Graichen-Affäre im Klimaministerium: Das grüne Eigentor
Es mag den Grünen um die gute Sache gehen. Aber auch wegen zögerlicher Selbstkritik ist die Affäre längst zu einer Gefahr für die Ampel-Koalition geworden.
K ennen Sie Mario Czaja? Der CDU-Generalsekretär fährt, wenn er nicht gerade genüsslich dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck wegen der Graichen-Affäre ans Schienbein twittert, gern große Geschütze auf für den Bau von Autobahnen.
Die A 100, behauptete Czaja kürzlich im Bundestag, werde für weniger Lärm und weniger Abgasemissionen sorgen, wenn sie quer durch Berlin gepflügt sein wird. Czajas Bruder Sebastian, ein aktuell nicht weiter wichtiger FDP-Politiker, der ebenfalls stets mehr Autobahnen fordert, ist mit einer Frau verheiratet, die nach eigenen Angaben Referentin für Länderangelegenheiten ist – bei der Autobahn GmbH.
Was die Raserliebhaberei der Czajas mit der Causa Graichen zu tun hat? Nichts. Sie zeigt erst einmal nur, wie nahe sich in der Hauptstadt Expert:innen und Politiker:innen stehen. In jeder Partei. Sie zeigt aber auch, wie politische Kommunikation funktioniert. Allein durch die Thematisierung der familiären Bande entsteht ein, ja, was? Ein Geschmäckle?
Selbst wenn es sich hier nur um eine vollkommen harmlose Liebesaffäre zwischen fachlicher Expertise und politischer Agitation handeln sollte, das Odeur des Verwerflichen verzieht sich nicht mehr. Wer so einen Trumpf dem politischen Gegner vor die Nase legt, muss sich nicht wundern, wenn er ihn bei nächster Gelegenheit um die Ohren gehauen bekommt. Dass den Grünen ein solcher Fehler unterlaufen ist im wichtigsten und umkämpftesten Ressort, dem Klimaministerium, ist unverzeihlich.
Es geht nicht um Korruption
Natürlich kann man einwenden, dass Habecks Staatssekretär Patrick Graichen ein ausgewiesener Experte ist, ebenso wie sein Trauzeuge, an dessen Berufung zum Geschäftsführer der regierungseigenen Deutschen Energie-Agentur Graichen beteiligt war. Und dass die umstrittene Postenvergabe längst korrigiert wurde. Zu Recht dürfen die Grünen betonen, dass es hier nicht um Korruption geht, nicht um Versorgungsposten für politische Amigos, nicht um das Wirtschaften in die eigene Tasche, sondern um die gute Sache: die dringend benötigte Energiewende. Schon klar.
Das reicht aber nicht, wenn Union und Bild eine wilde Kampagne anzetteln, um die Zahnpasta wieder in die Tube zu quetschen. Ganz egal, ob die Vorwürfe gegen Graichen und damit gegen Habeck aufgebauscht sind. Sie haben sich auch durch die zögerliche Selbstkritik längst zur größten Gefahr für die Grünen in der Ampel ausgewachsen.
Wenn Habeck Glück hat, wird er das Odeur wieder los, indem er mit Graichen seinen besten Mann vor die Tür setzt. Wenn er Pech hat, reicht nicht einmal mehr das. Dann steht Habecks Klimapolitik auf dem Spiel.
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