Atomkraft in Frankreich: Herbeigeredete Wiedergeburt

Länder wie Frankreich haben andere Gründe, an der Atomkraft festzuhalten, als das Klima. Macron etwa geht es ums Militär.

Proteste mit Transparenten.

Über 19 Milliarden Euro wird er kosten: Proteste vor dem französischen EPR in Flamanville 2020 Foto: Nicolas Guyonnet/Hans Lucas/imago

Atom-Renaissance? Wie viele denn noch? Braucht’s dafür einen realen Boom oder genügt es, wenn Technikromantiker eine Renaissance fühlen? Dank eifriger Berichterstattung über vermeintliche Wiedergeburtswehen findet man in den Zeitungsarchiven seit den 1990er Jahren Schlagzeilen mit diesem Wort – bisher ist nie was draus geworden.

Nachdem vorherige Atom-Renaissancen im Nichts verschwanden – beziehungsweise die letzte auf einer der drei Dauerbaustellen des European Pressurized Reactor (EPR) im Geburtskanal feststeckt –, wird nun also wieder eine ausgerufen.

Die aktuelle „Wiedergeburt“ entspringt sowohl dem französischen Wahlkampf als auch dem Ringen um die EU-Finanz-Taxonomie. Da die subventionslüsterne Lobby gerade nach EU-Geldtöpfen Ausschau hält, sollen Zweifel am deutschen Atomausstieg gestreut werden. Ein grünes Taxonomie-Etikett zur künstlichen Befruchtung muss her, denn ohne Geldspender droht der Branche die Erzeugungsunfähigkeit.

Da werden Blendgranaten zu Schlagzeilen: „Macron will 1 Milliarde für den Bau von Mini-AKW ausgeben.“ Zur Einordnung: Über 19 Milliarden Euro wird der einzige EPR kosten, an dem seit 14 Jahren in Frankreich gebaut wird. Erst war von 3 Milliarden Euro die Rede und von 200 EPR weltweit. Diese „Renaissance“-Idee entstand 1989, als Antwort auf Tschernobyl.

Macron war damals noch ein Kind. Heute erklärt er, warum sein Land trotz bester Bedingungen – mehr Küste, mehr Sonne, mehr Fläche – nur einen Bruchteil der hiesigen Solar- und Windstrommenge erzeugt: „Ohne zivile Atomkraft keine militärische Atomkraft, ohne militärische Atomkraft keine zivile Atomkraft.“

Die Haltung der Atommacht gegen Erneuerbare ist nur folgerichtig. Ohne AKWs hat das Militär riesige Infrastrukturprobleme. Da geht es um Forschungskapazitäten, um Lieferkettenkontinuität, Stückkostensenkung, Spezialmaterialien für U-Boot-Antriebsreaktoren. All das bräche weg, wenn die militärische Atomkraft ohne das zivile Rückgrat dastände.

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ist Energie­referentin der Elektrizitäts­werke Schönau, Co-Autorin von „Das Desaster der europäischen Atomwirtschaft“ sowie Mitglied der Nuclear Consulting Group.

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