Auswirkungen der Inflation: Menschenwürdige Leben statt Profite

Politik und Kapital würden die Inflation gern auf die Unter- und Mittelschicht abschieben. Statt Tankrabatt braucht es jetzt eine Umverteilung.

leerer Teller mit Gabel und Messer

Wer hat, dem wird gegeben und wer nix hat, soll den Gürtel enger schnallen Foto: Jack Wassiliauskas/getty images

Den Gürtel enger schnallen. Renteneintrittsalter erhöhen. Jetzt noch: Frieren für die Wirtschaft. Die Appelle und Lösungsvorschläge in Krisenzeiten aus Politik und von Kapitalseite an die Bür­ge­r*in­nen kennen seit Jahren nur eine Richtung: Um den „Wohlstand der Gesellschaft“ ­aufrechtzuerhalten, muss je­de*r Einzelne – und damit sind immer Menschen aus den unteren gesellschaftlichen Schichten gemeint – seinen oder ihren Beitrag leisten.

Um wessen Wohlstand es dabei geht, ist offensichtlich. Während die anhaltend hohe Inflation die Löhne frisst, Preise für Grundnahrungsmittel, Energiekosten und Mieten steigen und die Schlangen an den Tafeln jeden Tag länger werden, wächst das Vermögen der Reichen immer weiter an.

Dass CDU-Chef Friedrich Merz in Zeiten, in denen wegen explodierender Energiepreise über Wärmehallen für arme Menschen geredet wird, mit dem Privatflieger zur Hochzeit von FDP-Finanzminister Christian Lindner jettet, der zwischen Sektempfang und Austernbuffet noch schnell den Rotstift bei Leistungen für Langzeitarbeitslose ansetzt, ist keine Karikatur einer aus den Fugen geratenen Welt, sondern gesellschaftliche Realität.

In Krisenzeiten zeigt die Politik ihr wahres Gesicht. Die Staatsräson richtet sich eben nicht nach sozialer Gerechtigkeit oder Wohlstand für alle, sondern nach Kapitalinteressen. Die Maßnahmen der Bundesregierung wie der Tankrabatt oder die Energiepauschale sind weder dazu geeignet, Geringverdienende, Arbeitslose, Rent­ne­r*in­nen oder Alleinerziehende von ihren existenziellen Nöten zu befreien oder den Mittelstand zu entlasten noch die Inflation nachhaltig zu bremsen und die Wirtschaft anzukurbeln.

Dabei gibt es viele Möglichkeiten, die Folgen der Coronapandemie und des Kriegs in der Ukrai­ne sozial abzufedern. Der von der Diakonie vorgeschlagene Krisenzuschlag von 100 Euro pro Monat für die Ärmsten wäre ein Anfang. Was es aber wirklich braucht, ist eine Umverteilung von oben nach unten – nicht andersherum.

Geeignete Maßnahmen wären etwa eine drastische Erhöhung des Mindestlohns und staatlicher Leistungen wie Hartz IV und Wohngeld, ein Mietendeckel und Schutz für Kleingewerbe, ein Moratorium für Strom- und Gassperren und die Aussetzung von Zwangsräumungen. Noch nachhaltiger wäre die Einführung eines Grundeinkommens, damit niemand erst in Armut rutscht.

Finanziert werden könnte das durch eine höhere Reichen- und Erbschaftsteuer sowie die Einführung einer Übergewinnsteuer, wie sie Spanien plant. Zu teuer? Nur, wenn ein menschenwürdiges Leben weniger zählt als Milliardengewinne der Rüstungsindustrie.

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Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Schreibt in ihrer Kolumne "Pöbelmanie" über Klassenkampf aus der Perspektive eines Kindes der Arbeiter*innenklasse. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

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