Atomstrom für Elektroautos: Nur Windräder reichen nicht
Ohne Atomkraft versuchen wir uns in Deutschland an der Quadratur des Kreises. Leider ist eine solche Aktion zum Scheitern verurteilt.
E s geht nur um einen Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. Aber er zeigt, dass man Atomstrom nicht ausblenden darf. Stellen wir uns das Jahr 2050 vor. Dann werden in Deutschland selbst bei vorsichtiger Prognose knapp 55 Millionen Pkws auf den Straßen sein. Auf 1.000 Einwohner kommen dann 660 Pkws. Zum Vergleich: In den USA sind es heute 846, in Liechtenstein 780, in Andorra 770 und in Luxemburg 694.
Kein abwegiges Szenario also, auch angesichts kommender Innovationen wie dem autonomem Fahren, das eine Zeitwende einleitet. Wenn dann 95 Prozent der Autos vollelektrisch unterwegs sind, pro Jahr pro Pkw 13.000 Kilometer zurückgelegt werden und pro 100 Kilometer ein Strombedarf von 20 Kilowattstunden (kWh) angesetzt wird, „schlucken“ unsere Autos im Jahr 2050 in Deutschland 138 Terawattstunden (TWh) Strom pro Jahr.
Setzten wir die Strommenge von 138 TWh in Bezug zur gesamten öffentlichen Nettostromerzeugung aus Windkraftanlagen des Jahres 2020, würde der gesamte Windstrom des Jahres 2020 in Deutschland nur für 96 Prozent der Autos reichen.
Selbstverständlich können Windkraftanlagen offshore größer dimensioniert werden, klar kommt Solarstrom dazu, aber wir müssen fünfzig Prozent unseres Stroms des Jahres 2020 ersetzen, wenn wir auf Gas, Kohle oder Atom verzichten wollen.
Es macht Sinn, die Atomdiskussion zu führen
Dabei haben wir noch nicht über den Strombedarf im Nutzfahrzeugsektor gesprochen, nicht über den Strombedarf in der Produktion, etwa bei der Batterieproduktion oder von „grünem“ Stahl, ganz zu schweigen von anderen Sektoren und privaten Haushalten.
Ohne Atomkraft versuchen wir uns in Deutschland an der Quadratur des Kreises. Das muss schiefgehen. Bleibt die Frage, ob Atomstrom wirklich so gefährlich ist, wie viele vermuten.
Moderne Flüssigsalzreaktoren machen Kernschmelzen unmöglich. Wie würden wir über Atomkraft reden, wenn es weder Tschernobyl noch Fukushima gegeben hätte? Es macht viel Sinn, die Atomdiskussion in Deutschland zu führen. Nicht für das Jahr 2030, aber für das 2040 und später.
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