Woke Bewegung: Die Abkehr

Einige, die bisher von Wokeness profitiert haben, wenden sich jetzt ab. Das ist eklig-opportunistisch.

Portrait von Mutter und Tochter

Mutter und Tochter auf einer Kundgebung gegen Rassismus in Texas Foto: Callaghan O'Hare/reuters

Seit einiger Zeit ist es bei einigen links-liberalen Menschen Trend geworden, sich medienwirksam von der sogenannten woken Bewegung abzuwenden. Dass die Springer-Presse und alle von konservativ bis rechts auf die „Wokisten“ einschlagen, gehört ja schon länger zum guten Ton und ist sogar ein lukratives Geschäftsmodell geworden. Neu ist aber die Abkehr von einigen, die sich bislang sogar selbst zu den Woken zählten.

Woher kommt dieser Gegenwind? Hat die woke Bewegung es wirklich übertrieben? Oder hat woke als Selbstvermarktungstool ausgedient? Ich versuche es mal zu erklären:

Bevor Wokeness zum Gespött gefühlt aller wurde, stand der Begriff für ein Bewusstsein für rassistische Diskriminierung. Dafür, dass man nicht mehr die Augen vor Missstände verschließt und erwacht. Klingt vielleicht ein bisschen nach Zeugen Jehovas, aber grundsätzlich ist es richtig, oder? Für mich jedenfalls. Dann kam der Begriff nach Deutschland und wurde wie viele andere Ausdrücke aus der afroamerikanischen Bewegung (z.B. das Wort Shade, RIP) missverstanden und so durch den Dreck gezogen, dass es inzwischen fast nur noch richtig negative Konnotationen hat.

Es ist naheliegend, dass Konservative bis Rechte den Begriff sinnentleerten, mit Wahnvorstellungen füllen und als Vermarktungstool für ihre schlechten Bücher und noch schlechteren Debatten verwenden. Aber es hat was Eklig-Opportunistisches, wenn Menschen, die von der Aufklärung, die die sogenannte woke Bewegung nach Deutschland gebracht hat, profitiert haben, sich jetzt von ihr abwenden und darüber Kolumnen und Bücher schreiben.

Als Wokeness und Diversität noch angesagt waren, wurde der Migrationshintergrund in den Vordergrund gezerrt, wurden die Diskriminierungsgeschichten aus der Schule ausgegraben und Podcasts damit gefüllt. Jetzt hat das alles ausgedient und ist zu viel, zu laut, zu unbequem geworden, also weg damit. Das geht nur für ganz bestimmte Menschen. Die, die leicht von der einen in die andere Gruppe wechseln können. Meine Hautfarbe macht es mir schwer – nicht, dass ich diese Ambitionen hätte.

Nicht falsch verstehen: Jede Bewegung hat ihre Kritikpunkte und wir sollten uns damit auseinandersetzen, was in der sogenannten woken Bewegung schiefläuft. Wir können über den Ton, die Gewichtung der Themen, den Übereifer sogenannter Allies, das bewusste Missverstehen und die manchmal fast krankhafte Fokussierung auf Begriffe streiten, aber das alles passiert nicht wirklich. Stattdessen wird Wokeness in die Ecke gepfeffert und für Applaus aus konservativ-rechten Kreisen lauthals kritisiert. Riecht alles sehr nach Pick Me.

Aber wie sagt man so schön: Reisende soll man nicht aufhalten. Wenn euch die Konservativ-Rechten wieder ausspucken und ihr Soli braucht, bin ich auf die nächsten mentalen Akrobatiken gespannt, die die Rückkehr zum Woke-Sein erklären. Bis dahin: Alles Gute!

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Journalistin, Speakerin und freie Kreative. Kolumne: "Bei aller Liebe". Foto: Pako Quijada

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