Daten zu bedingungslosem Grundeinkommen: Die meisten Leute hätten mehr Geld

1.200 Euro bedingungsloses Grundeinkommen monatlich für alle sind grundsätzlich finanzierbar – dies zeigt ein neuer Onlinerechner.

Michael Bohmeyer, Initiator von Mein Grundeinkommen, steht mit einem Geldschein über 1200 Euro ? neben einem Geldautomaten vor dem Bundestag in Berlin

Es funktioniert! Michael Bohmeyer, Initiator von Mein Grundeinkommen, 2021 vor dem Bundestag Foto: Stefan Boness

Berlin taz | 1.200 Euro pro Monat vom Staat für alle erwachsenen Bür­ge­r:in­nen – ohne Arbeit, ohne Bedingungen, für Kinder die Hälfte. Ein schöner Traum? Ja – und nein. Ab diesem Dienstag wird die Utopie etwas realistischer. Denn die Organisation Mein Grundeinkommen hat einen Internetrechner programmiert, mit dem man online selbst ausprobieren kann, was ein bedingungsloses Grundeinkommen hierzulande kosten würde und wie es sich finanzieren ließe. Die Datenbasis hat der Ökonom Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin bereitgestellt. Das Modell ist also nicht aus der Luft gegriffen.

Der Debatte über die Sinnhaftigkeit eines Grundeinkommens läuft in Deutschland, seit die rot-grüne Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) in den frühen 2000er Jahren die Arbeitslosenhilfe abschaffte und durch die magere Sozialleistung Hartz IV ersetzte. Seitdem sagten viele Aktivist:innen, es müsse etwas Besseres geben als „Armut per Gesetz“ – wobei Hartz IV mittlerweile durch das etwas höhere und leichter erhältliche Bürgergeld abgelöst wurde.

Wer den Rechner ausprobiert, erfährt beispielsweise, dass 1.200 Euro pro Kopf in Deutschland etwa eine Billion Euro (1.000 Milliarden) pro Jahr kosten – eine fantastische Summe, die mehr als das Doppelte des jährlichen Bundeshaushalts beträgt. Woher soll eine Gesellschaft so viel Geld nehmen, selbst wenn sie so reich ist wie unsere? Der Rechner gibt praktische Antworten und hat deshalb das Zeug, die häufig ideologische Diskussion zu versachlichen.

Die grundsätzliche Erkenntnis formulierte Michael Bohmeyer, Initiator der Organisation: „Ein Grundeinkommen für alle wäre finanzierbar“ – allerdings mit sehr viel höheren Steuern als heute. Erstaunlich ist, wie viele Menschen von manchen Finanzierungsvarianten, die man selbst online einstellen kann, profitieren würden. Beispielsweise 80 Prozent der Bevölkerung hätten dann mehr Geld zur Verfügung als heute. Ungefähr 20 Prozent mit den höchsten Einkommen und Vermögen würden im Vergleich zu heute allerdings draufzahlen, ihre Belastung mit Steuern nähme unter dem Strich deutlich zu.

Gesellschaft wäre sozial viel ausgeglichener

Dies führt zu einem weiteren Ergebnis: Eine solche Gesellschaft mit Grundeinkommen wäre sozial viel ausgeglichener, der Abstand zwischen niedrigen und hohen Einkommen fiele geringer aus als jetzt. Wegen der Garantiezahlung von 600 und 1.200 Euro „nimmt auch die Armut drastisch ab“, erklärte Miriam Witz von Mein Grundkommen. Finanzieren ließe sich das Grundeinkommen beispielsweise mit einer einheitlichen Steuer (Flattax) von 50 Prozent auf alle Einkommen. Dieses Prinzip funktioniert so: Wer beispielsweise 2.000 Euro zu versteuerndes Einkommen pro Monat erzielt, muss erst mal 1.000 Euro abgeben. Zusätzlich erhält man aber die 1.200 Euro Grundeinkommen, wodurch dann 2.200 Euro herauskommen – 200 Euro mehr als vorher.

Anders bei hohen Verdiensten von zum Beispiel 6.000 Euro: Hier bedeutet der 50-Prozent-Steuersatz, dass zunächst nur 3.000 Euro übrig bleiben. Plus Grundeinkommen kommen unter dem Strich 4.200 Euro heraus. Die effektive Steuer schlägt also mit 1.800 Euro zu Buche. Im Vergleich zur aktuellen Gesetzeslage und Steuerzahlung würde eine Einzelperson, die bis zu 5.400 Euro brutto und 3.350 netto monatlich verdient, mit dem Grundeinkommen besser fahren als heute. Sie erhielte zusätzliches Geld, errechnete die Organisation. Wer mehr erarbeitet, hätte künftig weniger als momentan.

Dies ist allerdings nur eine von mehreren möglichen Varianten der Finanzierung. Statt einer einheitlichen Steuer auf alle Einnahmen könnte man den heutigen Steuertarif mit niedrigen Sätzen für Geringverdiener und hohen Sätzen für große Einkommen beibehalten.

Um Hunderte Milliarden zu mobilisieren, müssten dann die Steuern für Gutverdiener jedoch über 70 Prozent steigen. Das hält die Organisation für nicht durchsetzbar. Sowieso, das zeigt der Rechner, müssten andere Abgaben wie etwa die Erbschaftsteuer auf große Vermögen deutlich angehoben werden. Auch Renten würden der Flattax unterliegen. Und jede Menge heute existierender steuerlicher Vergünstigung würden gestrichen.

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums von 2021 hatte dagegen das Grundeinkommen für nicht finanzierbar gehalten. Die Ergebnisse des Rechners werfen Fragen auf. Zum Beispiel: Würden nicht viele mit Grundeinkommen weniger arbeiten? Dann kämen weniger Steuereinnahmen herein, das Vorhaben würde seine Finanzierung untergraben. Antworten könnte das Pilotprojekt Grundeinkommen erbringen, das die Organisation zusammen mit dem DIW durchführt. 122 Testpersonen erhalten dabei bis 2024 drei Jahre lang eine solche Zahlung.

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