Münchner Sicherheitskonferenz beginnt: Auf der Suche nach Sicherheiten

Der Ukrainekrieg dominiert die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz. Das gilt auch für das Demonstrationsgeschehen drumherum.

Fotoaktion mit einem Transparent gegen Sicherheitskonferenz und zur Aufnahme von Verhandlungen: Verhandeln statt Schiessen - Abrüsten statt Aufrüsten

Protestaktion vor dem Bayrischen Hof in München gegen die Sicherheitskonferenz Foto: Alexander Pohl/imago

BERLIN taz | Das Ambiente ist wie immer, doch sonst ist kaum etwas wie zuvor auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz (Siko) in München. Wenn sich ab diesem Freitag die bis zu 700 Kongressteilnehmer:innen, darunter etwa 40 Staats- und Regierungschefs und 83 Außen- und Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­r:in­nen, im Bayerischen Hof treffen, wird der Ukrainekrieg alles überschatten: Wie bloß kann der brutale russische Angriffskrieg beendet werden? Dass sie eine Antwort finden werden, ist allerdings unwahrscheinlich.

Die US-Delegation ist so groß wie nie. Neben Vizepräsidentin Kamala Harris reisen Außenminister Antony Blinken sowie rund 60 Se­na­to­r:in­nen und Mitglieder des Repräsentantenhauses nach München. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kommt, ebenso Polens Präsident Andrzej Duda, der britische Premierminister Rishi Sunak und natürlich Bundeskanzler Olaf Scholz. Wenn auch noch nicht offiziell bestätigt, wird wohl der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski die Konferenz mit einer Videoansprache eröffnen.

Nicht dabei sein werden hingegen russische Re­gie­rungs­ver­treter:innen. Seit 1963 gibt es die Tagung, die sich damals noch „Internationale Wehrkunde-Begegnung“ nannte. Nicht nur in ihren Anfangszeiten stark geprägt vom Kalten Krieg, diente sie stets vorrangig dem Austausch unter Nato-Staaten.

Doch seit Anfang der 1990er Jahre bemühte sich die Siko verstärkt darum, auch ein Dialogforum mit Staaten jenseits des Nato-Kosmos zu werden. So nahm der russische Präsident Wladimir Putin 2007 an der Siko teil, und sein Außenminister Sergej Lawrow zählte lange Zeit zu den Stammgästen.

Lawrow ist unerwünscht

Auch im vergangenen Jahr erhielt Lawrow noch eine Einladung. Doch angesichts des unmittelbar bevorstehenden Überfalls der Ukraine sagte er lieber ab. Diesmal ist Lawrow nicht mehr erwünscht. „Wir sind uns zu schade, diesen Kriegsverbrechern im Kreml mit der Münchner Sicherheitskonferenz eine Bühne für ihre Propaganda zu bieten“, begründete Christoph Heusgen, der die Nachfolge des langjährigen Siko-Leiters Wolfgang Ischinger angetreten hat, die Entscheidung.

Stattdessen werden prominente russische Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r:in­nen erwartet, darunter Michail Chodorkowski, Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow, Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow und Julia Nawalnaja, die Ehefrau des inhaftierten Alexej Nawalny.

Auch Offizielle aus dem Iran werden diesmal nicht dabei sein. „Einem Regime, das grundlegende Menschenrechte so fundamental verletzt, wollen wir ebenfalls kein Forum bieten“, so Heusgen. Wer allerdings eingeladen wurde und auch sein Kommen angesagt hat, ist der oberste chinesische Außenpolitiker Wang Yi. Die Diskussion mit ihm dürfte nicht konfliktfrei bleiben.

19 unterschiedliche Aufzüge angemeldet

So unübersichtlich wie noch nie ist diesmal das Demonstrationsgeschehen rund um die Siko. Angemeldet sind über das Wochenende insgesamt 19 Aufzüge unterschiedlichster Provenienz, die wichtigsten finden am Samstag statt. Was für einige Verwirrung sorgen könnte, ist die kuriose Situation, dass sich gleich drei Demonstrationen zum Ukrainekrieg in ihren Forderungen zum Verwechseln ähneln. Denn allesamt lehnen sie Waffenlieferungen an das überfallene Land ebenso ab wie Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Da muss man schon sehr genau hinschauen.

Im Gegensatz zu den anderen Demos findet sich etwa in dem Aufruf des linken „Aktionsbündnisses gegen die Nato-Sicherheitskonferenz“ für die traditionelle Anti-Siko-Demo vom Stachus zum Marienplatz auch eine Verurteilung des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs und der damit verbundenen Annexion ukrainischen Territoriums. Russland müsse „die territoriale Unversehrtheit und Souveränität der Ukraine garantieren“, wird gefordert.

Als Hauptrednerin angekündigt ist Sevim Dağdelen. Die Linken-Bundestagsabgeordnete sprach auch bereits auf der Anti-Siko-Demo im vergangenen Jahr. Vor einem Transparent mit der Aufschrift „Stoppt den Kriegskurs der Nato-Staaten!“ bezichtigte sie damals die USA, mit ihrer Warnung vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine eine „Lügenkampagne der CIA“ zu verbreiten. Und von der Ukraine forderte sie, endlich ihre „Provokationen“ zu beenden. Das war fünf Tage vor dem russischen Überfall.

Bei der zweiten Demo, die auf dem Karl-Stützel-Platz startet, fehlen jegliche kritische Töne gegenüber Russland. Was wenig verwundert, da sie von strammen Putin-Unterstützer:innen aus dem extrem rechten Milieu organisiert wird. Als Red­ne­r:in­nen angekündigt sind mehrere AfD-Bundestagsabgeordnete und Jürgen Elsässer, der Chefredakteur des Rechtsaußenmagazins Compact.

Jürgen Todenhöfer und Diether Dehm als Hauptredner

Nach deren Reden wollen die AfDle­r:in­nen weiterziehen zum nahe gelegenen Königsplatz, um sich dort der dritten Demo anzuschließen. Die wird von einem Bündnis aus der Corona-Leugner:innen- und der sogenannten Querdenken-Szene organisiert, die für sich inzwischen den Ukrainekrieg zum neuen Aktionsfeld auserkoren hat. Hauptredner dort sind der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und heutige Kleinstparteigründer Jürgen Todenhöfer sowie der Ex-Linken-Parlamentarier und Musikmillionär Diether Dehm. Dehm, der wie Dağdelen zum minoritären Wagenknecht-Lager in der Linkspartei zählt, wolle seinen Song „Ami go home“ zum Besten geben, heißt es.

Und dann gibt es noch eine vierte Kundgebung, die sich von den anderen drei Veranstaltungen fundamental unterscheidet. Das Bündnis „Ukrainer in München“ mobilisiert auf den Odeonsplatz, wo unter anderem die Bundestagsabgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Anton Hofreiter (Grüne) und Florian Hahn (CSU) sowie die ukrainische Nobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk erwartet werden.

Es könnte also ein turbulenter Tag in der Münchner Innenstadt werden. Rund 4.500 Po­li­zis­t:in­nen aus dem gesamten Bundesgebiet sind im Einsatz, hinzu kommen 300 Bun­des­po­li­zis­t:innen.

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