Israels Offensive, Luftangriffe aus Iran: Wo soll das alles enden?
Israels „begrenzte Bodenoffensive“ im Libanon birgt immense Gefahren. Nicht nur Iran steigt in den Krieg ein. Die Welt schaut ohnmächtig zu.
D ie zweite Front ist eröffnet, möglicherweise auch schon die dritte. Der Krieg im Gazastreifen ist noch nicht vorbei, da überschreiten israelische Truppen die Grenze zum Libanon. Iran schießt Raketen auf Tel Aviv, die weitere Entwicklung ist unabsehbar.
Das beschönigende Wort von der „begrenzten Bodenoffensive“ ist für Israels Einmarsch m Libanon ebenso fehl am Platz wie das Wort „Spezialoperation“ für Russlands Überfall auf die Ukraine: Beide unterschlagen, dass eine Staatsgrenze überschritten wird, dass es um einen Einmarsch in ein anderes souveränes Land geht.
Im Jahr 1982 rückte Israel schon einmal „begrenzt“ in den Libanon ein, und wenig später standen israelische Truppen in Beirut. Damals ging es um die Zerschlagung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Aus dem libanesischen Widerstand dagegen wuchs unter anderem die Hisbollah-Miliz. Israel kämpft im Libanon gegen eine Kraft, die in dieser Form gar nicht erst entstanden wäre, wenn Israel nicht im Libanon gekämpft hätte; es bekämpft gewissermaßen sein eigenes Spiegelbild.
Hisbollah und Hamas würden heute Israel vernichten, wenn man sie ließe. So sieht Israel sein eigenes Überleben mit ihrer Vernichtung verknüpft und nimmt dafür die Zerstörung Palästinas und Libanons zumindest in Kauf. Die Hisbollah ist nicht nur eine Miliz an der israelischen Grenze, sondern eine von mehreren Säulen des fragilen libanesischen Staatswesens. Wenn man eine Säule zum Einsturz bringt, droht der Zusammenbruch des ganzen Gebäudes und damit ein Bürgerkrieg, der die Region ähnlich destabilisieren könnte wie der syrische vor zehn Jahren.
Glaubt irgendjemand ernsthaft, dann gäbe es Frieden für Israel? Libanon hat eine mehrtausendjährige Geschichte als ein vielfältiges, diverses Land; Beirut war einst das kulturelle Zentrum der arabischen Welt. Dieses Land lässt sich nicht von der Landkarte tilgen. Und wenn halb Libanon eine Trümmerwüste voller Leichen ist, wie schon der Gazastreifen – was dann? Wer tritt im Libanon an die Stelle der Hisbollah, sollte deren Zerschlagung gelingen?
Jemen, Syrien, Irak, Iran…
Jetzt hat auch noch Iran die massivsten Angriffe seiner Geschichte gegen Israel geflogen. Der Krieg ist längst entgrenzt. Es gab in den vergangenen Tagen israelische Luftangriffe auf Jemen und Syrien und Drohungen gegen Iran, im Gegenzug erlitt Israel Drohnenbeschuss unter anderem aus dem Jemen und Irak. Radikale Islamisten prophezeien die bevorstehende Selbstzerstörung Israels – Eiferer in Israel verbreiten Karten von einem Groß-Israel, das vom Nil bis zur iranischen Grenze reicht.
Der Irrsinn hat freien Lauf. Die Welt sieht ohnmächtig einer Tragödie zu, deren Fortgang man erahnt. Noch ist das Ende offen. Bald könnte es zu spät sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung