Kontroverse um Sarah-Lee Heinrich: Falsch bleibt falsch
Die Grünen verhalten sich weiter wie eine kleine Oppositionspartei. Und sind überrascht, dass sich politische Gegner Schwachstellen zunutze machen.
S chon in wenigen Wochen werden die Grünen Deutschland mitregieren, aber noch immer benehmen sie sich wie eine kleine Oppositionspartei, für die die Öffentlichkeit sich nur am Rande interessiert. Es kann doch nicht wirklich überraschen, dass die politischen Gegner die neuen Gesichter der grünen Jugend genauestens unter die Lupe nehmen und nach Angriffspunkten suchen.
Nur: Warum ist da wieder einmal niemand drauf gekommen und hat das junge Führungsduo entsprechend vorbereitet? Wie schon bei Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sollte „Opposition Research“ für eine Partei mit Macht- und Gestaltungsanspruch zur politischen Routine gehören. Stattdessen rufen viele Parteigranden jetzt „Rassismus“ und „Sexismus“ oder auch „Grünen-Hasser“ und wischen die Kritik an den teils gar nicht so harmlosen Äußerungen der beiden neuen Bundessprecher*innen einfach weg.
Mag sein, dass Sarah-Lee Heinrich noch sehr jung war, als sie „Heil“ unter einen Post mit Hakenkreuz gesetzt hat. Mag sein, dass sie „schwul“, „Tunte“ und „behindert“ irgendwie anders gemeint hat. Aber als sie von „ekliger weißer Mehrheitsgesellschaft“ oder „Judenzeug“ spricht oder von Weißen, die sie aus Afrika rausfegen will, ist sie nicht mehr 13 oder 14 Jahre alt.
Natürlich sind die jungen Leute von heute nicht zu beneiden, weil das Netz nichts vergisst und einem jeder Fehltritt um die Ohren gehauen wird. Es ist eine gnadenlose und brutale Realität, mit der noch keine Politiker*innengeneration vor ihnen konfrontiert war. Aber mal ganz ehrlich: Würden wir Philipp Amthor oder Christian Lindner, der ja bereits mit 21 Jahren Landtagsabgeordneter wurde, solche Äußerungen in jungen Jahren durchgehen lassen? Falsch bleibt falsch, ganz egal, wer etwas Falsches sagt.
Die Fehltritte rechtfertigen selbstredend nicht den abstoßenden Shitstorm, der nun wieder hässlich und enthemmt aus allen Ecken hervorquillt. Aber jetzt so zu tun, als seien Fehler keine Fehler und die empörten Reaktionen nur Ausdruck der Angst, die die eklige weiße Männer- und/oder Mehrheitsgesellschaft vor starken Schwarzen Frauen hat, zeugt nur von der Unfähigkeit zur Selbstkritik.
Und bevor Ulf Poschardt (Welt) und Jan Fleischhauer (Focus) jetzt zu früh frohlocken, sei noch ein kleiner Hinweis in Sachen umgekehrter Rassismus hinzugefügt: Diskriminieren kann nur, wer Macht hat. Schwarze Menschen haben in Deutschland – oder Europa – keine Macht. Von daher kann Heinrich vielleicht Geschmacklosigkeit und mangelnde Einsicht, nicht aber umgekehrter Rassismus vorgeworfen werden.
Schwarze, die sich negativ über Weiße äußern, und Weiße, die negativ über Schwarze reden – das wird nie das Gleiche sein, nicht in 100 Jahren. Queers dürfen Heteros ablehnen, aber nicht umgekehrt. Frauen dürfen Männer nicht dabeihaben wollen, aber nicht umgekehrt. Behinderte Menschen dürfen über Nichtbehinderte lästern, aber nicht umgekehrt. Jüdinnen und Juden dürfen sich über nichtjüdische Deutsche lustig machen – umgekehrt keinesfalls.
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