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Beamte und RentenkasseLasst die Beamten einzahlen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Schwarz-Rot will den Sozialstaat reformieren – vor allem auf Kosten der Ärmeren. Besser wäre es, Staatsbedienstete stärker zur Kasse zu bitten.

Auf Sparkurs: Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

K aum war der Bundeshaushalt 2025 beschlossen, stellte Finanzminister Lars Klingbeil, SPD, schon den Entwurf für das kommende Haushaltsjahr vor. Dieser Finanzetat hat es – ähnlich wie der alte – mit seinen Rekordinvestitionen in Höhe von 126,7 Milliarden Euro in sich. Man müsse jetzt sparen, forderte scheinbar folgerichtig der Finanzminister. Aber auch die Prämissen des SPD-Chefs und Vizekanzlers, wo gespart werden soll, haben es in sich: bei Bürokratie, Sozialstaat, Wirtschaft. Hier seien Reformen bitternötig, das wisse mittlerweile schließlich jede und jeder. So weit, so klar.

Die große Frage dabei ist: Wer genau darf sich schon mal darauf vorbereiten, den berühmt-berüchtigten (Spar)-Gürtel enger zu schnallen? Oder um es mit den Worten von Kanzler Friedrich Merz zu sagen, sich auf die Reformdekaden „Herbst, Winter, Frühling und wieder Herbst“ vorzubereiten? Der SPD-Mann Klingbeil weiß es: die Bürgerinnen und Bürger. Die müssten sich auf „mutige und teils unbequeme Entscheidungen“ einstellen. So weit so klar. Allerdings ist eine Gruppe mal wieder nicht gemeint: die Beamten. Sie werden vom „finanzpolitischen Paradigmenwechsel“, wie Klingbeil versucht das Sparziel zu verkaufen, ausgespart.

Dabei sind es gerade die öffentlich Bediensteten, die übermäßig viele Privilegien genießen: Sie können nicht arbeitslos werden, verdienen netto in der Regel besser als Angestellte und bekommen weitaus höhere Pensionen als gewöhnliche Beschäftigte Rente. Selbst im Falle einer Frühpensionierung ergeht es Beamten finanziell besser als dem immer wieder gern zitierten Dachdecker und der Altenpflegerin, die wegen ihrer körperlichen und psychischen Belastung oft nicht einmal das Rentenalter in ihrem Job erreichen. Warum also Beamte nicht in die Sozialkassen, beispielsweise in die Rentenversicherung, einzahlen lassen? Das müssen sie bislang nämlich nicht.

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Als Sozialministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas anregte, Staatsbedienstete stärker zur Kasse zu bitten, ging der übliche Aufschrei durch die Republik: Das komme einer Gehaltskürzung gleich und löse mitnichten das Drama des demografischen Wandels, der ein Grund für die klammen Rentenkassen ist. Außerdem stünden Beamte in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat und könnten deshalb beispielsweise nicht streiken. Unabhängig davon würden Beamte, die in die Rentenversicherung einzahlen, zunächst zwar mehr Geld in die Rentenkassen spülen, den Staat langfristig aber mehr kosten, unter anderem weil sie länger als andere Berufstätige leben.

Das ist alles richtig – und trotzdem kein Grund, diese Privilegien nicht zu reduzieren – wenigstens ein bisschen. Nicht nur, weil Finanzminister Klingbeil nicht müde wird zu betonen, dass jetzt wirklich alle dazu beitragen müssten, den Sozialstaat zu retten. Sondern weil es schlicht ungerecht ist, dass Ar­beit­neh­me­r:in­nen und Beamte auch bei gleichem Arbeitsentgelt später sehr unterschiedliche Altersbezüge haben.

Es ist ungerecht ist, dass Ar­beit­neh­me­r:in­nen und Beamte sehr unterschiedliche Altersbezüge haben

Während die Normalbevölkerung auf ein Rentenniveau von 48 Prozent blickt, dürfen Pen­sio­nä­r:in­nen mit bis zu 72 Prozent ihres letzten Grundgehalts rechnen. Wer es besonders schlau anstellt, arbeitet sein Leben lang reduziert und wechselt auf der Ruhestand-Zielgeraden in die Vollzeit, um eine möglichst hohe Pension rauszuholen.

Stattdessen wird beim Sparblick vor allem über eine Sozialreform nachgedacht: beim Bürgergeld. Arbeit müsse sich wieder lohnen, daher sollten Bürgergeldbe­zie­he­r:in­nen stärker sanktioniert werden. All jene, die „nicht mitmachen, müssen das auch merken“, gab Arbeitsministerin Bas dem Druck der Union nach. Eine Reichensteuer indes, die einiges Geld in die öffentlichen Kassen spülen würde und zudem gerechter wäre, steht nicht auf dem Plan.

Langzeitkranke mit vollen Bezügen – kein Einzelfall

Kri­ti­ke­r:in­nen der Idee, Beamte mit anderen Ar­beit­neh­me­r:in­nen gleicher zu stellen, wenden gern ein, dass nicht die Rentenkasse die Pensionen zahle, sondern der Staat. Aber auch der muss das Geld ja irgendwoher nehmen. Und das kommt aus den Steuereinnahmen – und die werden von der Gesamtbevölkerung entrichtet, also auch vom besagten Dachdecker und der Altenpflegerin mit ihren weitaus geringeren Gehältern.

Ebenso wenig ist einzusehen, dass langzeitkranke Beamte ihr volles Gehalt viele Jahre weiter bekommen, während Angestellte nach sechs Wochen finanzielle Einbußen verkraften müssen. Kürzlich debattierte die Öffentlichkeit über den Fall einer Lehrerin, die 16 Jahre lang krank geschrieben war und in dieser Zeit offenbar ihr volles Gehalt bekam. Kein Einzelfall, sagt dazu ein Experte in der Süddeutschen Zeitung.

Und wieso sind die meisten Lehrkräfte, Verwaltungsangestellten und sogar Meteorologen beim Wetterdienst und Architektinnen in Baubehörden verbeamtet? Es würde doch reichen, den Beamtenkreis auf Polizei, Justiz, Feuerwehr zu beschränken?

Und wenn schon darüber nachgedacht, den Renteneintritt nach stärker und weniger anstrengenden Berufen zu staffeln, wie es kürzlich das Forschungsinstitut Pestel tat, warum dann nicht Beamte zuvorderst in die Pflicht zu nehmen? Immerhin leben sie aufgrund ihrer körperlich leichteren Tätigkeiten länger und gesünder als andere Berufstätige. Der Aufschrei dürfte gewaltig sein, und ja, das wäre tatsächlich ungerecht. Aber wenn Gerechtigkeit der Maßstab ist, müssen Beamte von ihren Privilegien abgeben.

Das kann man politisch umsetzen, man muss es nur wollen – und eben machen. Natürlich nicht von heute auf morgen, sondern mit Übergangsfristen. Ren­ten­emp­fän­ge­r:in­nen kennen das bereits: Die Rente mit 67 wurde 2007 beschlossen, ab 2012 schrittweise eingeführt und ist 2031, wenn die Boomer in den Ruhestand gehen, abgeschlossen. Würden Beamte in die Rentenkassen einzahlen, wäre deren Finanzhaushalt laut Prognos-Institut gesichert. Erst ab 2070 sähe das wieder anders aus. Bis dahin allerdings sollten weitere Lösungen gefunden sein.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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11 Kommentare

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  • Man kann fordern, die Systeme zusammenzulegen. Sowie auch bei der Krankenversicherung.



    Allerdings dürfte es ohne eine (kleine) Revolution nicht gehen. Das Musk-sche Vorgehen geht nicht, da man Beamte nicht entlassen kann. Bliebe vielleicht das Milei-sche Vorgehen mit Kürzungen der Bezüge um 20%. Was aber auch ein andere Gesetzgebung nötig machen würde.



    Denn ohne Kürzung würde es nicht gehen. Eine Polizeibeamtin oder auch Lehrerin die jetzt 2400 verdient, müsste ja 800 Euro (oder so, Zahlen sind recht willkürlich) an Sozialbeträgen abgeben. Für 1600 macht aber niemand den Job (siehe div. Artikel, dass einfache Beamte besonders in teuren Städten auch heute schon knappsen). Also müsste, wie auch Tom Farmer schon darlegte, der Staat die 800 (plus den Arbeitgeberanteil) drauflegen. Es würde also nur Steuergeld von links nach rechts verschoben. Saniert würde kurz- bis mittelfristig nichts.

  • Liebe Frau Schmollack,

    da legen Sie aber ganz schön die Axt an einen der Grundpfeiler der Besitzstandswahrungsrepublik. Warum lockern wir nicht auch den Kündigungsschutz (entgegen landläufiger Meinung eine ENTlastung für die Sozialsysteme)? Oder schaffen gleich das Eigentum ab?

    Aber Polemik mal außen vor:

    Zum Einen ist da der Markt: Der Staat lockt Menschen mit diesen Sicherheitsgarantien zu sich, die er sonst der freien Wirtschaft für entsprechend höhere Gehälter "abtrotzen" müsste. Man bekommt keine Spitzenleute auf Richter- und Lehrstühle, mutige Menschen in Uniformen oder unbestechliche Entscheider in Amtsstuben für nur einen Teil dessen, was der Markt für sie bereithielte. Dass der Staatsapparat auch viel überbezahlten Schlendrian enthält, ist kein Problem, das man über ein finanzielle Abwertung des Beamtenstatus lösen wird.

    Zum Zweiten ist da das (Verfassungs-)Recht: Man kann Menschen nicht einfach in die Taschen greifen, nur weil man findet, dass der Deal, den sie mit ihrem Arbeitgeber gemacht haben, zu gut für sie ausfällt. Das sind erworbene, geschützte Rechte (genau wie übrigens Altersrückstellungen in Privatversicherungen, freiberufliche Versorgungswerke etc.).

  • Beamte haben ja Rechte. Wie man bei Post und Bahn gesehen hat müssen besitzstandwahrende Übergangslösungen geschaffen werden. Die jüngsten Lebenszeitbeamten sind heute ca. 27 Jahre alt. Nehmen wir an sie werden durchschnittlich 95 muss für die nächsten 60 Jahre eine Art Sondervermögen mit dem damit verbundenen Aufwand geschaffen werden. Einfacher wäre es , die Art der Berechnung der Ruhestandsgehälter bei Versicherten der Rentenversicherung (Lebensdurchschnitteinkommen) und Beamten (letztes Einkommen vor Übergang in den Ruhestand) anzugleichen, das wäre gerechter, günstiger und einfacher. In einem anderen Kommentar stand etwas von Fröschen, die den Sumpf trockenlegen sollen, das ist die Praxis. Solange außerdem die Wahlbeteiligung der Versicherten der Rentenversicherung bei den Wahlen zu ihrer Selbstverwaltung (Sozialwahlen) bei 22% bleibt wird niemand das Thema ernst nehmen.

  • Politiker und Beamte (Pensionäre) leben doch fürstlich in ihrer alten Welt der Pfründe und Privilegien. Im Herbst der Reformen geht es ihnen hauptsächlich darum, die Belastungen der eh schon ärmere Bevölkerung aufzuerlegen. Politiker beziehen beamtenähnliche Ruhegehälter, Beamte erhalten üppige Personen. Das ganze System der Beamtenversorgung ist völlig aus der Zeit gefallen. Ab sofort müssten neue Beamte auch in die Rentenkasse einzahlen. Politiker ebenfalls. Ohne ein gerechtes einheitliches Alterssicherungssystem für ALLE wird es keine Zustimmung für Sozialreformen in der Bevölkerung geben. Also, Politiker, fangt endlich euch eure eigenen und die der beamten zu beschneiden!

  • Es müsste wohl eher ...als gewöhnliche beschäftigte Rentner heißen...

  • "Warum also Beamte nicht in die Sozialkassen, beispielsweise in die Rentenversicherung, einzahlen lassen?"



    Nur zur Verdeutlichung: Beamte würden da gar nix einbezahlen, sondern der Staat selbst! Zu den Pensionen der Ruheständler, die ja aus Steuern kommen, müsste der Staat bei dieser Idee also ab sofort ZUSÄTZLICH Geld aufwenden um in die Rentenkasse sowohl seinen Arbeitgeberanteil aber auch den Atbeitnehmeranteil der ja auch aus Steuermitteln kommt aufwenden. Idee ist nicht zielführend oder Systemstabilisierend!!



    bBeamten müssen verzichten, bei Monatssalär und Pension Nur so lässt sich Geld einsparen. Übrigens: Einer der "am schlechtesten" und ärmsten Staaten Europas, also die Schweiz, da wurde das Beamtentum vor über 20 Jahren abgeschafft! Ein Vorbild!

  • Mich nervt an diesem Kommentar noch etwas: Prinzipell wird immer darüber diskutiert, wie man bessere Leistungen bestimmter Gruppen reduzieren kann. Oder irgendwem mehr zumuten kann, wobei der Kreis derer, über die man nachdenkt, von vornherein sehr begrenzt ist.



    Wir können uns das alles ja angeblich nicht mehr leisten.



    1:0 für die Bezieher hoher Einkommen, die Besitzer großer Vermögen und die Großunternehmen. Und das in einer "linken" Zeitung. Sorry, da erwarte ich doch einen alternativen Blick. So funktioniert nämlich Divide et impera.

  • So zündend die Idee ist (und so sehr ich als Beamter gerne eine Reform des Beamtentums sehen würde) -- die Rechung geht nicht so ganz auf:



    1. Eine Beamt:in kostet den Staat, solange er/sie arbeitet, genau das Bruttogehalt + 50% der Krankheitskosten. Wird die Bezahlung analog zu Angestellten geregelt, kostet er/sie den Staat während seiner Diensttätigkeit deutlich mehr.



    Das ist z.B. einer der Hauptgründe, warum man z.B. Lehrer verbeamtet. Selbst die angestellte Lehrer:in mit dem gleichen Brutto käme den Staat während der Dienstzeit deutlich teurer. Und dass man damit z.B. die Pensionskosten auf den SantNimmerleinsTag verschiebt -- nun ja, dieses System kennen wir ja.



    2. Einzahler sind dann irgendwann auch Anspruchsberechtigte. Die Probleme der Sozialversicherungssysteme wären also auch nur verschoben. Zudem bezahlt das Gehalt eines Beamten der Steuerzahler. Wir sind also irgendwie wieder beim Linke-Tasche-Rechte-Tasche-Prinzip.



    So einfach ist es also nicht.



    PS: So manche der im Artikel beschworenen Privilegien gibt es so nicht mehr: zumindest in Baden-Württemberg erwerben Beamte Pensionsansprüche auf Basis der über die gesamte Dienstzeit hinweg geleisteten Arbeitszeit.

  • Ich zweifle ernsthaft an der Reformierbarkeit eines Systems in dem die Frösche selbst entscheiden müssten ihren Sumpf trocken zu legen.

    • @Šarru-kīnu:

      Übertragen auf die freie Wirtschaft hieße es, notwendige Personaleinsparungen in Unternhehmen von den Gewerkschaften organisieren zu lassen. Viel Spaß dabei...

      Aber vir allem: BEIDE werden erstmal erklären, dass solche Einschnitte per ordre mufti in dem Maße auch gar nicht zulässig sind. Und damit lägen sie auch nicht falsch.

    • @Šarru-kīnu:

      Ein klassischer Teufelskreis