AfD-Verbot und Höcke-Petition: Raus aus der Ohnmacht
Rechte drohen die Macht zu übernehmen und endlich wächst der antifaschistische Widerstand. Gerichte könnten ihn unterstützen. Pessimismus nicht.

W as für ein Hoffnungsschimmer in diesen düsteren Tagen: Auf deutschen Straßen bewegt sich etwas – und es ist nicht rechts! Rund zehn Jahre nachdem Antifas anfingen, sich gegen die AfD zu organisieren, erkennen jetzt auch immer mehr Durchschnittsdeutsche, dass die AfD eine Gefahr ist, gegen die etwas getan werden muss. Tausende strömen zu Demos, streiten über Strategien und signieren Petitionen. Das ist einfach nur gut.
Doch statt sich zu freuen, lamentieren andere: Es sei nicht rechtmäßig, eine Partei wie die AfD zu verbieten oder dem Faschisten Björn Höcke ein paar Grundrechte zu entziehen, wie es die Petition fordert. Haben diese Leute mehr Angst davor, Neonazis zu diskriminieren, als von Neonazis beherrscht zu werden? Oder gehen sie davon aus, selbst zu den Letzten zu gehören, die deportiert würden? Politische Grundrechte sollten niemandem leichtfertig entzogen werden, doch sie könnten vielen bald gar keinen Schutz mehr vor dem Staat bieten, wenn wir sie ausgerechnet denen lassen, die sie abschaffen wollen. Diese legalistische Haltung ist jedenfalls typisch deutsch, völlig ahistorisch und brandgefährlich. Zudem ist sie ein Luxus, den viele sich längst nicht mehr leisten können.
Menschen, die von rechtem Terror wie in Hanau und Halle gemeint und nur noch nicht getroffen und ermordet worden sind, denken zurzeit über ganz andere, praktische Fragen nach: nämlich wie sie sich selbst verteidigen oder wo sie noch hin flüchten sollen. Für sie und viele andere ist es nicht fünf vor, sondern fünf nach zwölf. Deshalb müssen jetzt alle Hebel in Gang gesetzt werden, die zur Verfügung stehen.
Ob ein Verbot strategisch klug ist und ob es gelänge, darüber lässt sich streiten. Ob derartige Hebel umgelegt werden, entscheiden im Rechtsstaat – noch haben wir ja einen – letztlich Gerichte. Der Punkt ist: Unter Verweis aufs Gesetz ohnmächtig zu erstarren, das hilft niemandem. Statt das gescheiterte NPD-Verbot ließe sich genauso gut das gelungene Verbot der Sozialistischen Reichspartei von 1952 anführen, die in der Tradition der NSDAP stand. Diese ist 1933 legal an die Macht gekommen.
Das Grundgesetz ist kein Selbstzweck
Genau deshalb gibt es heute doch die Möglichkeit, Parteien zu verbieten und Grundrechte Einzelner einzuschränken. Wieso sollten sie nicht mal stärker gegen rechts genutzt werden? Das Grundgesetz wurde schließlich nicht als Selbstzweck eingeführt, sondern nach der größten politischen Katastrophe der Menschheit. Mit dem Ziel, dass Auschwitz nie wieder sei.
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