Rassismus in Kinderbüchern: Das ZDF sollte sich entschuldigen
Debatte um Kinderlied „Wer hat die Kokosnuss geklaut“: Vor lauter Wokeness hat das ZDF auf Instagram schwarze Menschen mit Affen gleich gesetzt.
E s gehört bei der Bild zum Geschäftsmodell, über Linke zu jammern. Jüngster Aufschrei des Boulevardblatts: Woke-Angriff auf unsere Kinderlieder! „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ und „Aramsamsam“ stehen in der Kritik. Das eine verbreitet antiasiatische Ressentiments, das andere verballhornt die arabische Sprache.
Man fragt sich, wen genau Bild im Kopf hat, wenn sie von „unseren Kindern“ spricht. Denn mit rund 40 Prozent Erstklässlern mit Migrationshintergrund wird es höchste Zeit, darüber zu diskutieren, welche Lieder und Gesellschaftsbilder heute noch angemessen sind.
Dass Kinder mit einem chinesischen Elternteil sich bei „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ unwohl fühlen etwa, liegt doch selbst dann auf der Hand, wenn man nicht Teil der Dekolonialisierungsdebatte ist. Und kein Kind sollte sich in der Schule oder der Kita unwohl fühlen müssen. Das Liedgut für die Jüngsten gehört auf den Prüfstand.
Was sich das ZDF jedoch in ihrem Bemühen, Lieder aufzuspüren, die nicht mehr unseren heutigen Wertvorstellungen entsprechen, geleistet hat, ist skandalös. In dem Lied „Wer hat die Kokosnuss geklaut“ würden People of Color (nichtweiße Menschen) diskriminiert, weil das Klischee vom kriminellen und triebgesteuerten Affen reproduziert werde. Nur: Nicht das Lied setzt Affen mit Schwarzen gleich, sondern das ZDF.
Im Text hat das Affenbaby die Kokosnuss geklaut, die alle suchen. Was geht da in den Köpfen der Redakteure vor, wenn sie solche Assoziationen haben? Bei Affen an schwarze Menschen zu denken, ist eine ungeheure Entgleisung, für die das ZDF sich umgehend entschuldigen sollte.
Es zeigt gleichzeitig, wie tief Rassismus selbst bei denjenigen verwurzelt ist, die eigentlich das Gegenteil wollen. Es ist ein Irrweg (und sehr bequem), Rassismus bei „den anderen“, vorzugsweise den Rechten und Rechtsextremen, auszulagern. Denn jeder wächst damit auf und jeder hat die Verantwortung, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen – Linke genauso wie Liberale oder Konservative.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott