Auswirkungen der Inflation: Menschenwürdige Leben statt Profite
Politik und Kapital würden die Inflation gern auf die Unter- und Mittelschicht abschieben. Statt Tankrabatt braucht es jetzt eine Umverteilung.
D en Gürtel enger schnallen. Renteneintrittsalter erhöhen. Jetzt noch: Frieren für die Wirtschaft. Die Appelle und Lösungsvorschläge in Krisenzeiten aus Politik und von Kapitalseite an die Bürger*innen kennen seit Jahren nur eine Richtung: Um den „Wohlstand der Gesellschaft“ aufrechtzuerhalten, muss jede*r Einzelne – und damit sind immer Menschen aus den unteren gesellschaftlichen Schichten gemeint – seinen oder ihren Beitrag leisten.
Um wessen Wohlstand es dabei geht, ist offensichtlich. Während die anhaltend hohe Inflation die Löhne frisst, Preise für Grundnahrungsmittel, Energiekosten und Mieten steigen und die Schlangen an den Tafeln jeden Tag länger werden, wächst das Vermögen der Reichen immer weiter an.
Dass CDU-Chef Friedrich Merz in Zeiten, in denen wegen explodierender Energiepreise über Wärmehallen für arme Menschen geredet wird, mit dem Privatflieger zur Hochzeit von FDP-Finanzminister Christian Lindner jettet, der zwischen Sektempfang und Austernbuffet noch schnell den Rotstift bei Leistungen für Langzeitarbeitslose ansetzt, ist keine Karikatur einer aus den Fugen geratenen Welt, sondern gesellschaftliche Realität.
In Krisenzeiten zeigt die Politik ihr wahres Gesicht. Die Staatsräson richtet sich eben nicht nach sozialer Gerechtigkeit oder Wohlstand für alle, sondern nach Kapitalinteressen. Die Maßnahmen der Bundesregierung wie der Tankrabatt oder die Energiepauschale sind weder dazu geeignet, Geringverdienende, Arbeitslose, Rentner*innen oder Alleinerziehende von ihren existenziellen Nöten zu befreien oder den Mittelstand zu entlasten noch die Inflation nachhaltig zu bremsen und die Wirtschaft anzukurbeln.
Dabei gibt es viele Möglichkeiten, die Folgen der Coronapandemie und des Kriegs in der Ukraine sozial abzufedern. Der von der Diakonie vorgeschlagene Krisenzuschlag von 100 Euro pro Monat für die Ärmsten wäre ein Anfang. Was es aber wirklich braucht, ist eine Umverteilung von oben nach unten – nicht andersherum.
Geeignete Maßnahmen wären etwa eine drastische Erhöhung des Mindestlohns und staatlicher Leistungen wie Hartz IV und Wohngeld, ein Mietendeckel und Schutz für Kleingewerbe, ein Moratorium für Strom- und Gassperren und die Aussetzung von Zwangsräumungen. Noch nachhaltiger wäre die Einführung eines Grundeinkommens, damit niemand erst in Armut rutscht.
Finanziert werden könnte das durch eine höhere Reichen- und Erbschaftsteuer sowie die Einführung einer Übergewinnsteuer, wie sie Spanien plant. Zu teuer? Nur, wenn ein menschenwürdiges Leben weniger zählt als Milliardengewinne der Rüstungsindustrie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“