Weltweite Hungerkrise: Fleischverzicht gegen Putin

Die Europäer verfügen über eine gewaltfreie Waffe gegen Putins Russland: weniger Fleisch essen. Doch leider nutzen sie sie nicht. Wie schade.

Ein Ochse steht dicht gedrängt mit anderen Ochsen im Stall und hebt den Kopf

Wertvolles Getreide wird an Tiere verfüttert Foto: Frank Hoermann/picture alliance

Getreide ist knapp und teuer. Millionen Menschen wissen kaum noch, wie sie sich ernähren sollen. Die Not trifft Sri Lanka genauso wie Ägypten oder den Libanon. Für den Westen steht schon fest, wer schuld ist: Putin. Er würde „den Hunger als Waffe“ missbrauchen, indem er die Getreideexporte der Ukraine blockiert.

Natürlich ist nicht zu bestreiten, dass Putin ein zynischer Despot ist. Trotzdem wäre es zu einfach, den weltweiten Hunger als eine Art bedauerlichen Kollateralschaden des Ukrainekrieges abzuhaken. Der Westen ist nicht machtlos. Stattdessen wäre es sogar ganz einfach, den Getreidenotstand abzuwenden: Man müsste nur weniger Fleisch essen.

In der Werbung stehen Kühe zwar immer auf grünen Wiesen, aber in der schnöden Wirklichkeit fressen die meisten Nutztiere kein Gras, sondern Getreide und andere Futtermittel. Mindestens die Hälfte des EU-Getreides landet in Tiermägen. Dieser Umweg ist eine extreme Verschwendung, denn es können bis zu zehn Getreidekalorien nötig sein, um eine einzige Fleischkalorie zu erzeugen. Schließlich müssen die Tiere erst einmal am Leben bleiben, bevor sie Gewicht ansetzen können. Das kostet Energie.

Der maßlose Fleischkonsum hat abstruse Konsequenzen: Das reiche Europa ernährt sich auf Kosten der restlichen Welt. Die Umweltorganisation WWF hat ausgerechnet, dass die EU 11 Prozent der verzehrten Kalorien und 26 Prozent des Proteins importiert.

Fleischkonsum ist gefährlich – für Gesundheit und Klima

Die Europäer würden nicht leiden, wenn sie weniger Fleisch konsumierten. Im Gegenteil. Das viele Fleisch macht krank. Unter anderem begünstigt es Darmkrebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Probleme, Nierenversagen, chronische Entzündungen, Arthrose und Rheuma. Besonders gefährlich ist verarbeitetes Fleisch, also die geliebte Wurst. Sie ist so tödlich wie Nikotin – sagt die Weltgesundheitsorganisation.

Derzeit essen die Deutschen im Durchschnitt 60 Kilo Fleisch pro Jahr. Verträglich sind aber nur maximal 15 Kilo, macht 300 Gramm in der Woche. Es wäre also eine Win-win-Situation, wie es auf Neudeutsch heißt: Wenn die Europäer an ihre eigene Gesundheit dächten, könnten sie genug Getreide freischaufeln, damit sich die Menschen im Globalen Süden nicht mehr um ihr tägliches Brot sorgen müssen.

Nebenbei würde es auch dem Klima helfen, wenn der Fleischkonsum sinkt, denn eine ausgewachsene Kuh stößt pro Tag rund 300 Liter Methan aus. Dieses Treibhausgas ist etwa 25 Mal so schädlich wie das CO2.

Doch der eigene Konsum ist in Europa sakrosankt. Über Verzicht darf nicht geredet werden, selbst wenn er die Gesundheit fördern würde. Das ist völlig unverständlich, denn für Putin wäre es eine strategische Niederlage, wenn er die Macht über die weltweiten Getreidemärkte verlieren würde. Die Europäer verfügen über eine gewaltfreie Waffe und nutzen sie nicht. Wie schade.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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