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Wolfram Weimers Gender-VerbotWarum ich mich aus meiner Nationalsprache verabschiede

Kommentar von Robin Detje

Kulturstaatsminister und Feuilletonisten laufen Sturm gegen das Gendern und erklären die Gemeinheit zur Staatsräson. Unser Autor sagt: Es reicht.

Kultorstaaaaaaatsminister* Wolfram Weimer: unästhetisch, auf die Existenz von Frauen hinzuweisen Foto: IMAGO

W utt sse fugging fukk? Wer glauben Fazfaxenmänner, dass sie sind? Was erlauben Kulturstaatsminister sich? Kulturstaatsminister und Fazfaxenmänner haben in Schtaaaaat untt Gesöllschaffft ein glasklar definiertes Loch zum Männermachtausüben. Jeder eins. Wenn sie kleinlich genug sind, passen auch beide in ein Loch rein. Und ich bin mir eigentlich ganz sicher, dass diese beiden kleinlich genug für ein Loch sind. Jetzt wollen sie mehr.

Der Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat für sein Amt das berühmte „Genderverbot“ ausgesprochen, weil das berüchtigte Gendersternchen die Schönheit der Sprache verletze. Der FAZ-Feuilleton-Herausgeber Jürgen Kaube hat ihm applaudiert, weil es ihn stört, beim Lesen immer wieder auf die Existenz von Frauen hingewiesen zu werden. Er findet das unästhetisch.

Zu behaupten, Frauen seien mitgemeint, wenn sie nicht angesprochen werden, ist grundsätzlich dumm und gemein, aber noch im gesellschaftlich akzeptierten Rahmen. Aber die Gemeinheit zur Schtaaaatsräsonk zu erklären und mit „Schönheit“ zu begründen – wutt sse fugging fukk? Das ist Sprachinbesitznahme von oben. Staatlicher Sprachraub. Anschmiegsame feuilletonistische Schönheitskaperung in staatlichem Interesse. Ein Angriff auf die offene Gesellschaft. Also das neue Normal.

Früher war mir Deutschland egal, und jetzt glaube ich plötzlich, dass ich mein Land vor Kulturstaatsministern und Fazfaxenmännern schützen muss, vor Katzbuckelkanzlern und Glockenrockklöcknerinnen, weil sie einfach zu peinlo sind. Die beiden haben ein Nationalgefühl aus mir herausgekitzelt, weshalb ich mich jetzt vor mir selbst ekle, iiiiih!

Mein Land hat das Peinlichsein gewählt

Aber ich werde mein Land nicht verteidigen. Es hat das Peinlichsein frei gewählt und erfindet sich gerade neu, als Nation aus Cringe und Gewalt gegen Schwächere. Auf kulturstaatssinistere Weise müssen Begriffe wie Seele und Schönheit in Blut und Boden gepflanzt werden, man muss vor alten Ölschinken posieren und strahlend zu ihnen aufblicken. Was als deutsche Kultur gelten will, muss einen Goldrahmen aus Muff nachweisen.

Auf kulturstaatssinistere Weise müssen Begriffe wie Seele und Schönheit in Blut und Boden gepflanzt werden, man muss vor alten Ölschinken posieren und strahlend zu ihnen aufblicken

Deutsche Sprache und ihre Schönheit, wie Fazfaxenmänner und Kulturstaatsminister sie konstruieren, ist Arbeit an der Restauration einer uralten Ekelwelt. Männer, denen es nie um eine andere Menschenwürde ging als die eigene, wollen endlich ihre Allmachtsfantasien wahr werden lassen. Und überall reiten irr juchzende Großfeuilletonisten auf dem Vibe-Shift rund um den Thingplatz.

Ihr könnt mich bayerisch-schulkreuzweise. Ich mache nicht mehr mit! Hiermit trete ich offiziell aus meiner Nationalsprache aus. Ab jetzt bin ich sprachlich staatenlos und spreche und schreibe nur noch meine eigene Sprache – alles meins, alle Worte, alle Regeln, Zutritt für Staatsräson verboten. Ich bin Sprachregierung, Sprachpolizei und höchstes Sprachgericht.

Meine Sprache gehört allen

So höret nun also mein Gesetz: Meine Sprache gehört allen und darf nie dafür verwendet werden, andere Menschen auszuschließen oder zu erniedrigen. Sie ist ein Spiel, das in Freiheit gespielt wird, mit so vielen Gendersternchen oder -doppelpunkten, wie ihr wollt. In meiner Sprache gibt es keine Sprachschönheit, die nicht aus dieser Freiheit entsteht, und ich schenke sie der überstaatlichen Gemeinschaft.

Wolfram Weimer, Jürgen Kaube und allen anderen Staatssprach-Allmachtsmännern aber sage ich: Husch zurück in euer Loch! Euch verbiete ich alle Worte meiner Sprache, bis ans Ende aller Tage.

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6 Kommentare

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  • Dem Autor und jedem anderen sei seine eigene Nationalsprache gegönnt. Wenn aber Behörden mit Menschen kommunizieren, muss eine Sprache verwendet werden, die die größtmögliche Akzeptanz und gleichermaßen Verbreitung in der Bevölkerung genießt, damit sie es möglichst vielen Menschen, im Bestfall allen, ermöglicht, die Information aufnehmen und verwerten zu können.



    Ich bin mir sicher, sollte der Autor einmal Hilfe brauchen - Polizei, Feuerwehr, Notarzt, etc - wird er sich ganz schnell seiner tatsächlichen Nationalsprache erinnern und sie flüssig und vorbehaltlos benutzen, garantiert.



    Denn Sprache hat zweierlei Funktion: erstens der reine Informationstransport. Zweitens alles andere - Deutungshoheit, Diskussion, Ideologie, Belangloses, Zeitvertreib, etc



    Immer wenn es um reinen Informationstransport geht, ist aus meiner Sicht Deutsch in seiner Form, die wir alle kennen, zu verwenden.



    Immer wenn es um Diskussion, Meinung, was weiß ich was geht, kann und darf jeder reden und schreiben wie er will.



    Am Zustrom der Zuhörer oder ihrem Ausbleiben merkt man dann schon, ob die 'persönliche Nationalsprache' Anklang findet oder nicht.

  • Ick bin inzwischen mit 75 een alter Mann, trotzdem jefällt mir der Artikel juut.



    Das Sprache sich im Laufe meines Lebens vaändert hat, merke ick zum Beispiel daran, dass et inzwischen Worte jibbt, die vorher Nichakademiker*innen janich kannten.

    Als ick det erstemal watt von "wook", "narratief" oda "Cis" jelesen habe, musste ick erstmal guugeln um zu wissen watt jemeint iss.



    Inzwischen iss det in der Alltagssprache jelandet.



    Sprache ändert sich eben ständich ... und wenn eene oder eener



    statt "Wutt sse fugging fukk" nu "Watt se facking fack" schreibt,



    wees trotzdem fast jede/r watt jemeint iss.

    Ansonsten empfehle ick mal "Die Töchter Egalias" zu lesen.



    Ditt hilft ooch weiter.

  • Netter Artikel. Wie heißt es doch: „Die Schönheit liegt im Auge der Betrachtenden.“ Das bedeutet auch, dass nicht von „oben“ verordnet werden kann, was als schön zu gelten hat. Weimer und etliche andere Verbotsfetischisten in der Union haben, und das ist immer wieder zu erkennen, offenbar keinerlei Lehren aus der deutschen Vergangenheit gezogen.

  • Auch von mir vielen Dank, ich hatte viel Spaß beim Lesen und Freude an der Sprachanarchie, die Menschen nicht ausschließen möchte 😊

    • @Lou Andreas-Salomé:

      Echt?



      Liest sich doch eher wie von einem 12 jährigen in der Pubertät. Wenn auch mit größerem Wortschatz. Und, nicht zu vergessen, mit dem Verbot im Amt ist der Rest der Bevölkerung nicht mitgemeint.

  • Ein großartiger Artikel, ich bin schwer begeistert :). Ganz vielen Dank!