Ergebnisse des Kolitionsausschusses: Grüner Offenbarungseid
Die Ampel setzt auf Straßenbau und befreit Minister Wissing von dem Zwang, im Verkehr den CO2-Ausstoß zu senken. Ein klimapolitisches Desaster.
D as ist sehr bitter: Die führenden Köpfe von SPD, Grünen und FDP haben sich in einer Marathonsitzung darauf verständigt, dass die Ampelregierung das Klimaschutzgesetz aufweicht, den Bau von 144 teils heftig umstrittenen Autobahnprojekten beschleunigt und es Investor:innen noch einfacher macht, sich von ausgleichenden Naturschutzmaßnahmen freizukaufen. Die Klimaziele im Verkehr, die notorisch gerissen werden, können künftig mit anderen Bereichen verrechnet werden.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) darf weiterhin klimapolitische Arbeitsverweigerung betreiben und sich um die Verbreitung der extrem energieintensiven E-Fuels kümmern – als gäbe es erneuerbare Energien im Überfluss.
Völlig unklar bleibt, wie die Regierung den Austausch von Öl- und Gasheizungen finanziell fördern will. Klar ist aber, dass das Geld aus dem Klimafonds kommen soll – der ursprünglich für die Finanzierung des Klimagelds vorgesehen war, mit dem die Transformation in die nichtfossile Welt sozial abgefedert werden sollte. Dieses zentrale Element eines echten sozialökologischen Umbaus haben die Grünen offenbar nebenbei zu den Akten gelegt.
Robert Habecks Ausbruch und Attacke gegen die Koalitionspartner:innen am Rande der grünen Klausurtagung in der vergangenen Woche hat die Hoffnung geweckt, dass die Öko-Partei endlich aufbegehrt gegen eine irrlichternde FDP, die angesichts von Verbrennerautowahn und E-Fuels-Fanatismus selbst der eigenen Anhänger:innenschaft langsam zu anachronistisch wird. Dass die Grünen sich auf die klimapolitische Irrfahrt der Liberalen und der sich hinter ihnen versteckenden Sozialdemokrat:innen einlassen, ist falsch.
Wer ernsthaft – wie im Beschluss des Koalitionsausschusses geschehen – Sätze wie „Straßenbau und Klimaschutz sollen zusammengedacht werden“ unterschreibt, leistet einen Offenbarungseid. Das ist kein Fortschritt, sondern eine bizarre Variante von „weiter so“.
Mehr Geld für die Schiene, eine höhere Lkw-Maut und Solaranlagen an Autobahnen machen aus dem herben keineswegs ein bittersüßes Ergebnis. Was die Grünen erreicht haben mögen, fällt nicht ins Gewicht gegen die demonstrative Abkehr von einer Klimaschutzpolitik, die sich die Grünen einst auf die Fahnen geschrieben haben. Die Ampel setzt auf hohe CO2-Preise als wichtigstes Instrument gegen die Klimakrise.
Für Reiche ist das kein Problem, sie werden ihren Lebensstil nicht ändern müssen. Für Menschen mit wenig Geld ist das ein Desaster, viele wissen schon heute nicht, wie sie ihre hohen Energierechnungen zahlen sollen. Die Politik von SPD, Grünen und FDP treibt nicht nur die Erderhitzung voran, sondern auch die soziale Spaltung der Gesellschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?