten nicht beizukommen ist. Aber wenn die Lage so ist, wie sie Peter beschreibt und ich sehe keinen Anlass, daran zu zweifeln - ist der Kampf schon längst entschieden, individualistisch-aktivistische „Heldentaten“ und Straßenkampf sind dann so vergebens, ja, kontraproduktiv wie es 1932/33 der Fall war.
Es bleibt, die Koffer zu packen und sich schnellstmöglich aus dem Staub zu machen, denn ich will weder Patriot, Freiheitskämpfer oder Märtyrer im Namen irgendeines Vaterlandes, einer Fahne oder Ideologie sein.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Das Linkspartei-Klientel geht bei uns im Osten nahtlos in die AfD über. Der Hass auf die Ampel ist dort genauso verbreitet.“
zum BeitragHass? Das hat ja schon eine andere Qualität als lediglich die Politik- und Parteienverdrossenheit, die ja schon in der alten Bonner Republik allzu bekannt war.
Ist es nicht mal an der Zeit, in aller Bescheidenheit darauf hinzuweisen, dass „bei uns im Osten“ in vielen Köpfen weiterhin ein massives Demokratiedefizit besteht (natürlich nicht nur im Osten)?
Und zwar ganz ohne arrogante Wessi-Überheblichkeit, weil es nicht mehr oder minder um den Schutz der Demokratie geht, an deren Verteidigung wir alle gemeinsam ein Interesse haben sollten.
Abdurchdiemitte
[Re]: Wissen Sie, die einen sagen, es wäre der linksnationale Flügel um Wagenknecht, der sich mit populistischen Themen bei den Rechten anbiedert, die anderen, es wäre die wachsende Distanz der sog. Bewegungslinken von den Schuhen, die ihrem Klientel drücken und somit die AfD stark machen. Alles eine Frage der Perspektive.
zum BeitragDat ist für mich persönlich uninteressant, um es mal wieder mit Spitz&Spitz aus Jürgen Beckers „Mitternachtsspitzen“ zu formulieren.
Fest steht doch, dass die AfD nur ein Symptom ist für den Niedergang der liberalen parlamentarischen Demokratie, nicht aber ihre Ursache.
Die Ursachen liegen aus meiner Sicht im Demokratieversagen der etablierten Institutionen, also der zunehmenden Unfähigkeit und dem fehlenden Willen, für sozialen Ausgleich und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu sorgen, drängende existenzielle Probleme zu lösen (Klimapolitik), Lobbyismus und Korruption der politischen Elite.
Ich denke, da erübrigt es sich wirklich, lang und breit darüber zu diskutieren, ob AfD-Wähler Nazis sind oder nicht. Dass die AfD für die genannten Probleme keine Antworten bietet, müsste inzwischen auch dem letzten Hinterwäldler bekannt sein. Ist es aber leider nicht.
Es bleibt uns als Bürgern lediglich, in öffentlichen politischen Auseinandersetzungen permanent (und penetrant) darauf hinzuweisen, dass es sich hier eben nicht um eine Alternative handelt, sondern um einen gefährlichen Holzweg … zumindest, wenn man an echten Lösungen bzw. Auswegen aus der Misere interessiert ist und nicht lediglich darum, sich folgenlos auszukotzen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Es wäre sogar denkbar, dass die Union mit ihrem Verweis auf das Versagen der Ampel eine spätere Koalition mit der AfD legitimieren möchte, so nach dem Motto: schaut her, die Ampelparteien haben es verbockt, sie sind schuld am Aufstieg der AfD. Und jetzt bleibt uns - leider, leider (seufz, frommer Augenaufschlag) - nichts anderes übrig als mit ihr (und der FDP) zu koalieren, um Deutschland zu „retten“ … ja, vor was eigentlich? Da wird den Konservativen aber gewiss noch rechtzeitig was einfallen, so wie ich sie kenne. Das Gute im Schlechten ist derzeit ja, dass die Linkspartei inzwischen derart down ist, dass sie für die Rolle als „rote Gefahr“ nicht in Betracht kommt. Also muss wohl der „Ökosozialismus“ eines Robert Habeck dafür herhalten.
zum BeitragEine derart billige, durchschaubare Strategie ist der Merz-CDU durchaus zuzutrauen. Weil sie möglicherweise erfolgreich wäre.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich auch nicht … eigentlich möchte ich so etwas als schieren Sadismus bezeichnen und es kommen mir unweigerlich die Berichte über Folterungen ukrainischer Kriegsgefangener durch die russische Soldateska in den Sinn. Diese sind aus Putinscher Weltsicht ja auch “Faschisten” und das legitimiert offenbar jegliche Grausamkeit.
zum BeitragOb mein Vergleich überhaupt statthaft ist, ich weiß es nicht, er ist auf jeden Fall emotional und entspringt meiner moralischen Haltung zur Gewaltfrage.
Ich halte daher, unabhängig von den juristischen Argumenten der Urteilsbegründung, dass Strafmaß in diesem Fall für angemessen, füge zugleich aber hinzu, dass ich mir ebenso eine konsequente Strafverfolgung rechter Gewalttaten wünsche. Hier stimmt leider der Eindruck vom blinden rechten Auge unserer Staatsgewalt.
Abdurchdiemitte
[Re]: Danke für den Kommentar … hier stimmen wir überein.
zum BeitragAbdurchdiemitte
Danke. Herr Schmidt, für die Berichterstattung über die Diskussionsveranstaltung mit Derek Penslar und dessen Forschungsarbeit über den Zionismus und die Ereignisse, die 1948 zur Gründung des Staates Israel führten. Ein wichtiger Beitrag zur Versachlichung einer (notwendigerweise) emotionalen und kontroversen Debatte.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: „Mackerhafte“ Attitüden männlicher Antifaschisten sind da aber auch nicht hilfreich, eher Beweis toxischer Männlichkeit, also dem, was man eigentlich dem Gegner zuschreibt.
zum BeitragMeinen Sie das mit „Schwäche der Antifa“?
Abdurchdiemitte
[Re]: Das Problem mit DITIB hier bei uns hat aber auch viel mit der Diskrepanz zwischen dem laizistischen Staatsverständnis der kemalistischen Türkei und der kulturellen Dominanz der islamisch-sunnitischen Religion (für Aleviten gilt dieser Gegensatz weniger) in der Bevölkerung. So lange die Religionsausübung sich auf das Private beschränkt und keine (macht)politischen Ambitionen verfolgt, ist das kein Problem für den säkularen Staat. Eigentlich ist diese Problematik auch aus Israel bekannt.
zum BeitragDiese idealtypische, westlichen demokratisch-laizistischen Vorstellungen entspringende Konstruktion von Gesellschaften hat in der modernen Türkei nie funktioniert, es ist kein Thema von 22 Jahren Erdogan-Herrschaft.
Mit Diyanet, der türkischen Religionsbehörde, erschuf der Staatsgründer Atatürk ein Instrument der Kontrolle und Einhegung des gesellschaftlichen Einflusses des sunnitischen Islam (dieser ist mit Gründung der türkischen Republik ja nicht verschwunden oder wurde radikal bekämpft wie in der Sowjetunion). Aus meiner Sicht ein „Geburtsfehler“, da keine konsequente Trennung beider Bereiche vorgenommen wurde - was in der damaligen Türkei wie auch heute auch gar nicht vorstellbar wäre -, sondern mit der stattlichen Kontrolle über die Moscheen Politik gemacht und von den herrschenden Eliten Einfluss auf die Bevölkerung genommen wurde.
Heute, unter Erdogan, kann man sagen, dass das Verhältnis sich umgekehrt hat: nicht der Staat beherrscht die Religion, sondern die Religion bzw. der politische Islam (Islamismus) den Staat.
Sie sehen, wie der Kreis sich hinsichtlich der türkischen Diaspora in Deutschland schließt: DITIB ist ebenso ein Instrument des türkischen Staates, die Kontrolle über die sunnitischen Deutschtürken aufrechterhalten und sie zugleich an die nationalistische Überhöhung des Türkentums zu binden. Nach meiner Meinung - neben dem Rassismus der Aufnahmegesellschaft - eines der Hauptprobleme im Integrationsprozess.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ja, man kann nicht behaupten, die Deutschtürken müssten die Folgen Ihres Wahlverhaltens nicht erdulden.
zum BeitragDer repressive, autoritäre Arm des türkischen Staates reicht weit bis nach Deutschland hinein, was von der deutschen Gesellschaft und dem deutschen Staat jedoch gleichgültig-schulterzuckend hingenommen wird, so nach dem Goetheschen Motto: wenn fern hinten in der Türkei die Völker aufeinander schlagen … .
Im Fall des PKK-Verbots hat sich der deutsche Staat seinerzeit sogar zu einem willfährig-devoten Handlanger nationalistisch-chauvinistischer türkischer Staatsinteressen gemacht.*
Heute machen es die Schweden, um die Zustimmung des Potentaten vom Bosporus zu ihrem NATO-Beitritt zu erheischen. Abschiebungen türkischer und kurdischer Oppositioneller in die Türkei! (Aber die bayerische CSU möchte ja jetzt auch russische Dissidenten dem Putin ans Messer liefern.) Der Kerl kann mit dem Westen Schlitten fahren, wie er möchte!
*Das schließt die Kritik an der quasi-stalinistischen Ideologie der PKK, dem Personenkult um Öcalan, der brutalen Eliminierung andersdenkender konkurrierender kurdischer Organisationen sowie der von der PKK ausgehende Gewalt in den Achtziger- und Neunzigerjahren nicht aus. Aber der kurdische Terrorismus ist lediglich eine Antwort auf den jahrzehntelangen türkischen Staatsterrorismus, das darf nicht vergessen werden. Deshalb hielt ich das PKK-Verbot damals für falsch und trete heute erst recht für seine Aufhebung ein.
Abdurchdiemitte
[Re]: Nun seien Sie mal nicht so kleinlich und gönnen dem alten Herrn doch, dass er sein hundertstes Lebensjahr erreicht hat … für einen deutschen Kommunisten war das weiß Gott nicht zu allen Zeiten selbstverständlich.
zum BeitragObwohl, man hätte ihm auch sagen können, dass unter den 25 Mio. sowjetischen Opfern der Nazi-Barbarei nicht nur Russen waren. Aber wer mit 100 immer noch Kommunist ist, ist da wohl beratungsresistent (oder muss es halt nicht mehr so genau nehmen).
Trotzdem: Glück auf zum 100., Herr Christiansen!
Abdurchdiemitte
[Re]: Das Dumme an der Sache ist nur, dass die Rechten auch so die Oberhand in Europa gewinnen werden.
zum BeitragDas kommt davon, wenn die EU sämtliche humanitären Standards in der Migratiinspolitik fahren lässt, Autokraten und Diktatoren in aller Welt (auch inmitten Europas) die Hände schüttelt und zugleich von „wertebasierter“ Außenpolitik schwadroniert.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ja, den Eindruck könnte man gewinnen, schaut man auf die jeweiligen Hochburgen des Erdogan- und des Kilicardoglu-Lagers und betrachtet man diese Wahlbündnisse jeweils als politisch monolithische Blöcke (was sie tatsächlich nicht sind und was bei genauerem Hinschauen auch nicht für das Zweiparteiensystem in den USA gilt).
zum Beitrag“Monolithisch” sind die meisten türkischen Parteien lediglich in ihrem (mehr oder weniger ausgeprägten) Bekenntnis zu den staatspolitischen Prinzipien des Staatsgründers Kemal Mustafa Atatürk (Kemalismus). Selbst Erdogans AKP kann sich nicht vollständig davon abwenden, sie propagiert lediglich eine stärkere Hinwendung zu einem Umbau von Staat und Gesellschaft nach islamischen Vorstellungen, was wiederum bei den Laizisten auf entschiedene Ablehnung trifft. Hinsichtlich der kemalistischen Doktrin der “nationalen Einheit” gibt es jedoch kaum Unterschiede zwischen der AKP und beispielsweise der größten Oppositionspartei, der CHP.
Parteien wie etwa die HDP, die der offiziellen Staatsideologie - die auch den Nationalismus und die chauvinistische Überhöhung des türkischen Staatsvolks einschließt - kritisch gegenüberstehen oder sie gar ablehnen, haben es bis heute schwer und sind politischer Verfolgung (bis hin zum Verbot) durch die Staatsorgane ausgesetzt. Gängig sind in diesem Zusammenhang v.a. der Terrorismusvorwurf bzw. der Vorwurf, vermeintlich der verbotenen PKK nahezustehen. In der Vergangenheit hat das schon mehrfach zu Verboten von Vorgängerparteien der HDP geführt.
Und wie es um die Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Menschenrechte in der Türkei bestellt ist, ist hinlänglich bekannt.
Diese Einschränkung/Missachtung demokratischer Grundrechte bestand schon lange vor der Machtübernahme Erdogans, eigentlich schon seit Gründung der türkischen Republik (anfangs bestand sogar die Hoffnung, dass es mit Erdogan zu demokratischen Reformen und einer Anerkennung der kurdischen Minderheit kommen könne).
Abdurchdiemitte
“Abgehängte” Regionen sind nicht nur die AKP-Hochburgen am Schwarzen Meer, im Nordosten und Zentralanatolien, sondern auch die mehrheitlich von Kurden bewohnten Gebiete in der Südosttürkei. Dorthin aber gilt es die Aufmerksamkeit zu richten, denn ausgerechnet dort, in den rückständigen, agrarisch geprägten Regionen, konnten die linken Parteien, das Wahllistenbündnis YSP - getragen v.a. von der prokurdischen, permanent von Verfolgung und Parteiverbot bedrohten HDP - einen Achtungserfolg erringen, der ihnen immerhin etwa 10% der Abgeordnetensitze im türkischen Parlament bescheren wird. Auch die sozialistische TIP konnte wohl vier Mandate erringen. Angesichts der erdrückenden Übermacht kemalistisch-nationalistischer, faschistischer und islamistischer Parteien kann man das wohl einen kleinen Lichtblick nennen.
zum BeitragDie Ereignisse vor der Stichwahl haben jedoch gezeigt, dass im Kampf um die Demokratie kein Verlass auf Kilicardoglu und seine CHP ist. Die säkularen Kemalisten waren entschlossen, den Pakt mit dem nationalistischen Teufel einzugehen, um sich wieder an die Macht zu hieven. Insbesondere für die Kurden in der Türkei eine Wahl zwischen der islamo-nationalistischen Erdogan-Pest und der nicht minder chauvinistischen, lediglich laizistischen Kilicardoglu-Cholera.
Leider gab es für die linke Opposition in der Präsidentenwahl diesmal keine Alternative als die Kandidatur Kilicardoglus zu unterstützen. Denn: nur mit seinem Sieg hätte wenigstens ansatzweise die Chance auf Wiederaufnahme des demokratischen Prozesses gewahrt werden können. Und das stand ganz klar im Vordergrund, noch vor dem Stellen der Systemfrage oder dem Austragen ideologischer Differenzen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Klar ist, dass die Zuspitzung des Wahlkampfs auf das Thema sunnitisch-islamo-nationalistischer “Reis” vs. alevitisch-laizistisch-demokratischer “Dede” von beiden Seiten sich für die Opposition als Eigentor erwiesen hat.
zum BeitragEs ist ja nicht nur eine politisch-ideologische Auseinandersetzung, was da in der Türkei passiert, es hat auch etwas von Kulturkampf, übrigens genau so in der deutschtürkischen Community hierzulande (beides lässt sich natürlich nicht trennscharf voneinander abgrenzen). Wer aber die Entwicklung und den aktuellen Zustand der türkischen Gesellschaft kennt, konnte wissen, in welche Richtung die Reise geht.
Der konservativ-islamische roll-back der Türkei ist übrigens ein Phänomen, der schon lange vor Erdogan beobachtet und beschrieben wurde.
Abdurchdiemitte
Ein weiterer Erklärungsamsatz für den Wahlsieg Erdogans, zur Ergänzung der schon genannten:
zum BeitragIndem Kilicardoglu meinte, im Wahlkampf die “alevitische Karte” spielen zu müssen (um sich vom Islamo-Nationalismus eines Erdogan und seiner AKP abzusetzen), hat er damit nur die (alten) inneroppositionellen Gräben zwischen säkular-nationalistischen Kemalisten (linke Variante CHP, rechte Variante IYI) und den linken “prokurdischen” (HDP/YSP) sowie internationalistisch orientierten ((TIP) Kräften wieder aufgerissen.
Die alevitischen Glaubensangehörigen unter der türkischen und kurdischen Bevölkerung können mit ihren etwa 20% Bevölkerungsanteil zwar durchaus wahlentscheidend sein - worauf Kilicardoglu wohl setzte - , stehen seit jeher jedoch in einem Dilemma zwischen der Loyalität zum türkischen Staat (der sie immer noch ans Messer lieferte) und den laizistischen Prinzipien Atatürks auf der einen und den linken türkischen wie kurdischen revolutionären Bewegungen auf der anderen Seite.
Dieser Spagat ist nicht zu schaffen und Kilicardoglu steht mit seiner ganzen Person und seinem politischen Programm für genau dieses Dilemma. Sein schlussendliches Anbiedern bei den Kräften, die die chauvinistische Überhöhung des Türkentums propagieren, zeigt, wohin die Reise gehen kann. Tragische Figur.
Aleviten, schaut genau hin, wenn es um die Frage geht: which side you are stand on?
Abdurchdiemitte
[Re]: Die Kritik am arroganten, ihre eigenen Unterschichtsanhänger düpierenden und speziell an der Kandidatin Hillary Clinton festzumachenden Wahlkampf der US-Democrats in 2017 teile ich.
zum BeitragMit den türkischen gesellschaftlichen Verhältnissen, der politischen “Landkarte” und dem Parteiensystem dort ist das allerdings nur bedingt vergleichbar. Das gilt übrigens auch für den Vergleich Erdogans mit Trump.
Ich würde mal behaupten, dass es sich bei den Erdogan-Anhängern keinesfalls um “abgeschlagene” Bevölkerungsgruppen handelt, jedenfalls nicht ausschließlich, weder in der Türkei noch hier in Deutschland, wo die Zustimmung zu Erdogan ja noch viel höher ausfällt.
Wir können uns also noch weiter den Kopf zerbrechen (oder die Haare raufen) über den Wahlsieg Erdogans … obwohl, einige Anhaltspunkte gibt es schon, die in der Debatte auch schon benannt wurden. Die haben im Fall der Türkei nur wenig mit der Prekariats-These zu tun.
Abdurchdiemitte
War es doch ein Fehler der Opposition, Kilicardoglu nominiert zu haben? Es ist jedoch jetzt müßig, darüber zu spekulieren, ob Imamoglu der bessere Kandidat gewesen wäre. Auch er hätte inhaltlich nichts anderes vertreten als Kilicardoglu, auch er hätte ein politisch höchst fragiles, heterogenes Oppositionsbündnis angeführt.
zum BeitragDie Zeit für den „Reis“ ist noch nicht abgelaufen, wenn er auch angeschlagen ist. Das gilt es zu akzeptieren. Auch wenn es in dem einen oder anderen Fall zu Wahlmanipulationen gekommen sein sollte, ist sein Stimmenvorsprung dennoch einfach zu groß.
Ich denke, das verzweifelte Anbiedern Kilicardoglus bei den nationalistisch-säkularen Parteien hat ihm im linken und liberalen Lager mehr Stimmen gekostet als er am Ende auf der rechten Seite gewonnen hat.
Ich persönlich bin jedenfalls von einem Oppositionskandidaten enttäuscht, in dem zu Anfang des türkischen Wahlkampfes viel Hoffnung gesetzt wurde, der sich öffentlich zum Alevitentum und damit zu Demokratie, Toleranz, Frieden und Religionsfreiheit bekannte, in der Zielgeraden jedoch eine aus meiner Sicht fatale, im Grunde unverständliche politische Kehrtwende vornahm.
Zur Haltung der türkischen und kurdischen Linken in der Türkei, die unter dem Dach der neugegründeten YSP (Linksgrüne Partei) mit einer gemeinsamen Liste antraten (da die HDP als bis dahin drittstärkste politische Kraft im türkischen Parlament permanent vom Parteiverbot bedroht ist) ist vielleicht folgender Link aufschlussreich:
jacobin.de/artikel...an-koca-interview/
Abdurchdiemitte
[Re]: Also, jetzt vergaloppieren Sie sich wirklich mit Ihren Argumenten … „siedeln“ oder „wohnen“, definieren Sie den Unterschied. Wer wohnt, muss logischerweise zuvor dort gesiedelt haben. Auch so eine Banalität. Sie können @Shukran hier lediglich mit einigen argumentativen Verrenkungen eine irgendwie judenfeindliche Haltung unterjubeln (ob er sie wirklich hat, können Sie gar nicht wissen, das gibt sein Post nicht her), wenn er von illegalen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet spricht. Deren Illegalität ist leider Fakt, weil völkerrechtlich nicht gedeckt, wie auch immer man es drehen und wenden will.
zum Beitrag„… und dieser christliche europäische Antisemitismus hetzt die Muslime in Middle East auf, wodurch die Phantasie entsteht, Menschen würden illegal siedeln, dort wo sie wohnen.“
Alles Phantasie also, aha, so einfach kann man sich die Welt auch erklären. Immerhin stimmen wir offensichtlich darin überein, dass Antisemitismus eine originär christlich-europäische „Erfindung“ ist und keineswegs zuerst von den Palästinensern oder allgemein den Muslimen erdacht wurde.
Jedoch würde ich weiterhin behaupten, dass der moderne, völkische Antisemitismus, der schließlich in die Katastrophe der Shoa geführt hat, in engem Zusammenhang mit der europäischen Industrialisierung und Modernisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. gestanden hat. Das relativiert natürlich nicht den jahrhundertealten christlichen Antijudaismus, in dem der moderne Antisemitismus seine Wurzeln und seinen Vorläufer hat.
Abdurchdiemitte
[Re]: Tut mir leid, ich kann in dem von Ihnen zitierten Statement beim besten Willen nicht erkennen, dass israelische Siedlungs- und Besatzungspolitik mit palästinensischen Selbstmordattentätern in einen Topf geschmissen wird, wenn banal darauf verwiesen wird, dass beides zu verurteilen ist.
zum BeitragUm was für einen “Topf” sollte es sich denn hierbei handeln? Das müssen Sie schon erklären. Mit Antisemitismus jedenfalls muss beides nicht zwangsläufig zu tun haben … und auch diese Unterstellung (Antisemitismusverdacht) kann wiederum ideologisch motiviert sein.
Aber wahrscheinlich bin ich aus Ihrer Sicht nur in einem “kognitiven Modell” gefangen (oder wie Frau Roth eine „tragische Figur“). Ich jedoch würde das ein “Totschlag-Argument” nennen, da der im kognitiven Modell Gefangene qua beispielsweise christlicher Abstammung bzw. Sozialisation - das Beispiel haben Sie selbst gebracht - überhaupt keine Chance hat, diesem Gefängnis zu entkommen … es sei denn, er schwört seiner Herkunft radikal ab.
Halte ich für einigermaßen gefährlich, denn dann wären auch Juden und Muslime - um mal nur die abrahamitischen Religionen zu erwähnen - möglicherweise nur Gefangene kognitiver Denkmodelle über die jeweils anderen und könnten gar nicht anders denken und handeln, als sie es tun.
Dann freilich sind Vorurteile, Hass und Gewalt auf allen Seiten vorprogrammiert. Oder habe ich Sie da gründlich missverstanden?
Abdurchdiemitte
[Re]: “Unbedarft-unkritisch” und “linksidentitäter Zeitgeist” trifft es schon ganz gut, da stimme ich zu in der Einschätzung, welcher Teufel Claudia Roth nun reiten könnte.
zum BeitragDie These, dass Antisemitismus im Kern ein Ressentiment gegen die Moderne sei und somit eben nicht im Kontext mit anderen Spielarten des Rassismus stehe, ist steil, darüber müssten wir noch eingehender diskutieren. Die Sozialpsychologie etwa sagt uns da etwas anderes (Stichwort Vorurteilsforschung).
Zunächst aber erst einmal vielen Dank für das gehaltvolle Niveau Ihres Kommentars.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Judenhass und Kritik an der rechten Regierung in Israel sind zwei paar Stiefel. Leider hat der Bundestag diese zu einem Paar zusammen geschweißt.“
zum BeitragOb Frau Zingher nur dieses eine Paar Stiefel sieht, vermag ich nicht zu beurteilen … in ihrem Beitrag kann ich jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür finden.
Ansonsten aber teile ich Ihre Haltung. Jedoch weniger, weil Antisemitismus ein juristisch zu verfolgender Straftatsbestand ist, das ist notwendig und absolut geboten.
Vielmehr sehe ich die Gefahr, dass der breite Diskurs über Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft (intendiert) gekappt oder auf Gruppierungen wie den BDS reduziert wird … da kann man sich dann trefflich empören, es betrifft einen ja nicht selbst. Immer sind hierzulande die anderen die Bösen, nur man selbst natürlich nicht. Und man muss sich keine Gedanken mehr über den Zusammenhang von Antisemitismus und alltäglichem Rassismus hier bei uns machen. Wir können schon jetzt sehen, dass im öffentlichen Diskurs Antisemitismus (fast) ausschließlich als Bestandteil antiimperialistischer, links-antizionistischer oder islamistischer (dann werden auch noch alle Muslime unter Generalverdacht gestellt) verortet wird. Das ist erbärmlich.
Die Phalanx der selbsternannten Israel-Freunde von Bildzeitung über Julian Reichelt und HGM bis hin zur AG „Juden in der AfD“ reibt sich da natürlich die Hände.
Warum hat man im deutschen Bundestag nicht einmal ansatzweise erwogen, den Antisemitismus-Begriff der „Jerusalem Declaration“ zur Grundlage der eigenen Positionierung in dieser Frage zu machen?
de.m.wikipedia.org...zum_Antisemitismus
jerusalemdeclarati...tsch-final.ok_.pdf
Man schwafelt von der Bekämpfung des Antisemitismus als „Staatsräson“, derweil Staat und Gesellschaft immer weiter nach rechts rutschen. Passt irgendwie nicht zusammen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ja, ich sehe es auch so wie Sie. Hier wurde bezüglich des Antisemitismus-Skandals auf der Documenta eine Chance vertan, im Gespräch zu bleiben und sich auf breiterer gesellschaftlicher Ebene mit allen Spielarten des Rassismus auseinanderzusetzen.
zum BeitragAntisemitismus als juristisch zu ahndende Straftat, zwar zwingend erforderlich, jedoch nach dem Motto „Affe tot, Klappe zu“ bei weitem nicht ausreichend, denn es geht uns alle an. An dieser Erkenntnis mangelt es in Deutschland in der Tat.
Ob ausgerechnet die Weltoffen-bunt-divers-Staatssekretärin Claudia Roth diesem Diskurs - in dem es gilt, Farbe zu bekennen -, gewachsen ist, muss sich noch zeigen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Richtig, es ist argumentativ nur wie mit der russischen Puppe. Warum gehen die gut ausgebildeten Migranten (und auch die mit sozialer und ökonomischer Aufstiegsorientierung) ausgerechnet in die USA und nach GB und nicht nach Deutschland, wo hier angeblich doch alles so toll sein soll?
zum BeitragDenken Sie an die damals gescheiterten Bemühungen, hochspezialisierte indische Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt anzuwerben. Auch die wollten überall sonst hin, nur nicht nach Deutschland. Alles Schuld der AfD bzw. rassistischer ostdeutscher Hanswurste in der Bevölkerung, denen es nur an der richtigen Willkommenskultur mangelt? Oder gibt es da noch andere Faktoren?
Abdurchdiemitte
[Re]: “Es gibt ja hier auch genug insbesondere Biodeutshe die rechts der Union wählen, die können sich scheinbar ja auch nicht in die Demokratie integrieren.“
zum BeitragSie bringen es auf den Punkt. Danke.
Mit den „Biodeutschen“ ist es übrigens auch so eine Sache. Wie sagte Wolfdietrich Schnurre so treffend: wer waren unsere Ahnen? Kaschubische Germanen!
Abdurchdiemitte
[Re]: Es stellt sich außerdem die Frage, ob Deutschland dem Drittel AfD-Wähler v.a. in den ostdeutschen Bundesländern, überhaupt das geben kann, was sie suchen.
zum BeitragAnscheinend ja, dann ist das aber nicht mehr mein Land und es wird Zeit, die Koffer zu packen. Oder Sezession.
Abdurchdiemitte
[Re]: Na ja, die Vergleichsebene konservativ-religiöse Deutschtürken/Grüne ist in diesem Zusammenhang etwas schief. Das wissen Sie. Im Prinzip aber haben Sie recht.
zum BeitragAus meiner Sicht liegt der “Geburtsfehler” der türkischen Demokratie in der Atatürkschen Entwicklungsdiktatur, die die Türkei nach WK1 und dem Zusammenbruch des osmanischen Reiches von jetzt auf gleich in die europäische Moderne hineinkatapultieren wollte. Das konnte natürlich nicht funktionieren und wenn, dann nur in Teilbereichen der türkischen Gesellschaft. Und demokratisch war dieses System immer nur vordergründig (soviel zu dem Thema, dass Erdogan die Demokratie abschaffen wolle).
Mit dem Erdoganschen Islamo-Nationalismus schlägt das Pendel seit etwa 20 Jahren zurück. Es ist halt - anders als beispielsweise 1979 im Iran - keine revolutionäre, sondern eine evolutionäre Entwicklung des “Umbaus” von Staat und Gesellschaft. Erdogans Erfolgsrezept liegt dabei in der Verschmelzung ideologischer Elemente der (immer noch vorherrschenden) kemalistischen Staatsideologie mit dem Islamismus (in einer gemäßigt-konservativen, der türkischen Kultur entsprechenden Variante).
Das scheint die Mehrheit der Türken immer noch zu goutieren, in der Türkei wie überall dort, wo Türken leben. Und das zu verstehen fällt uns eben schwer.
Abdurchdiemitte
[Re]: Leider ist es so. Die Wurzeln für diese traurige Entwicklung reichen jedoch bis in die Zeiten der Arbeitsmigration in den Sechzigerjahren zurück. Viele verhängnisvolle Fehler wurden da gemacht.
zum BeitragUnd noch einmal: Eikmanns verweist im Artikel auch auf das deutlich von den Deutschtürken abweichende Wahlverhalten der in klassischen Einwandererländern lebenden Türken (18% pro Erdogan in GB, in den USA 16%!).
Das sollte zu denken geben, statt die Schuld ausschließlich bei den Moscheevereinen bzw. den “doofen” Türken (so kommt mir diese Debatte hier in der taz manchmal vor) zu suchen.Was ist da bei uns schief gelaufen?
Jedenfalls sind die Analysen der Migrationsforschung bekannt und nachzulesen, auch das, was eigentlich getan werden müsste. Das interessiert scheinbar nur niemanden, außer natürlich Frederik Eikmanns, dessen Artikel die soziologischen Erkenntnisse gut zusammenfasst.
Abdurchdiemitte
[Re]: Eikmanns verweist übrigens ja auch auf das gegenüber Deutschland signifikant abweichende Wahlverhalten der türkischen Communities in Großbritannien und den USA … klassische Einwanderungsländer.
zum BeitragWelche Rückschlüsse lassen sich daraus ziehen?
Abdurchdiemitte
[Re]: Frederik Eikmanns beschreibt es doch ganz gut: zum einen geht es um die Zurückweisungerfahrungen der sog. Gastarbeitergeneration durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft, die in der Redensart ihren Ausdruck fand, dass Arbeitskräfte angeworben wurden, jedoch Menschen kamen. Diese negativen Erfahrungen setzen sich in den nachfolgenden Migrantengenerationen fort und finden dort immer neue Nahrung durch rassistische Tendenzen in der Aufnahmegesellschaft. Ein Faktor, der die Popularität Erdogans unter Deutschtürken erklärt.
zum BeitragZum anderen geht es um “mitgebrachte” politische und religiöse Einstellungen, die regelrecht konserviert - daher wohl bezeichnet Eikmanns die Erdogan-Anhänger in Deutschland als konservativ - und durch die Mehrheitsgesellschaft noch bestätigt werden. Auch deshalb stößt die AKP-Propaganda bei den in Deutschland lebenden Türken auf fruchtbaren Boden.
Und drittens verweist Eikmanns auf die soziale Herkunft und das Bildungsniveau der eingewanderten Türken. Diese unterscheiden sich deutlich von denen der türkischen Communities in GB und den USA (wo die AKP bei den Wahlen auch weitaus schlechter abschnitt). Ein weiterer Faktor, weshalb Erdogan hierzulande mit türkischem Patriotismus und Nationalismus punkten kann.
Der Gedanke, dass mit der Wahl Erdogans seine Anhänger die Türkei in irgendeiner Weise “strafen” würden (weil sie den Weg der Türkei in die Autokratie ebnet) - eine Vorstellung, die unter Deutschen jedoch oft geäußert wird - , würde bei denen wohl auf Unverständnis und Kopfschütteln stoßen.
Fragen Sie doch einfach mal Ihre türkischen Nachbarn, wie die das sehen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Och, ich kannte einen, der war in so schlechter körperlicher Verfassung, dass er schon regelrecht seitwärts aus seinem Rollstuhl herauszukippen drohte, der Kopf hing tatsächlich schon fast auf dem Boden, so kraftlos wie er war. Halb sterbend vermochte er es dennoch, im Akkord eine Kippe nach der anderen zu wegzuqualmen.
zum BeitragGönnen Sie den Leuten doch ihr kleines, armseliges Vergnügen. Apropos: ich müsste auch so langsam mit dem Rauchen aufhören … empfiehlt mir mein Hausarzt.
Abdurchdiemitte
[Re]: Auch das ist wahr. Nur wird es Kilicardoglu nicht gelingen.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Das ist wahr.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Also, ich habe ja gerade dafür plädiert, Kilicardoglu nicht als Faschisten zu bezeichnen … daher muss ich auch intervenieren, wenn er (und die CHP) in irgendeiner Weise mit der AfD hierzulande in Verbindung gebracht wird. Das hat er nun wirklich nicht verdient.
zum BeitragEs ist einfach nun mal so, das der Kemalismus - als türkische Staatsdoktrin und Grundlage der politischen Ausrichtung Kilicardoglus und seiner Bündnispartner - nur bedingt mit faschistischen und rechtspopulistischen Bewegungen/Parteien in Europa verglichen werden kann. (Aber bitte ersparen Sie mir einen historischen oder politikwissenschaftlichen Abriss der Geschichte der modernen Türkei von Atatürk bis Erdogan.)
Die Hetze gegen syrische Flüchtlinge offenbart nur, wie schnell sich auch demokratische Politiker rassistischer, xenophober Begründungsmuster bedienen, wenn es ihnen opportun erscheint. Kennen wir das nicht auch bei uns, etwa von der CSU?
Darum heißt es wachsam bleiben, Demokratie ist kein Besitzstand, dem wir uns auf ewig sicher sein könnten, sondern muss täglich neu erkämpft und verteidigt werden. Da besteht offensichtlich nicht nur in der Erdogan-Türkei ein Defizit.
Was die Grünen betrifft: ich halte Nouripour und Lang einfach für unqualifizierte Klugschwätzer, die sonst nichts auf der Pfanne haben. So. Irgendeine rechte Strategie steckt da nicht dahinter.
Abdurchdiemitte
[Re]: Genau so ist es. Kilicardoglu betreibt nur das Geschäft aller Populisten und Scharfmacher dieser Welt. Schade, denn ich hätte eigentlich etwas anderes von ihm erwartet.
zum BeitragHinsichtlich der Faschismusdefinition schließe ich mich Ihnen ebenfalls an. @Politdiscussion reiht sich da allerdings nur in eine Reihe von Mitforisten ein, die noch in jedem “schlimmen Finger” einen Faschisten sehen. Bei Putin kann man natürlich trefflich darüber streiten - ich persönlich habe in dem Kontext dagegen gehalten (und plädiere dafür, sein Herrschaftssystem schlicht Putinismus zu nennen) -, Kilicardoglu hingegen ist es definitiv nicht.
Nennen wir ihn einfach einen säkularen Kemalisten.
Abdurchdiemitte
[Re]: “Könnte es sein, dass die Ukraine grad mit anderem schwer beschäftigt ist?”
zum BeitragJa, das könnte nicht nur so sein, das ist so. Und gerade deshalb kommt dieser bewaffnete Überfall in der Region Belgorod der ukrainischen Seite auch sehr gelegen, noch dazu, wenn es sich bei den Bewaffneten nicht um Angehörige der regulären Armee handelt, sondern um Russen mit dem entschlossenen Willen, den Krieg nach Russland hineinzutragen, um Putin zu stürzen.
Das steht ja nun nicht unbedingt im Widerspruch zu den ukrainischen Kriegszielen, eher im Gegenteil.
Abdurchdiemitte
[Re]: Naja, die Beobachtung des Mitforisten ist schon nicht ganz falsch. Natürlich kann (und muss) man die Kriegsführung der Ukraine kritisch hinterfragen … gerade deshalb, weil wir uns ihr verbunden fühlen und sie im Kampf gegen den russischen Aggressor unterstützen, auch mit militärischen Mitteln.
zum BeitragUnd im Moment geht es ja um den Kampfjet F16. Dabei ist es für mich kein Kriterium, die innerdeutsche Debatte lediglich nach dem Motto zu führen: die anderen liefern, darum tun wir‘s auch. Wäre irgendwie unredlich, oder nicht?
Stattdessen stelle ich mir die Frage: was sind die Kriegsziele der Ukraine (die wurden von Selenskyi und anderen ja klar und unmissverständlich benannt) und was die (möglicherweise darüber hinausgehenden) geostrategischen Ziele und Interessen der NATO in diesem Konflikt? Für mich stellt sich diese Frage nach wie vor, auch wenn ich persönlich inzwischen eine andere Position vertrete als zu Beginn des Krieges.
Der Elefant im Raum lässt sich mit dem Stichwort Regimewechsel in Moskau umschreiben. Und das ist etwas anderes als die Befreiung des besetzten ukrainischen Territoriums von den Russen. Beide Ziele lassen sich jedoch kaum eindeutig und scharf voneinander trennen, das ist das Dilemma, über das hier in der taz auch schon ausführlich diskutiert wurde.
Die jüngsten Vorkommnisse in der Oblast Belgorod geben da natürlich Anlass zu allen möglichen Spekulationen.
Und wenn Sie es von mir genau wissen wollen: ich glaube nicht an die These von den russischen “Partisanen”, die hier aus eigenem “Antrieb” gehandelt haben.
Aber natürlich kann man sich den Sturz Putins herbeiwünschen, warum nicht?
Abdurchdiemitte
[Re]: Na, der letzte Absatz Ihres Posts entlarvt ja geradezu Ihre vorherige Argumentation, die These, es handele sich hier um eine innerrussische Angelegenheit (die auch von ukrainischer Seite verbreitet wird). Aber ist schon okay, schließlich wünsche auch ich Putin alles andere an den Hals als dass er in der Ukraine durchkommt.
zum BeitragAber man sollte schon ehrlich bleiben, wenn es um die Rechtfertigung der eigenen Haltung zu diesem Krieg geht.
“In der Politik wird regelhaft durch alle gelogen und betrogen.”
In der Tat, Sie sagen es!
Abdurchdiemitte
[Re]: Alles richtig … aber warum wird dann so betont, dass es sich um exilrussische Freiwilligengruppen handelt, die hier die Grenze überschritten haben?
zum BeitragDas strategische Ziel der Bindung russischer Truppen durch ukrainische Offensivaktionen an der Grenze halte ich ja für nachvollziehbar und legitim, aber warum der Verweis darauf, dass es sich hier quasi um eine innerrussische Angelegenheit gehandelt habe (den Freischärlern geht es schließlich um die Befreiung Russlands von Putins Joch, das wurde in den Verlautbarungen doch deutlich herausgestellt)?
Muss der ukrainischen Seite nicht daran gelegen sein, die europäische Diskussion um rote Linien bei den Waffenlieferungen (aktuell von F16-Kampfjets) nicht klein zu halten? Dabei sind Angriffe auf russischem Territorium wohl eher kontraproduktiv.
(Andererseits kann natürlich argumentiert werden, dass sich die Frage der Kampfjetlieferungen eigentlich schon längst erledigt hat … nur Deutschland zögert mal wieder.)
Abdurchdiemitte
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die ukrainische Führung stärker in die Planung und Durchführung dieser militärischen Aktion involviert war als sie jetzt medial vermittelt.
zum BeitragDie Betonung, dass es sich bei den beteiligten Gruppen um bewaffnete Exil-Russen handele, muss mit Vorsicht betrachtet werden. Die Ukraine kann kein Interesse daran haben, offenzulegen, dass eigene Streitkräfte an offensiven Aktionen auf russischem Territorium unmittelbar beteiligt sind.
Dies ist auch vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die Lieferung von F16-Kampfjets nachvollziehbar, Selenskyi hatte erst kürzlich erklärt, dass mit diesen Jets keine Angriffshandlungen gegen Russland durchgeführt werden sollten. Wenn nun aber exilrussische Piloten in diesen Flugzeugen sitzen sollten? Schließlich müssen die „Partisanen“ im Belgoroder Gebiet ihre Waffen (teils handelt es sich um Kampfpanzer, für Freischärler wohl eher ungewöhnlich) auch irgendwo her haben.
Natürlich kann die ukrainische Führung auf den durchschlagenden propagandistischen und psychologischen Erfolg solcher Kriegshandlungen auf russischem Boden gar nicht verzichten … irgendwie verständlich, gerade jetzt, nachdem Bachmut an die Russen gefallen ist.
Abdurchdiemitte
36 Prozent der Deutschen finden einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge, dass Israels Politik mit der der Nationalsozialsozialist:innen verglichen werden kann.“
zum BeitragEine erschreckend hohe Zahl. Die israelische Politik gegenüber den Palästinensern kann natürlich nicht mit der der Nazis verglichen werden, genau so wenig, wie die des einstigen südafrikanischen Apartheid-Systems mit der Judenverfolgung in Nazi-Deutschland oder die heutige Putin-Herrschaft in Russland mit der Hitlers.
Leider greift diese ideologisch motivierte „Vergleicheritis“ immer weiter um sich, auf Kosten der analytischen Schärfe und Differenzierung in der Beurteilung politischer Sachverhalte. Die moralische Bewertung ist dann eine ganz andere Sache.
Abdurchdiemitte
[Re]: Wäre die Türkei eine Diktatur, hätte es keine freien Wahlen gegeben mit wenigstens der Aussicht auf einen Erfolg der Opposition.
zum BeitragWir können uns wohl darauf einigen, dass es sich hier um eine schleichende Aushöhlung demokratischer Prinzipien und Rechte handelt. Diese Entwicklung gibt natürlich Anlass zur Sorge und das nicht nur in der „fernen“ Türkei, sondern inmitten Europas. Und sie ist gefährlich, weil sie sich eben schleichend, Zug um Zug und manchmal kaum merkbar vollzieht. Die Übergänge von der Demokratie über autoritäre Systeme bis hin zu Diktaturen sind oft fließend und wenn die Menschen aufwachen, ist es meistens zu spät.
So ist es auch mit der krmslistischen Ideologie, die u.a. Kilicardoglus CHP vertritt … nur weil sie Laizisten sind (und sich sogar als Sozialdemokraten bezeichnen), sind sie noch lange nicht lupenreine Demokraten. Darauf wollte ich lediglich hinweisen. Und nicht umsonst habe ich Atatürk einen Entwicklungsdiktator genannt, würdige zugleich aber die Fortschritte, die er der Türkei gebracht hat. Zwischen Schwarz und Weiß gibt es also noch viele Grautöne.
Linke, Kurden und Journalisten saßen in der Türkei übrigens zu allen Zeiten im Gefängnis und immer haben Oppositionelle für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie gekämpft, im Exil und in der Türkei selbst, unter oft schwierigen Bedingungen … jetzt, mit Erdogan und der AKP, sind die Verhältnisse leider nicht besser geworden, im Gegenteil. Da stimme ich Ihnen zu.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Aber es ist halt nicht richtig, dass Rasen nichts bringt.“
zum BeitragAber es macht krank … das schreiben Sie ja selbst.
Krankheitsausfall, Frühverrentung, Invalidität und Todesfolge im Straßenverkehr … alles immense Folgekosten für Ökonomie und Gesundheitssystem.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich habe mich auch gefragt, wieso die Erhöhung von Reisezeitkosten irgendwie unökonomisch sein soll. Einen Gewinn an Lebensqualität bringt Entschleunigung allemal … somit letztlich wohl auch nur ökonomische Vorteile. Aber unter kapitalistischen Bedingungen?
zum BeitragAbdurchdiemitte
“James J. Flink deutet in seinem Buch “Automobilzeitalter” aus dem Jahr 1990 an, dass Hitler besessen von Autos und Geschwindigkeit gewesen sei“ … und das, obwohl er überhaupt keinen Führerschein hatte?
zum BeitragIch schließe aus dem Zitat jedenfalls, dass der Kampf fürs Tempolimit zugleich auch auch ein antifaschistischer ist. Na dann.
Obwohl, Herr Ansa … irgendwie macht mich der Name „Flink“ im diesem Zusammenhang doch stutzig.😉
Abdurchdiemitte
[Re]: Es kommt in der Beurteilung der Staatsideologie Atatürks immer darauf an, ob man den laizistischsten oder den nationalistischen Charakter dieser Doktrin stärker betont.
zum BeitragFür viele Menschen in den ostanatolischen Gebieten, insbesondere für Kurden und andere ethnische und religiöse Minderheiten, hat der Kemalismus keine Wende zum Besseren gebracht. Im Gegenteil, in den Zwanziger- und Dreissigerjahren gab es mehrere bewaffnete kurdische Aufstände, die vom türkischen Militär derart brutal niedergeschlagen wurden, dass man sie durchaus als Genozid bezeichnen könnte.
Die quasi-feudalen Strukturen und das Patronagesystem, unter dem vor allem die Dörfler litten, wurde von Atatürk eben nicht beseitigt, die Modernisierung kam in den Kurdengebieten der Türkei erst gar nicht an. Hierin liegt übrigens eine der Hauptquellen für den heutigen türkisch-kurdischen Konflikt.
Der Sozialdemokrat Ecevit scheiterte in den Siebzigerjahren bekanntlich mit seinen Reformen, die u.a. die wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung des Ostens vorsahen. Er sah den Kurdenkonflikt nicht als ein primär ethnisches Problem, sondern als eines von ökonomischer Unterentwicklung (womit er prinzipiell ja recht hatte). Aber er scheiterte mit seinen Plänen, 1980 kam der nächste Militärputsch - ironischerweise lässt sich sagen, dass Erdogan dem Land 22 Jahre innenpolitische Stabilität beschert hat (wohl auch ein Grund für seine Popularität) - und in den Achtzigerjahren auf kurdischer Seite die PKK mit ihrer Ethnisierung des Konflikts.
Hierzulande wird in der Kritik der Zustände in der Türkei auch gerne vergessen, dass es sich bei der AKP nicht um eine radikal islamistische, sondern eher eher gemäßigte islamisch-konservative Partei handelt, die eben wegen dieser Ausrichtung viel Zustimmung unter der türkischen Bevölkerung findet.
Abdurchdiemitte
[Re]: Dass wirtschaftliche/materielle Gründe für die Wahl bestimmter Politiker eine nicht unerhebliche Rolle spielen, ist ja bekannt. Nur schließen sie politische Indoktrination, Hetze gegen den politischen Gegner usw. nicht aus.
zum BeitragGerade die schwierige ökonomische Situation der Türkei hätte Anlass zur Hoffnung auf einen Regierungswechsel machen müssen, denn Erdogan macht die Türken arm. Also spielt ideologische Verblendung - die ja nun schon seit Jahrzehnten andauert und schon den Kindern in den Schulen “eingebläut” wird - offenbar eine größere Rolle als lediglich materielle Interessen bei einer Wahlentscheidung.
Das hat jetzt leider erneut Erdogan in die Hände gespielt.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Konsumkritik sehe ich kritisch. Da wird das Problem des globalen Kapitalismus und dessen Auswirkungen auf Mensch. Natur und Klima individualisiert und ins Private verschoben.“
zum BeitragHm, das sehe ich nicht ganz so. Ist die globale Herrschaft des Kapitalismus denn ein Freifahrtschein fürs Nichtstun im Privaten? Doch wohl nicht.
Sie wissen doch: das Private ist politisch. Ich kann den Widerspruch zwischen persönlichem Konsumverzicht und politischem Handeln für eine bessere Welt nicht erkennen.
Abdurchdiemitte
„Eine Armutsbetroffene ist eine Tragödie, Millionen Armutsbetroffene sind eine Statistik.“
zum BeitragUnd eine Gefahr für die Demokratie, möchte ich hinzufügen (also nicht die von Armut Betroffenen, sondern die Armut bzw. soziale Umgleichheit in einer Gesellschaft). Genau so alarmierend wie der Klimawandel, Lobbyismus, Korruption, Vetternwirtschaft, Faschismus usw.
Einer der Gründe übrigens, weshalb ich mich weiter als Sozialist bezeichne.
Abdurchdiemitte
Mit seinen Äußerungen zu Flüchtlingen und den Kurden in der Türkei offenbart Kilicardoglu, wes Geistes Kind er und die Parteien seines Oppositionsbündnisses sind.
zum BeitragDa viele türkische Wähler leider immer noch der kemalistischen Indoktrination erlegen sind, die u.a. den türkischen Chauvinismus (auch gegen die ethnischen Minderheiten) propagiert, meint Kilicardoglu offenbar, Erdogan in Sachen Nationalismus noch überbieten zu müssen.
Es wird ihm nicht helfen, denn der Zug der Zeit ist für den laizistischen Kemalismus längst abgefahren.
Zu Zeiten des „Entwicklungsdiktators“ Atatürk mag diese Ideologie, die Autokratie und Modernisierung erfolgreich miteinander verbunden hat (die große historische Leistung Atatürks) - durchgängig demokratisch war sie übrigens nie -, für die Entwicklung der Türkei noch gestimmt haben. Heute hat der Islamo-Nationalismus (eine zutreffende Beschreibung, Herr Gottschlich) Erdogans die Oberhand gewonnen.
Hat es zu Beginn der Herrschaft Erdogans vor 22 Jahren nicht berechtigte Hoffnungen auf Reformen und eine politische Lösung des Konflikts mit den Kurden gegeben? Meine These: nicht der türkische Islam ist das Problem, sondern die chauvinistische Erhöhung des Türkentums, in der die türkische Gesellschaft noch weitgehend gefangen ist. Und das betrifft die Anhänger Kilicardoglus genau so wie die Erdogans. Nur wird heute der „Reis“ von vielen Türken offensichtlich als das Original gesehen, was die Bewahrung des politischen Erbes Kemal Atatürks betrifft.
Abdurchdiemitte
[Re]: Kognitive Dissonanz, DAS war der Begriff, den ich gesucht habe. Danke.
zum BeitragIch hatte eher den Begriff „schlechtes Gewissen“ auf dem Schirm angesichts der Gewalttätigkeit von im Stau stehenden Aufofahrern gegen Stau verursachende Klimaaktivisten. Zu wissen oder wenigstens zu ahnen, dass der schrankenlose Automobilismus (mit) unsere Lebensgrundlagen zerstört und zugleich zu glauben, man könne aus dem Hamsterrad auch nicht ansatzweise aussteigen, muss massiven Stress erzeugen, der sich u.a. in Gewalt gegen diejenigen entlädt, die einem dieses Dilemma (und die daraus entstehenden Folgen) aufzeigen.
So manche denken dabei jedoch überhaupt nicht nach, das ist leider auch wahr.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ach, als Oberstufenschüler habe ich tatsächlich auch mit der FDP geliebäugelt, aber nur kurz, es war die Endphase der sozialliberalen Koalition. Habe mich halt als linksliberal verstanden. Damit war ich in meiner Familie jedoch ein absoluter Exot, da meine Altvorderen altem Arbeiteradel entstammten und somit die SPD eigentlich gesetzt war … bis auf eine gewisse biografische „Lücke“ von 12 Jahren bei meinem Opa und meinen Großonkeln. Man hat 1945 offenbar politisch einfach da weitergemacht, wo man 1933 aufgehört hat. Anders konnte ich mir als Schüler in den Achtzigerjahren deren Erzählungen über Nazi-Zeit und Krieg jedenfalls nicht erklären.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Wieso eigentlich muss ich so oft davon lesen, der Absturz der Grünen - ob es sich nun um Schwarz/Grün, Lützerath oder jetzt um die Graichen-Affäre handelt - sei besonders tief, weil gerade sie auf der politischen Ebene besonders hohe moralische Postulate verkünden?
zum BeitragTragen nicht die Unionsparteien das Hohe C im Parteinahmen?
Abdurchdiemitte
[Re]: Enttäuschte Liebe? Daran dachte ich auch … die ist ja vielfach im Spiel, nicht nur in privaten, auch in politischen Beziehungen. Die enttäuschte Liebe schlägt dann meistens direkt in Verachtung, sogar Hass um.
zum BeitragDas sehe ich in den Kommentaren in der taz auch immer, vor allem bei denjenigen mit Ex-Beziehungen zur Linken. Vielleicht einfach mal die Erwartungen nicht so hoch schrauben?
Ich halte mich in der Beziehung ja an die gute alteTante SPD, da kann man zwangsläufig gar nicht enttäuscht werden (wem das trotzdem passiert, ist ein Narr) und die Erwartungen halten sich sowieso in Grenzen.😉
Abdurchdiemitte
[Re]: Sie meinen wahrscheinlich die “ohnehin gestressten Bürger”, deren Alltag empfindlich durcheinandergebracht und die hier klimapolitisch an den Pranger gestellt werden.
zum BeitragNun, in gewisser Weise stimmt das, da möchte ich nicht widersprechen. Jedoch haben Sie mit dem Argument einen wichtigen Punkt, der in der Debatte um die Aktionen der LG meistens zu kurz kommt: es geht um den Aspekt der Lebensqualität, den Sie mit “ohnehin gestresst” anschneiden.
Ich z.B. verzichte mittlerweile vollständig auf die Nutzung des PKW, um zur Arbeit zu kommen, Einkäufe zu erledigen oder suche Naherholungsziele auf, die per Rad statt mit dem Auto zu erreichen sind. Wie ich feststelle, verschafft mir persönlich das einen deutlichen Zugewinn an Lebensqualität und Stressvermeidung (obwohl der Verzicht aufs Auto mir aufgrund chronischer Erkrankung auch erhebliche Mühen und körperliche Anstrengung bereitet).
Mir ist es er sehr wohl bewusst, dass es meine privilegierte (nicht materielle, eher “geografische”) Situation ist, die mir den automobilen Mobilitätsverzicht ermöglicht. Alle meine Ziele sind tatsächlich fussläufig, mit dem Rad oder ÖPNV erreichbar. Für die meisten Mitbürger trifft das jedoch nicht zu, v.a., was Arbeitswege betrifft (bei Einkäufen oder Freizeitgestaltung sehe ich das schon etwas anders).
Als Individuen wie als Gesellschaft stecken wir da in einem fetten Dilemma, das nicht so einfach aufzulösen ist, das ist klar. Aber wäre es nicht angebracht, mal etwas intensiver über genau diesen Punkt nachzudenken (und nach Lösungen zu suchen) statt Klimaaktivisten zu kriminalisieren?
Ich halte es durchaus für möglich, mehr Lebensqualität und persönliche Zufriedenheit über Konsumverzicht und übrigens Entschleunigung zu erlangen, in diesem Zusammenhang ein ebenso zentraler Aspekt.
Abdurchdiemitte
[Re]: Was wäre aus Ihrer Sicht dann die Alternative zu Erdogan, seiner AKP und seiner faschistischen Bündnispartnerin, der MHP?
zum BeitragMit Ihrer Einschätzung Kilicardoglus, was das Flüchtlingsthema betrifft, liegen Sie ja nicht ganz falsch. Aber er ist kein Faschist, er ist ein Kemalist, nur im Gegensatz zu Erdogan in der laizistischen Variante und nicht in der islamistischen bzw. islamisch-konservativen wie die AKP.
Und die kemalistische Staatsideologie mit ihrer nationalistischen Ausrichtung - den die CHP, IYI und die übrigen Parteien des Oppositionsbündnisses genau so vertreten wie die AKP - erscheint mir als eines der Hauptprobleme mit Blick auf die Demokratisierung der Türkei.
Zumindest für die Kurden und andere ethnische Minderheiten in der Türkei sind CHP, IYI usw. keine Alternative, um sich eine Verbesserung ihrer Lage erhoffen zu können. Aber schließlich unterstützt selbst die prokurdische linke HDP den Kandidaten Kilicardoglu, da mit ihm echte fortschrittliche Positionen wenigstens den “Fuß in der Tür” bekommen (falls Kilicardoglu die Präsidentenwahl doch noch gewinnen sollte).
Und hierzulande gilt das Sprichwort, das auch bei einem Wahlsieg der türkischen Opposition zuträfe: besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Abdurchdiemitte
Wenn die Aktionen der LG juristisch als ein “dauerhaftes Lästigwerden” eingestuft werden, wie “lästig” werden dann erst die Folgen der Erderwärmung für uns werden, wenn sie mit voller Wucht eintreten.
zum BeitragMöglicherweise wird sich dann so mancher Autofahrer danach zurücksehnen, wegen der Klimakleber “nur” im Stau gestanden zu haben.
Abdurchdiemitte
[Re]: Sehen Sie es mir nach, dass ich dazu neige, immer das letzte Wort zu behalten. Eine zuweilen unangenehme Eigenschaft, ich weiß.
zum BeitragUm aber nochmals auf die Grünen zurückzukommen: wenn ich die Grünen letztlich als auf einer ideologischen Linie mit der FDP sehe, geschieht das aus einer soziologischen Perspektive, weniger aus einer politikwissenschaftlichen, in der es eher um Inhalte und Programme geht. Hier unterscheiden sich beide Parteien natürlich deutlich, keine Frage.
Es ist jedoch überwiegend die gehobene Mittelschicht, aus denen sich die Wählermillieus sowohl der Grünen wie auch der FDP rekrutieren. Beide „Fraktionen“ dieses Spektrums würden sich wohl als liberal bezeichnen, die Linksliberalen und die mit dem „ökologischen Gewissen“ finden sich halt bei den Grünen, diejenigen, die den Status Quo lieber bewahren wollen (weil er ihnen und ihresgleichen Wohlstand und Privilegien sichert), tendieren eher zur FDP. Das erscheint mir logisch und rational. In Krisenzeiten jedoch sind beide Gruppen tatsächlich am wenigsten von allen von sozialem Abstieg und echter Armut betroffen.
Klasse, Schichtzugehörigkeit, soziale Millieus, wie auch immer Sie es nennen möchten … es prägt sehr wohl unsere individuellen wie kollektiven Wahrnehmungen der jeweiligen Lebenswirklichkeit, beeinflusst die Gruppenzugehörigkeiten innerhalb einer Gesellschaft und somit auch die jeweiligen weltanschaulichen/politischen Orientierungen. Auch in einer weitgehend individualisierten Gesellschaft kann daraus nicht einfach ausgebrochen werden, jedenfalls gilt das noch für die Mehrheit der Menschen.
Insofern ist der liberale Freiheitsbegriff eine Schimäre … was machen Sie denn, wenn Sie z.B. aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen/Handicaps, psychischer Erkrankung usw. oder aus Armutsgründen (Hartz4-Bezug) eben nicht vollumfänglich an den Freiheiten partizipieren, die Sie in Ihrem vorherigen Post aufgezählt haben und die Sie als essentiell erachten?
Abdurchdiemitte
[Re]: Danke für Ihre Erwiderung.
zum BeitragHabe Ihre Definition von Freiheit verstanden und so weit liegen wir auch nicht auseinander. Es ist halt die landläufige Definition von Freiheit, der wohl jeder zustimmen kann. Ich würde die Prämisse von Rosa Luxemburg, dass die Freiheit immer die Freiheit des Andersdenkenden ist - auch wenn das Zitat schon abgedroschen klingt - , in mein Freiheitsverständnis unbedingt immer mit einbeziehen. Sonst wird‘s schnell einseitig.
Und dann kommt der Staat ins Spiel, wenn es um die Regulation der verschiedenen individuellen Freiheitsrechte geht, damit unterschiedliche Gruppen, Gesellschaften überhaupt einigermaßen zivil miteinander auskommen können (das funktioniert leider nicht über den Appell an die individuelle Verantwortung).
Und hier beginnt dann meine Kritik am Freiheitsbegriff des politischen Liberalismus, denn: die Überbetonung der individuellen Freiheitsrechte kann leicht zu Situationen führen, die sich mit Begriffen wie Hedonismus, Egoismus, Sozialdarwinismus und eben Neoliberalismus umschreiben lassen, mit allen ihren sattsam bekannten, unappetitlichen gesellschaftlichen Begleiterscheinungen, die wie heute klar erkennen können.
Wohlgemerkt: ich werfe nicht dem Einzelnen, der sich liberal nennt (also auch Ihnen nicht und auch nicht den „Porschefahrern“) individuellen Egoismus etc. vor. Es ist immer die Ideologie, die (absolut gesetzt) in die Irre führt … derzeit kenne ich keine einzige Partei, die programmatisch wie durch ihr konkretes politisches (Regierungs)handeln derart ideologischen Prämissen folgt wie die FDP. Und damit die Zukunft unseres Landes und unserer demokratisch verfassten Gesellschaft aufs Spiel setzt (habe da konkret vor allem die Klima-, Verkehrs- und Sozialpolitik im Auge).
Deshalb meine „antiliberale“ Suada, die sicherlich nicht ganz frei von Polemik ist.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Ich hätte von Ihnen mehr als platten FDP-Whataboutism erwartet.“
zum BeitragNa, da haben Sie mich am Ende noch für einen Liberalen gehalten?😉
Geht aber gar nicht, schon wegen meiner sozialen Herkunft … da werde ich wohl nicht gegen meine Interessen und die meiner „Klasse“ handeln.
Irgend ein schlauer Kopf sagte einmal (ich glaube, schon in den Achtzigerjahren war’s), was FDP und Grüne miteinander verbinde, sei das gemeinsame soziale Millieu, nur seien die einen die Jute-statt-Plastik-, die anderen halt die Porsche-Fraktion (These von der grün angestrichenen FDP). Nun, ich bin für beides nicht zu haben.
Und keine Sorge, ich überbewerte die FDP schon nicht, nur weil sie jetzt das Finanz- und Verkehrsministerium unter Kontrolle hat (wenn ich an die bisherigen CSU-Hohlbirnen im Verkehrsministerium denke, ist Wissing gar nicht mal eine so schlechte Wahl).
Denn FDP - vielmehr das, wofür sie ideologisch und politisch steht - hat immer „gewirkt“, ob sie nun an der Regierung beteiligt war oder nicht.
Aber lassen wir das … viel lieber als über FDP und Grüne würde ich mit Ihnen über den zugrundeliegenden Freiheitsbegriff diskutieren.
Das Etikett „progressiv“ halte ich übrigens für so verwässert, dass man auch gleich „liberal“ sagen kann … mal ehrlich, progressive Linke nennen sich doch nur deshalb so, weil sie sich schämen, sich heute noch als Sozialisten zu bezeichnen, sich wegen Wagenknecht fremdschämen müssen oder weil sie keine Liberalen a la FDP sein wollen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ja, warum nicht? Die gute alte Tante müsste nur etwas mehr auf Draht sein, um den Grünen den Schneid abkaufen zu können (obwohl, viel gehört momentan nicht dazu). Ist sie leider nicht. Ich hab’s ja schon an anderer Stelle gesagt: mehr Bremen, weniger Berlin, mehr Bovenschulte, weniger Giffey (und Scholz).
zum BeitragAber nur mit frommen, wohlfeilen Sprüchen - wie weiland 1986 zu Raus Zeiten („Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen“, oder so ähnlich) - wird’s heuer nicht mehr funktionieren.
Aber immerhin hatte die SPD schon einen Erhard Eppler, da waren die Grünen noch nicht mal in der Planung.
www.zeit.de/wirtsc...Fwww.google.com%2F
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich sag’s ja: alles westliche Projektion.
zum BeitragWas wunderte man sich hierzulande, dass in den ersten freien, demokratischen Wahlen in Ägypten nach dem Sturz Mubaraks die Muslimbrüder 70% der Wählerstimmen holten.
Man sieht halt nur das, was man sehen will … und landet dann unsanft auf dem Boden der Tatsachen, wenn es anders kommt, wie jetzt in der Türkei.
Aber da habe ich schließlich auch gewaltig daneben gegriffen, was meine Einschätzung betrifft … habe glücklicherweise nicht auf den Wahlsieg Kilicardoglus gewettet, obwohl auch meine türkischen Freunde da ziemlich siegessicher waren und meinten, die Sache wäre safe, ich könne das ruhig tun.
Tja, die Flasche Wein kann ich jetzt selber trinken. Aber auf was anstoßen?
Abdurchdiemitte
[Re]: 👍🏻👍🏻👍🏻
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Seit wann denn weisen so genannte Liberale Akzeptanz gegenüber Andersdenkenden auf? Schon mal überhaupt nicht die parteipolitisch Gebundenen von FDP und Grünen (ja, ich würde die Grünen im (links)liberalen Spektrum verorten).
zum BeitragEs geht denen immer doch nur um die Verteidigung der eigenen Privilegien und Pfründe, wie Robert Prutz schon um 1848 erkannt hat:
www.volksliederarc...uch-vor-liberalen/
Dem ist auch heute nichts hinzuzufügen.
Klar wachsen die Bäume für die Grünen nicht in den Himmel und das ist auch gut so. Und was ist mit der FDP und ihrem 5%-Stimmenanteil? Zwingt sie nicht dem Rest der Gesellschaft, also der Mehrheit, ihre Vorstellungen von Freiheit auf, die sich jedoch auf die einzige banale Formel “Freie Fahrt für freie Bürger” bringen lassen?
Abdurchdiemitte
[Re]: Ironisch oder ernst? Je nachdem würde meine Antwort anders ausfallen.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Stimmen der wahlberechtigten Türken in Deutschland ausschlaggebend waren. 1,8 Mio. Wahlberechtigte in Deutschland (die ja nicht alle für Erdogan votiert haben) gegenüber einer satten Mehrheit von 5 Mio. Wählerstimmen für Erdogan im ersten Wahlgang? Wohl eher nicht.
zum BeitragUnd schauen Sie auf die Ergebnisse der Parlamentswahl. Nein, wir müssen uns wohl mit der Erkenntnis abfinden, dass wir hierzulande die Wechselstimmung in der Türkei falsch eingeschätzt haben. Ich persönlich auch.
Vielleicht zu viele alevitische und kurdische Freunde und zu wenige Erdogan-Anhänger in meinem deutschtürkischen Kollegen- und Bekanntenkreis?😉
Abdurchdiemitte
[Re]: Ja, Sie sprechen einen wesentlichen Aspekt an, der bei aller Euphorie über einen Wahlsieg Kilicardoglus (der jetzt ja eher unwahrscheinlich geworden ist), gerne vergessen wird.
zum BeitragGenerell lässt sich sagen, dass die Erwartungen in einen Machtwechsel in Ankara etwas zu hoch gegriffen sind und die Möglichkeiten Kilicardoglus überschätzt werden. Nicht zu vergessen, dass die AKP im Parlament weiter die mit Abstand stärkste Fraktion stellen und das politisch äußerst heterogene Oppositionsbündnis über die Wahlen hinaus wohl keinen Bestand haben wird (die Abwahl Erdogans ist letztlich ja der einzige gemeinsame Nenner).
Auch wenn Kilicardoglu vom Präsidial- zum parlamentarischen System zurückkehren will (eine Reform, die er höchstwahrscheinlich auch umsetzen kann), wird das die gesellschafts- und innenpolitischen Probleme in der Türkei nicht lösen, denn diese reichen weiter in die Geschichte zurück als die zwanzigjährige Herrschaft Erdogans.
Abdurchdiemitte
Das Wahlergebnis ist eine Enttäuschung und ein Tiefschlag für die türkische Opposition … daran gibt es nichts herumzudeuteln, auch wenn es eine Stichwahl zwischen Erdogan und Kilicardoglu geben wird. Aber wurde nicht sogar darüber spekuliert, dass Kilicardoglu schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit bekommen könnte?
zum BeitragFür die Parlamentswahlen zeigt sich erst recht die strukturelle Dominanz der AKP und ihrer faschistischen Verbündeten in der türkischen Gesellschaft. Und vielleicht ist das erhoffte Wahlergebnis auch nur eine westliche Projektion der liberalen Vorstellungen von Demokratie gewesen.
Insofern sehe ich schwarz für Kilicardoglu in der Stichwahl. Jetzt, da Erdogan - knapp vor der absoluten Mehrheit - seinen Machtanspruch höchstwahrscheinlich erfolgreich verteidigen kann, sehe ich die Gefahr, dass das Oppositionsbündnis zusammenbrechen könnte.
In deren Lager gibt es ohnehin genügend Kemalisten, Nationalisten und Religiöse, die in Erdogan das kleinere Übel sehen gegenüber einem Herausforderer, der möglicherweise auf die Unterstützung der prokurdischen HDP und der türkischen Linken angewiesen sein wird. Und das will auch die CHP, Kilicardoglus Partei, nicht wirklich.
Die antikurdischen/-alevitischen Reflexe sind in der türkischen Bevölkerung offenbar immer noch stärker als die Angst vor einem Autokraten und wirtschaftlichem Abstieg. Schade, verpasste Chance für die türkische Demokratie. Aber die NATO muss sich keine Sorgen machen hinsichtlich der bündnispolitischen Ausrichtung der Türkei, auch unter Erdogan nicht.
Abdurchdiemitte
[Re]: „… für AfD Wähler sieht die Alternative für Deutschland braun aus.“
zum BeitragDas könnte man schlussfolgern aus dem Abschneiden der Wutbürger-Partei in Bremen, ja. Und so wäre es auch in anderen Bundesländern wie Sachsen, Thüringen usw., würde die AfD dort wegen abgrundtiefer Dämlichkeit keine eigene Wahllisten zustandebringen. Die Alternative dazu ist für AfD-Wähler stets infantil-wutschnutig bzw. hassfratzig und … braun.
Abdurchdiemitte
[Re]: Nun ja, der Umerziehungs-Vorwurf gegen die Grünen ist schon starker Tobak … auch wenn ich weitgehend mit Ihrer Kritik konform gehe (das mit den urbanen Tegionen trifft absolut zu), muss ich diese Partei in diesem Punkt doch in Schutz nehmen.
zum BeitragUmerziehung? Der Vorwurf reiht sich ein in die unsägliche Ökodiktatur/-sozialismus-Kampagne während des letzten Bundestagswahlkampfs. Hat für mich eher mit politischer Brunnenvergiftung zu tun, um es mal ganz drastisch zu formulieren.
Überhaupt: die Grünen und Sozialismus … eher noch geht ein Kamel durchs Nadelöhr. Wofür die Grünen heute programmatisch stehen, lässt sich besser mit dem Stichwort Neoliberalismus zusammenfassen.
Wenn die Grünen - wie jetzt in Bremen - in Wahlen abschmieren, hat das eher mit der Haltung „Wasser predigen, Wein saufen“ zu tun. DARIN sind die Grünen Weltmeister und die einfachen Menschen haben dafür ein feines Gespür.
Abdurchdiemitte
Mich frustrieren doch die 10% für die Wutschnuten in Bremen … „Bürger in Wut“, das klingt ja schon mal so richtig programmatisch und nach konstruktiver Oppositionsarbeit.
zum BeitragNa ja, meistens zerlegen sich solche Gurkentruppen im parlamentarischen Betrieb ganz von alleine, schade nur um die verschenkten Stimmen.
Ansonsten: AfD in Bremen … zu blöde zum Eierlegen. Gottseidank.
Abdurchdiemitte
[Re]: Na ja, das ist Bremen … und nicht Berlin. Das gilt auch für die SPD in beiden Bundesländern.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Schließe mich an.
zum BeitragFür die SPD heißt das: Bovenschulte for Kanzler … und RGR im Bund.
Abdurchdiemitte
[Re]: Das eigentlich Interessante an dem von Ihnen verlinkten Tagesschau-Beitrag ist doch die dort vorgenommene Einschätzung der öffentlichen Reaktionen auf die umstrittenen Baerbock-Äußerungen zum Ukraine-Krieg.
zum BeitragEs wird über den Einfluss russischer Propaganda hinsichtlich des medialen Shitstorms gegen Baerbock berichtet. Zuvor wird ausgesagt, dass nicht nur AfD und Linke die Äußerungen Baerbocks kritisierten, sondern auch die CDU (wohingegen Scholz sich hinter seine Außenministerin gestellt hat).
Nanu, die CDU jetzt auch eine Putinsche Troll-Maschine? Oder einfach nur heillos opportunistisch in der Wahrnehmung ihrer Oppositionsarbeit?
Sicherlich kann man Frau Baerbock wegen ihrer ungeschickt gewählten Formulierung kritisieren, aber dafür, dass sie sich hier klar positioniert hat? Ist es nicht das, was wir von der politischen Elite eigentlich erwarten und doch so schmerzlich vermissen?
Andernfalls müsste mandarüber in eine Debatte eintreten, was die Redensart „dem Volk aufs Maul schauen“ für politische Positionierungen unter parlamentarischen Bedingungen eigentlich bedeutet und wo das Ganze in blanken Populismus umschlägt. Wir reden hier ja auch permanent nicht nur über die Grünen, sondern auch über Wagenknecht, die AfD etc.pp.
Und nicht zu vergessen: unter demokratischen Bedingungen sucht sich das Volk immer noch seine Regierung aus, nicht umgekehrt. Es steht Ihnen ja frei, die Grünen zu wählen oder auch nicht.
Insofern habe ich gegen das Bremer Wahlergebnis auch nichts einzuwenden (bis auf die 10% für die Wutschnuten).
Abdurchdiemitte
[Re]: Ja, daran habe ich auch gedacht, dass aus soziologischer Perspektive die Verhältnisse in der Türkei sich grundlegend geändert haben seit den Siebzigerjahren. Das gilt ja sogar für die „Kurdenfrage“ in der Türkei. Und vor allem gilt es für die politischen Orientierungen der jungen türkischen Generation, wie der Artikel richtig erwähnt. Dabei spielt wohl auch die globale digitale Vernetzung via Internet (das „globale Dorf“) eine wichtige Rolle.
zum BeitragAndererseits verhindern die neuen gesellschaftspolitischen Entwicklungen keineswegs den aktuellen Aufstieg „alter“ rückwärtsgewandter Ideologien in Europa wie Nationalismus, Rassismus und Militarismus, in der Türkei eben auch des Islamismus (obwohl es sich bei der AKP eher um eine Symbiose aus gemäßigt-konservativem Islam und kemalistisch-nationalistischer Staatsdoktrin handelt, was u.a. Erdogan so beliebt und erfolgreich gemacht hat) und vice versa den Niedergang der liberalen Demokratie.
Obwohl ich Kilicardoglu persönlich für einen integren Politiker halte, dem ich den Wahlsieg über Erdogan wünsche und durchaus zutraue, glaube ich nicht, dass sein Sechser-Bündnis die grundlegenden gesellschaftlichen Probleme der Türkei lösen kann … das würde nämlich auch endlich eine Abkehr vom Kemalismus erfordern (nicht grundsätzlich von dessen laizistischer Orientierung).
Warum wohl sind Parteien wie die HDP und die TIP dem Wahlbündnis Kilicardoglus nicht beigetreten, obwohl sie (mangels Alternativen) dessen Kandidatur unterstützen?)
Abdurchdiemitte
Seien wir ehrlich: es ist nicht die Demontage der demokratischen Institutionen, der schleichende Abbau von Meinungsfreiheit und Menschenrechten, bei denen es Erdogan überzogen hat … es ist die wegbrechende ökonomische Basis, die den „Reis“ jetzt zu Fall bringen könnte.
zum BeitragWo es nichts mehr zu verteilen gibt, funktioniert auch das altbewährte Patronage- und Klientelismussystem in der türkischen Innenpolitik nicht mehr, von dem in den letzten 20 Jahren vor allem die AKP profitierte.
Aber im Westen wird man (irrtümlicherweise) einen Wahlsieg der Opposition als Triumph der Demokratie über die konservativ-islamische Autokratie feiern. Mit einschneidenden Gesellschaftsreformen ist allerdings schon Bülent Ecevit - der im Artikel erwähnt wurde und an den mich der Erdogan-Herauforderer Kilicardoglu stark erinnert - schon in den Siebzigerjahren gescheitert.
Ich fürchte, Kilicardoglu wird es nicht besser ergehen … er führt ein ideologisch äußerst heterogenes politisches Bündnis an und sollte er es zu ernst meinen mit seinem Veränderungswillen, werden ihm die Grenzen schon aufgezeigt. Notfalls durch das Militär, wie schon mehrfach in der Geschichte der türkischen Republik.
Und nicht zu vergessen: Kilicardoglus CHP ist durch und durch kemalistisch - auch in ihrer sozialdemokratischen Ausrichtung - und der Kemalismus garantiert das System, das auch den Autokraten Erdogan so lange die Macht erhalten hat.
Der Putschversuch von 2016 ist u.a. gescheitert, weil das einige (kemalistisch gesinnte) Offiziere der türkischen Armee nicht begriffen hatten und meinten, es gehe in der Türkei um einen Kampf (demokratischer) Laizismus gegen (demokratiefeindlichen) Islamismus. Das ist jedoch nicht der Punkt, auch nicht bei dieser Wahl.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Ich weiß nicht, irgendwie komme ich darauf nicht klar, dass die LG gegen Gesetze verstößt und erwartet, damit durchzukommen …“.
zum BeitragAch, @Jim Hawkins, trauen Sie sich doch mal was! Dass ausgerechnet ich als hasenfüßiger bürgerlicher Pazifist, der sich stets im streng legalistischen Rahmen bewegt, Ihnen das sagen muss😉.
Aber wenn die Klimakleber für Sie sowieso alles verzogene, wohlstandsverwöhnte Bürgerkinder sind … .
Abdurchdiemitte
[Re]: Wenn es jedoch so sein sollte - wie @Life is Live meint -, dass Bürgerräte ein probates Instrument sein könnten, dem überbordenden und tatsächlich demokratiezersetzenden Lobbyismus etwas entgegenzusetzen (so habe ich jedenfalls den Mitforisten verstanden), handelt es sich keineswegs um eine wenig radikale Forderung.
zum BeitragVielmehr um eine notwendige, wenn auch radikale Forderung, um den durch die politischen Eliten praktizierten Demokratieabbau entgegenzutreten … denn u.a. deren Lobbyismus gefährdet die Demokratie. Die Feinde und Verächter der Demokratie stürzen sich dann lediglich wie die Aasgeier auf die hinterlassene Leiche (wir hatten das Thema hier in der Kommune schon kürzlich im Zusammenhang mit dem Erstarken der AfD).
Auch deshalb gilt meine Sympathie der LG, unabhängig von deren klimapolitischen Forderungen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Nein, das sehe ich etwas anders. Aber wer eine Nazipartei wählt, muss dann auch die vollen Konsequenzen seiner Wahlentscheidung tragen … und nicht wie im Mai 1945 in Deutschland aus den Trümmern gekrochen kommen und jammern, dass man doch selbst Opfer und auf falsche Verheißungen hereingefallen sei oder man lediglich mal ein bisschen auf den Putz hauen wollte. DAS sollte man den Leuten nicht noch einmal durchgehen lassen.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Zumindest ist es ziemlich dumm, aus den von Ihnen geschilderten Gründen AfD zu wählen … und natürlich macht das ihre Arbeitskollegin noch nicht zu einer Nazi.
zum BeitragAber Sie sollten sie ruhig darauf hinweisen, dass sie mit ihrem Wahlverhalten Nazis politischen Einfluss verschafft und ihnen möglicherweise den Weg zur Macht ebnet. Ist es das, was sich Ihre Arbeitskollegin erhofft? Oder wünscht sie sich lediglich ein Umdenken der etablierten Politik? Mit diesen Fragen könnten Sie Ihre Arbeitskollegin konfrontieren.
Abdurchdiemitte
[Re]: Danke für die Lektüreempfehlung für Masons Buch … darüber lohnt es sich m.E. eher zu debattieren als einen unfruchtbaren Streit darüber zu beginnen, welche Wähler der AfD nun Nazis sind oder nicht.
zum BeitragDenn es steht doch fest, dass das Volk als Souverän in demokratischen Gesellschaften dem Faschismus in freien Wahlen politischen Einfluss verschafft oder Faschisten sogar an die Macht wählt. Ist das erst einmal geschehen - und wir sehen die Entwicklung in einigen unserer europäischen Nachbarländer wie bei uns selbst -, ist das Kind schon längst in den Brunnen gefallen und es erübrigt sich die Frage, ob deren Wähler selbst Faschisten/Nazis sind.
Vielleicht erleben wir noch wie in den zwanziger und dreißiger Jahren in Europa eine erneute Renaissance faschistischer Bewegungen … darauf müssen wir vorbereitet sein.
Abdurchdiemitte
[Re]: Dann müssen Sie nur aufpassen, dass Sie beim Abzählen nicht die Falschen erwischen … aber nein, ich stimme Ihnen ja zu, für Sarkasmus oder Ironie ist das Thema leider zu ernst.
zum BeitragAbdurchdiemitte
„Es bleibt unsere Aufgabe, dieses Netz zu keiner Zeit als normal hinzunehmen.“
zum BeitragAlso dann, reden wir von der Nazipartei.
An die Selbstzerlegungstheorie habe ich ohnehin nie geglaubt … es ist doch lächerlich zu erwarten, interne Querelen, prominente Parteiaustritte oder Finanzskandale könnten den Höhenflug der Nazipartei stoppen. Oder gar eine Beobachtung durch den VS.
Das würde (vielleicht) funktionieren, wenn unser demokratisches System nicht so angreifbar wäre … angreifbar nicht im Sinne der Verletzbarkeit bzw. Angriffsfläche, die Demokratien „von Natur aus“ aufgrund ihres liberalen Verständnisses von Meinungsfreiheit innewohnt und in das demokratieverachtende Ideologien mit Leichtigkeit eindringen können. Dies muss hingenommen werden, diese Liberalität kann nicht geopfert werden, ohne dass die Demokratie sich selbst zum Negativen hin verändert (und am Ende ihren Feinden immer ähnlicher wird).
Nein, ich rede von den Fehlern, die die Demokraten bzw. die Repräsentanten der Demokratie selber machen, ohne Not oder in dem Irrglauben, sie sei auf ewig stabil und müsste nicht jeden Tag aufs Neue verteidigt (und errungen) werden. Muss ich die Fehler noch benennen? Korruption, Vetternwirtschaft der politischen Eliten, überbordender Lobbyismus und fehlende Transparenz in wichtigen politischen Entscheidungen, auch das Auseinderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich, fehlende Bildungs- und Aufstiegschancen für Kinder aus ärmeren Familien, marode öffentliche Infrastrukturen … die Liste könnte noch lange fortgesetzt werden.
Das hat die Nazipartei alles nicht erfunden, sie legt nur den Finger in Wunden und bietet falsche/vergiftete Lösungsvorschläge an. Sie saugt ihre Stärke aus der Schwäche der Demokratie, die Demokraten indes suhlen sich in Selbstgefälligkeit und ignorieren die drohende Gefahr statt die Probleme ernsthaft anzugehen.
Irgendwann hilft es dann nämlich nicht mehr, sich als die „weltbeste aller Demokratien“ zu selbstbeweihräuchern.
Abdurchdiemitte
[Re]: Das stimmt. Sie können am außenpolitischen Schlingerkurs Erdogans jedoch auch erkennen, dass antiamerikanische und antisemitische Attitüden in der Regel taktisch motiviertes „Wortgeklapper“ sind, um ein gewisses Spektrum der türkischen Bevölkerung an sich zu binden.
zum BeitragUnd mal ehrlich: letztlich zählt, dass die Türkei unverbrüchlicher Bündnispartner der NATO ist und bleibt. Das wird auch von Erdogan nicht in Frage gestellt, mögen seine nationalistischen und faschistischen Sturmtruppen noch so fluchen und hetzen. Damit hat auch der „Wertewesten“ kein Problem, so lange die Lage in der Türkei nicht eskaliert. Sowohl Erdogan als auch Kilicardoglu sind Garanten dafür, dass es bei der prowestlichen geopolitischen Ausrichtung der Türkei bleibt. Und Israel hat von der Türkei rein gar nichts zu befürchten, im Gegenteil. Sie müssen sich also keine Sorgen machen.
Ich sage das nicht ohne eine gewisse Ironie und Bitterkeit (was die westlichen „Werte“ betrifft).
Abdurchdiemitte
[Re]: Ironie bitte als solche kennzeichnen!!!
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Ergänzung: etwas verkürzt zusammengefasst ist die Frage zu diskutieren, ob nach 1945 in den westlichen Sektoren - und später in der Bundesrepublik - nicht die Förderung einer antikommunistischen Ausrichtung der deutschen Gesellschaft gegenüber dem Willen zu einer echten Entnazifizierung in den Vordergrund getreten ist. (Dagegen steht ja die These, dass Entnazifizierung und Antikommunismus bzw. Antitotalitarismus nicht im Gegensatz zueinander stehen).
zum BeitragMit umgekehrten Vorzeichen gilt das natürlich auch für die SBZ bzw. die spätere DDR.
Abdurchdiemitte
[Re]: Es ging mir in meinem Kommentar nicht um die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen, die später dann auch in deutsche Hände überging. Aber zu sagen, die Entnazifizierung scheiterte am Widerstand der deutschen Bevölkerung bzw. war politisch nicht mehr umsetzbar - natürlich, die Deutschen hatten in ihrer großen Mehrheit kein Interesse daran, wer möchte widersprechen - greift doch wohl ein bisschen kurz.*
zum BeitragIch halte daran fest, auch den Kontext der sich zuspitzenden Blickkonfrontation mit in den Blick zu nehmen bzw. nach der Rolle zu fragen, die Deutschland nach den Vorstellungen der westlichen Siegermächte wie der Sowjetunion in diesem „Spiel“ jeweils zukommen sollte. Und wie das sich auf den Prozess der Entnazifizierung auswirkte.
Das ist neben der eher innen- bzw. gesellschaftspolitischen Perspektive lediglich ein weiterer Ansatz, das Thema zu beleuchten. Und ich habe ja betont, dass die deutsche Verantwortlichkeit dabei eine zentrale Rolle spielt und nicht relativiert werden darf.
Deutschland in dieser Nachkriegszeit lediglich als Spielball fremder Machtinteressen zu betrachten, ist das Geschäft der Rechten, aus fadenscheinigen, naheliegenden Gründen. Das habe ich in meinem Post so aber nicht vertreten.
*Ich weiß aus den Erzählungen meines Großvaters - Angehöriger von Hitlers Wehrmacht und bei Kriegsende in britischer Kriegsgefangenschaft - sehr wohl, wie die „Entnazfizierung“ der deutschen Soldaten praktisch vonstatten ging, dass das schon (wie Sie sagen) an der schieren Größenordnung scheitern musste, weniger an dem Willen der Allierten damals. Allerdings wandelten sich im Zuge des Kalten Krieges auch dort die Motive.
Die These von der „Generalabsolution“ der Deutschen durch die Siegermächte lässt sich ja durchaus strittig diskutieren, ich wollte sie hier - als ergänzenden Aspekt zu Frau Tikhomirovas Beitrag - lediglich zur Diskussion stellen (weil mich z.B. die Meinung der Mitforisten dazu interessiert).
Abdurchdiemitte
Ich vermisse in dem Beitrag von Frau Tikhomirova leider einen Hinweis auf den Anteil der Siegermächte daran, dass es nach 1945 zu einer echten Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NS nicht kam, dass sich viele Deutsche sogar noch als Opfer stilisieren konnten, dass alte Nazis wieder zu Ant und Würden kamen.
zum BeitragIm Kontext des beginnenden Kalten Krieges mit seiner militärischen wie ideologischen Zuspitzung wurde beiden Deutschlands von den Siegermächten Generalabsolution erteilt, die es dann nicht mehr notwendig machte, sich mit lästigen Fragen nach Schuld und Verantwortung zu konfrontieren. Warum sollten die Deutschen das auch selbst tun, wenn sie auch ohne Auseinandersetzung mit der Schuldfrage gleichberechtigt in den Kreis ihrer neuen Verbündeten aufgenommen wurden, ja, im Fall der DDR sogar als das „bessere Deutschland“ geadelt wurden, das die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen hatte. Und Westdeutschland wurde bekanntlich ja als Prellbock gegen die Gefahr auf dem Osten aufgebaut, da waren unangenehme Fragen auch eher hinderlich.
Um nicht missverstanden zu werden: das Thema taugt absolut nicht zur Entlastung der Deutschen oder zur Relativierung der NS-Verbrechen. Es eröffnet jedoch den Blick auf den geopolitischen Kontext der Nachkriegszeit, der diese Verdrängung und „Normalisierung“ nach dem, was geschehen war, erst ermöglichte.
Abdurchdiemitte
[Re]: Wir wissen heute jedoch, dass es für Angehörige der Wehrmacht und der SS - und das gilt auch für die Angehörigen der mit dem Genozid in den besetzten Gebieten beauftragten Sonderkommandos und Einsatzgruppen - sehr wohl die Möglichkeit gab, sich von diesen Aufgaben entbinden und etwa an die Front versetzen zu lassen. Manche höheren SS-Kader hatten sogar die Möglichkeit, Verwaltungsposten in der Bürokratie an der sicheren Heimatfront in Anspruch zu nehmen.
zum BeitragSo viel nur zu dem Argument, in Diktaturen wie etwa dem NS hätte es keine Wahlfreiheit gegeben, sich dem Unrechtssystem und der Beteiligung an eklatanten Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu entziehen. Diktaturen basieren immer auch ein Stück weit auf der „freiwilligen“ Teilnahme ihrer Bevölkerungen, zumindest eines Teils davon.
Das macht Ihr Argument nicht ungültig, es relativiert es jedoch, da die große Mehrheit der Menschen sich doch irgendwie erträglich unter Bedingungen der Diktatur einrichtet. Warum sollte das in Putin-Russland anders sein als damals in Nazi-Deutschland? Die Verfolgungssituation besteht immer nur für die Minderheit, die offen gegen das System opponiert.
Deshalb ist die Redensart „Lieber tot als Sklave“ auch nur eine Scheinalternative … und es könnte töricht sein, den Tod gegenüber dem Leben in Unfreiheit auf alle Fälle bevorzugen zu wollen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Tut mir leid, wenn ich skeptisch bleibe. Aber Ressentiments, auf denen sich etwa Rassismus und Antisemitismus gründen, sind archaischer und wirkmächtiger, als dass sie durch sozialpolitische Maßnahmen wie eine Anhebung des Hartz4-Satzes wirksam bekämpft werden könnten. (Sie könnten auch sagen, gegen die menschliche Dummheit ist kein Kraut gewachsen). Und selbst wenn solche Maßnahmen erfolgreich wären und eine soziale Statusverbesserung bzw. materielle Verbesserungen nach sich ziehen würden - oder zumindest das Gefühl, gegenüber anderen (marginalisierten) Gruppen nicht benachteiligt zu werden - ändert es an den xenophoben Einstellungen nichts, denn sie sind keine Frage der sozialen Lage einer Bevölkerungsgruppe oder des Wohlstands einer Gesellschaft.
zum BeitragWohl aber wird die Ablehnung von oder der Hass auf bestimmte Gruppen politisch instrumentalisiert, um etwa die Schuld an einer Misere einer Minderheit anzulasten und so zugleich die jeweiligen Herrschaftsverhälnisse zu legitimieren … wie uns beispielsweise aus der Geschichte des Antisemitismus in Europa allzu bekannt ist.
Abdurchdiemitte
[Re]: „… sondern eine Politik anzubieten die die Ängste ernst nimmt, aber nicht die Ressentiments, die aus diesen Ängsten entstehen.“
zum BeitragEinverstanden. Aber natürlich müssen auch die Ressentiments ernst genommen werden, um sie zu bekämpfen. Ich bin nur nicht allzu optimistisch, dass das gelingt, es klingt doch irgendwie nach der Quadratur des Kreises.
Oder wie stellen Sie es sich vor, wie beispielsweise in der Flüchtlingspolitik Ressentiments und Ängste der autochthonen Bevölkerung zugleich ernst genommen und bekämpft werden können?
Abdurchdiemitte
[Re]: Kann dem zweiten Absatz Ihres Posts durchaus zustimmen. Aber a) anderen Foristen eine Haltung zu unterstellen, dass für die Freiheit ruhig ein paar Russen umgebracht werden dürften und b) in dem Zusammenhang noch das Stichwort “Asow” zu bringen - wozu? Um den ukrainischen Verteidigern gegen die russische Aggression irgendwie eine faschistische Gesinnung unterzujubeln? - , ist jetzt auch keine ausgesprochene argumentative Glanzleistung. Oder?
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Die Wahl, sich zwischen dem Tod im Schützengraben oder im Gulag entscheiden zu müssen bzw. - drastischer formuliert - sich entweder von einer Granate zerfetzen zu lassen oder zu Tode gefoltert zu werden, stellt sich für die große Mehrheit der Menschheit doch überhaupt nicht. Und ich wünsche weder Ihnen noch mir selbst noch irgendwem anderen, je vor diese tödliche Alternative gestellt zu werden.
zum BeitragWas ich jedoch sehe, ist, dass der übergroße Teil der Menschen heute global betrachtet mehr oder weniger unter Bedingungen der Unfreiheit leben und leiden muss. Einige können sich unter diesen Bedingungen einigermaßen gut einrichten, sich mit solchen Verhältnissen irgendwie arrangieren, ja, müssen es sogar, weil der Wille zu überleben absolut im Vordergrund steht. Das gilt auch für das Leben unter einer Diktatur, für diejenigen, die keinen Widerstand dagegen leisten. Wollen Sie darüber moralisch den Stab brechen?
Abdurchdiemitte
[Re]: “Freiheit heißt Tod auf dem Schlachtfeld, Frieden heißt Tod im Gulag. Und dann erscheint die Entscheidung für Freiheit nicht mehr verkehrt.”
zum BeitragNa, Sie machen mir Spaß.
“Dulce et decorum est pro patria mori”, wie Horaz so schön pathetisch sagte. “… nur man ist so lange tot”, wie mein alter Lateinlehrer stets ironisierend hinzuzufügen pflegte, wenn er die Redensart zitierte (selbstverständlich auf lateinisch). Recht hatte der Mann, er war übrigens Weltkriegsteilnehmer.
Und jetzt ersetzen Sie “fürs Vaterland” einfach durch “für die Freiheit”.
Abdurchdiemitte
[Re]: “Die Nicht-Wagenknecht-Linke kommt mir vor wie der Ehepartner, der hilflos mit anschaut, wie der andere fremdgeht.”
zum BeitragSie glauben also, eine Bewegungslinke - oder emanzipatorische/freiheitliche Linke, ganz wie Sie wollen - ohne Wagenknecht hätte hierzulande eine realistische Chance, die 5%-Hürde zu überspringen, geschweige denn, gesellschaftli he Mehrheiten zu organisieren? Und mit welchen Bündnispartnern überhaupt, etwa SPD und Grünen? Ich denke, eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr (auch so eine Redensart).
Abdurchdiemitte
[Re]: Hä? Wüsste nicht, dass wir hierzulande noch in einer Monarchie leben würden. Wieviel royalen Kitsch sich die Briten noch leisten wollen - und vor allem: wie viel zu zahlen sie dafür bereit sind angesichts der desolaten wirtschaftlichen und sozialen Lage des Empires - müssen die ganz alleine entscheiden. Nicht unser Thema.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Ja, sie hat einen Punkt. Den Punkt, den auch viele Populisten und Demokratieverächter in der Weltgeschichte vor ihr auch schon hatten (wobei ich mir nicht sicher bin, ob man Frau Wagenknecht nicht Unrecht tut, wenn man sie in diese Kategorien einsortiert).
zum BeitragMeine Frage in dem Kontext ist: wenn wir von “unteren sozialen Schichten” sprechen, an die linke Politik adressiert sein soll, was wäre damit denn gemeint? Die Beschreibung einer prekären sozialen (Klassen)Lage, die durch Armut, Arbeitslosigkeit, fehlenden Zugang zu Bildung sowie anderen gesellschaftlichen Ressourcen gekennzeichnet ist? Oder Leute, die generell empfänglich für populistische, demokratiefeindliche Haltungen, das darstellen und die man - mal ganz grob formuliert - gemeinhin als “Pöbel” bezeichnen kann?
Letzteren den Hintern zu pudern, kann nicht Aufgabe linker Politik sein. Genau das aber tut Frau Wagenknecht (auf polit-strategischer Ebene) und das ist auch mein Hauptvorwurf in ihre Richtung und die ihrer Apologeten (noch einmal: es geht mir nicht um die inhaltliche Stichhaltigkeit der Wagenknechtschen Argumente, denen ich zum Teil sogar zustimmen kann).
Abdurchdiemitte
[Re]: Das Dumme dabei ist nur, dass diese Steinzeit-Linken einen Gutteil des noch verbliebenen linken Wählerpotentials bei einer Parteineugründung mitnehmen werden … aber nur, wenn Sahra Wagenknecht da als Zugpferd mitmacht, vermute ich mal. Politische Irrläufer wie Dehm locken doch eh keinen Hund hinter dem Ofen hervor.
zum BeitragWenn die Abspaltung noch damit begründet wird, dass man der AfD mit einer linksnationalen Partei das Wasser abgraben will, so halte ich das für eine billige Ausrede, um diesen Schritt legitimieren und der Linken insgesamt den Todesstoß versetzen zu können … auch wenn ich es für wahrscheinlich halte, dass der eine oder andere AfD-Wähler tatsächlich abspenstig gemacht werden kann, verstärkt sich doch das demokratiefeindliche Potential, wenn wir es dann sowohl neben einer rechts- zusätzlich auch linkspopulistischen Wagenknecht-Partei zu tun bekommen.
Aber ich denke, die Dame hat kein wirkliches Interesse an den “Mühen der Ebene” (Brecht).
www.redensarten-in...woe=an&sp0=rart_ou
Abdurchdiemitte
[Re]: Einigen wir uns doch darauf, dass in dem Fall eine Gemengelage von persönlichen - nicht politischen (!) - Fehlern und rechter Kampagne vorliegt … und dass @Jim Hawkins natürlich auch nicht ganz daneben liegt mit seinem Grünen-Bashing.
zum BeitragMich beunruhigt an der ganzen Sache eher, dass die AfD in Umfragen jetzt gleichauf mit den Grünen liegt. Da kann man sich nicht allzu viele “persönliche Fehler” leisten als demokratischer Politiker. Ansonsten: Bild wirkt (immer noch), leider.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ja, das hat er. Und deshalb hat die Opposition jetzt eine realistische Chance, ihn vom Thron zu stürzen. Wechselstimmung in der Türkei.
zum BeitragAber warum erst jetzt nach 20 Jahren AKP-Herrschaft? Weil Erdogan seinen konservativ-islamischen Kurs erfolgreich mit der eher laizistisch orientierten kemalististischen Staatsdoktrin verbinden konnte. Man darf nicht vergessen, dass der Kemalismus (inklusive Nationalismus und Laizismus) nach wie vor der “Kitt” ist, der die türkische Gesellschaft zusammenhält. Und alle sechs Parteien des Kilicardoglu unterstützenden Oppositionsbündnisses - allen voran die CHP - stehen für diese kemalistisch-laizistische Ausrichtung.
Aber auch die türkische und kurdische Linke - vertreten durch HDP und TIP - könnte von der Schwäche der AKP profitieren. Denn es gelingt Erdogan immer weniger, das “Kurdenthema” bzw. die PKK als Schreckgespenst in der türkischen Öffentlichkeit zu instrumentalisieren. Die Versuche, Kilicardoglu in die Nähe der PKK zu rücken, können einfach nur als lächerlich bezeichnet werden. Diese Karte wird (hoffentlich) nicht mehr ziehen.
Ach ja, hinzu kommt natürlich die desaströse wirtschaftliche Lage in der Türkei, wahrscheinlich der entscheidende Faktor bei diesen Wahlen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ups, dieser Beitrag sollte eher allgemein an die Mitforisten adressiert sein, weniger als Antwort auf Ihren Kommentar, auf den sich lediglich mein erstes Posting bezieht.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Muss ein Autokrat gleich auch ein Faschist sein, um gegen ihn zu Felde zu ziehen? Genügen nicht die nachgewiesenen Kriegsverbrechen in der Ukraine, um Putin vor den IStGH zu bringen bzw. anders gefragt, sind nur Faschisten in der Lage und willens, derartige Verbrechen zu begehen?
zum BeitragWenn ich vor einem inflationären Gebrauch des Faschismusbegriffs warne, dann, weil ich auch die Gefahr der Relativierung der NS-Kriegsverbrechen in der Sowjetunion sehe, die diese ständige Vergleiche nach sich ziehen können. Mit dem Begriff Genozid - die Debatte hatten wir hier ebenfalls schon - wäre ich ebenso vorsichtig mit Blick auf die Shoa, die von deutschem Boden ausgegangen ist.
Keine Frage, dass die russischen Kriegsverbrechen jetzt in der Ukraine nicht relativiert werden dürfen sowie die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Ein ganzes Volk wie das russische dafür aber in Kollektivhaft zu nehmen, halte ich für falsch. Das legt der Begriff „Raschismus“ jedoch nahe.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ups, dieser Beitrag sollte eher allgemein an die Mitforisten adressiert sein, weniger als Antwort auf Ihren Kommentar, auf den sich lediglich mein erstes Posting bezieht.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Stimme zu. Mit vergleichenden Begriffen wie Faschismus habe ich hinsichtlich der Analyse der russischen Gesellschaft so meine Schwierigkeiten. Fest steht, dass es sich auf alle Fälle um ein autokratisches System handelt. Aber Faschismus, gar „Raschismus“?
zum BeitragUnd ich denke nicht, dass eine trennscharfe Einordnung reine Erbsenzählerei ist, wenn ich an die ideologischen Implikationen denke, die die Verwendung des Faschismusbegriffes im Zusammenhang mit Russland und der russischen Aggression gegen die Ukraine nach sich zieht.
Um für eine auch militärische Unterstützung der Ukraine zu plädieren und Putin als den Autokraten und Kriegsverbrecher zu sehen, der es ist (und der zu Recht vor den IStGH gezerrt gehört), muss ich ihn nicht noch als Faschist markieren oder ihn „Putler“ nennen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Dass man das nicht in allererster Linie ukrainischen Politikern abverlangen sollte, ist Ihnen aber schon klar?
zum BeitragEs ist tatsächlich eine schwerwiegende moralische Abwägung, einen aussichtslosen Verteidigungskampf fortzusetzen oder aber aufzugeben und zu kapitulieren - die Aufgabe eigenen Territoriums käme dem aus ukrainischer Perspektive gleich, zumal sie sich völkerrechtlich im Recht wissen -, wenn damit Menschenleben gerettet und weitere Zerstörungen vermieden werden können.
Allerdings sehe ich nicht, dass die Situation der Ukrainer in diesem Krieg völlig aussichtslos ist und sie ihre Kriegsziele nicht noch erreichen könnten. Und ja, das sollten wir grundsätzlich unterstützen.
Jegliche Heroisierung von Kriegshandlungen - auch wenn sie wie hier der Abwehr eines Aggressors dienen - finde ich jedoch abstoßend, erbärmlich und nicht angebracht (auch wenn man die Sache der Ukraine unterstützt), wie Sie vermutlich auch.
Abdurchdiemitte
[Re]: Na, dann hoffe ich mal, wir sind uns darin einig, sämtliche Aggressoren dieser Welt zu stoppen. Mit allem, was geht. An welche Priorisierung denken Sie denn so?
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Es wird einem wahrscheinlich ziemlich viel egal sein, wenn man im Krieg ist ... besser, den Krieg zu verhindern, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.
zum BeitragAbdurchdiemitte
Nein, die Forderungen der LG sind alles andere als radikal oder revolutionär. Es bricht auch nicht die Ökonomie zusammen, wenn einige Klimakleber Straßen blockieren.
zum BeitragAber es ist ein Angriff auf das Glaubensdogma von der automobilen Mobilität, die angeblich ja immer und überall gewährleistet sein muss (und daran wiederum hängt der Glaube von ungebrochenem Wachstum und Wohlstand, dem fast alle folgen, von dem jedoch nur wenige profitieren).
Und was noch schwerer wiegt: die Klimakleber sind ein Angriff auf die gesamtgesellschaftliche Verdrängung der Folgen des Erderwärmung, von denen früher oder später alle betroffen sein werden. Denn der Klimawandel ist es, der unser Gesellschaftsmodell und unseren Glauben daran zerstören wird, nicht die Umweltaktivisten. Noch klammern wir daran fest, deshalb die wütenden Reaktionen. Und alle wissen, dass das nicht ewig aufrechterhalten werden kann, von daher ist es auch ein Angriff auf das (schlechte) Gewissen, nicht selbst bei den Protesten dabei zu sein oder zumindest die notwendigen eigenen Verhaltensänderungen auf den St.-Nimmerleinstag zu verschieben.
Nicht nur im alten China wurden die Überbringer schlechter Nachrichten geköpft und nicht die Verursacher.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Die Links-Partei hat genügend Beispiele von Leuten, denen der Kompass kaputtgegangen ist.“
zum BeitragDas sagen Sie. Man kann das auch anders sehen oder fragen, welche Leute in der Linkspartei eigentlich damit gemeint sind. Sahra Wagenknecht ist da ein denkbar schlechtes Beispiel und … na ja, vielleicht ist sie demnächst auch gar nicht mehr Mutglied dieser Partei.
Also Ihre (oder meine) rein subjektiven Maßstäbe in Ehren, sie helfen jedoch nicht weiter (außer dass ich weiß, wo Sie in bestimmten Fragen politisch stehen, was aber noch nichts über die Stichhaltigkeit ihrer Argumente aussagt) … ganz ohne Konzepte und Theorien auf der Meta-Ebene geht‘s also auch nicht.
Dass die Hufeisentheorie „Käse“ ist, darin stimmen wir mit @Ingo Bernable ja überein.
Abdurchdiemitte
[Re]: Linksrutsch? Rechtsrutsch? Ziemlich unbrauchbare Kategorien in diesem Zusammenhang … und letztlich eine Frage der Perspektive. Den auf der politisch rechten Seite vielfach bejammerten Linksruck der Merkel-CDU beispielsweise würde ich mal frech in Frage stellen. Die Akteure sind unter Merz im wesentlichen doch die gleichen geblieben. Daher gibt es in der CDU weder einen Rutsch nach links noch nach rechts.
zum BeitragMerkels Positionierung 2015 in der Flüchtlingspolitik? Aus meiner Sicht einfach eine Frage der Humanität, für echte christliche Demokraten eigentlich selbstverständlich.
Und dass Linke nach rechts wandern? Ja, das gibt es … Horst Mahler zum Beispiel. Ich bleibe jedoch dabei, dass Sahra Wagenknecht dafür ein äußerst schlechtes Beispiel ist (die Kritik ihrer Positionen ist eine ganz andere Sache).
Schauen Sie sich einmal die Konzepte und das Auftreten der Identitären an: das sind und waren niemals Linke, auch wenn sie habituell linke Protestkultur kopieren oder kapern. Der kleine, feine Unterschied sollte doch beachtet werden, denn der ist entscheidend (es sei denn, man möchte unbedingt schmutzige Wäsche waschen).
Abdurchdiemitte
[Re]: 👍🏻👍🏻👍🏻
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Volle Zustimmung … wobei sich die blinden Flecken der Demokraten wohl kaum aufhellen lassen, weil es sich um ziemlich dunkle Flecken handelt, leider. Beispiele dafür haben Sie ja selbst genannt.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: „Wer an die Ereignisse des Jahres 1948 erinnern will, soll nicht so tun, als habe nur eine Seite gehandelt und sei an allem Schuld.“
zum BeitragWo geschieht das denn? Und worin liegt die Deligitimierung Israels als Staat, wenn beispielsweise auf die Angriffe und den Terror der Irgun gegen palästinensische Dorfbewohner verwiesen wird? Alles nur kriegsbedingte Kollateralschäden? Weil diese Zivilisten zur 5. Kolonne der arabischen Angreifer hätten werden können? Das Thema Delegitimierung haben Sie ins Spiel gebracht, nicht Bashir, der ja selbst israelischer Staatsbürger ist.
Nein, wenn die Trauer und der Schmerz der anderen nicht anerkannt, sondern sogar verleugnet, als nicht existent angesehen wird, ist kein Gespräch auf Augenhöhe möglich, und auch keine Verständigung und kein Frieden, für beide Seiten nicht.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich mache mir mehr Sorgen, wie diese Menschen mit ihren politischen Gegnern umgehen, wenn sie weiter an Einfluss und Macht gewinnen, aber auch schon jetzt.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Zudem ist diese Brandmauer gegen Rechts schon längst auf Verfassungsschutz-Ebene durchlöchert … so ganz ohne Not und dass es überhaupt eine politische Mehrheit für rechtsextreme Parteien gibt.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Gute Analyse, danke. Vor allem beschreiben Sie zutreffend die Wechselwirkung zwischen dem Politikversagen der Etablierten und dem Aufstieg der Rechten. Das gilt ja nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa.
zum BeitragUnd lediglich reine Empörungskultur führt da nicht weiter, im Gegenteil, sie bestärkt die Rechten nur in ihrem Anti-Establishment-Narrativ. Aber nichts ist hierzulande etablierter als die politische Rechte in all ihrer Demokratiefeindlichkeit und ihrem Rassismus.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ob man die gesellschaftspolitischen Entwicklungen in Israel wie Wolffsohn als Erstarken der Mizrachim interpretiert oder als Erstarken einer gewissen Wagenburg-Mentalität innerhalb der israelischen Gesellschaft bzw. von einer Zunahme der gesellschaftlichen Verhärtung und Polarisierung infolge des wachsenden Einflusses rechter und autoritärer Tendenzen sieht - oder ob man sie ausschließlich als Folge der „äußeren“ Bedrohung betrachtet - bringt ja jeweils einen ganz anderen Zungenschlag in die Diskussion. Vielleicht können wir uns sogar darauf einigen, dass es eine Gemengelage unterschiedlicher Faktoren ist sowie eine Frage der Perspektive, die bei Bashir eben eine andere ist als bei Wolffsohn.
zum BeitragUnd eigentlich halte ich „Schuld“ in diesem Kontext für die falsche Kategorie, zumindest was die Palästinenser und Juden betrifft. Man müsste wohl eher von Vetantwortung bzw. Vetantwortungsübernahme sprechen. Und insofern liegt Bashir nicht ganz falsch, wenn er die Europäer ins Spiel bringt, die Briten in ihrer unglücklichen Rolle als Mandatsmacht in Palästina, die Deutschen als Verantwortliche für den Holocaust und den darauf folgenden jüdischen Massenexodus nach Palästina.
Die Holocaust-Überlebenden jedenfalls sind genauso wenig „schuld“ wie die von der Irgun terrorisierten, ermordeten und vertriebenen (oder der arabischen Schreckenspropaganda folgenden) palästinensischen Bevölkerung.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich bitte um Beispiele. Die ersten antijüdischen Pogrome in Europa gab es meines Wissens 1099 im Rheinland im Zuge des ersten Kreuzzuges. Lange bevor die Kreuzfahrer Jerusalem überhaupt erreicht hatten, haben sie auf ihrem Weg eine Schneise des Mordens und der Verwüstung hinterlassen. In Jerusalem selbst sind 70.000 Einwohner dem Blutrausch der „Franken“ zum Opfer gefallen, Muslime, Juden und Christen gleichermaßen.
zum BeitragDie Vertreibung der jüdischen Sefarden aus Portugal und Spanien erfolgte im Zuge der Reconquista 1492. Diese Juden fanden darauf Zuflucht etwa in Marokko und verschiedenen Gebieten des osmanischen Reiches, also in muslimischen Gesellschaften.
Was beispielsweise die Jüdinnen und Juden in der Türkei betrifft, ergibt sich ein sehr gemischtes Bild. Jedoch kann generell keineswegs behauptet werden, Juden seien in islamischen Gesellschaften historisch einem größeren Verfolgungsdruck ausgesetzt gewesen als im christlichen Europa.
de.m.wikipedia.org...C3%BCrkische_Juden
Die Diskriminierung und Verfolgung von Juden in den arabischen Ländern hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit den Ereignissen um die Staatsgründung Israels sowie dem Erwachen des arabischen Nationalismus ab dem 20. Jhdt. … den haben sich die Araber allerdings 1:1 von den Europäern „abgeguckt“, der Islam hingegen hat eine universalistische Ausrichtung. Und (europäischer) Nationalismus steht wiederum in engem Wirkungszusammenhang mit dem modernen völkischen Antisemitismus. Der Zionismus übrigens auch als Reaktion auf den Nationalismus und Antisemitismus der die europäischen Juden umgebenden Mehrheitsgesellschaften.
Bis dahin existierte Eretz Israel vorwiegend als religiöses Konzept, was etwa die Ausrichtung des Thora-Schreins in den Synagogen auf den Jerusalemer Tempelberg zum Ausdruck bringt.
Abdurchdiemitte
[Re]: Altersdiskriminierung, oder was? Ich kenne da schon wesentlich Jüngere (auch Menschen mit hoher Verantwortung in entsprechenden Positionen) die an seniler Bettflucht leiden😉.
zum BeitragAbdurchdiemitte
Ein ausführlicher und guter zusammenfassender Abriss der Geschichte des Staates Israel und der israelischen Gesellschaft … und der Entwicklung der zionistischen Ideologie seitdem. Danke, Herr Hillenbrand.
zum BeitragAuf einer solchen Grundlage lassen sich auch Debatten über die heutige Situation Israels - sowie des israelisch-palästinensischen Konflikts - sinnvoller, vertiefter und reflektierter führen als das bei einer rein ideologisch motivierten und emotionalen Betrachtung der Fall wäre.
Dem Staat Israel jedenfalls meine besten Wünsche und weiterhin kritische Solidarität zum 75jährigen Geburtstag seines Bestehens.
Abdurchdiemitte
[Re]: Wie auch immer, hier geht es um die Konfliktanalyse eines israelischen Wissenschaftlers mit palästinensischen Wurzeln … eine legitime Position innerhalb einer pluralen demokratischen Gesellschaft, eine von vielen. Das wird von manchen die derzeitige israelische Regierung unterstützenden Kräften jedoch in Frage gestellt und als antijüdisch (antizionistisch, antisemitisch) denunziert.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: „Ob denn in den muslimischen Ländern alles glatt lief mit Schutz und Integration von Juden.“
zum BeitragOb DAS denn wohl ein Argument sein kann, die Tatsache, dass der Zivilisationsbruch der Shoa von deutschem Boden ausging, zu relativieren oder islamischen Judenhass (dessen Existenz ja nicht bestritten wird) irgendwie damit gleichzusetzen?
Abdurchdiemitte
[Re]: Wie wahr. Das Problem ist doch, dass wir alle möglichen Spekulationen darüber anstellen können, wie die Geschichte verlaufen wäre, hätten die arabischen Staaten den neugegründeten Staat Israel 1948 nicht mit Krieg überzogen, sondern sein Existenzrecht letztlich anerkannt hätten.
zum BeitragFest steht jedoch, dass der Karren aktuell tief im Dreck steckt, gegenseitige Schuldzuweisungen, wer hier einst wen vertrieben hat, sind da absolut fehl am Platz. Der Verweis auf 800.000 vertriebene Juden in Folge des ersten arabisch-israelischen Krieges mutet da geradezu wie ein Entlastungsversuch dafür an, dass die Shoa in Europa stattgefunden hat und von deutschem Boden ausging. Aber es ist und bleibt unseriös, die Folgen dieses inmitten Europas vollzogenen Zivilisationsbruchs - die dann zur Gründung des Staates Israel geführt haben - jetzt den Palästinensern, die selbst zu Opfern dieser Geschichte geworden sind, in die Schuhe schieben zu wollen. (Auch der in diesem Zusammenhang zuweilen gebrachte Verweis auf etwaige Nazi-Symphatien des Grossmufti von Jerusalem mutet da doch sehr bemüht an. Es wirkt fast so, als würde man den Ukrainern eine Verantwortung am deutschen Überfall auf die Sowjetunion anlasten wollen, nur weil einige von ihnen Nazi-Kollaborateure waren.)
Nein, es ist nicht angebracht, die Nakba und deren Folgen für die Palästinenser zu relativieren und Opfer zu Tätern zu machen … und wenn, gilt das in diesem Konflikt für beide Seiten. Opfer und Täter zugleich.
Der blinde (ideologische) Fleck des Zionismus (als Idee einer nationalen Heimstätte für die Juden) liegt einfach in der Nichtbefassung mit der palästinensischen Frage und das von Anfang an … bevor er von rechtsextremen jüdischen Siedlernationalisten und Teilen des ultraorthodoxen Spektrums auf deren Weise gekapert wurde. Ein Geburtsfehler sozusagen. Auch damit muss sich die liberale säkulare israelische Zivilgesellschaft auseinandersetzen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Na ja, Chodorowski hat im Interview schon den Umfang der westlichen Waffenlieferungen bzw. die immer neu gezogenen roten Linien kritisiert wie auch die Langsamkeit der Entscheidungen der westlichen Staaten. Dabei geht es nicht nur um die Unterbindung russischer Spionagetätigkeit im Westen, wenngleich dies auch ein wichtiger Aspekt ist.
zum BeitragAber Chodorowski hat natürlich recht: entweder Top oder Flop, was die militärische Unterstützung für die Ukraine betrifft. Der Brand kann nicht gelöscht werden mit dem bisherigen Umfang der Waffenlieferungen. Schlimmer noch: so wird die Ukraine in eine aussichtslose, verlustreiche Gegenoffensive gedrängt … entweder man sagt den Ukrainern schon jetzt, dass sie aufgeben müssen (und auf 20% ihres Staatsterritoriums verzichten) oder man hört endlich damit auf, rote Linien zu ziehen und liefert den Ukrainern, was sie fordern.
Hinsichtlich der Unterstützung der Ukraine muss der Westen tatsächlich auch B sagen, eben weil er schon A gesagt hat (in anderen Fällen mag Brecht recht haben). Nur ein bisschen Solidarität geht nicht, wie auch ein bisschen Frieden nicht funktionieren kann.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Aber was die LG macht, ist mit Sicherheit nicht, das ist die Systemfrage zu stellen.“
zum BeitragAch ja, die gute alte Systemfrage … müssten Linke (damit meine ich nicht lediglich die Linkspartei) sich nicht selbstkritisch fragen, ob es ihnen je gelungen ist, die Systemfrage mit den realen, konkreten Kämpfen der Menschen zu verbinden? (Was ist mit dem Autofahrer, der wegen des von der LG verursachten Staus möglicherweise einen Kunden und damit viel Geld verliert?)
Ein durchschnittlicher deutscher Arbeitnehmer, für den Freiheit, Wohlstand und somit Lebensqualität bedeuten, am Wochenende sein Nackensteak auf den Grill zu werfen (und sich nicht von grünen Moralspiessern reglementieren lassen möchte), hat möglicherweise eine andere Perspektive als eine Textilarbeiterin in Bangladesch, did für gerechte Löhne und bessere/sichere Arbeitsbedingungen in einer maroden, einsturzbedrohten Fabrik kämpft.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Ich finde Militär und die NATO nicht toll, aber in der gegenwärtigen Situation als notwendiges Übel.“
zum BeitragEs ergibt sich dann allerdings die Frage, wie lange man ein „notwendiges Übel“ als notwendig ansehen bzw. wie eine Situation beschaffen sein muss, in der mir etwas anderes (etwas Besseres?) als lediglich eine Wahl bleibt, mich zwischen größeren und kleineren Übeln entscheiden zu müssen.
Ich finde, irgendwelche Übel - seien sie nun „notwendig“ oder nicht - können wir uns angesichts des desolaten Zustandes unserer Erde eigentlich nicht mehr leisten. Das betrifft kriegerische Konflikte, den Klimawandel sowie Hunger und soziale Ungerechtigkeit gleichermaßen (mir fallen gerade nicht mehr der Apokalyptischen Reiter ein) … alles Ausdruck der EINEN globalen Krise.
Abdurchdiemitte
[Re]: Darum geht es mir doch gar nicht, festzustellen, dass die EU oder irgendwer von den anderen beteiligten Akteuren in diesem Konflikt „böse“ seien.
zum BeitragDen Kern des Problems haben Sie selbst angesprochen: es ist die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit in Ländern wie dem Sudan, die diese gewalttätigen, bewaffneten Strukturen (Rebellengruppen) aufrechterhalten.
Ob es nun eine kluge, nachhaltige europäische Außenpolitik gegenüber dem afrikanischen Kontinent ist, diese Strukturen mit EU-Mitteln noch weiter zu fördern, will ich mal dahingestellt lassen.
Man sage mir nicht, dass sei alles aus der Not geboren, indem man die Notwendigkeit der Abschottung Europas gegen die Fluchtmigration betont und sich gleichzeitig über den wachsenden Einfluss der chinesischen „Entwicklungspolitik“ in Afrika beschwert. Das passt alles nicht zusammen … es sei denn, man betreibt zeitgemäßen Kolonialismus mit anderen Mitteln. Das würde ich zumindest Frankreich unterstellen und die restliche EU macht sich zum Handlanger dieser französischen Kolonialpolitik in Afrika.
Die Zusammenhänge des Bürgerkriegs im Sudan mit den anderen regionalen ostafrikanischen Konflikten hat @Ulrich Coppel hier im übrigen gut dargelegt … und warum diese Konstellation zwangsläufig den Einfluss Chinas und Russlands stärkt.
Da Öl ins Feuer zu gießen - durch die Finanzierung militärischer Strukturen in diesen Ländern - halte ich für keine schlaue Idee, wenn man vorgibt, eine an Demokratie und Menschenrechten orientierte „wertebasierte“ Außenpolitik vertreten zu wollen.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Klimasoozialismus ist ganz im Ernst das Mindeste, um die Erde weiter bewohnbar zu halten.“
zum BeitragKönnten Sie Ihr Konzept von Klimasozialismus ewas näher/konkreter erläutern, damit ich eine Vorstellung davon bekomme, was Sie darunter verstehen? Ist damit das selbe wie Ökosozialismus gemeint?
Dass Sie dabei Wolfgang Kubicki und Sahra Wagenknecht gemeinsam auf der anderen Seite des Grabens sehen, habe ich schon verstanden.
Abdurchdiemitte
“Der Freiheitsanspruch des Liberalismus wird im Gesamtsystem samt seiner internen Konflikte repräsentiert, nie durch eine einzige Partei.”
zum BeitragSag’ ich’s doch, die FDP ist überflüssig wie ein Kropf.
Das Problem dabei: niemand möchte als illiberal dastehen, liberal wollen wir doch allesamt sein, weil wir den Begriff des Liberalismus weniger mit einer politischen Ideologie verbinden, sondern vielmehr mit einer Geisteshaltung der Toleranz und Großzügigkeit, in deren Sonne wir gerne glänzen wollen.
Deshalb wird sich selbst der allerlinkeste Linke persönlich als liberal bezeichnen. Und wer möchte schon gerne der Oma ihr klein’ Häuschen wegnehmen (was möglicherweise wegen der globalen Krise eines Tages doch notwendig sein wird).
Die Definition des politischen Liberalismus bleibt schwiemelig und dahinter steckt Methode: schauen wir beispielsweise auf den Klimawandel, wird deutlich, dass der Liberalismus sehr wohl in der Lage ist, technologische Innovationen zu fordern oder durchzusetzen, die die Erderwärmung zu bremsen vermögen.
Geht es in diesem Kontext allerdings um gesellschaftspolitische Maßnahmen, die möglicherweise individuelle/individualistische Freiheitsrechte einschränken oder in sie eingreifen - und seien es nur so banale wie ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen - kommt der Liberalismus rasch an seine Grenzen, wegen seiner ideologischen Blindheit. Und wegen der moralischen Fragwürdigkeit seines Freiheitsbegriffes.
Zuweilen gibt es leider nur Entweder-Oder-Entscheidungen, die FDP hat nie einen Zweifel daran gelassen, auf welcher Seite des Grabens sie steht. Das muss man ihr lassen.
Abdurchdiemitte
[Re]: “Zu recherchieren wäre, ob die EU immer noch die RSF fördert.”
zum BeitragDa haben Sie so was von recht. Es reicht jedoch schon, dass sie es in der Vergangenheit getan hat und damit wesentlichen Anteil an der aktuellen Misere im Sudan hat.
Und es ist eine Schande, dass der EU angesichts dieser bewaffneten blutigen Konflikte jetzt nichts weiter als Achselzucken einfällt bzw., auf die “schlimmen Finger” China und Russland zu verweisen.
Wenigstens ein Bruchteil der Empathie, die wir den von Russland überfallenen Ukrainern entgegenbringen, wäre gegenüber den Bevölkerungen in den krisengeschüttelten afrikanischen Ländern schon angebracht.
Abdurchdiemitte
Wir sehen, dass auch die EU in diesem blutigen Konflikt mit dem Ausbau der RSF als schlagkräftige paramilitärische Organisation ihre Finger im Spiel hat. Es ist scheinheilig und zynisch, hier lediglich auf China und Russland zu verweisen, die wesentlichen Anteil an der Aufrüstung der Regierungsarmee haben.
zum BeitragDaher ist es ebenso scheinheilig zu behaupten, Europa bzw. der Westen habe keinen Einfluss auf diesen Bürgerkrieg (das gilt beispielsweise auch für den Ostkongo) … es wird nahezu nichts unternommen, um sich abzeichnende Genozide in Afrika zu verhindern.
Ist das Kind erst in den Brunnen gefallen, werden dagegen alle Anstrengungen unternommen, die eigenen Landsleute und das diplomatische Personal aus dem Krisengebiet herauszuholen, die dort lebenden Menschen werden achselzuckend ihrem Schicksal überlassen.
Abdurchdiemitte
Kilicdaroglus Rede war gewiss ein kluger Schachzug im türkischen Wahlkampf. Nun ist es nicht gerade eine Neuigkeit, dass alevitische Türk*innen und Kurd*innen in ihrer großen Mehrheit traditionell sowieso laizistischen Parteien zuneigen.
zum BeitragAber Alevit*innen stellen nur etwa ein Viertel der türkischen Gesamtbevölkerung und somit nicht die Mehrheit, auf die das Oppositionsbündnis alleine setzen könnte. Eine weitere Zielgruppe sind die jungen Wähler*innen und diejenigen, die 20 Jahre Erdogan-Autokratie, die religiöse Bevormundung, den Klientelismus der regierenden AKP sowie die hoffnungslose ökonomische Lage, in der sich die Türkei befindet, einfach satt haben.
Außenpolitisch dürfte ein Wahlsieg Kilicdaroglus ein Glücksfall für NATO und EU sein, da erwartet werden kann, dass eine CHP-geführte Regierung den außenpolitischen Schlingerkurs Erdogans verlässt und sich eindeutiger pro-westlich präsentiert.
Ich sehe in Kilicdaroglus Bekenntnis zum Alevismus auch eine klare Positionierung für eine laizistische Türkei. Humanismus und Toleranz sind schließlich im Alevitentum stark verankerte Werte. Ob es ihm jedoch gelingt, den Einfluss der nationalreligiösen sunnitischen Erdogan-Anhänger und der mit ihnen verbündeten Faschisten in der türkischen Gesellschaft zurückzudrängen?
Kilicardoglu wurde ja schon der Gandhi der Türkei genannt, wegen seines aufsehenerregenden “Marsches für Gerechtigkeit” vor einigen Jahren. Mich erinnert er eher an Bülent Ecevit und dessen ambitionierte Reformvorhaben in den Siebzigerjahren. Deren klägliches Scheitern ist jedoch auch bekannt und deshalb warne ich vor zu viel Euphorie in der Sache. Und Erdogan muss auch erst einmal geschlagen werden.
Abdurchdiemitte
[Re]: Absolut.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber im hier diskutierten Kontext genau der falsche Ansatz, um zu einem Austausch darüber, wie wir hier eigentlich miteinander umgehen wollen und einem einigermaßen auskömmlichen Zusammenleben in dieser deutschen Migrationsgesellschaft zu kommen, deren Bestandteil ja schließlich auch Muslime und Juden sind.
zum BeitragWenn hier keine gesamtgesellschaftliche Verständigung mehr erzielt werden kann, wird das bei anderen Konflikten, die uns miteinander betreffen, auch nicht mehr gelingen … und das sehen wir leider ja auch schon.
Abdurchdiemitte
[Re]: Gute Frage. Ich versuche es mal mit einer (möglichen) Antwort: es wäre sicherlich nützlich, wenn es in unserer Gesellschaft (geschützte und evtl. moderierte) Räume geben würde, in denen Muslime Jüdinnen und Juden begegnen und sich austauschen, Vorurteile und gegenseitige Feindschaft überwinden könnten. Das gilt insbesondere für die jüngere Generation. Denn Ablehnung und Hass basieren zumeist auf Nichtkenntnis der Anderen, ihrer religiösen und kulturellen Zugehörigkeit und Identität. Die Begegnung hingegen ermöglicht letzen Endes die Erkenntnis, gar nicht so verschieden voneinander zu sein.
zum BeitragSo ist heute der christlich-jüdische Dialog selbstverständlich, warum sollte es da nicht einen jüdisch-islamischen Dialog in unserer Gesellschaft geben können?
Eines muss dabei klar sein: es geht dabei um die Vorstellung eines gemeinschaftlichen Zusammenlebens in DIESER Gesellschaft, deren Teil Migrant*innen und jüdische Menschen sind, nicht um die “Verlängerung” von Konflikten in deren Herkunftsländern (Konfliktimport), etwa zwischen Israel und den Palästinensern. Diese Debatten können dann geführt werden, wenn die Verständigungsbasis einigermaßen stabil ist.
Aber in Zeiten, in denen Toleranz und Dialog als illusionär, als eine Art Veranstaltung für Träumer und (pazifistische) Weicheier gesehen werden, ist eine solche Antwort wahrscheinlich unbefriedigend. Aus meiner Sicht führt jedoch kein Weg daran vorbei.
Abdurchdiemitte
Ein gutes Interview mit einer sinnvollen differenzierenden Analyse des Antisemitismusbegriffs. Danke.
zum BeitragUnd ja, ich stimme der Aussage Frau Arnolds zu, dass Antisemitismus in Deutschland in erster Linie ein Problem der deutschen Gesellschaft ist und bleibt, auch wenn er als migrantischer oder islamischer Antisemitismus daherkommt. Denn wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft.
Über den Begriff Antisemitismus-Import müsste man in dem Kontext noch mal sprechen, wenn damit gemeint ist, dass entsprechende antisemitische Parolen ("Tod den Juden") auf Palästinenser-Demos hierzulande skandiert werden. Fest steht, dass nicht die muslimischen Gemeinschaften unter Generalverdacht gestellt werden können (siehe Frau Arnolds Verweis auf Sunnit*innen und Alevit*innen).
Auch über den Begriff Antisemitismus-Import müsste in dem Kontext gesprochen werden, wenn etwa auf Palästinenser-Demos hierzulande "Tod den Juden" skandiert wird. Der moderne völkische Antisemitismus ist und bleibt eine europäische "Erfindung", die eng mit der Entstehung moderner Nationalstaaten und der Industrialisierung im 19. Jahrhundert zusammenhängt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass das Aufkommen des arabischen Nationalismus antisemitische Tendenzen dort verstärkt und integriert hat. Aber auch diese Entwicklung ist nicht ohne den europäischen Einfluss in den modernen arabischen/islamischen Gesellschaften zu verstehen.
Wie auch immer, wer als Jüdin oder Jude Adressat und Opfer antisemitischer Vorurteile und Gewalt ist, wird möglicherweise eine andere Perspektive einnehmen und nicht nach akademischen Differenzierungen des Antisemitismusbegriffs fragen, denn Antisemitismus bedroht das Jüdisch-Sein existenziell, in welcher Ausprägung auch immer.
Abdurchdiemitte
Mal eine dumme Frage: ist es möglich, dass diese Ausstellung auch in Deutschland gezeigt wird? Ich fände das begrüßenswert und erinnere an die Debatten, die seinerzeit die Wehrmachtausstellung hierzulande ausgelöst hat.
zum BeitragJüdischer Widerstand spielt in der deutschen Rezeption der Shoa leider kaum eine Rolle.
Abdurchdiemitte
[Re]: Stimme zu … denn die jeweils unterschiedliche gesellschaftspolitische Relevanz - um es mal so zu formulieren - so unterschiedlicher Printmedien wie Bild/BamS, Zeit oder taz wird von der Autorin leider nicht weiter berücksichtigt.
zum BeitragWenn es nur um stilistische und inhaltliche Aspekte ginge, hätte auch die taz tatsächlich das eine oder andere Mal ordentlich was um die Ohren verdient (und das bekommt sie ja auch) … aber die Bild mit den genannten anderen Formaten überhaupt zu vergleichen oder gar die gleichen Standards hinsichtlich der journalistischen Qualität zu verlangen, wäre, wie wenn ich eine demokratische Gesellschaft mit einer Diktatur vergliche.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Mir Verlaub, wer sich freiwillig in Gefahr begibt, kann ggf. darin auch umkommen.“
zum BeitragWer sich als Tourist in den Flieger nach Malle, Thailand oder sonstwohin setzt, das Flugzeug stürzt ab … meinen Sie das?
Gerade weil die EU die Risiken der Fluchtrouten nicht verhindern kann, wäre sie doch verpflichtet, die Menschen nicht in eben diese Situationen zurückzuschicken. Moralisch wenigstens.
Abdurchdiemitte
[Re]: Der Zusammenhang von illegaler (Flucht)Migration und den klandestinen Strukturen gerade in der italienischen Agrarwirtschaft wurden vom Autor leider nicht beleuchtet. Und weil die EU insgesamt von diesem System profitiert, tritt das ganze Ausmaß dieser menschenfeindlichen, zynischen europäischen Migrationspolitik klar zutage, faschistische Regierungen wie die Melonis in Italien werden da lediglich zu Handlangern und Vollstreckern. Also ist nicht bloß Italien ein shit hole country, wie Sie es nennen, die EU ist es insgesamt.
zum BeitragWährend die Neoliberalen den ökonomischen Nutzen für Europa durchaus erkennen, schürt die extreme Rechte die Ängste der Bevölkerung vor einer „Umvolkung“ und will die EU zu einer Festung Europa umbauen. Und weil Migranten so oder so in der Illegalität und in wirtschaftlich wie sozial prekären Verhältnissen gehalten werden, arbeiten die beiden in Europa politisch tonangebenden ideologischen Kräfte (Rechte, Liberale) Hand in Hand, obwohl ihre Positionen in der Migrationspolitik vordergründig als sich widersprechend erscheinen.
Abdurchdiemitte
Ich weiss nicht, was das für eine „demokratische“ Zivilregierung im Sudan werden soll, an der die RSF beteiligt ist. An deren Hände klebt doch das Blut zahlreicher Menschen in Darfur, ein Verbrechen, das durchaus als Genozid betrachtet werde kann.
zum BeitragDie Wahl zwischen Militär- und Zivilregierung ist für die Sudanesen die zwischen Pest und Cholera, die vielen bewaffneten, gewalttätigen und unkontrollierbaren Milizen bzw. die failed-state-Problematik sind doch - wie in einigen afrikanischen Staaten - das Hauptproblem auf dem Weg zur Demokratisierung.
Da hilft auch nicht die Protegierung bestimmter Gruppen durch die USA und den Westen, im Gegenteil, es dürfte die Lage verschlimmern.
Abdurchdiemitte
[Re]: Im Gegensatz zu Ihnen war ich in meiner Jugend offenbar einer, der politisch ganz kleine Brötchen gebacken hat (und immer noch backt😉).
zum BeitragAktiv bei den Juso und dann noch im revisionistischen Flügel. Also keinesfalls ein radikaler Revoluzzer, sondern ein weitgehend angepasster Normalo, wie man das damals genannt hat, Dorfjugend sozusagen. Tee statt Alkohol konsumiert, als Mann gestrickt (ja, das war Anfang der 80er tatsächlich mal en vogue, wer erinnert sich noch daran?), „we shall overcome“ gesungen und Erich Fried mit Begeisterung gelesen habe.
Vielleicht aber kann ich mir gerade deshalb heute noch in den Spiegel schauen, ohne (scham)rot zu werden? Na gut, der eine oder andere Blödsinn geht auch auf meine Kappe, wir waren jung. Dazu gehört jedoch bestimmt nicht mein grundsätzlicher Pazifismus.
Das Unbehagen/den Zorn am Zustand der Welt teilen wir beide trotz aller Unterschiedlichkeit hoffentlich noch heute.
Abdurchdiemitte
[Re]: Sehe ich wie Sie. Mit dieser rigorosen Fristsetzung beim Atomausstieg gibt es ein massives Vermittlungsproblem in der Bevölkerung, sieht man dann auch an den Umfragen.
zum BeitragNicht das einzige „Vermittlungsproblem“ der Ampel. Das kommt, wenn diverse Koalitionspartner meinen, auf „dicke Hose“ machen zu müssen, um ihr jeweiliges Klientel bei der Stange zu halten, die einen in der Verkehrs- , die anderen in der Energiepolitik.
Komplett orientierungslos dazwischen zu stehen, dem Treiben der profilierungssüchtigen Koalitionspartner tatenlos zuzusehen und sein Fähnlein opportunistisch jeweils nach dem Wind zu hängen, ist allerdings auch keine Lösung.
Da habe ich als Wähler was anderes von der SPD erwartet.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ach, Jim, kommen Sie!
zum BeitragSie sind/waren doch wahrscheinlich lange genug in der linken Szene unterwegs, um zu wissen, wie das ist mit „moralisch korrekt“ und „besserwisserisch“. So viel Lebenserfahrung traue ich Ihnen durchaus zu.
Matthäus 5, 7, Matthäus 7, 1-5
Abdurchdiemitte
[Re]: Und es zeigt sich: der Fisch stinkt vom Kopf her in der Springer-Medienwelt. Reichelt war da nur ein peinlicher „Ausrutscher“.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: „… trotzdem finde ich das Vorgehen der ukrainischen Regierung falsch.“
zum BeitragEs ist nicht das Vorgehen der Regierung, sondern die gängige Einberufungspraxis der Registrierungsbüros der Streitkräfte, die in dem Artikel kritisiert wird. Sogar der ukrainische Verteidigungsminister Resnikow sieht das kritisch.
Im Fall der Randalierer von Odessa waren es die städtischen Behörden, die die Deliquenten der Rekrutierungsstelle der Armee überantwortet haben.
Dass das staatlich und gesellschaftlich so geduldet wird, zeigt natürlich die ganze Not des ukrainischen Staates, Soldaten in ausreichender Zahl zu mobilisieren, um der russischen Aggression standzuhalten und die eigenen Kriegsziele erreichen zu können.
Abdurchdiemitte
[Re]: Um noch mal auf den Inhalt Ihres Posts einzugehen: was wäre denn die „Verfassung“ der Deutschen, wenn Sie unterstellen, sie hätten bei einem solchen Angriff wie dem russischen auf die Ukraine nach eineinhalb Stunden kapituliert?
zum BeitragIrgendwie kommen mir da Assoziationen von verweichlicht, dekadent, feige etc., aber auch an Ernst Jüngers „Stahlgewitter“ des WK1. Ich weiß ja nicht.
Im Verwandtenkreis gab es einen Deserteur aus Hitlers Wehrmacht. Der wollte eigentlich nur sein nacktes Leben retten, wenigstens in den letzten Wochen, bevor es mit dem Wahnsinn endgültig vorbei war. Kein heldenhafter Widerstand, aber feige und unmoralisch?
Die Diskussionen innerhalb der Familie über diesen „Vaterlandsverräter“ haben auch meine spätere Haltung zu Themen wie (militanter) Widerstand, Krieg und Pazifismus nachhaltig geprägt … ich persönlich befürworte Waffenlieferungen an die Ukraine, habe meinen Standpunkt dazu aber erst finden müssen. Deshalb ist mir auch beispielsweise Sascha Lobos Verdikt vom „Lumpen-Pazifisten“ extrem übelst aufgestossen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Leider gehen Sie in Ihrem Post nicht auf die Frage @Ingo Bernables ein, welche Konsequenzen denn aus der Einschätzung zu folgern sei, Russland sei ein faschistischer bzw. faschistoider Staat.
zum BeitragIch selbst nehme die Debatte - und zwar unabhängig von der Stichhaltigkeit der Faschismus-These bezüglich Russlands und des Putin-Regimes - schon so wahr, dass argumentiert wird, dass sich die Notwendigkeit ergebe, in Moskau einen Regimewechsel herbeizuführen bzw. Russland militärisch einen derartigen Schlag zu versetzen, dass es sich davon nicht mehr so schnell erholen kann. Ob das nun explizit ausgesprochen wird oder nicht.
Und ich gehe weiter davon aus, dass genau an diesem Punkt - ich habe das schon einmal dargelegt - die Sollbruchstelle innerhalb des westlichen Bündnisses besteht, welche strategischen Ziele die NATO gegenüber Russland denn nun eigentlich konkret verfolgen solle, über die bloße militärische Unterstützung der Ukraine hinausgehend. Hierüber bestehen unterschiedliche Meinungen und die “blitzen” gelegentlich schon auf, wenn man mal genauer hinschaut. (Natürlich sind dabei auch die Effekte der russischen Propaganda zu berücksichtigen, der daran gelegen sein muss, einen Keil zwischen die Anti-Putin-Allianz zu treiben). Das ist aus meiner Sicht jedoch nicht der springende Punkt.
Im Grunde nehme ich im erster Linie so etwas wie einen innerlinken Diskurs hierzulande wahr, wenn es um den russischen „Faschismus“ geht (auch das habe ich schon mal erläutert). Das betrifft natürlich auch die Spaltung der Friedensbewegung. Da braucht es offensichtlich dringend des antifaschistischen Appells - inklusive des Hitler-Vergleichs („Putler“) -, um den eigenen (linken) Haltungswechsel begründen und rechtfertigen zu können und die grundsätzlich weiter bestehende antimilitaristische Haltung nicht ad absurdum geführt zu sehen.
Natürlich, man selber sich selbstverständlich nicht verändert, sondern nur die Welt drumherum … das umfasst auch das Feindbild.
Abdurchdiemitte
[Re]: Wohl wahr. Vor einigen Tagen gab es in der taz eine kluge Analyse, basierend auf dem Gedankenspiel, wie Historiker mit einigen Jahren Abstand wohl auf diesen Krieg schauen werden.
zum BeitragDas Verrückte ist, dass wir eigentlich schon jetzt zu diesen Erkenntnissen kommen könnten, die „freie Sicht“ jedoch durch interessengeleitete, emotionalisierte* Debatten sowie polemische und diffamierende Einlassungen gegenüber der jeweils anderen Seite geprägt ist.
* Das Problem dabei ist allerdings nicht die Emotionalität, denn ich bin überzeugt, dass es möglich ist, eine Diskussion durchaus leidenschaftlich, zugleich aber auch sachlich - ohne persönliche Unterstellungen - zu führen. Sollte doch selbst in der taz möglich sein, oder?
Abdurchdiemitte
[Re]: Bewegung der Pastorentöchter aus besserem Haus?
zum BeitragWeil ich sowieso am Thema „dran“ bin (s. mein Post oben) … es gibt da schon noch andere Traditionslinien:
de.m.wikipedia.org...homas_M%C3%BCntzer
de.m.wikipedia.org...h_von_M%C3%BCnster
Zumindest mit Thomas Müntzer müssten sich „gelernte“ DDR-Bürger auskennen.
Abdurchdiemitte
Last Generation als quasi-religiöse Bewegung? Da ist schon was dran.
zum BeitragWohin jedenfalls religiöses Eiferertum führen kann, kann man besichtigen, wenn man zum Beispiel bei einem Stadtbummel im westfälischen Münster am Turm der Lambertikirche hinaufschaut.
de.m.wikipedia.org...rti_(M%C3%BCnster)
de.m.wikipedia.org...h_von_M%C3%BCnster
Aber was haben diese Münsterschen Wiedertäufer der Reformationszeit jetzt mit den Klimaklebern von heute zu tun? Darauf mag jeder selbst kommen.
Abdurchdiemitte
[Re]: “Die Selbstisolierung macht es der Repression leicht, den ganz großen Hammer raus zu holen. Und der tut weh und wenn das passiert, braucht man möglichst viel Solidarität. Ich bin mir nicht so sicher, ob die dann da sein wird.“
zum BeitragOb sich in der Öffentlichkeit Solidarität mit den Klimaklebern bemerkbar macht, hängt doch auch von Ihnen, von mir, also vom „Rest“ der Klimabewegung ab, auch denjenigen, die die Radikalität der LG-Aktionen sonst ablehnen.
Auch wenn ich mit den Strassenblockaden nicht einverstanden bin, so teile ich doch die meisten klimapolitischen Stamdpunkte mit denen … und das kann ich auf der Straße auch zeigen.
Es geht um Solidarität und damit auch gegen Vereinzelung und Entsolidarisierung innerhalb der Klimabewegung. Jetzt in den Kriminalisierungschor einzustimmen, weil mir das eine oder andere dabei nicht in den Kram passt, wäre das absolut falsche Signal.
Boah, habe ich mal wieder ordentlich in die Pathos-K … gehauen … ist in dem Fall aber auch absolut in Ordnung angesichts dessen, um das es hier letztlich geht.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich nenne es Revanchismus … und ja, auch die Opfer bzw. Verlierer militärischer Auseinandersetzungen sind davor nicht gefeit. Ich erinnere an den deutsch-französischen Krieg 1870/71 und die (späteren) Folgen für ganz Europa.
zum BeitragAus Danilows 12-Punkte-Plan spricht jedoch ganz klar der Geist dieses Nationalismus und Revanchismus (und ich behaupte nicht, dass das die offizielle ukrainische Haltung spiegelt, befürchte aber eine weitere Verhärtung der Fronten, je länger der Krieg andauert).
Dass die Erbfeinde Deutschland und Frankreich nach 1945 gute Beziehungen aufbauen konnten, lag an dem Willen der europäischen Gemeinschaft, Deutschland - trotz der schrecklichen Verbrechen des NS - in den Westen zu integrieren (ein Werk de Gaulles und Adenauers). Dass zwischen Polen und Deutschland normale nachbarschaftliche Verhältnisse einkehren konnten - und Polen heute nicht mehr befürchten muss, unter die “Räuber” zu fallen wie schon mehrfach in der Geschichte - hängt an der mutigen Entspannungspolitik Willy Brandts in den 70er Jahren. (und wenn Sie es unbedingt hören wollen, sage ich auch, es hängt zudem an der NATO-Mitgliedschaft Polens nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. Die NATO hat allerdings nichts mit Nationalismus und Revanchismus zu tun, oder?)
Abdurchdiemitte
[Re]: Nun, wir haben ja keine Einschätzungen, ob die mit demokratischen Maßstäben unvereinbaren Vorstellungen Danilows zur “Reinigung” der Krim von russischen und pro-russischen Elementen der regierungsamtlichen ukrainischen Position entspricht. Insofern werde ich es auch tunlichst vermeiden, über das von Ihnen hingehaltene Stöckchen zu springen.
zum BeitragAber betrachtet man den 12-Punkte-Plan im Gesamtzusammenhang - also über die die Krim betreffenden Vorschläge hinausgehend -, so ergibt sich ein bedenklicher Einblick in ukrainische nationalistische und revanchistische Vorstellungswelten, die - wie gesagt - hoffentlich nicht Bestandteil offizieller ukrainischer Regierungspolitik (für die Zeit nach dem Krieg) werden. Das wäre nämlich im Hinblick auf einen wahrscheinlichen EU-Beitritt der Ukraine nicht ganz ohne Belang.
Im übrigen verstehe ich nicht, weshalb Sie hier namentlich genannte Pappkameraden aufbauen (müssen): dass die Krim völkerrechtlich weiterhin Bestandteil der Ukraine ist, wird doch überhaupt nicht bestritten (jedenfalls nicht von mir) und es ist absolut nachvollziehbar, dass die Ukraine nicht bloss die seit dem 24. Februar von Russland besetzten Gebiete, sondern darüber hinaus auch die seit 2014 annektierten Territorien zurückerlangen will. Das ist durch geltendes Völkerrecht auch gedeckt. Punkt.
(Und natürlich haben die Befürworter einer Verhandlungslösung argumentative Probleme, ihre Haltung angesichts der russischen Einstellung dazu zu begründen. Das spricht aber nicht grundsätzlich gegen die Erkenntnis, dass Diplomatie dem Krieg vorzuziehen ist und - angesichts der Schrecknisse des Krieges - auch Kompromisslösungen zuweilen ethisch gerechtfertigt sein können. Das ist mein eigentlicher Punkt).
Darf ich im Gegenzug ein Statement Ihrerseits zu den von Danilow geäußerten Vernichtungsplänen gegenüber Russland und den geplanten Säuberungen auf der Krim nach einem ukrainischen Sieg erwarten?
Abdurchdiemitte
Ganz dumme Geschichte für Sturgeon und die SNP … aber ich vermute, in erster Linie wird Labour von der Sache profitieren, falls die Schotten die SNP in Wahlen abstrafen sollten. Also Glück im Unglück für das vom Brexit gebeutelte Schottland.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: “Nun unsere französischen Nachbarn haben viele Kollaborateure ohne großes Aufleben einfach erschossen.”
zum BeitragSuper Idee, wirklich! DAS sollten wir der ukrainischen Führung unbedingt noch empfehlen! Ich bin immer wieder aufs Neue sprachlos-fasziniert ob Ihrer bestechenden Argumentation.
Abdurchdiemitte
Ich weiß nicht bzw. kann nicht beurteilen, ob dieser 12-Punkte-Plan nur die Privatmeinung eines hasszerfressenen, revanchesüchtigen ukrainischen Politikers aus der zweiten Reihe ist oder ob er die offizielle Position der ukrainischen Führung beeinflusst oder sogar spiegelt. Ich hoffe nicht letzteres.
zum BeitragDass man die Krim zurückholen will, das hat Selenskyi ja unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, in diesem Plan Danilows enthüllen sich jedoch derart unappetitliche Details, die EU und NATO aufhorchen lassen sollten. Sie stehen der russischen Vernichtungsrhetorik gegenüber der Ukraine in nichts nach.
Und man sage jetzt nicht, die Ukraine - als Opfer der russischen Aggression sowie der Vernichtungsabsicht Putins und der Seinen - entscheide (nach einem Sieg über Russland) einzig und alleine über das weitere Vorgehen.
Die ukrainische EU-Mitgliedschaft ist ins Rollen gebracht worden (sogar mit Aussicht auf eine raschere Aufnahme als in anderen Fällen) und auch die NATO-Mitgliedschaft wird immer wahrscheinlicher. Damit wird der 12-Punkte-Krim-Plan Danilows zu unser aller Angelegenheit, wie es ja auch dieser Krieg inmitten Europas längst geworden ist.
Ich erwarte nun klare, eindeutige Positionierungen und Vorschläge des Westens, wie man sich eine stabile nachhaltige europäische Friedensordnung/Sicherheitsarchitektur für die Zeit nach diesem russisch-ukrainischen Krieg vorstellt … und dass diese Debatte darüber nicht den Scharfmachern und Nationalisten überlassen wird. Von denen gibt es in Europa nämlich schon zu viele.
Abdurchdiemitte
Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob es sich bei diesem 12-Punkte-Plan um die schiere Privatmeinung eines ukrainischen, relativ hochrangigen Offiziellen handelt oder ob sich die ukrainische Führung insgesamt diese Vorschläge zu eigen machen wird.
zum BeitragMeine persönliche Meinung dazu habe ich hier ja schon mehrfach gepostet. Die Äußerungen Danilows (sofern sie korrekt übersetzt wurden) lassen da an Deutlichkeit keinen Interpretationsspielraum zu.
Und man komme jetzt nicht wieder mit dem Argument der Täter-Opfer-Umkehr - ja, die Ukraine ist das Opfer der russischen Aggression
Abdurchdiemitte
[Re]: Nun ja, Trump hat sich 2016 ja als “Rächer der Witwen und Waisen”, sprich als Anwalt der Upperclass und Kämpfer gegen das korrupte politische US-Establishment aufpumpen lassen … eigentlich ein Treppenwitz, gegen Dreck-am-Stecken-Hillary freilich keine große Kunst.
zum BeitragOb das ausgerechnet DeSantis auch gelingen würde?
Abdurchdiemitte
[Re]: Wessen Plan sollte das wohl sein? Der der US-Democrats? Für so dämlich halte ich die Reps nun auch wieder nicht, dass sie in diese Falle tappen.
zum BeitragAbdurchdiemitte
“Der wahre Sieg der Ukraine ist ein Zerfall Russlands, sein Verschwinden als kohärentes Subjekt der Geschichte und Politik.”
zum BeitragWird mit solchen Aussagen das ukrainische Opfer dem russischen Aggressor nicht immer ähnlicher? Ich erinnere an die Vernichtungsrhetorik der russischen Offiziellen gegenüber der Ukraine.
Abdurchdiemitte
[Re]: Was ist denn mit Deutschland geschehen, nach dem Ende der Nazi-Diktatur und der zivilisatorischen Katastrophe der Shoa? Vernichtung? Untergang?
zum BeitragHatte man beispielsweise in Frankreich oder Polen je geglaubt, einst normale, sogar freundschaftliche Beziehungen zu Deutschland pflegen zu können?
Meine Tochter hat im Rahmen ihres FSJ über Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste gemeinsam mit polnischen Schülern und Studenten in den polnischen KZ-Gedenkstätten gearbeitet … für die junge Generation Europas ist das Gottseidank selbstverständlich (nur die Alten haben da zuweilen noch so ihre Probleme) und ich möchte, dass das so bleibt und die Jüngeren nicht noch einmal durch Hass und Nationalismus vergiftet werden.
Warum sollte das eines Tages nicht zwischen Russen und Ukrainern möglich sein?
Abdurchdiemitte
[Re]: Auch ich wünsche mir, dass dieser Krieg im Interesse der Ukraine endet, wie Sie es formulieren. Ich wünsche mir zugleich, dass mit diesem Krieg der Hass und die Vernichtungsrhetorik endet, auf beiden Seiten und auch bei uns.
zum BeitragDie geschlagenen Wunden sind jedoch tief und es wird ein langer Weg zurück, bis Frieden und Verständigung erreicht werden, wenn die Waffen eines Tages schweigen sollten. Und mit jedem Tag, den dieser Krieg andauert und seine Opfer fordert, wird die Verhärtung größer.
Ich habe in einem anderen Post geschrieben, dass der Krieg auch demokratische Staaten und Gesellschaften verändert und das nicht unbedingt zum Positiven. Das geschieht schleichend und oft unbewusst, weil der Feind ja stets das genaue Gegenbild der Ideale verkörpert, an die man selbst glaubt und die man eigentlich verteidigen möchte. Am Ende steht dann möglicherweise der Bankrott dieser eigenen Ideale, wenn wir nicht gut aufpassen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Danke! Sie sprechen mir aus dem Herzen.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Wenn das Gemetzel los geht - wie 1994 in Ruanda - HABEN wir eine humanitäre Katastrophe.
zum BeitragEs ist ja nicht so, dass wir Europäer überhaupt keinen Einfluss auf das Geschehen haben, heute im Kongo wie seinerzeit in Ruanda.
www.akduell.de/hom...vereinten-nationen
Abdurchdiemitte
Im Ostkongo bahnt sich im Schatten des Krieges in der Ukraine ein neuer Völkermord an … und die Weltgemeinschaft schaut zu. Eigentlich nicht mal das, sie schaut weg. Danke für den Kommentar, Herr Johnson.
zum BeitragAbdurchdiemitte
„In DeSantis haben sie einen gefunden, der politisch mindestens ebenso reaktionär ist wie Trump, aber persönlich weniger laut scheppernden Ballast hinter sich herzieht.“
zum BeitragUnd? Macht es die Sache jetzt besser, wenn DeSantis nächster Praesident der Vereinigten Staaten wird? Zumal wenn man den Einfluss starker Geldstroeme auf Wahlergebnisse in den USA bedenkt.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich kann hier nichts „Neues“ erkennen … nur das die Folgen des (immer schon) Weitergeführten immer dramatischer und verheerender werden.
zum BeitragUnd davon sind insbesondere die „Jungen“ betroffen, die das nicht sehen können.
Oder war Ihr Kommentar sarkastisch gemeint?
Abdurchdiemitte
[Re]: Ach ja, Sie haben sich in Ihrem Post natürlich nicht auf die SED bezogen, sondern auf die KPD vor 1933 mit ihrem Sozialfaschismus-Vorwurf gegen die SPD … das habe ich im Eifer des Gefechts wohl … äh, überlesen.
zum BeitragFalsch wird meine Erwiderung deshalb aber auch nicht.😉
Abdurchdiemitte
[Re]: Das ist aber keine Aussage über die „Natur“ des Menschen im philosophischen Sinn. Natürlich werden die Verhältnisse von Menschen gemacht und sie tragen jeweils auch die Verantwortung dafür … allerdings gibt es viele historische Beispiele dafür, dass beispielsweise Revolutionäre mit hehren Zielen gestartet sind (und diese Ziele tatsächlich nur lauteren Motiven entsprachen), ihre Herrschaft dann aber doch in Gewalt und Unterdrückung gegenüber Andersdenkenden endete („die Revolution frisst ihre Kinder“).
zum BeitragWoran das wohl liegt? Bestimmt nicht an der „bösen“ Natur des Menschen. Ich persönlich “glaube” da auch nicht an umveränderliche Naturgesetze, sondern beispielsweise eher an die Erkenntnisse der Sozialpsychologie über Vorurteile, Feindbilder und (gesellschaftliche) Gruppenprozesse.
Abdurchdiemitte
[Re]: Mir ging es bei der Zitation des Einheitsfrontliedes allerdings weder um einen Wettstreit der Systeme noch um eine Legitimation jener sozialistischen Einheitspartei, die Sie im Sinn hatten. Überhaupt nicht. Nicht nur hinsichtlich des NS, auch in der Beurteilung des historischen real existierenden Sozialismus stimme ich mit Ihnen überein.
zum BeitragIch halte das Zitat aus dem Einheitsfrontlied jedoch für eine zutreffende Aussage über die “Bestimmung” des Menschen, deshalb habe ich es zitiert … diese wird bisher leider von allen Ideologien und Religionen - auch denen, die postulieren, nur das “Gute“ für die Menschheit zu wollen - mit Füßen getreten, sobald sie selbst die Macht erlangt haben. Oder die Menschheitsbeglücker starten mit hehren Idealen, erstarren dann aber im Lauf der Zeit zu autoritären, autokratischen und diktatorischen Systemen. Dafür gibt es ja Beispiele zuhauf.
Am ehesten entspricht unter den politischen Ideologien aus meiner Sicht noch der Anarchismus dem Ideal des autonomen, freien und dennoch solidarisch handelnden Menschen … jedoch musste/konnte er historisch nie den Beweis antreten, dass er (im Gegensatz zu allen anderen Heilslehren) tatsächlich das Versprechen auf besseres Leben einlösen kann.
Man kann natürlich auch sagen, der Mensch müsse auch in seiner ganzen Widersprüchlichkeit, Gier, Korrumpiertheit und Grausamkeit so akzeptiert werden wie er ist, als menschlich halt … aber kann das eine Akzeptanz schlechter oder gewaltförmiger Verhältnisse („so ist das eben, da kannste nix machen“) für einen Großteil der Menschen rechtfertigen? Oder die Aussage, dass der Mensch von Grund auf schlecht sei? Da sind wir wieder bei der Utopie.
Auch die Sozialdemokratie steht übrigens grundsätzlich immer im Widerspruch zwischen Pragmatismus und Utopie … sie verliert ihre politische Seele immer dann, wenn sie versucht, diesen Konflikt einseitig aufzulösen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Waren denn der NS und das SED-Regime in der DDR “praktische” Demokratien? Wohl eher nicht.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Zu meiner Schulzeit hatte ich - obwohl Protestant - einen katholischen Religionslehrer, der zugleich leidenschaftlicher Naturwissenschaftler war (er unterichtete Physik). Ich habe den katholischen Religionskurs nur deshalb belegt, weil er sonst mangels ausreichender Anzahl katholischer Mitschüler nicht zustande gekommen wäre … sozusagen ein Akt ökumenischer Solidarität. Es nahmen sogar zwei muslimische Mitschüler teil. Und faktisch handelte es sich um Ethikunterricht, für mich als Schüler das spannendste Unterrichtsfach, nicht zuletzt wegen besagtem Lehrer, dem ich bis heute dankbar bin, weil er mir mit seinem interdisziplinären Ansatz neue weltanschauliche Horizonte eröffnete.
zum BeitragDieser katholische Religionslehrer hatte übrigens um 1968 in München bei einem gewissen Karl Josef Ratzinger studiert … damals galt der noch - man höre und staune - als recht progressiv orientierter Professor der katholischen Theologie. So ändern sich die Zeiten.
Abdurchdiemitte
[Re]: Der Islam hat ja ursächlich nichts mit Faschismus zu tun, da der Faschismus als eine Ideologie moderner industrialisierter Gesellschaften zu sehen ist … auch der Antisemitismus - der sich partiell (wie im NS) mit dem Faschismus verbunden hat - ist ein modernes Phänomen, entstanden im Kontext der industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. in Europa.
zum BeitragGleichwohl hat dieser moderne westliche (nicht islamische!) - auf die sich ebenfalls zu dieser Zeit entstandene europäische Rassentheorie stützende - Antisemitismus seine Vorläufer im christlichen Antijudaismus des Mittelalters.
Das nur, weil Sie meinen, es hervorheben zu müssen, dass der islamische Religionsunterricht an Ihrer Gesamtschule nicht die Verbreitung faschistischer oder auch antisemitischer Inhalte zum Gegenstand hatte.
Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit und wenn es anders ist, hat ein solcher Islamunterricht an deutschen Schulen nichts zu suchen. Punkt.
Abdurchdiemitte
[Re]: “Und dass es zwischen Gut und Böse überhaupt einen Unterschied gibt, kann ein Gottgläubiger jedenfalls besser erklären als ein Atheist.”
zum BeitragÄhm, Verzeihung, da muss ich entschieden widersprechen … obwohl ich kein Atheist bin, vielmehr auch so eine Art Gottgläubiger.
Beschäftigen Sie sich einmal mit Ernst Blochs Interpretation des Sündenfalls (die Schlange als Larve der Vernunft), dann kommen Sie möglicherweise zu anderen Einsichten.
Hier Jürgen Moltmann zu Blochs “Atheismus im Christentum” (von 1968, aber immer noch wegweisend):
www.spiegel.de/kul...-0000-000046056054
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich finde Ihre Selbstironie wirklich gut … weil sich so selbst verhärtete Diskussionen auflockern und etwas augenzwinkernd führen lassen. Bei allem Ernst kann das zuweilen zielführender sein.
zum BeitragDu meine Güte, glauben die Berliner denn allen Ernstes, Berlin sei etwas Besonderes und grundsätzlich anders als alle anderen Bundesländer, in denen nicht so ein Bohai um das Schulfach Religion gemacht wird?
Wenn Berlin wirklich etwas Besonderes ist, dann wohl eher ein gesellschaftspolitisches Labor bzw. Experimentierfeld. Aber dafür ist Berlin dann letzen Endes doch wohl zu piefig-preussisch und provinziell, im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen (duck weg!😉).
Abdurchdiemitte
Und was wurde Sanna Marin im übrigen Europaüber den grünen Klee gelobt, insbesondere von den Woken im Linken Spektrum … nun, den Rechtsruck hat Frau Marin in Finnland jedoch auch nicht aufhalten können. Das sollte allen zu denken geben, die meinen, es wären ausschließlich solche linksnationalen Positionen, wie sie Sahra Wahenknecht und ihre Anhänger*innen vertreten, die den Rechten in die Hände spielen würden.
zum BeitragImmerhin, die finnischen Sozialdemokraten haben dazugelegt, sie scheinen also für diese Misere nicht verantwortlich zu sein.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Um es banaler zu sagen: jeder weiß Menschen sind schlecht.“
zum BeitragNein, DAS eben nicht! Es sind immer noch die Verhältnisse, in denen Menschen leben müssen, nicht die Menschen selbst.
Obwohl man natürlich mit Brecht sagen könnte: der Mensch ist gar nicht gut, drum hau’ ihm auf den Hut. Hast du ihm auf den Hut gehau‘n, vielleicht wird er dann gut (Dreigroschenoper, Lied von der menschlichen Unzulänglichkeit.)
Aber ich persönlich glaube, in diesem Punkt hat Brecht geirrt und es gilt eine andere seiner Aussagen, nämlich: Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern. Er möchte unter sich keinen Sklaven sehn‘ und über sich keinen Herrn (Einheitsfrontlied).
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich möchte zustimmen und noch ergänzen: jede/r von uns (auch der Rudi, davon bin ich überzeugt!) hat - jenseits seiner/ihrer materiellen ökonomischen und sozialen Verhältnisse, in denen er/sie sich tatsächlich gerade befindet - eine Vorstellung davon, ja, vielleicht sogar eine Sehnsucht (mal pathetisch formuliert), wie ein “besseres” Leben für sich selbst und auch alle anderen Menschen aussehen könnte … auch wenn er/sie in Geld schwimmt, weiß er/sie doch um - oder er/sie ahnt es zumindest - um die banale Weisheit, dass Geld alleine nicht glücklich macht.
zum BeitragDie Diskussion zwischen @Ingo Bernable, @Rudi Hamm und allen anderen Beteiligten hier dreht sich m.E. im Kern darum, welche Bedeutung wir der Utopie in unseren Welt- und Menschenbildern beimessen, welchen Stellenwert bzw. Gewichtung Materialismus und Spiritualität darin haben, welche individuellen biografischen Verläufe, unterschiedliche Lebenserfahrungen darin einfliessen etc.pp.
Und ja, ich würde behaupten, dass eine rein materialistisch-(vulgär)marxistische Sozialismus-Rezeption genau so in die humanitäre (und ökologische) Sackgasse führt wie der real existierende, angeblich alternativlose Kapitalismus (Kaputtalismus).
Abdurchdiemitte
[Re]: Einverstanden. Dennoch beharre ich als hoffnungsloser Idealist und “Frühsozialist” auf die Notwendigkeit der Formulierung gesellschaftlicher Utopie als Bezugsgröße linker Theorie und Praxis.
zum BeitragOhne diese gäbe es keine Hoffnung auf besseres Leben (in dieser Welt), behaupte ich mal frech.
Es stimmt eben nicht das Verdikt Helmut Schmidts, dass zum Arzt gehen solle, wer Visionen habe.
Übrigens: die parlamentarische Demokratie beinhaltet ebenfalls eine politische Theorie über einen besseren Staat … da wäre Ihre Annahme (“Jegliche Theorie …”) dann wohl eher eine Schreckensvision, oder?
Abdurchdiemitte
[Re]: “Als Kind damals armer Eltern, hat mir dieser Staat Schule und Ausbildung ermöglicht.”
zum BeitragJa, da haben wir beide durchaus biografische Ähnlichkeiten. Müssten wir da der deutschen Sozialdemokratie nicht noch heute auf den Knien rutschend dankbar sein statt, wie manche Linke, permanent an deren Reformismus und Opportunismus herumzunörgeln.😉
Aber im Ernst: das wäre doch alles nicht möglich gewesen, hätte die historische Arbeiterbewegung nicht gewisse politische Rechte erkämpft. (Was den Schulbesuch angeht, könnten wir uns - genau genommen - sogar bei deren Gegenspieler, damaligen Reichskanzler Bismarck bedanken.)
Abdurchdiemitte
In stark fragmentierten und individualisierten modernen Gesellschaften wie eben Frankreich und Deutschland gilt eben nicht mehr der gute alte marxistische Klassengegensatz zwischen der Mehrheit der proletarischen Ausgebeuteten und der Minderheit der bourgeoisen Ausbeuter. Längst ist er von anderen gesellschaftlichen Konfliktlinien überlagert, die hierzulande etwa in Debatten wie Linkskonservative vs. “Lifestyle-Linke” (Wagenknecht), Identitätspolitik etc. ausgetragen und von Soziologen beispielsweise als Gegensatz Kosmopolitismus vs. Kommunitarismus (Reckwitz) beschrieben werden. (Es würde mich übrigens interessieren, wie diese Diskussionen in Frankreich geführt werden, vielleicht gibt es in der Kommune Experten dafür.).
zum BeitragWeil aber nur überlagert und nicht abgelöst, “blitzen” die traditionellen Klassengegensätze jedoch gelegentlich noch auf … insofern haben selbst dogmatisch-marxistische Erklärungsansätze durchaus noch ihre Berechtigung. Nur geht es hier nicht mehr um Klassenkampf im Sinne einer Mehrheit gegen eine Minderheit.
Und damals wie heute fällt es Nationalisten und Rassisten nicht schwer, diese gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. Das hatte schon August Bebel erkannt, der vom Antisemitismus als den “Sozialismus der dummen Kerle” sprach, womit er ja bis heute recht hat.
Aber genau aus diesen Gründen habe ich mich auch in einer anderen taz-Debatte zur linken Ukraine-Solidarität dagegen gewandt, diesen Krieg als Kampf der ukrainischen “Arbeiterklasse” gegen russischen Kapitalismus und Imperialismus zu deuten, wie es Right to Resist in ihrem Aufruf tut.
taz.de/Krieg-in-de...bb_message_4501047
Abdurchdiemitte
[Re]: Kein Widerspruch von mir zu Ihrem Post, wir gewichten nur die Faktoren etwas anders, die im Nahostkonflikt eine Rolle spielen … ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass die politische Rechte in Israel mittlerweile eine stabile strukturelle Mehrheit in der dortigen Gesellschaft hat - sonst wäre es wohl nicht zu diesem Wahlergebnis inklusive anschließender Regierungsbildung gekommen - und dass auch die derzeitigen Massenproteste nicht darüber hinwegtäuschen können.
zum BeitragDas hat zum einen Gründe, die sich aus tiefgreifenden Verschiebungen bzw. Veränderungen in der israelischen Gesellschaft selbst ergeben (die hierzulande kaum zur Kenntnis genommen werden) und zum anderen - ich wiederhole es noch einmal - aus der Bedrohungslage von außen.
Man kann noch darüber diskutieren, was hier zuerst da war: das Huhn oder das Ei. Beides bedingt sich wechselseitig und ich gehe sogar mit Ihnen konform, dass der erstarkende israelische Nationalismus und Rechtsextremismus nicht allein als Reflex auf palästinensische Gewaltakte gedeutet werden kann bzw. wie von manchen unkritischen Israel-Freunden als legitimer Ausdruck israelischer Gegenwehr. Gleichwohl kann dieser Aspekt auch nicht ganz außer Acht gelassen werden.
Ich selbst habe in einem anderen Post davon gesprochen, dass die Siedlungspolitik inklusive der damit verbundenen Ungerechtigkeiten gegenüber den Palästinensern der israelischen Demokratie wie ein Mühlstein um den Hals hängen … sozusagen ein “blinder Fleck” in der Geschichte des Zionismus, spätestens seit Gründung des Staates Israel.
Es wäre ja gut, wenn linke und liberale Israelis, die jetzt die Gefahr erkennen, die ihrem Staat von Rechts droht, sich zugleich kritisch mit ihrer eigenen zionistischen Geschichte auseinandersetzten.
Abdurchdiemitte
Es wird Zeit, diese liberale Partei (genannt FDP) mit ihren politischen Ideen von vorvorgestern endlich in den Orkus der Geschichte zu befördern.
zum BeitragAber dieses Ampelkoalition platzen zu lassen und Neuwahlen anzustreben, käme für den deutschen Michel einer Revolution gleich, es entspräche nicht seinen Vorstellungen von Demokratie. Politischer Stillstand, Reformstau, Selbstblockade und Arbeitsverweigerung des politischen Personals gelten im Gegenteil noch als demokratische Tugend.
Dabei ist es eine (typisch deutsche?) Hybris zu glauben, anderweitig, wo die Bürger*innen permanent zu den Urnen gerufen werden, würde Demokratie schlechter funktionieren als hierzulande.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ach Mist, die zwei Daumen hoch sollten doch dem Kommentar von @Hopedrone gelten, insbesondere dem Verweis auf Carl Rogers … tja, man wird nicht jünger, die Senilität schreitet voran.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Habe Ihren eingestellten jw-Beitrag über Mariupol jetzt gelesen, meine spontane Reaktion war eher Entsetzen/Erschütterung als Kopfschütteln oder Schulterzucken über den fast schon stalinistisch anmutenden Propaganda-Duktus dieses Artikels.
zum BeitragEin wahrer Augenöffner, danke dafür.
Fairerweise muss allerdings dazugesagt werden, dass auch die Mehrzahl der kommentierenden jw-Leser*innen die Intention durchaus verstanden haben, die anderen entlarven sich selbst … das lässt hoffen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Auch ich warne vor zu viel Euphorie, nur weil die Zivilgesellschaft in Israel ihre rechtsextremistische Regierung vorerst ausgebremst hat (was die Justizreform betrifft). Diese Parteien haben nun einmal die Mehrheit in der Knesset, was ja auch ein Spiegel der gesellschaftlichen Veränderungen in Israel während der letzten Jahrzehnte ist … spiegelbildlich zum Aufstieg der rechten Kräfte kam es zu einem Niedergang des linken Lagers.
zum BeitragDaran wird sich vorerst nichts ändern (leider) und auch wir in Deutschland haben ja die (schmerzliche) Erfahrung gemacht, dass Hunderttausende auf der Straße nicht unbedingt den realen politischen Kräfteverhältnissen in der Gesamtbevölkerung entsprechen müssen … am Ende ist dann doch meistens die CDU als Wahlsieger selbst aus den politischen Konflikten mit hohem Mobilisierungspotential für die Linke hervorgegangen.
Und was die Einschätzung der Motive Netanyahus betrifft: ja, ich traue ihm durchaus zu, die Spaltung Israels in Kauf zu nehmen … er hat keine Angst vor einem Bürgerkrieg - das sehe ich anders als Sie - , sondern wenn, dann schlicht vor einer Strafverfolgung und dem Ende seiner politischen Karriere. Käme es zum “Schwur”, spekuliert er darauf, am Ende doch noch die Mehrheit der Israelis auf seiner Seite zu haben. Er war immer ein Taschenspieler, der notfalls auf volles Risiko setzt.
Stoppen könnte den Wahnsinn nur Likud selbst als stärkste politische Kraft, indem innerparteiliche Gegner eine Art Umsturz anzettelten und eine Koalition mit den gemäßigten liberalen Parteien anstreben würden. Diese innerparteiliche Netanyahu-Opposition ist jedoch weit und breit nicht zu sehen bzw. würde einen solchen Schritt auch nicht wagen.
Jedoch die israelische Linke ist in dieser Sache komplett aus dem Spiel, wie zuvor schon in der Koalition Bennett/Gantz.
Abdurchdiemitte
[Re]: 👍🏻👍🏻
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Nicht in Tel Aviv, aber in Jerusalem … wenn es zur Spaltung Israels in einen säkularen und einen religiösen Staat kommt. (Wobei die Bezeichnung religiös eigentlich falsch ist, denn das Judentum ist im Kern eine tolerante Religion. Das Problem ist - wie immer und überall auf der Welt - die politische Instrumentalisierung durch Rechte und religiöse Fanatiker.)
zum BeitragAber noch ist das ein spekulatives Schreckensszenario und es liegt in der Hand der israelischen Zivilgesellschaft, es zu verhindern.
Ben-Gvirs “Nationalgarde” ist jedoch leider ein Schritt in diese Richtung und Netanyahu verspielt gerade die Einheit Israels und lässt sich von Rechtsextremisten erpressen, um einer Strafverfolgung zu entgehen.
Schlimm genug, dazu braucht es keinen Vergleich mit dem Iran.
Abdurchdiemitte
Hunderttausende Bürger*imnen auf den Straßen, gegen Netanyahus Justizreform sind schon ein beeindruckendes Bild … es lebt also, das liberale, weltoffene Israel.
zum BeitragUm aber daraus ein Bündnis der moderaten Kräfte schmieden zu können, das diese Regierung tatsächlich zu Fall bringen kann, bedarf es allerdings einer erfolgreichen Palastrevolution innerhalb des Likud gegen Netanyahu.
Denn Israel steckt in einer tiefen Krise, im Beitrag wurden sogar die Szenarien Teilung Israels in einen religiösen und einen säkularen Staat sowie ein drohender Bürgerkrieg genannt.
Um diese Entwicklungen zu stoppen und einen neuen gesellschaftlichen Konsens herzustellen, müsste Likud als stärkste politische Kraft in der Knesset schon einbezogen werden … und das geht nur ohne Netanyahu. Sonst verhärten sich die Fronten weiter und die radikalen Rechten könnten nicht isoliert und marginalisiert werden.
Über viele Jahre konnte sich Bibi jedoch als der starke Mann profilieren, ihn los zu werden, dürfte der gemäßigten Rechten also schwer fallen. Es würde Likud wahrscheinlich ähnlich ergehen wie der GOP in den Staaten mit Trump.
Denn trotz der beeindruckenden Proteste sehe ich keine Mitte-Links-Koalition am israelischen Horizont, dafür sind v.a. die linken Parteien zu schwach und ich kann auch nicht erkennen, dass sie wieder irgendwie erstarken werden (das hängt mit den gesellschaftspolitischen Veränderungen in den letzten Jahrzehnten zusammen). Denn der Einfluss der Siedlernationalisten reicht weit über das extrem rechte Spektrum hinaus. Hinzu kommt die Bedrohung von außen durch Hamas & Co., die die Israelis weiter in die Fänge der Rechten treibt.
Daran jedoch ändert sich nichts so schnell, selbst wenn diese Rechtsextremisten jetzt ausgebremst werden könnten.
Abdurchdiemitte
Habe den Aufruf von Right to Resist für eine linke Ukraine-Solidarität gelesen … allerdings kann ich ihn genau so wenig unterschreiben wie das sogenannte Friedensmanifest von Schwarzer und Wagenknecht (und das Gegenmanifest von JU und Julis schon mal überhaupt nicht).
zum BeitragDie Grausamkeit und Illegitimität dieses wie aller Kriege lässt mich an meiner grundsätzlichen pazifistischen Haltung festhalten - ich sehe mich darin sogar bestätigt -, zugleich stehe ich für das Recht auf Selbstverteidigung für die Ukrainer*innen ein und befürworte daher auch die westlichen Waffenlieferungen.
Man möge mir gerne eine inkonsistente/widersprüchliche Haltung vorwerfen, aus moralischer Sicht sehe ich jedoch momentan keine Möglichkeit, einen anderen Standpunkt als den beschriebenen einzunehmen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Das ist schon wahr. Wenn linke Gruppen sich jedoch mit dem Kampf der Ukraine solidarisieren und für Waffenlieferungen eintreten, plädiere ich sehr dafür, auf Diffamierungen und Denunziationen gegenüber Andersdenkenden ganz zu verzichten und sich auf vernünftige, überzeugende Argumente zu fokussieren. DAS wäre mal ein wirklich emanzipatorischer Ansatz.
zum BeitragUnd es lohnt sich, so zu argumentieren … denn auch ich persönlich habe im Verlauf dieses Krieges meine Haltung überdacht und verändert (für manche Linke offenbar ein absolut schreckliches Sakrileg). Daran waren gute Argumente “schuld” … schlechte bzw. falsche Pro-Ukraine-Argumente gibt es allerdings auch. Habe diese leider auch in der taz-Kommentarspalte reichlich gelesen.
Abdurchdiemitte
Ein guter, kenntnisreicher Einblick in das “Seelenleben” der britischen Sozialdemokratie, vor allem in der Parteibasis. Man kann gut das Dilemma erkennen, dass es sich mit Labour eigentlich um zwei grundverschiedene Parteien handelt.
zum BeitragGäbe es bei den Labour-Linken nicht diese unappetitliche Tendenz zum Antisemitismus - und Starmer lag vollkommen richtig, konsequent damit aufzuräumen -, könnte man sagen, dass die Parteilinken eigentlich genau für die Positionen stehen, die dem Markenkern von Labour ausmachen.
Ohne die Power der überwiegend linken Mitglieder und Wahlkämpfer an der Basis jedoch hat eine erneut neoliberal gewendete Starmer-Sozialdemokratie nur wenige Chancen, 2025 gegen die Tories zu gewinnen … denn auch Premier Sunak hat durchaus das Zeug, seine konservative Partei bis dahin zu erneuern und hinter sich zu versammeln.
Und dann sind da noch die Liberaldemokraten und in Schottland die SNP. Kann es Starmer schaffen, diesen Parteien wieder Wähler abzujagen?
Es wird ein spannendes Duell werden mit den Unterhauswahlen … aber Labour ist wieder da, das ist schon mal eine gute Nachricht.
Abdurchdiemitte
„Sie werden unsere Wahlen nicht stehlen!”, so der Regierungspolitiker Simcha Rothman.
zum BeitragWoher kennen wir das? Ach ja, Trump, Bolsonaro … steht Israel am Rande eines Bürgerkrieges, wenn die verfeindeten demonstrierenden Gruppen auf der Straße zusammenprallen, dabei Schüsse fallen und es Verletzte oder Tote geben sollte?
Der israelischen Gesellschaft stehen schwere Zeiten bevor, eine innenpolitische Bewährungsprobe, die möglicherweise härter ist als die Raketen von Hamas und Hisbollah.
Abdurchdiemitte
Da die innenpolitische Situation in Israel ohnehin seit Jahren hoffnungslos festgefahren ist - weil sich keine stabilen demokratischen Bündnisse bilden lassen -, wäre ein Platzen der rechten Regierungskoalition jetzt auch kein Kollateralschaden für das Land, eher im Gegenteil.
zum BeitragLeider steht Netanyahu davor, der in diesem Fall um sein politisches Überleben kämpfen müsste (und höchstwahrscheinlich verlieren würde). Und an den Forderungen der Siedlernationalisten führt ohnehin kein Weg mehr vorbei, egal, wer in Israel regiert.
Abdurchdiemitte
Ich bin etwas irritiert über den Bericht bezüglich des behördlichen Vorgehens gegen die Mönche im Höhlenkloster Lawra. Man hätte erwähnen können, dass diese Mönche der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchat angehören … nur diese steht im Verdacht, die pro-russische Kriegspropaganda des Patriarchen Kyrill zu unterstützen.
zum BeitragSo aber kann der falsche Eindruck entstehen, dass sämtliche gläubigen orthodoxen Christen in der Ukraine eine fünfte Kolonne Russland wären.
Seit 2018 tobt in der Ukraine ein offener Kirchenkampf unter den orthodoxen Gläubigen … diejenigen, die sich vom Moskauer Patriarchat distanzieren, unterstützen den Kurs der ukrainischen Regierung. Sie erhalten die Unterstützung des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel - dem geistlichen Oberhaupt sämtlicher orthodoxen Kirchen weltweit - in ihren Bestrebungen, sich als ukrainisch-orthodoxe Nationalkirche von der russisch-orthodoxen zu lösen.
Das sollte mindestens erwähnt werden, um die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen in der Ukraine verstehen zu können. Es ist kein grundsätzlicher Konflikt zwischen dem ukrainischen Staat und orthodoxen Christen … das zu behaupten, daran hat nur die russische Propaganda ein Interesse.
Abdurchdiemitte
[Re]: Und was hat Ihr Einwurf jetzt mit Israel und dem äußerst sachkundigen, aufschlussreichen Essay von Joseph Croitoru zu tun? Antiklerikale Polemik, oder was?
zum BeitragCroitoru hat doch dargelegt, dass das ungeklärteVerfassungsproblem des israelischen Staates (und Croitoru hat auch den Zusammenhang der Thematik mit dem Unrecht gegen die Palästinenser wenigstens angeschnitten) in seinen Wurzeln bis zu dem - von mir ansonsten sehr verehrten - David Ben-Gurion zurückgeht. Und der war alles andere als ein Ultraorthodoxer oder religiöser Siedlernationalist.
Daraus eine religionskritische Nummer zu machen, halte ich nicht für seriös.
Abdurchdiemitte
[Re]: Assad ist auch nur einer von vielen Mordbrennern ... einige von ihnen wurden an Putins Brust genährt, andere an der der USA. Es gab mal Zeiten, da sahen sich die Supermächte verpflichtet, den globalen Terrorismus zu bekämpfen sowie supranationale Institutionen wie die UN zu unterstützen. Vorbei.
zum BeitragIst das jetzt ein Trost für die syrische Zivilbevölkerung oder hilft es irgendwie weiter, wenn ich von meinem Sofa aus den Namen Assad erwähne?
Abdurchdiemitte
"Ein Genozid ist die geplante und gezielte systematische physische Auslöschung eines bestimmten, durch seine Nationalität definierten Teils der Menschheit."
zum BeitragMüsste es nicht heißen: "... sowie durch seine ethnische, kulturelle oder religiöse Zugehörigkeit definierten Teils der Menschheit."
Oder kann der Genozid an den Herero und Nama nicht als Völkermord bezeichnet werden? Und wie verhält es sich mit den aus Myanmar vertriebenen muslimischen Rohingya oder den indigenen Gemeinschaften im Amazonas-Gebiet, deren physische Existenz durch die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen (des Regenwaldes) ebenfalls bedroht ist?
Abdurchdiemitte
[Re]: Soviel ich weiß, hat Putin noch im Herbst vorletzten Jahres - als sich die militärische Eskalation des Konflikts schon abzeichnete - noch die historische und kulturelle Verbundenheit der drei ostslawischen Völker (Russen, Belarusen, Ukrainer) betont, mit Verweis auf die Kiewer Rus, auf die sich ja ebenso die national(staatlich)e ukrainische Identität beruft.
zum BeitragDieses "Liebeswerben" wurde von den Ukrainern brüsk zurückgewiesen ... Putin hat einfach nicht verstanden, dass nationale Zugehörigkeitsentscheidungen nicht ausschließlich unter historischen und kulturellen Aspekten erfolgen, sondern auch dem Willen der Ukrainer entsprechen, sich an attraktiveren politischen Gesellschaftsmodellen wie dem westlichen zu orientieren. Wer empfindet Putins Autokratie schon als attraktiv? Nicht einmal die Russen.
Auf die zurückgewiesene "Liebeserklärung" erfolgte dann ab dem 22. Februar 2022 die Vernichtungsandrohung mit entsprechender Rhetorik. Das ist in vielen geplatzten Beziehungen so, nichts ungewöhnliches also.
Versuch einer "psychologischen" Erklärung des Konflikts.
Abdurchdiemitte
[Re]: 'Absolut böse" ist der Krieg an sich, niemals die Menschen, die ihn führen, aus welchen Motiven auch immer ... hier haben die Pazifisten einmal recht. Herrscht erst einmal der Krieg, ist das Kind längst in den Brunnen gefallen.
zum BeitragOder können Sie auch nur einen "gerechten" Krieg anführen?
Die Dämonisierung des jeweiligen Kriegsgegners soll nur darüber hinweg täuschen, dass im Krieg alle positiven Werte - ich will es so drastisch formulieren - in den Dreck getreten werden.
Und weil man ja auf der Seite des "Guten" steht, ist es nur noch ein kleiner Schritt, eigene Kriegsverbrechen bzw. die des Verbündeten zu legitimieren (s. die Hinrichtung von 25 russischen Kriegsgefangenen). Oder man rechnet die Zahl der Todesopfer gegeneinander auf.
Weil die eigentlichen Verantwortlichen nicht zu fassen sind - in diesem Fall Putin, trotz internationalen Haftbefehls -, wird der Soldat als unmittelbarer, an der Front einem Auge in Auge* gegenüberstehender Gegner zu russischen "Orks" entmenschlicht, um möglicherweise die Skrupel/Zweifel bezüglich der eigenen Kriegsführung zu betäuben. Das geschieht auch durch Heroisierung der eigenen Taten im Krieg ("unsere Helden").
Wer das kritisch sieht oder ablehnt, wird gleich mit in eine Reihe mit dem Gegner gestellt ... auch das gehört zur Dynamik des Krieges.
*Für die moderne Kriegsführung gilt das allerdings nicht mehr ... die Brutalisierung kommt ja gerade dadurch zum Ausdruck, dass man seinen Gegner nicht mehr sieht und nicht mehr die Folgen seines Tuns erkennen kann, wenn sich der Bombenschacht öffnet.
Abdurchdiemitte
Ich erkenne ideologische Fixierung vor allem auf einer Seite der Debatte (nicht bei allen, aber bei einigen Teilnehmenden, auch in der taz).
zum BeitragEs reicht ja schon, differenzierende Positionen einzunehmen - etwa, die Faschismusanalyse im Hinblick auf die russische Gesellschaft zu hinterfragen oder die Vorgeschichte des Konflikts in den Blick zu nehmen und den Anteil des Westens daran herauszuarbeiten - , um wütende Reaktionen zu provozieren.
Als wenn in Abrede gestellt wird, dass es sich um einen verbrecherischen Angriffskrieg handelt und Putin als Hauptverantwortlicher dafür zur Verantwortung gezogen werden muss.
Warum ist das so? Die Fixierung auf die Deutung des Krieges als Vernichtungskrieg, als Genozid am ukrainischen Volk - es soll jedoch lediglich die staatliche Souveränität sowie der Freiheitswille der Ukraine vernichtet/gebrochen werden - wie auch die Markierung Russlands als faschistischer Staat dient hier in erster Linie der (linken) Selbstlegitimierung, um das Umschwenken auf den "Kriegskurs" der NATO (konkret: die Zustimmung zu Waffenlieferungen) zu rechtfertigen. Obwohl Linke i.d.R. keine Pazifisten sind oder waren, sondern Antimilitaristen (im kapitalismuskritischem Sinn), trifft der Vorwurf des Bellizismus bzw. des Umschwenkens ins transatlantische Lager - man könnte auch sagen: Verrat an den ursprünglichen Idealen, ein Vorwurf, dem sich aktuell besonders die Grünen ausgesetzt sehen - offenbar einen empfindlichen Nerv.
Sie können halt von ihrer ideologischen Fixierung nicht lassen, diesmal nur unter anderen, gewendeten Vorzeichen (um nicht der argumentativen Schieflage bezichtigt zu werden, füge ich gleich hinzu, dass meine Kritik ebenso den Wagenknechten und klassischen Antiimps gilt, dort mit anderen Vorzeichen).
Um das so zu sehen, muss man wohl den Standpunkt von "aussen" einnehmen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Sieh an, so verhält es sich also mit den Mythos vom finnischen David gegen den sowjetischen Goliath. Das wird zuweilen nur anders erzählt.
zum BeitragWie gut, dass es die Geschichtswissenschaft gibt.
Abdurchdiemitte
[Re]: Hah, das nennt man wohl: zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen … funktioniert leider nur im Märchen vom Tapferen Schneiderlein. Da waren’s sogar sieben auf einen Streich. Wie wär’s, China und den Iran vielleicht gleich mit?
zum BeitragDie geopolitischen Realitäten sehen anders aus.
Abdurchdiemitte
[Re]: Hat Napoleon das gesagt? Echt jetzt? Warum hat er es dann nicht selber beherzigt? Oder sass er da schon im Exil auf St. Helena?
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: “Meines Wissens lebt der einzige Verursacher des Krieges und der Einzige, der ihn problemlos beenden kann sehr im Osten: In Moskau.”
zum BeitragIhr Satz beinhaltet gleich zwei Fehlannahmen, die in den Worten “Einzige” und “problemlos” zum Ausdruck kommen.
Putin ist der Verursacher, ohne Zweifel, aber wohl nicht der EINZIGE … ohne ihm ergebene Vertraute wie Lawrow oder Shoigu sowie einem repressiven Machtapparat, der über Jahrzehnte effektiv aufgebaut wurde, könnte es auch nicht funktionieren.
Inwieweit nach einer Mitschuld der russischen Bevölkerung im ganzen zu fragen ist, ist ein heißes Eisen, die Debatte hatten wir schon im Hinblick auf den Hitler-Faschismus und die Mitschuld der Deutschen … das Fass möchte ich jetzt nicht unnötig aufmachen.
Des weiteren ist Putin beileibe nicht der EINZIGE, der den Krieg beenden kann … das können auch andere, man muss sich nur der Konsequenzen bewusst sein. Auch das wurde hier - sogar aktuell - aufs Ausführlichste diskutiert.
PROBLEMLOS geht das Ganze leider Gottes auch nicht vonstatten, jedenfalls nicht aus russischer Sicht: muss ich an den internationalen Strafbefehl gegen Putin erinnern, an die gestrige Entscheidung der EU, die Ukraine vorbehaltlos bis zum Sieg zu unterstützen und an die Quasi-Relativierung dieser Position durch den US-Außenminister am heutigen Tag?
Ach, wenn es doch so einfach wäre.
Und noch etwas: “Der russische Faschismus muss zerschlagen werden - wie dereinst der deutsche”.
Muss es denn immer gleich “Faschismus” sein, um die Solidarität mit den Opfern und Verteidigern gegen aggressive, kriegerische Handlungen zu legitimieren? Reicht nicht der Verweis auf Butscha und andere russische Gräueltaten, um zu finden, dass sich Putin vor dem IStGH verantworten muss? Muss er dafür ein Faschist, ein “Putler” sein?
Ich denke, Sie haben sich hier ideologisch “verrannt”. Denken Sie darüber bitte noch einmal nach.
Abdurchdiemitte
[Re]: Das Haken daran ist: Kanonenboot-Politik schafft Fakten und ist wirkungsmächtiger als Geheimdiplomatie … jedenfalls war das zuzeiten des Imperialismus so.
zum BeitragAbet steuern wir auf genau diese Zeiten nicht wieder zu?
Abdurchdiemitte
[Re]: “Ja, aber das Verhandeln macht erst am Ende Sinn, wenn auch Medwedew und die, für die er steht verstanden haben …”.
zum BeitragDefinieren Sie das “Ende”. Wenn wir uns ehrlich machen, müssten wir uns eingestehen, dass darunter in Washington und Berlin wohl etwas anderes verstanden wird als in Warschau und Vilnius. Und in Budapest wieder etwas anderes.
In Peking, Brasilia und New Delhi dito.
Und Medwedew übrigens muss gar nichts verstehen, er muss vor Gericht gezerrt werden oder sich als Privatmann auf seine Datscha zurückziehen und - entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten mal ganz undiplomatisch formuliert - nur noch das Maul halten. Mir doch egal.
Und wir können dann aufs Neue damit anfangen, uns wechselseitig als “Bellizisten” oder “Pazifisten” zu beschimpfen, je nachdem, wie das “Ende” definiert wird … obwohl sich alle nichts sehnlicher wünschen, als dass das Morden aufhöre (naja, fast alle).
Wir kommen in der Sache nicht weiter.
Abdurchdiemitte
Der Krieg in Syrien hat doch längst die Dimensionen des 30jährigen Krieges in Mitteleuropa angenommen ... unzählige bewaffnet Gruppen und Milizen, wer hier gegen wen kämpft ist kaum noch überschaubar.
zum BeitragDer Unterschied ist, dass es dort keine starken vermittelnden Kräfte gibt wie seinerzeit Schweden und Frankreich, die zwar selbst Kriegspartei waren, jedoch in der Lage, den Frieden herbeizuführen. In diesem Krieg fallen die USA und Russland aus, aus bekannten Gründen. Europa starrt momentan nur auf die Ukraine. Und die Menschen in Syrien leiden weiter, bleiben ihrem Schicksal überlassen. Beschämend..
Abdurchdiemitte
[Re]: Sie überschätzen die Möglichkeiten Pekings. Wo denn liefert China den Russen Waffen und Material im vergleichbaren Umfang wie der Westen der Ukraine?
zum BeitragWenn Xi sich jetzt als Friedensstifter präsentiert, dann nur im Eigeninteresse bzw. dem Chinas. Das Schicksal Putins interessiert dort herzlich wenig. Aber ist es umgekehrt der amerikanischen Bevölkerung denn wichtig, was in der Ukraine oder dem Rest Europas passiert?
Nicht wenige vermuten, dass es Xi sogar gut ins Konzept passt, wenn Russland in diesem Krieg ökonomisch ausblutet. Und die USA haben schließlich auch schon Milliarden Dollar in diesen Krieg investiert, ihr Wirtschaft leidet nur weniger wegen der globalen Bedeutung der US-Währung.
Letztlich kann nur das russische Volk selbst Putin bzw. dem Putinismus den Stecker ziehen, Peking hat da wenig Einfluss, viel weniger jedenfalls als der Westen auf die Kriegsführung der Ukraine ... selbst wenn man die These vom US-amerikanischen Einfluss auf das Geschehen für übertrieben oder falsch hält.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Insofern wäre ich vorsichtig, die Äußerungen Blinkens als entsprechenden Wink an Selenskyi misszuverstehen.“
zum BeitragDie Stossrichtung hatte ich sogar weniger im Sinn, obwohl ich sie tatsächlich nicht gänzlich ausschließen würde. Aber nur für den recht unwahrscheinlichen Fall, die ukrainischen Kriegsziele würden mit den US-amerikanischen geostrategischen Interessen dort kollidieren … das wäre z.B. dann gegeben, wenn die USA irgendein Interesse an einer weiterhin starken Position Russlands innerhalb Europas hätten. Also sehr, sehr unwahrscheinlich.
Ich dachte da eher an gewisse innen-/gesellschaftspolitische Entwicklungen in den USA selbst, die zu einer erneuten Stärkung der America-first-Doktrin bzw. des Isolatinionismus führen und dementsprechend auch die geopolitische/außenpolitische Haltung beeinflussen … aber in Ihren Augen wohl alles nur “Kaffeesatzleserei”?
Abdurchdiemitte
[Re]: Ja, das Statement Blinkens habe ich auch schon zur Kenntnis genommen.
zum Beitrag„ … weniger rigoros“? Das interpretiere ich doch ein bisschen anders.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Oder hatten Sie noch nie eine Mordfantasie bezüglich des einen oder anderen Zeitgenossen.“
zum BeitragDoch, schon … habe diese Fantasien jedoch nie umgesetzt. Das ist ein entscheidender Punkt, der uns doch vom Schimpansen unterscheidet, bei aller Ähnlichkeit.
Der Schimpanse kann nicht anders.
Abdurchdiemitte
[Re]: Waren die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki nicht eher als ein deutlicher Schuss vor den Bug der sowjetischen Ambitionen seitens der Amerikaner zu verstehen, nach dem Motto: bis hierhin und nicht weiter?
zum BeitragAus militärischer Sicht waren sie tatsächlich überflüssig, obgleich die USA behaupteten, eine Landung auf den japanischen Hauptinseln hätte noch Zehntausenden von amerikanischen Soldaten das Leben gekostet.
Abdurchdiemitte
[Re]: Na, dann nehme ich den Ball mal auf. Vorerst nur ein Aspekt aus Ihrer Argumentation:
zum BeitragAuslöschung des ukrainischen Staates, Eliminierung der ukrainischen Kultur und Sprache? Nun, diese Aussagen stehen im Raum und können nicht wegdiskutiert/relativiert werden. Möglicherweise war das sogar das ursprüngliche Kriegsziel. Erkennbar hat Putin dieses Ziel jedoch verfehlt und wird (kann) es auch nicht erreichen. Wäre das Szenario überhaupt jemals realistisch gewesen?
Ich spreche von “möglicherweise”, weil zwischen dem, was die ideologischen Hardliner eines Systems propagieren und dem, was davon realpolitisch jeweils umgesetzt wird/werden kann, immer unterschieden werden muss. Dass Moskau seine Herrschaft bis Lissabon ausdehnt, glauben Sie doch auch nicht ernsthaft.
Außerdem ist zu erwägen, dass innerhalb eines Machtapparates auch unterschiedliche konkurrierende/rivalisierende Fraktionen mit entsprechenden Auffassungen existieren, Diadochenkämpfe, die hinter den Kulissen ausgetragen werden etc. pp. Das wird im Westen ja auch vermutet und darauf wird nicht zuletzt gehofft.
Und ich sage das auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, weil ich mir sehr wohl darüber bewusst bin, dass Hitler anfangs nicht ernst genommen wurde hinsichtlich seiner schon 1933 klar erkennbaren verbrecherischen Ziele, v.a. mit Blick auf die Auslöschung der europäischen Juden. Aber insofern lassen sich historische Beispiele immer nur bedingt vergleichen.
Ob es sich im Falle Russlands um eine faschistische Diktatur handelt (wie damals Nazi-Deutschland), darüber wurde hier auch schon leidenschaftlich diskutiert … ich bin bei solchen Zuschreibungen eher skeptisch.
Weil ich es für nicht ausgeschlossen halte, dass manche Zeitgenossen das Faschismus-Etikett benötigen, um die Aufgabe ihres einstigen (linken) Antimilitarismus (vor sich selbst) rechtfertigen zu können. Da braucht es dann wenigstens einen faschistischen Gegner, um die Befürwortung von Waffenlieferungen ideologisch zu legitimieren.
Abdurchdiemitte
[Re]: “Warum denn genau wird kein strategisches Ziel benannt?”
zum BeitragDas Problem: der Westen verfügt nicht im Ansatz über eine gemeinsame, konsistente Strategie, a) was seine Ziele - über die Erklärung hinausgehend, die Ukraine so lange zu unterstützen, wie sie es benötige -, hinsichtlich dieses Krieges betrifft und b) wie man sich die Zukunft nach dem Krieg, insbesondere den Umgang mit Russland, in einem gemeinsamen europäischen Haus vorstellt.
Die Details in einem Krieg sind immer beunruhigend, alles andere wäre verdächtig. Und ja, das wird alle möglichen Verschwörungstheoretiker auf den Plan rufen. Wie wollen Sie das verhindern?
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich meine ja, dass die USA durchaus so etwas wie einen russischen “Erschöpfungssieg” einkalkulieren, der früher oder später zu massiven innenpolitischen Eruptionen in Russland selbst führen und so das Ende Putins einleiten kann. Vielleicht sogar eher wahrscheinlich als im Falle einer Niederlage Russlands, wer weiß.
zum BeitragUnd über die Krim wäre dann auch noch nicht das letzte Wort gesprochen, selbst wenn die Ukraine sie (vorläufig) aufgeben müsste.
Das ist ja nur eine Hypothese, aber sollte sie sich bewahrheiten, wäre die US-Außenpolitik vorausschauender und strategisch klüger als die der EU.
Abdurchdiemitte
[Re]: Nachtrag: gestern noch antwortete ich dem Mitforisten @Normalo auf dessen Post zur EU-Entscheidung, die Ukraine bis zum Sieg zu unterstützen:
zum Beitrag“Jetzt hat hier Europa die Initiative ergriffen und Biden muss nun folgen”
Hier haben wir nun sozusagen postwendend die Antwort des US-Außenministers Blinken zur offiziellen amerikanischen Haltung in dieser Frage. Und so wird es auch kommen.
Ich wurde hier ja immer fast ausgelacht. wenn ich betont habe, der Schlüssel über Krieg und Frieden in der Ukraine liege in Washington. nicht in Moskau.
Ukrainische Erfolge auf den Schlachtfeldern entscheiden da nichts, wenn es den Russen nur gelingt, lange genug durchzuhalten, bis sich die politische Wetterlage in den Staaten ändert … dann kann sich Putin freuen, wenigstens Teilziele seiner ursprünglichen Strategie in der Ukraine erreicht zu haben, dank US-amerikanischer Hilfe.
Es wird dann aber ein Pyrrhussieg sein, der (hoffentlich) den Anfang vom Ende seiner Herrschaft über Russland einleitet.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Das ist ja eine gruselige Ukraine-Politik. Mit noch gruseligeren Fragen.”
zum BeitragIn der Tat! Wie viele Opfer hat dieser Krieg schon gefordert. Und am Ende wird man doch verhandeln müssen, die Ukraine möglicherweise Gebiete abtreten, weil der US-Präsident sagt: Jetzt ist Schluss. Möglicherweise aus rein innenpolitischen Motiven.
Denjenigen, die hier allein auf die militärische Karte setzen, sollte die Verantwortung wenigstens schwer auf dem Gewissen liegen.
Und man sage nicht: aber Putin! Der wird früher oder später sowieso in die Hölle fahren (wo er und seine Entourage auch hingehören).
Abdurchdiemitte
Die aktuellen Äußerungen Blinkens bestätigen nur meine Vermutungen darüber, dass die westliche Anti-Putin-Allianz keine einheitliche Linie gegenüber Putin-Russland vertritt, diese internen Diskrepanzen und Interessensgegensätze aber auch nicht offen dargelegt werden.
zum BeitragAber wie auch? Ein offener Streit über die Kriegsziele würde nur das Trugbild von der westlichen Geschlossenheit zerstören und so natürlich die Position Putins im globalen Kontext stärken.
Bisher konnten ja immer Deutschland und sein Kanzler als Zögerer und Verhinderer an den Pranger gestellt werden, mit Vorliebe von den politisch Verantwortlichen in Polen, die damit alte Rechnungen gegenüber Russland begleichen und zugleich ihr (revanchistisches) innenpolitisches Süppchen kochen wollen.
Nun, diesbezüglich ist es ja seit Scholzens Panzerdeal etwas leiser geworden … aber es ist auch deutlich geworden, dass der Vorwurf der Zögerlichkeit ebenso an die Adresse des US-Präsidenten geht. Nur wird das bisher nicht offen kommunisziert, solange Scholz öffentlich als „Watschenmann“ des westlichen Bündnisses herhalten konnte, übrigens unter eifriger Assistenz der CDU-Opposition als auch der koalitionsinternen Kritiker von Grünen und FDP.
Gestern hat sich die EU positioniert, heute die USA … und man sage nicht, dass offizielle Statements des US-Außenministers keine außenpolitische Relevanz hätten.
Und wie auch immer man das bewerten mag, der Sache der Ukraine ist es auf jeden Fall abträglich. Das wäre nicht nötig gewesen, hätte der Westen von vorne herein - neben den Waffenlieferungen - auf diplomatische Lösungen des Konflikts gesetzt.
Abdurchdiemitte
[Re]: Nachtrag: gestern noch antwortete ich dem Mitforisten @Normalo auf dessen Post zur EU-Entscheidung, die Ukraine bis zum Sieg zu unterstützen:
zum Beitrag“Jetzt hat hier Europa die Initiative ergriffen und Biden muss nun folgen”
Hier haben wir nun sozusagen postwendend die Antwort des US-Außenministers Blinken zur offiziellen amerikanischen Haltung in dieser Frage. Und so wird es auch kommen.
Ich wurde hier ja immer fast ausgelacht. wenn ich betont habe, der Schlüssel über Krieg und Frieden in der Ukraine liege in Washington. nicht in Moskau.
Ukrainische Erfolge auf den Schlachtfeldern entscheiden da nichts, wenn es den Russen nur gelingt, lange genug durchzuhalten, bis sich die politische Wetterlage in den Staaten ändert … dann kann sich Putin freuen, wenigstens Teilziele seiner ursprünglichen Strategie in der Ukraine erreicht zu haben, dank US-amerikanischer Hilfe.
Es wird dann aber ein Pyrrhussieg sein, der (hoffentlich) den Anfang vom Ende seiner Herrschaft über Russland einleitet.
Abdurchdiemitte
[Re]: Meinen Sie mit „russischer Niederlage“ einen ukrainischen Sieg im Sinne der Wiederherstellung der völkerrechtlich verbindlichen Grenzen einschließen der Krim … oder das Niederringen des Putinismus (und damit des russischen Expansionismus), notfalls mit militärischer Gewalt?
zum BeitragLetzteres wird mit dem EU-Beschluss ja ausgeschlossen, denke ich. Insofern werden Ihre Erwartungen enttäuscht.
Abdurchdiemitte
[Re]: Das haben Sie schon richtig verstanden … es ist eine verbindliche Zusage, die Ukraine so lange zu unterstützen, bis diese ihre Kriegsziele erreicht. Was Selenskyi fordert, ist ja hinreichend bekannt.
zum BeitragOb wir das gut oder schlecht finden, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Abdurchdiemitte
[Re]: Aber natürlich hat die EU-Entscheidung eine weitreichende Bedeutung für den Verlauf und Ausgang des Krieges … denn die EU kann hinter diese eindeutige Positionierung nicht mehr zurück. Ob man das mutig oder dumm (im Hinblick auf Kompromisslösungen) findet, liegt wiederum im Auge des Betrachters.
zum BeitragUnd ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass Selenskyi und die Ukrainer zurückrudern können, wenn die weitere Entwicklung in diesem Krieg ungünstig für sie verläuft … da hat die EU jetzt doch wohl Tatsachen geschaffen, die die Ukraine nicht ignorieren kann. Jedoch stellt sich diese Frage überhaupt nicht, da es für die Russen momentan eher schlecht läuft … und ich optimistisch davon ausgehe, dass das auch so bleiben wird.
Also im Grunde ist es eine europäische Festlegung auf die ukrainischen Kriegsziele, die Selenskyi den Rücken stärken soll, zugleich aber auch ein Signal für ihn, gegenüber Putin bloß nicht „in den Sack zu hauen“, wird es auch noch so schwierig.
Viel entscheidender finde ich jedoch die Signalwirkung Richtung Washington: Biden hat ja bisher eher taktierend und ausweichend reagiert in der Festlegung der westlichen Kriegsziele, nicht ganz unähnlich unserem Kanzler. Jetzt hat hier Europa die Initiative ergriffen und Biden muss nun folgen. D.h., Sieg für die Ukraine im Sinne der Wiederherstellung ihrer staatlichen Souveränität in den Grenzen von vor 2014, aber definitiver Ausschluss einer weitergehenden direkten militärischen Intervention, etwa mit dem Ziel, Putin zu stürzen.
Ich denke mal, die ostmitteleuropäischen Verbündeten haben sich in diese Richtung mehr erwartet, aber man kann sagen, die Anti-Putin-Allianz hat jetzt eine einheitliche, unmissverständliche Linie. Lediglich militärische Unterstützung zu gewähren - in welchem quantitativen und qualitativen Umfang auch immer - ist ja noch keine politische Aussage darüber, was man als Bündnis politisch selbst für die Zukunft anstreben will.
Abdurchdiemitte
[Re]: Etwas spät noch eine Antwort auf Ihren letzten Kommentar:
zum BeitragDie neuen gesellschaftspolitischen - nicht mehr dem klassischen ideologischen Rechts-Links-Schema entsprechenden - Konfliktlinien lassen sich auch mit den Gegensatz Kosmopoliten vs. Kommunitarier (Andreas Reckwitz) beschreiben. Darunter fallen auch die relevanten identitspolitischen Diskurse, die gelegentlich auch hier in der taz durchgehechelt werden.
Hiernach ist es gut mögliche, dass ein Teil der Linken dem kosmopolitischen Lager zugeordnet werden kann (z.B. die grünen „Woken“, Progressiven und Linksliberalen), andere dem kommunitaristischen wie die Brot- und Butter-Sozialisten (so nenne ich mal diese Fraktion) um Sahra Wagenknecht. Nach dieser Einordnung findet sich diese Strömung unversehens in einem Boot mit dem ebenfalls kommunitaristischen Lager der Rechtspopulisten und der AfD, ob sie das wollen oder nicht.
Aber im Grunde umfasst dieser von Reckwitz beschriebene identitätspolitische bzw. soziokulturelle Gegensatz, der die traditionellen ökonomischen Klassenkonflikte ergänzt, überlagert oder sogar ablöst, das gesamte politische Spektrum in liberalen parlamentarischen Gesellschaften. In den USA hat dieser Konflikt die Gesellschaft sogar fast an den Rand eines Bürgerkriegs gebracht (Trumpismus).
In der Flüchtlingskrise von 2015 zeigte sich z.B. offen der Riss in den Unionsparteien zwischen liberalen Modernisierern (Kosmopoliten), der “Merkel-CDU”, und ihren innerparteilichen Widersachern, die eher den konservativen Markenkern bewahren wollen bis hin zu einer Kooperation mit nationalkonservativen Kräften (Kommunitarier). Hier liegt dann allerdings schon der Graubereich zum Rechtsextremismus.
Alle anderen liegen irgendwie dazwischen, wobei die heutigen Grünen und ihr Wählermillieu wohl am ehesten dem Bild eines reinen Kosmopolitentums entsprechen. Und die SPD? Tja, die wissen überhaupt nicht, wohin sie eigentlich gehören.
Abdurchdiemitte
[Re]: Gerne stelle ich es wieder ein, nicht nur wegen des Fotos:
zum Beitragwww.tagesspiegel.d...anden-8099341.html
Abdurchdiemitte
Dammbruch-Experte ist gut … man könnte auch sagen: „master of desaster“. Zumindest was die Folgen für die Demokratie hierzulande betrifft. Aber dem Mann ist nicht zu helfen.
zum BeitragDer FDP hingegen würde ein zügiger Rausschmiss Kemmerichs helfen … aber halt, es sind ja Liberalalas. Denen ist auch nicht mehr zu helfen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Danke zunächst für Ihre differenzierten, analytischen Urteile bzgl. der Frage, wie man die politischen Positionen eigentlich Sahra Wagenknechts einordnen sollte.
zum BeitragDas hört sich bei manchen Foristen hier in der taz zuweilen schon etwas anders an … so war zu lesen, Wagenknecht sei eine „Poststalinistin“.
Andere glänzen dagegen eher durch eine extrem unkritische Wagenknecht-Rezeption und wieder andere meinen, man solle sie und die von ihr losgetretenen Debatten einfach ignorieren. Nun, ich halte alle drei Ansätze für falsch.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, befürchten Sie, dass der linksnational(istisch)e Kurs Wagenknechts - der ja so neu nicht ist, sondern dem „traditionellen“ Antiimperialismus und Antiamerikanismus der westdeutschen Linken entspricht - letztlich nur Wasser auf die Mühlen der Rechten lenkt und den links-emanzipatorischen Ansatz schwächt bzw. konterkariert.
Insofern gehen diese Linkskonservativen/ -nationalen auch eine unheilvolle Symbiose mit den Restbeständen der realsozialistischen SED-Ideologie ein, die mir im Osten der Republik in Teilen der Bevölkerung als durchaus noch virulent erscheint. Da gehen unsere Einschätzungen wohl nicht so weit auseinander.
Was ich jedoch hinzufügen muss (Selbstkritik muss sein!): aus meiner Sicht ist bei weitem nicht klar, was der Begriff „emanzipatorisch“ inhaltlich bzw. programmatisch eigentlich meint, hier wird er i.d.R. polemisch als Kampfbegriff zwecks Abgrenzung gegenüber der linksnationalen Strömung verwendet. Nicht zuletzt wegen dieser programmatischen Schwäche kann Wagenknecht so leicht in das denunziatorische „Lifestyle-Linke“-Horn stoßen … eine linke „Identität“, die sich lediglich aus der Abgrenzung bzw. Ablehnung anderer Positionen speist, ist nämlich ebenso zum Scheitern verurteilt.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Über 700.000 Bürger und darunter viele bekannte haben das Friedensmanifest unterschrieben, sind das jetzt alles von Sahra Wagenknecht verführte????“
zum BeitragÄhm, ja. Warum nicht? Ich gebe zu, dass sie mich auch eine Zeit lang politisch „verführt“ hatte. Aber das ist vorbei, keine Sorge.
Außerdem lassen sich Zahlen relativieren. Denken Sie nur daran, wie viele Bürger dieses Manifest NICHT unterschrieben haben.
Abdurchdiemitte
An Sahra Wagenknecht arbeiten sich hier sowohl ihre Fans als auch ihre Gegner aufs heftigste ab.
zum BeitragSieht denn niemand an ihr des Kaisers neue Kleider?
Entweder sind ihre Positionen in der Linkspartei gut aufgehoben oder eben in der AfD … so einfach ist das. Was braucht es da eine Wagenknecht-Partei, was erhofft man sich davon?
Abdurchdiemitte
[Re]: “Ohne Wagenknecht gäbe es wohl keine Linkspartei-Fraktion im Bundestag. Die restlichen Abgeordneten und die blassen Funktionäre an der Spitze der Partei haben Wagenknecht mehr zu verdanken, als umgekehrt.”
zum BeitragNa ja, Ihren argumentativen Kurzschluss lasse ich jetzt mal unkommentiert. Ich verweise nur auf die äußerst mauen Wahlergebnisse der Linken in NRW, trotz dass Wagenknecht dort zur Frontfrau gekürt wurde (sie haben das Beispiel selbst angeführt).
Angeblich habe sie ja ein Wählerpotential von 20%, wenn sie mit einer eigenen Partei antreten würde. Wissen Sie was? Ich glaube das nicht. Diese Frau wird doch medial dermaßen aufgepumpt, sowohl von ihren Anhängern wie von ihren persönlichen Gegnern sowie den Gegnern der Linkspartei. Letztere haben sogar das größte Interesse an einem Schisma der Linken.
Sahra Wagenknecht weiß selbst, dass es hier bloß um einen Hype geht, einen Luftballon, der platzt, sobald er auf die Realität trifft. Nicht anders als seinerzeit mit der Gründung der Aufstehen-Bewegung. Der reinste Rohrkrepierer.
Außerdem hat sie überhaupt nicht das Zeug, sich an die Mühen einer Parteigründung zu machen, wie Stefan Reinecke zurecht feststellt.
Wahrscheinlich schreckt sie auch davor zurück, mit einem solchen Schritt vor Anhängern wie Gegnern - die sie ebenfalls weitaus zu stark einschätzen - öffentlich entzaubert bzw. bloßgestellt zu werden. Daher das Zögern.
Ein bisschen ist die Linkspartei allerdings selbst schuld, nun in dieser verfahrenen Lage zu sein … schließlich hat sie viel zu lange am Mythos Wagenknecht mitgebastelt, weil sie davon profitieren konnte. Jetzt wendet sich dieser Mythos halt gegen die eigene Partei.
Um aber das Thema nicht zu sehr zu personifizieren: natürliche spielen politische Inhalte auch eine Rolle, keine Frage.
Abdurchdiemitte
[Re]: Einverstanden mit der Definition … nur erscheint mir die Prognose des Untergangs dieses Systems außerordentlich düster, weil solche Autokraten und ihr Anhang, der von dessen Herrschaft profitiert, versuchen werden, alles mit in den Untergang zu reißen, was sich ihnen in den Weg stellt, wenn sie ihre Macht schwinden sehen.
zum BeitragUnd ich bin mir nicht sicher, ob Putins Werk nicht weitere Nachahmer findet, global betrachtet der Siegeszug der Demokratie also ausbleibt und sich sogar in sein Gegenteil verkehren kann.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Durchsetzung der bellizistischen Logik als “Konfliktlösungsstrategie” - auch um Diktatoren und Gewaltverbrecher in die Schranken zu weisen -, genau diesen Effekt erzeugt und vorantreibt statt ihn, wie erhofft, einzudämmen.
Genau aus diesem Grund bleibe ich bei meiner grundsätzlich pazifistischen Haltung, auch wenn ich hier für die militärische Unterstützung der Ukraine plädiere.
Abdurchdiemitte
[Re]: Bestätigt eher meine These, dass Peking die Kosten seines Einsatzes sehr wohl kalkuliert … im Fall Hongkongs war eben kein großes Risiko zu erwarten.
zum BeitragWas hingegen Putin am 24.2. letzten Jahres getrieben hat … für mich wird das ein ewiges Rätsel bleiben. Überschätzung der eigenen Möglichkeiten, Dummheit, Naivität (die Vorstellung, die Ukrainer würden ihm Blumen auf den Weg streuen), ich weiß es nicht.
Vielleicht gilt für Putin einfach nur das Sprichwort: einer reitet uns immer, entweder Gott oder der Teufel.
Abdurchdiemitte
[Re]: Stimme zu. Am konkreten Beispiel der Bedeutung unserer Ernährung für das Weltklima heißt das: nicht die Minderheit der Vegetarier und Veganer bzw. diejenigen, die bekunden, solche werden zu wollen, sind die wahren Gamechanger, sondern die (ich meine, es sind 70% der Bevölkerung), die sich vorstellen können, ihren Fleischkonsum zu reduzieren, wenn es dem Klima etwas nützt.
zum BeitragNur müssten sie so langsam mal damit anfangen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Es fängt ja schon damit an, dass vollkommen unklar ist, wie ein militärischer Sieg über Russland aussehen bzw. definiert werden soll. Insofern würde ich Ihnen argumentativ beistehen. Ich habe in einem anderen Zusammenhang schon die Vermutung geäußert, dass der Westen in dieser Frage deshalb nicht mit einer Stimme spricht, weil die Interessenslagen der einzelnen Akteure, wie man mit Russland in Zukunft verfahren solle, bei weitem nicht in Übereinstimmung gebracht werden (können).
zum BeitragWürde hierüber zwischen den westlichen Staaten (oder im NATO-Rat) offen diskutiert - über die vage Erklärung hinausgehend, die Ukraine so lange zu unterstützen, wie sie Hilfe benötige - , würden diese Diskrepanzen deutlich zutage treten. Das ist der Elefant im Raum.
Es ist doch offensichtlich, dass die ostmitteleuropäischen Staaten eine finale Generalabrechnung mit Russland unter dem Dach der NATO anstreben, assistiert von GB - aus geopolitischen und historischen Gründen sogar verständlich (was nicht oft genug wiederholt werden kann) - , während andere, v.a. Deutschland und die USA, in dieser Frage eher auf die Bremse treten.
Man wünscht sich eben weder einen direkten Krieg mit noch eine instabile innenpolitische Lage in Russland. Waffenlieferungen an die Ukraine stehen dazu übrigens nicht im Widerspruch, es ist jedoch offensichtlich, dass z.B. Polens permanentes Vorpreschen bei diesem Thema (Kampfjets) eher für meine These spricht.
Eine aggressiv formulierte Aussage, etwa Putin stürzen zu wollen, als aktives Kriegsziel der NATO explizit ausgesprochen, würde außerdem potentielle Unterstützer der Anti-Putin-Allianz im globalen Süden abschrecken oder sie sogar in die Arme einer von Russland gewünschten Achse Peking-Moskau-New Delhi treiben.
Abdurchdiemitte
[Re]: Bleibt noch das Szenario einer instabilen politischen Lage nach einer etwaigen Entmachtung Putins und seines inneren Zirkels, weil sich keiner der Nachfolgekandidaten durchsetzen kann … aus westlicher Perspektive wohl doch eher eine unangenehme Vorstellung, mit einem solchen Nachbarn inmitten Europas zu leben. Dazu dann das Atomwaffenarsenal. Denken Sie nicht?
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: „Damit unterliegen Sie einem grundsätzlichen Missverständnis, was die Natur dieses Systems angeht.“
zum BeitragAber das ist doch genau der springende Punkt. Um was für ein politisches System handelt es sich im Falle Russlands eigentlich. Ist Putin der neue Zar eines imperialistischen Großreichs die Wiederauferstehung Stalins, handelt es sich bei Russland um einen durch und durch faschistischen Staat oder um eine erzkapitalistische Oligarchenherrschaft, deren Marionette Putin ist, die nach Bedarf ausgetauscht werden kann? Alles zusammen geht ja wohl nicht.
Klären Sie uns auf, denn ich möchte - polemisch formuliert - gerne wissen, gegen welche Sorte Schurken meine Kinder eigentlich in den Krieg ziehen sollen.
Ich denke aber, der internationale Haftbefehl gegen Putin ist in jedem Fall berechtigt, aufgrund der von ihm zu verantwortenden russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Wenn Friedensforschung sich ideologischen Vorgaben unterwirft, verliert die die Berechtigung, sich ‚Forschung‘ zu nennen.“
zum BeitragSo formuliert kann ich zustimmen. Das betrifft die akademische Forschung und da sollte es selbstverständlich sein, wissenschaftliche Standards einzuhalten. Punkt.
Aber heute hatten wir ja auch die Meldung zum Tode von Tilman Zülch, dem langjährigen Vorsitzenden der GfbV. In der konkreten Friedens- wie in der Menschenrechtsarbeit geht es gerade darum, eindeutig Stellung zu beziehen, parteiisch zu sein für die Opfer von militärischer Gewalt und Genozid. Das gilt ja nicht nur für die Skandalisierung der russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine.
Und ja, es gehört auch dazu, dieses anzuprangern, wenn es im Namen von freedom&democracy geschieht. Hier haben die eigenen ideologischen „Vorlieben“ natürlich auch keine Rolle zu spielen, Ehrlichkeit ist Trumpf. Sonst brauche ich mit dieser wichtigen Arbeit erst gar nicht anzufangen.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Googeln Sie ma Falludscha. Dort haben die Amerikaner gezeigt, wie man so richtig draufhaut. Andere habe daraus gelernt …“.
zum BeitragNa ja, wenn Sie damit andeuten wollen, dass der Irakkrieg als Blaupause für den russischen Überfall auf die Ukraine gedient hat - oder wen meinen Sie sonst mit „Andere“? - so ist das auch nicht gerade seriös argumentiert.
Eher sprechen die Ereignisse von Falludscha für die Inhumanität und Brutalität des Krieges im allgemeinen, dafür, dass keine Seite mit weißer Weste daraus hervorgeht und dass es deshalb gilt, derartige Kriege schon im Vorfeld zu verhindern.
Kein Plädoyer jedoch für die Verharmlosung US-amerikanischer Kriegsverbrechen.
Abdurchdiemitte
[Re]: Mir persönlich ist es eigentlich wurscht, wer Putin Asyl gewährt, von mir aus auch Kirchenasyl … Hauptsache, er wird als Staatenlenker aus dem Verkehr gezogen und das so bald wie möglich. So pragmatisch sehe ich das.
zum BeitragEine Einsicht in seine Verbrechen oder Reue ist sowieso nicht zu erwarten, wenn er dereinst seine Memoiren schreibt.
Ich habe auch nicht nachgetreten, als Honecker und seine Gattin seinerzeit Unterschlupf vom evangelischen Gemeindepfarrer in Lobetal erhielten. Nur ich hätte den beiden wahrscheinlich eiskalt die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Aber wo die christliche Nächstenliebe halt hinfällt … bei Trump würde ich freilich anders gelagerte Motive unterstellen (eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus).
Abdurchdiemitte
Tilman Zülch war einer, dessen Einsatz für von Verfolgung und Vernichtung bedrohte ethnische und religiöse Minderheiten nie von ideologischen Motiven beeinflusst war … was ihn und die GfbV nicht selten zu einer Zielscheibe der Kritik von Links gemacht hat. Spöttisch-zynisch wurde seinerzeit von linker Seite der Vorhalt gemacht, die GfbV sammle bedrohte Völker wie andere vom Aussterben bedrohte Schmetterlingsarten, als diese die sandinistische Verfolgungspolitik gegen die indigenen Miskito in Nicaragua anprangerte. Zülch wurde deshalb sogar eine antikommunistische Gesinnung vorgeworfen … vielleicht war‘s er, vielleicht nicht, es schmälert jedoch nicht seine Verdienste um den Kampf für Menschenrechte weltweit, über alle politischen Differenzen hinweg.
zum BeitragWichtige Beiträge waren es, mit dafür gesorgt zu haben, dass der Genozid an den Herero und Nama in „Deutsch-Südwest“ sowie der Aghet, der osmanische Völkermord an den Armeniern, wieder ans Tageslicht der deutschen Öffentlichkeit gebracht wurden. Oder der Giftgaseinsatz Saddam Husseins gegen die irakischen Kurden. Oder die unerträgliche Menschenrechtssituation der Uighuren und Tibeter in China. Oder die Bedrohung der Lebensgrundlagen für indigene Gemeinschaften in Amazonien sowie den bürgerrechtlichen Kampf nordamerikanischer Indigener in den USA gegen gesellschaftliche Ausgrenzung und Armut. Nur einige Beispiele.
Tilman Zülch, R.I.P. … verbunden mit der Hoffnung, dass die GfbV auch nach seinem Tod ihre wichtige Menschenrechtsarbeit mit unverminderter Kraft fortsetzen kann.
Abdurchdiemitte
[Re]: Es geht nicht um Verständnis, sondern ums Verstehen … wenn Sie den Unterschied nicht kennen, ist das Ihr Problem, nicht meines.
Wenn wir es nicht mehr schaffen, internationale Konflikte mit diplomatischen bzw. politischen Mitteln zu lösen, wird diese Welt in Gewalt und Vernichtung versinken. Es wird dann das Recht des Stärkeren gelten und auf einen beseitigten Putin werden zehn weitere folgen. Das ist meine grundsätzliche Überzeugung.
Das Dilemma dabei, das Nachgeben vor Diktatoren, habe ich immer eingeräumt (siehe mein obiger Post an @Tore).
Kommentar gekürzt. Bitte beachten Sie unsere Netiquette.
Die Moderation
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Obwohl ich sonst oft einer Meinung mit Ihnen bin … Ihre Frage bzw. Zweifel gehen am Thema des Kommentars von Dominic Johnson vorbei, finde ich.
zum BeitragUnd hinsichtlich des internationalen Strafbefehls gegen Putin stimme ich hier mal mit Johnson überein. Aus menschenrechtspolitischer Perspektive ist die Entscheidung des IStGH absolut richtig, nachvollziehbar und konsequent (da ich kein Jurist bin, kann ich dabei jedoch lediglich mein subjektives Rechtsempfinden sowie politischen und moralischen Überzeugungen anführen).
Ich bin sonst eher ein Befürworter der stillen Diplomatie in den internationalen Beziehungen, wie man anhand meiner Beiträge in der Kommune schnell feststellen kann. Aber hier war es notwendig, ein deutliches Zeichen zu setzen.
Und das kann man nicht abhängig machen von der Dauer, dem Verlauf und dem Ausgang dieses Krieges … selbst wenn Putin diesen Krieg gewinnt, so hat er eindeutig rote Linien überschritten, er ist und bleibt ein Kriegsverbrecher, der für sein Tun zur Rechenschaft gezogen werden muss. Insofern auch ein wichtiges Signal für alle, die meinen, ihre Interessen - über die Legitimität dieser Interessen lässt sich ja noch streiten - mit Gewalt und Völkermord durchsetzen zu können.
Ich wüsste nicht, warum auch Sie diesen grundsätzlichen Erwägungen nicht zustimmen könnten.
Abdurchdiemitte
[Re]: Das können Sie natürlich beurteilen ... vielleicht sollten Sie sich die jüngere Geschichte Chinas mal genauer ansehen, v.a. die Folgen des europäischen und japanischen Imperialismus mit seinen vielen Millionen Opfern im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jhdts,, auch mit den Demütigungen, die aus chinesischer Sicht damit verbunden waren.
zum BeitragSo etwas sitzt tief im kollektiven Bewusstsein und Sie können nicht davon ausgehen, dass das alles keine Rolle mehr spielt (auch wenn es von der kommunistischen Führung entsprechend propagandistisch "aufgearbeitet" wird).
So viel zum Thema chinesischer "Größenwahn".
Abdurchdiemitte
[Re]: "Einzig die kommunistische Partei Chinas besteht darauf, den Status Quo zu ändern und Taiwan zu annektieren."
zum BeitragZweifellos richtig, nur wird dies Position aus ideologischen und historischen Gründen aufrecht erhalten, wie Sie selbst darlegen.
Auf der geopolitischen Bühne vollzieht sich das alles bloß viel rationaler bzw. abgeklärter. So ist beispielsweise zu fragen: wo läge der Vorteil für China, Taiwan zu annektieren und was wären die zu zahlenden Kosten? Wären die möglicherweise zu hoch, als dass das Risiko als lohnenswert und kalkulierbar erscheint?
Aus diesem Blickwinkel schaut die chinesische Führung schon sehr genau nach Russland und auf den Krieg in der Ukraine, denke ich. Und angesichts des Kriegsverlaufs und der betrüblichen Aussichten für Putin erscheint es doch fragwürdig, ob das russische Vorgehen als Blaupause für die chinesischen Ambitionen bezüglich Taiwan taugen kann. Das Ziel der globalen Hegemonie lässt sich doch weit risikoärmer qua ökonomischer "Ausdehnung" erreichen, zumal dieser Strategie von westlicher Seite kaum Widerstand entgegengesetzt wird (im Gegenteil sogar), wie Sie ebenfalls richtig bemerken.
Auch in Washington wird man sich letzten Endes gut überlegen, ob man diesen geostrategischen "Status Quo" aufgeben möchte, um sich in ein unkalkulierbares militärisches Abenteuer zu stürzen.
Und das moralische Dilemma, 25 Mio. Taiwaner gegen die kommunistische Bedrohung im Stich zu lassen, stellt sich somit erst gar nicht (wobei ich einräumen muss, in dieser Hinsicht seit dem 24.2.2022 vorsichtiger geworden zu sein).
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich frage mal etwas provokativ: warum ist es nicht möglich, es bezüglich der Taiwanfrage bei der Patt-Situation zu belassen, mit der alle Beteiligten in den letzten Jahrzehnten doch recht gut gefahren sind, insbesondere Taiwan, auch ohne Anerkennung seiner staatlichen Souveränität.
zum BeitragOb es eine diplomatische Deeskalation geben kann, hängt nicht allein von China, sondern auch vom Willen des Westens - v.a. den USA - ab, seinerseits den Konflikt nicht unnötig aufzupumpen. Da sind in letzter Zeit falsche, Besorgnis erregende außenpolitische Signale gesendet worden, ein Muskelspiel, das übrigens auch Taiwan in keiner Weise weiterhilft.
Viel mehr Sorgen bereitet mir jedoch die Situation der ethnischen Minderheiten in China, der Uighuren, Tibeter und Mongolen … die werden von uns doch schon seit Jahrzehnten im Regen stehen gelassen. Kein Hahn kräht wirklich danach, bis auf eine Handvoll Menschenrechtsaktivisten.
Und was den Ukrainekrieg betrifft: natürlich ist es wichtig und auch höchste Zeit, den Schurken dieser Welt die Grenzen aufzuzeigen … aber angenommen, das wäre im Falle Putins erfolgreich und et steht eines schönen Tages vor dem IStGH, wer garantiert dann, dass der selbsternannte globale Sheriff USA nicht Appetit auf mehr bekommt und versucht, die chinesische Konkurrenz gleich auch loszuwerden. Der Hebel dafür wäre wohl Taiwan, jedoch ist Taiwan nicht die Ukraine.
Abdurchdiemitte
[Re]: Schließe mich an. Aber leider höre sich sie schon wieder, unsere kalten Krieger, denen letztlich egal ist, wie Chinesen selbst über ihr Land urteilen. Differenzierung ist da nur irritierend beim Feindbild-Building, könnte ja das eigene Weltbild ernsthaft beschädigen.
zum BeitragEs ist ja auch immer einfacher, mit Fingern auf andere zu zeigen und nicht die eigenen Anteile zu sehen, die in die globale Krise geführt haben. Man muss dann selbst nichts ändern, “der Chinese” ist ja schuld.
Matthäus 7, 1-5.
Abdurchdiemitte
[Re]: Man kann natürlich - übrigens von jedem beliebigen Standpunkt dieser Welt aus - die Entwicklung der israelischen Gesellschaft und insbesondere des Zionismus in den vergangenen Jahrzehnten von einer weltoffenen toleranten, zudem übrigens eng mit dem freiheitlichen Sozialismus verbundenen hin zu einer engstirnig-bigotten rassistischen und nationalistischen bis hin zu einer rechtsextremistischen Ideologie analysieren und kritisieren. Dabei ist natürlich auch die Wechselwirkung aufgrund der Bedrohung des Staates Israel durch seine arabischen Nachbarn einzubeziehen, gar keine Frage.
zum BeitragDie Träger des Zionismus heutzutage sind aber nicht mehr diejenigen der israelischen Gründergeneration von 1948 mit ihren ursprünglichen, auch am jüdischen Humanismus orientierten Idealen. Soviel steht fest.
Auch und gerade, wenn man sich Israel besonders verbunden fühlt: es gibt kein Monopol auf Israel-Freundschaft und es ist immer die Frage, welchen Kreisen der israelischen Gesellschaft man sich verbunden fühlt. Jetzt ist Netanyahus Rechtsbündnis am Drücker und diese Regierung ist auf Staatsbesuchen gemäß des diplomatischen Protokolls zu empfangen. Mehr aber auch nicht, denn diese Leute stehen nicht für ganz Israel. Scholz und Netanyahu kommunizieren untereinander auf Staats - und Regierungsebene mit ihren ganz eigenen diplomatischen Spielregeln und das macht auch Sinn, bedeutet aber nicht, die Ziele einer israelischen Regierung zu unterstützen, die hoffentlich bald Episode ist.
Meine Haltung dazu hat jedoch mehr mit Ideologiekritik als mit Israelkritik zu tun.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ja, ich stimme Ihnen zu. Und ich plädiere eindringlich dafür, grundsätzlich diplomatische Gepflogenheiten in den außenpolitischen Beziehungen beizubehalten. Auch wenn’s schwer fällt und es einem angesichts ausgewiesener Schurkenstaaten in den Fingern juckt. Es macht schon Sinn, so zu verfahren, selbst wenn dieser nicht unmittelbar eingängig zu sein scheint oder als Leisetreterei bzw. Einknicken gegenüber den „schlimmen Fingern“ dieser Welt denunziert wird.
zum BeitragEine konfrontative Ich-hau-dir-in-die-Fresse-Diplomatie nutzt nämlich keinen Deut etwas, wenn den Drohungen nicht Taten folgen (können). Übrigens nutzt das Muskelspiel auch den betroffenen Bevölkerungen in diesen Ländern nichts. Am Ende werden nur geschürte Erwartungen von Oppositionellen und Menschenrechtsaktivisten dort enttäuscht, weil auf Worte eben keineTaten folgen (s. Iran).
Mit Blick auf Israel ist diesbezüglich von deutscher Seite besondere Sensibilität und Fingerspitzengefühl gefragt. Warum das so ist, muss ja eigentlich nicht noch in epischer Breite erläutert werden, sofern man im Geschichtsunterricht aufgepasst hat (Sie wissen es natürlich, andere hier aber offensichtlich nicht, leider).
Abdurchdiemitte
[Re]: Ups, den Kommentar wollte ich gar nicht an Sie adressieren, @Konfusius. Sie müssen sich also nicht angesprochen fühlen, wenn Sie es nicht wollen.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: „War es nicht so, dass Akademiker empfänglicher für die Nazi-Ideologie waren als Arbeiter?“
zum BeitragDie Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten … zudem waren nicht alle Nazis, die Nazis wählten, zumindest 1933. Manchmal klopfte einfach die materielle Not an die Tür, man erhoffte sich eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, Arbeit und Brot eben.
Dass man sich außerdem erhoffte, dass Deutschland wieder „groß“ werde, stand ja nicht im Widerspruch dazu. So war es auch in meiner Familie, zwei meiner Großonkel wurden Mitglieder der SS, trotz proletarischer Herkunft.
Da kam auch der Wunsch nach sozialem Aufstieg und gesellschaftlichem Prestige hinzu, was einem in der Weimarer Zeit ja verwehrt war. So die (Familien-)Erzählung an die Nachgeborenen.
Und die Akademiker? Sicherlich nutzten so einige die NSDAP-Mitgliedschaft, um ihre akademischen Karrieren voranzutreiben. Ob die alle überzeugte Nazis waren? Viele haben dieses Geheimnis ja mit ins Grab genommen.
Ich denke dabei auch an so prominente (und um die Demokratie verdiente) Persönlichkeiten wie den Journalisten Werner Höfer oder Günter Grass, den Literaturnobelpreisträger. Beide wurden spät von außen als Nazis geoutet. Ob sie das jemals selbst getan hätten.
Abdurchdiemitte
[Re]: “Generell lautete ihr Credo; man müsse die Gründe für alles menschliche Tun verstehen - und das schaffe man nicht, wenn man nur in den Freund-Feind-Modus schalte.”
zum BeitragDa hatte sie verdammt recht. Linke tun sich da generell schwer, aber Frau Vollmer kam ja auch eher aus einer bürgerlichen christlich-pazifistischen Ecke. Bei ihr trafen die beiden Welten allerdings in einer Person zusammen.
Vielleicht habe ich persönlich deshalb so viel Empathie für Antje Vollmers politische Haltung, auch wenn ich sie nicht in allen Punkten nachvollziehe (z.B. in ihrer Unterstützung der Wagenknecht-“Friedensbewegung”).
Abdurchdiemitte
[Re]: Ups, den Kommentar wollte ich gar nicht an Sie adressieren, @Konfusius. Sie müssen sich also nicht angesprochen fühlen, wenn Sie es nicht wollen.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Tragische Figur? Meinen Sie Antje Vollmers Unterzeichnung des Wagenknecht/Schwarzer-Aufrufs oder ihre Rolle als Mitbegründerin von Aufstehen (auch so eine Wagenknechtsche Totgeburt). Vielleicht, vielleicht auch nicht.
zum BeitragDann sind es nämlich diejenigen, die ihre einstigen politischen Ideale für ein paar Silberlinge verraten haben - Wiglaf Droste nannte es “der Nation in den Arsch kriechen” (ja, genau, er meinte die Grünen!) - erst recht. Tragische Figuren.
Aber man nennt so etwas ja Realpolitik heutzutage … in dem Sinne war Frau Vollmer natürlich keine Realpolitikerin.
Antje Vollmer hätte sich nur niemals in gleicher Weise über ihre eigene Partei geäußert, wie ich es tue … dafür war sie zu loyal. Und das ehrt sie.
Abdurchdiemitte
Antje Vollmer, eine authentische Vertreterin der grünen Ursprungsideale, eine überzeugte Pazifistin und glaubwürdige evangelische Christin, konsequent in ihren Überzeugungen, ohne dogmatisch zu sein, bürgerlich und links zugleich. Auch wenn man anderer Meinung ist, das trifft man selten an im politischen Geschäft. Daher ziehe angesichts des Todes vor ihr meinen Hut.
zum BeitragAuch wenn es zuletzt stiller um sie geworden ist, wird sie - wie Christian Ströbele ein grünes Urgestein - fehlen, nicht nur ihrer eigenen Partei.
Und auch, wenn sie den fragwürdigen Aufruf von Schwarzer/Wagenknecht zu Waffenstillstandsverhandlungen unterstützt hat - sie konnte vielleicht nicht anders aufgrund ihrer pazifistischen Haltung -, hatte sie mit Sahra Wagenknecht doch sonst wenig gemeinsam.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich sehe es so: sicherlich ist die Kritik der antideutschen und antinationalen Linken gegenüber den antiimperialistischen Strömungen zutreffend, zumindest berühren sie einen wunden Punkt.
zum BeitragDass es dann zu einer weiteren Abspaltung einer sogenannten linkskonservativen bzw. linksnational(istisch)en Fraktion (Wagenknecht) gekommen ist - die meiner Auffassung nach zunächst nichts weiter als eine linkspopulistische Bewegung ist - war in den neunziger Jahren so ja noch nicht abzusehen.
Diese Zellteilung bzw. Atomisierung der Linken vollzieht sich anhand immer neuer Konfliktlinien, die den jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen/Veränderungen geschuldet sind.
Ob man es gut findet oder nicht, wer hätte denn zu Beginn der achtziger Jahre geglaubt, in welche Richtung die Grünen sich heutzutage entwickelt haben.
Und ein bisschen sind solche Spaltungen ja auch wie ein reinigendes Gewitter zu betrachten, wie man derzeit an den internen Diskussionen in der Linkspartei erkennen kann. Sie sind also nicht nur negativ (als Ausschließeritis) zu werten.
Aber zurück zu den Antideutschen: die haben mit ihrer (berechtigten) Kritik an der linken Fixierung auf Antiimperialismus, Antiamerikanismus und Antizionismus natürlich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und sich dabei selbst ideologisch komplett verrannt.
Und weil allenthalben von Querfrontbündnissen die Rede ist: was anderes als Querfront ist es denn, wenn antideutsche Linke in das selbe Horn stoßen wie zweifelhafte Israelfreunde wie Julian Reichelt?
Der Vorwurf der fehlenden Abgrenzung gegen Rechts gilt dann nicht nur dem Wagenknecht-Lager, sondern er geht auch an die antideutsche Adresse.
Übrigens; links zu sein muss ja wohl mehr umfassen als nur weltoffen und international zu sein, denn genau das behaupten z.B. Liberale auch von sich. Zuweilen - wenn die Verzweiflung über die eigenen Genoss*innen mich packt - denke ich, genau so ist es auch, zumindest dass Liberale weit toleranter sind als manche Linke.
Abdurchdiemitte
[Re]: Eine Frage der Perspektive.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Ja, sicher, es geht aber um die Frage der Priorisierung … wenn fest steht, dass Putin sowieso keinen dritten Weltkrieg vom Zaun brechen wird (um es mal platt zu formulieren), muss man sich wohl über solche Vorfälle wie jetzt über dem Schwarzen Meer weniger Gedanken machen.
zum BeitragGanz nebenbei: ich gehöre nicht zu denjenigen, die überhaupt keine Eskalationsgefahr in diesem Krieg sehen, es ist nur die Frage, ob solche Ereignisse zum sprichwörtlichen Funken werden können, um das Pulverfass zum Explodieren zu bringen … aber die Besonnenheit der US-Führung in dieser Situation habe ich schließlich lobend hervorgehoben. Aber es ist auch kein Plädoyer für Sorglosigkeit.
Ich mag mir lieber nicht ausmalen, wie ein Trump reagieren würde, wäre wer Präsident der USA.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich stimme ja zu, aber Ihr Kommentar klingt in meinen Ohren doch ein bisschen zu sehr opfermäßig.
zum BeitragWoher kommt bloß die Tendenz im linken Spektrum, jeden eigenen politischen Erfolg klein zu reden oder das eigene Handeln lediglich als Reaktion auf rechte Umtriebe zu reduzieren?
Ich meine, man kann die Geschichte der Linken auch so interpretieren: alle gesellschaftspolitischen Veränderungen, die seit Beginn der (sozialistischen) Arbeiterbewegung angestoßen wurden, sind in der Gegenwart in Wohlstand und gesellschaftlicher Individualisierung eingemündet.
Der Neoliberalismus musste auf diesen Zug bloß aufspringen und konnte so das Ruder übernehmen, weil er ideologisch besser „kompatibel“ und anpassungsfähiger an diese Entwicklung ist als linke Ideologie und Theorie.
Als Linke schauen wir jetzt gehörig in die Röhre, obwohl die wesentlichen Fortschritte von unseren Altvorderen erreicht wurden … nur haben wir uns das Ergebnis anders vorgestellt. Das betrifft auch das „Verschwinden“ von Proletariat und Klassenbewusstsein im Zuge der Individualisierung (oder ist es andersherum?). Oder auch: die Linke schafft sich selbst ab.
Nur eine These und ein Diskussionsangebot.
Abdurchdiemitte
Herr Pickert, ist die Meldung vom Absturz der US-Drohne denn nun wirklich einen Kommentar wert?
zum BeitragIch meine, es ist hinlänglich bekannt, dass Putin Provokation und Angstmacherei betreibt, um uns damit irgendwie zu beeindrucken. Es wäre doch gelacht, wenn die USA auf diese Versuche der russischen Propaganda NICHT souverän und professionell reagieren würden. Nichts anderes erwarte ich vom politischen Personal der führenden Supermacht. Wenn nicht, würde ich mir schon die Frage stellen, ob unser Land dem richtigen Militärbündnis angehört.
Viel wichtiger wäre es - im Hinblick auf die bevorstehenden US-Wahlen -, weiter zu beobachten, was sich da an Stimmungsumschwung im republikanischen Lager und möglicherweise der Bevölkerung zusammenbraut.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ist möglicherweise das hier gemeint?
zum Beitragde.m.wikipedia.org/wiki/Antideutsche
Abdurchdiemitte
[Re]: Ja leider, und offensichtlich gelingt es auf der rechten Seite wesentlich besser, Gemeinsamkeit herzustellen, während die Linke in ihrem fatalen Hang zur gegenseitigen Ausschließeritis sich nur selbst zerlegt.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Was sind denn die Interessen der Arbeiter heutzutage bzw. wer sind denn DIE Arbeiter überhaupt in einer durch und durch individualisierten Gesellschaft wie der unseren? Das wäre doch zuerst zu fragen, bevor man sich daran macht, ihnen ein politisches Programm anzubieten.
zum BeitragDie ganze Trostlosigkeit scheint doch darin zu liegen, dass die Linke es offenbar nicht (mehr) weiß, wohl aber die AfD.
Ohne eine vollständige, schlüssige Antwort anbieten zu können, sollte man sich dazu auch die Entwicklung und die Strukturen der historischen Arbeiterbewegung vom Beginn der Industrialisierung im 19. Jhdt. bis in die Zeit der Weimarer Republik einmal genauer anschauen. Man sieht dort beispielsweise ein intaktes lebensweltlich-kulturelles proletarisches Milieu mit zur bürgerlichen Gesellschaft parallel verlaufenden Strukturen wie Arbeitersportvereine, Arbeiterbildungsvereine (der Beginn der Volkshochschul-Bewegung), Arbeitergesangsvereine, Lehrlings- und Gesellenvereine etc. Mein Großvater beispielsweise hat dieses proletarische Milieu noch gekannt und war schon qua sozialer Herkunft fest darin eingebunden.
Zwölf Jahre Nazi-Diktatur haben dann offensichtlich gereicht, diese Strukturen komplett zu zerschlagen, denn anschließend konnte daran nicht mehr angeknüpft werden. Die bundesrepublikanische Gesellschaft war eine völlig andere. Hier war die geschichtliche Zäsur offenbar wirkmächtiger als deren Kontinuität.
Und übrigens auch die DDR als “Arbeiter- und Bauernstaat” hatte - trotz entsprechender ideologischer Postulate - mit dieser ursprünglichen historischen Arbeiterbewegung wenig gemein, zumindest nicht, was deren emanzipatorischen und freiheitlich-sozialistischen Anteile betrifft.
Abdurchdiemitte
[Re]: „… dass Kommunismus ebenso ein Verbrechen
zum Beitragund keine legitime Meinung ist.“
Das Argument musste ja noch kommen, so sicher, wie das Amen in der Kirche. Leider hat‘s mit dem hier diskutierten Thema nichts zu tun (oder Sie müssen den Zusammenhang plausibel erklären).
Zur Erinnerung: hier geht’s um die Kontinuitäten deutscher Geschichte.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ich zitiere in dem Zusammenhang mal Wiglaf Droste:
zum Beitrag„Schön ist die Heimat / So man sie hat / Schön auch der Hering / Besonders der Brat-.“
Abdurchdiemitte
[Re]: „Welcher Typ sind Sie?
zum BeitragAlso wenn Sie es wirklich wissen wollen und ich mich zudem noch kurz fassen soll: eher Typ 2, wobei das nicht ausschließt, auf den „menschlichen Erfindungsgeist“ zu setzen, denn es geht ja nicht nur um materiellen Verzicht, sondern auch um technologische, wissenschaftliche Innovationen, um beispielsweise dem Klimawandel zu begegnen. Aber eben nicht, um den Status Quo zu erhalten bzw. ein „Weiter so“ zu legitimieren.
Ich muss bei unserem Austausch auch immer an Bhutan denken … „Bruttonationalglück“ wäre schon etwas, wovon auch unsere westlichen Gesellschaften sich eine Scheibe abschneiden könnten.
de.m.wikipedia.org...nationalgl%C3%BCck
Aber ob Bhutan dem Ansturm materieller westlicher Werte noch lange wird standhalten können?
Abdurchdiemitte
[Re]: Hm, um es mal als Frage zu formulieren: liegt das Problem bei den „Progressiven“, die es nicht verstehen, die Gesellschaft zu mitzunehmen, weil die Mehrheit der Menschen diese nach außen vorgetragene Progressivität als neoliberalen Projekt und damit gegen Ihre Interessen gerichtet identifiziert? Und wenn auch lediglich als diffuse Ablehnung alles Neuem, Veränderungsbedürftigem, was diese Leute beispielsweise dazu bringt, Rechtspopulisten hinterherlaufen?
zum BeitragDen Begriff „emanzipatorische Linke“ dagegen halte ich für weitaus brauchbarer, um zu zeigen, dass es möglich ist, für gesellschaftliche Veränderungen einzutreten, ohne den Tanz um das Goldene Kalb des Neoliberalismus mitzutanzen.
Das ist jetzt ein alles ein bisschen arg abstrakt formuliert, aber ich denke, Sie verstehen es schon. Vielleicht kann ich es noch mal konkretisieren, aber bitte nicht mehr heute Abend.😉
Abdurchdiemitte
[Re]: Doch, mich interessiert's schon aufgrund meiner (für einen Linken vielleicht ungewöhnlichen) Affinität zur US-amerikanischen Gesellschaft, Kultur und Geschichte ... diese Affinität ist jedoch wiederum geprägt durch eine gewisse Ambivalenz, also einem Pendeln zwischen Faszination und Abscheu für den amerikanischen "way of life".
zum BeitragIn meinen friedensbewegten Zeiten Anfang der 80er war die amerikanische Antikriegsbewegung während des Vietnamkrieges durchaus politisches Vorbild, auch einige derer Protest- und Aktionsformen haben wir ja übernommen.
Aber wenn wir heute einen Blick auf die kläglichen Trümmer dieser deutschen Friedensbewegung werfen, auf die Kaperung von rechter Seite ...
Abdurchdiemitte
[Re]: Es gibt Themen, da entdecken manche Mitforisten ihre lyrische oder musikalische Ader ... wenn es wie hier um Faschismus geht, finde ich das gut.
zum BeitragUnd wie Sie schon mit Danger Dan sagten: das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt.
Abdurchdiemitte
[Re]: "Es geht eigentlich immer um die Verteilung von materiellem Wohlstand ... oder zumindest die Verteilung der materiellen Lasten einer gesamtgesellschaftlichen Problembewältigung."
zum BeitragAuch das ist zweifellos zutreffend ... weshalb wohl halte ich es für zielführender, mich bürgerschaftlich und sozialpolitisch in Gewerkschaften, Sozialverbänden, Kirchengemeinden etc. - ja, von mir aus auch in Parteien - zu engagieren als von der Weltrevolution zu träumen? Das meinte ich übrigens (etwas pathetisch) mit konkreten Alltagskämpfen.
Es wäre doch zynisch zu argumenieren, alle diese Organisationen wirkten systemstabilisierend im Sinne des Kapitalismus (obwohl aus der sozialistischen Theorieperspektive durchaus etwas dran sein mag).
Abdurchdiemitte
[Re]: "Antimaterialistisch wäre, dem globalen Süden nicht beizupflichten, wie arm und ungerecht behandelt er doch ist, sondern sich seine Bewohner anzuschauen, die Glücklichen unter ihnen zu finden und von ihnen zu lernen, wie sie das machen. Denn SIE sind die, die wirklich nachhaltig leben und denen auch wirklich nichts Böses dadurch getan ist, dass sie materiell 'benachteiligt' sind."
zum BeitragDa müssen wir jetzt aber aufpassen ... Ihre Beschreibung ähnelt doch sehr - wahrscheinlich ungewollt - dem romantisch-verklärenden Bild vom "edlen Wilden" Roussaus zu Zeiten der Aufklärung. Rousseau hat es nur nicht besser gewusst.
Indigene in Amazonien nutzen heutzutage ja durchaus moderne Kommunikationsmittel und Formen des politischen Protests, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen und gegen die Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen (die stark vom Ökosystem Regenwald abhängen) und ihrer materiellen Kultur zu kämpfen ... sie schießen halt nicht mehr mit Giftpfeilen. Dabei sind sie auch nicht isoliert, sondern haben weltweit Unterstützer*innen und nutzen die Möglichkeiten einer globalisierten (Protest-)Kultur.
Es geht dabei nicht um die Konservierung einer "primitiven" indigenen Kultur, damit wir alles Mögliche an Zivilisations- und Wohlstandskritik in sie hinein projizieren können, sondern um die politische Partizipation einer Bevölkerungsgruppe, die Ausmaß, Tempo und Einfluss des Wandels ihrer materiellen und spirituellen Kultur - der zwangsläufig kommen wird bzw. sich schon vollzieht - selbst bestimmen möchte.
Das hat mit Antimaterialismus und Glücklichsein eher weniger zu tun.
Abdurchdiemitte
[Re]: Der von Nancy Fraser ins Spiel gebrachte Begriff "progressiver Neoliberalismus" - warum nur zur Hölle muss ich da spontan an die heutigen Grünen denken - trifft es übrigens ziemlich gut.
zum BeitragGenau das war schon das "Weichteil" der US-Demokraten im Wahlkampf von 2016, in das dann Trump äußerst erfolgreich hineintreten konnte. Dito hierzulande die AfD mit ihrer Kritik an den "Systemparteien" und den öffentlich-rechtlichen "Staatsmedien". Auf derlei angeprangerte Progressivität reagieren bekanntlich besonders Ostdeutsche extrem neuralgisch.
Also hat Wagenknecht am Ende doch recht ("Lifestyle-Linke")? Aber meint Fraser das selbe? Ich hoffe nicht. Was sagen Sie dazu?
Das Buch von Nancy Fraser werde ich auf alle Fälle mal lesen.
Abdurchdiemitte
[Re]: "Auch die Behauptung, dass es keine besseren Alternativen zum Kapitalismus gibt, ist mehr als fragwürdig, weil die bisher gepriesenen und gescheiterten Alternativen u.U. gar keine waren."
zum BeitragAlso so einfach kann man es sich auch nicht machen ... mit ein bisschen (linker) Selbstreflexion werden Sie nämlich feststellen, dass diese "besseren Alternativen" sehr wohl den Anspruch erhoben haben/erheben, eben genau solche zu sein. Und nicht wenige von uns haben daran ja auch geglaubt.
Als junger hoffnungsvoller Juso beispielsweise habe ich seinerzeit postuliert, der Zusammenbruch des realen Sozialismus ginge mich nichts an, er sei im Gegenteil sogar begrüßenswert, weil er meinen Vorstellungen von (demokratischem) Sozialismus sowieso nicht entsprach.
Das war ein fataler Irrtum, denn mit dem Verschwinden des realsozialistischen Modells wurden zugleich auch alle anderen positiven (linken) Utopien in Misskredit gebracht.
Die kapitalistische Ökonomie wurde eng mit dem westlichen liberalen Demokratiemodell verkoppelt und als alternativlos dargestellt ... was schliesslich in der optimistischen Erzählung Fukuyamas vom "Ende der Geschichte" gipfelte (in dem Glauben, die westliche Demokratie würde sich weltweit durchsetzen).
Dieses Narrativ erlebt ja momentan - im Kreuzzug gegen den Putinismus und im Kontext "wertegeleiteter" Außenpolitik - eine ungeahnte Renaissance, aber das nur am Rande.
Aber ja, als hoffnungsloser Utopist bin ich natürlich von einem doch noch gutem Ende der Menschheitsgeschichte überzeugt. Aber da spielen durchaus religiöse Überzeugungen eine Rolle ... und Religion ist schließlich Privatsache.
Abdurchdiemitte
[Re]: "Aber wenn man den Fokus falsch legt und Alternativen predigt, die gar nicht an die Wurzeln gehen, trägt man außer Larmoyanz wenig zum Diskurs bei."
zum BeitragAuch dem kann ich hundertprozentig zustimmen ... wäre nur schön gewesen, Sie hätten Beispiele genannt, auf die man sich in einer Diskussion auch beziehen kann.
Also mir fallen da als historische Beispiele spontan die französische Revolution mit ihrem Ende in der Terrorherrschaft Robbespierres ein, der reale Sozialismus und das Scheitern vieler Befreiungsbewegungen im globalen Süden ein.
Abdurchdiemitte
[Re]: Sie haben einen interessanten Punkt. Ich finde, Kapitalismuskritik IST Materialismuskritik und schliesst natürlich die Kritik am Materialsmus sozialistischer Systeme/Ideologien/Utopien mit ein.
zum BeitragDamit will ich überhaupt nicht einem konservativen Kulturpessimismus das Wort reden, auch wenn es schwer fällt, an ein "gutes Ende" zu glauben, was die menschliche Zivilisation betrifft. Linke Theorie und Praxis ist aus meiner Sicht aber überhaupt nicht ohne das Festhalten (und die Hoffnung) an einer positiven Utopie denkbar.
Als religiöser Sozialist kommt für mich persönlich jedoch noch der Gedanke der Metanoia, der (individuellen wie kollektiven) Umkehr - auch im politischen Sinne - hinzu, der gesellschaftliche Veränderungen erst möglich macht.
Das klingt jetzt alles sehr nach Kanzelpredigt und es wird nicht in den theoretischen Diskursen, sondern nur in den konkreten "Alltagskämpfen" für eine gerechte, humane Gesellschaft sichtbar, spürbar, erlebbar (habe hier etwas gezögert, eine derart pathetische Formulierung in den Mund zu nehmen).
Abdurchdiemitte
[Re]: Die Differenzierung lediglich zwischen „Gut“ und „Böse“ erinnert doch schon mehr an Tolkiens Mittelerde als dass sie hilft, Konflikte zwischen Gruppen bis hin zu Staaten zu analysieren und zu verstehen … ich empfehle die Beschäftigung mit den sozialpsychologischen Theorien und Forschungen zu den Themenkomplexen Feindbilder, Rassismus und Antisemitismus sowie Ingroup/Outgroup-Mechanismen im allgemeinen.
zum BeitragDa kann man übrigens auch noch eine Menge über die Art und Weise lernen, wie in Foren wie diesem verbale Konflikte ausgetragen werden.
Es geht dabei auch immer ein bisschen darum, in den eigenen Spiegel zu schauen.
Abdurchdiemitte
[Re]: „Nützliche Idioten sind sich alle gleich: Heute, wie im dritten Reich.“
zum BeitragEine bescheidene Bitte: könnten Sie es unterlassen, aktuelle politische Kontroversen, die in einer demokratischen Gesellschaft eigentlich selbstverständlich sein sollten, mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte in Verbindung zu bringen?
Das hat - abgesehen von der Vergiftung unseres politischen Diskursklimas - nämlich ein Geschmäckle von Geschichtsrelativierung im Hinblick auf den NS. Und darauf können wir doch alle verzichten, oder?
So, ich habe es mal diplomatisch formuliert.
Abdurchdiemitte
Fortsetzung.
zum BeitragDie Generierung von Kriegszustimmung - und nichts anderes ist Propaganda - lebt ja von der Vereinfachung bzw. der Dichotomisierung in der Beschreibung der Kriegsziele, des Kriegsverlaufs sowie der Handlungen der einzelnen Akteure. Aus dieser Perspektive erscheint auch der Vorwurf des Antiamerikanismus in einem ganz anderen Licht. Dazu folgender Link, der als Anregung für eine innerlinke Diskussion dienen mag:
www.bpb.de/themen/...-linksextremismus/
4. Zur Debattenkultur: jetzt ist es natürlich ethisch unmöglich, zu offensichtlichen Kriegsverbrechen wie die der russischen Armee gegen die ukrainische Zivilbevölkerung einen “objektiven” oder “neutralen” Standpunkt einzunehmen … und demzufolge die Forderung zu erheben, der Ukraine die militärische Unterstützung zu versagen, um sich gegen solche Kriegsverbrechen zu wehren. Jedenfalls ist das für mich persönlich die Schlussfolgerung.
Dennoch bin ich auch weiter der Meinung, dass die Diffamierung anders lautender Haltungen z.B. als “pro-putinistisch” - wie sie auch in der taz-Kommune von einigen Foristen betrieben wird - deutlich die Grenzen eines demokratischen Diskurses überschreitet.
Ist es nicht möglich, unter reflektierten Zeitgenossen Wut und Betroffenheit verbal zum Ausdruck zu bringen, ohne in persönliche Unterstellungen zu verfallen? Ich denke, nicht die Befürwortung von Waffenlieferungen ist bellizistisch - was wiederum eine diffamierende Polemik gegenüber der Gegenseite wäre -, wohl aber das aggressive “Heruntermachen” anderer Diskussionsteilnehmer*innen und In-die-Schuhe-schieben von Positionen, die so überhaupt nicht vertreten werden.
Abdurchdiemitte
Ich möchte versuchen, einige zusammenfassende Gedanken zur Diskussion über den Artikel beizutragen, anstatt einzelnen Usern zu antworten und mir dabei die Finger wund zu schreiben.
zum Beitrag1. Ist es nicht eine Binse, dass Staaten im Kriegszustand grundsätzlich ihre Propagandaaktivität gegenüber den Gegner intensivieren und Desinformation/Lüge fester Bestandteil eben dieser Propaganda sind? Warum sich also darüber aufregen? Und warum sollte Putin-Russland nicht diese Mittel nutzen, wenn sich eine hervorragende Gelegenheit dazu bietet?
Entscheidender finde ich demgegenüber die Erkenntnis, dass es sozusagen zum “Wesen” des Krieges gehört, dass ihm die Wahrheit als erstes zum Opfer fällt. Darum stimmt hier einmal das pazifistische Argument, alles dafür zu tun, um Kriege schon im Vorfeld zu verhindern.
2. Der Mechanismus der Entmenschlichung des Gegners, der der Kriegspropaganda innewohnt, ist ein ernstes Problem - auch hier haben die Pazifisten recht - vor allem für demokratische Gesellschaften, denn es gelten dabei ethische Barrieren, denen Diktaturen wie Putin-Russland eben nicht unterliegen.
Das Problem für demokratische Gesellschaften hingegen liegt jedoch darin, Kriegszustimmung in der Bevölkerung herzustellen, ohne dabei selbst Desinformationen über den Gegner zu streuen … und jetzt stelle ich mal die Frage, ob jemandem ein historisches Beispiel einfällt, wo das der Fall gewesen wäre.
Ich denke da z.B. an den Vietnamkrieg. In den USA entstand ja gerade das Problem, dass sich eine große öffentliche Gegenbewegung bildete, die die ursprünglichen Kriegsziele der Führung konterkarierte und die US-Truppen - neben den militärischen Erfolgen des Vietcong - zum Abzug zwang.
3. Letzterer Punkt leitet über zum Vorwurf des vermeintlichen oder tatsächlichen Antiamerikanismus bzw. der Anti-NATO-Haltung, die im Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg ja gerne gegen die Gegner der militärischen Unterstützung der Ukraine erhoben werden.
Fortsetzung folgt.
Abdurchdiemitte
[Re]: Na ja, “gefragt” hat er ja bei der DKP (bzgl. einer Europawahl-Kandidatur) und nicht bei der AfD, um bei der Wahrheit zu bleiben. Dabei hat er seine eigene Partei, die Linken, allerdings gnadenlos öffentlich durch den Kakao gezogen (“Abbruchunternehmen”).
zum BeitragIhn jetzt nicht rauszuwerfen, geht schon gehörig an die linke Selbstachtung, finde ich … allerdings können die Parteistatuten auch im Fall Dehm nicht so einfach über den Haufen geworfen werden. Denken Sie an den über Jahre andauernden Eiertanz, den die SPD mit Sarrazin hatte oder was der CDU mit Maaßen jetzt möglicherweise noch an Gewürge bevorsteht, bevor der Kerl los wird.
Abdurchdiemitte
[Re]: “Diese Partei kann weg.”
zum BeitragKann sie eben nicht … wenn sie sich nur von einigen Personen und Positionen verabschieden könnte.
Der Paritätische hat gerade eben seinen Armutsbericht nach oben korrigiert bzgl. der Zahlen der hierzulande von Armut Betroffenen … SPD und Grüne pellen sich auf so was doch ein Ei. Oder etwa nicht?
www.der-paritaetis...2022-aktualisiert/
www.tagesschau.de/...alverband-101.html
Und wie es mit dem “Poltergeist” weitergeht, warten wir’s erst mal ab .., der Fall landet jetzt ja bei der Bundesschiedskommission der Linkspartei. Wenn dann Dehm immer noch Parteimitglied ist, können wir über das Thema neu diskutieren.
Abdurchdiemitte
[Re]: Ups, das ging an @Jim Hawkins.
zum BeitragAbdurchdiemitte
[Re]: Horror-Clown ist gut … schließe mich an.
zum BeitragAbdurchdiemitte
Dass die HDP den gemeinsamen Oppositionskandidaten Kilicdaroglu nun offenbar unterstützen will, ist ein gutes Signal, das die Abwahl Erdogans tatsächlich wahrscheinlicher machen könnte.
zum BeitragAm Freitag vergangener Woche waren die Aussichten, Erdogan und seine AKP zu schlagen, noch trübe, nachdem Meral Aksener von der Iyi Parti das Oppositionsbündnis wegen der Kandidatenfrage scheitern lassen wollte … so schnell kann sich die Lage ändern.
Angesichts der politischen Heterogenität der Oppositionsparteien wird es nach einem Wahlsieg allerdings schwierig, ein funktionierendes Regierungsbündnis zu schmieden, insbesondere dann, wenn in der Türkei wirkliche gesellschaftspolitische Reformen angestoßen werden sollen.
Andererseits hätte die prokurdische HDP keine Chancen mit einem eigenen Kandidaten für das Präsidentenamt, obwohl sie bei der letzten Wahl drittstärkste Kraft wurde. Ob sie allerdings ihre politischen Vorstellungen in einer Nach-Erdogan-Türkei in eine Regierungskoalition einbringen kann oder wieder ausgegrenzt wird, bleibt abzuwarten.
Es wäre schon ein Erfolg, wenn die politische Repression beendet würde. Meine Euphorie hält sich da deutlich in Grenzen.