„Stoppt Höcke“-Petition: Faschist soll Grundrechte verlieren
Im September sind in Thüringen Landtagswahlen. Doch der AfD-Spitzenkandidat soll nicht antreten können, fordert eine Petition.
Anfangs stieg die Zahl der Unterzeichner:innen gemächlich, seit zwei Tagen laufen jedoch die Campact-Server heiß. Pro Tag unterzeichnen rund 100.000 Personen. Das Kampagnenziel von einer halben Million Unterschriften wird wohl noch im Laufe des heutigen Freitags erreicht. Grund für den Boost ist vermutlich der bekanntgewordene rechtsextremistische Plan für eine großangelegte Vertreibung („Remigration“) von Ausländer:innen und allen, die von den Rechten dafür gehalten werden, also inklusive Deutsche mit Migrationshintergrund.
Die Möglichkeit, Extremist:innen die Grundrechte zu entziehen, ist im Grundgesetz vorgesehen. Voraussetzung ist laut Artikel 18, dass die Grundrechte „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht“ werden. Über die Grundrechtsverwirkung kann ausschließlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Die Grundrechtsverwirkung ist neben dem Parteiverbot ein Instrument der „wehrhaften Demokratie“.
Kein besonders effizientes Instrument
Laut Grundgesetz können insbesondere die politisch relevanten Grundrechte entzogen werden, also Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, aber auch das Eigentumsrecht. Im Bundesverfassungsgerichtsgesetz ist zudem vorgesehen, dass auch das Wahlrecht und die Befugnis, öffentliche Ämter auszuüben, entzogen werden können. Nicht zuletzt darauf zielt die Petition im Vorfeld der Thüringer Landtagswahl, die für September geplant ist. Björn Höcke ist Spitzenkandidat der AfD und will Ministerpräsident werden.
Einen Antrag auf Entziehung der Grundrechte können laut Gesetz lediglich Bundestag, Bundesregierung oder eine Landesregierung stellen. Bürger:innen können also nur an die Staatsorgane appellieren, diesen Weg zu gehen.
Bisher gab es in Deutschland vier Anträge auf Entziehung der Grundrechte. Betroffen waren ausschließlich Rechtsextremisten: Otto-Ernst Remer (Vize-Vorsitzender der verbotenene Sozialistischen Reichspartei), Gerhard Frey (Verleger der Nationalzeitung) sowie die Neonazis Thomas Dienel und Heinz Reisz. Alle vier Anträge wurden vom Bundesverfassungsgericht jedoch abgelehnt. Die letzte Ablehnung im Falle von Dienel und Reisz erfolgte 1996 sogar ohne Begründung. Anträge auf Grundrechtsverwirkung gelten deshalb bisher nicht gerade als besonders effizientes Instrument.
Eine Karlsruher Entscheidung vor der Thüringer Landtagswahl wäre auch nicht unbedingt zu erwarten. Die bisherigen Anträge wurden erst nach einer Dauer von vier bis acht Jahren entschieden.
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