Winfried Kretschmann über 2022: „Der Staat ist nicht die Mutti“
Der Ministerpräsident kritisiert, dass die Demokratie zu einem „Lieferservice“ zu werden droht. Die Proteste der Letzten Generation nennt er anmaßend.
taz: Herr Ministerpräsident, lassen Sie uns mit einer traditionellen taz-Frage starten. Was war schlecht in diesem Jahr und was wird nächstes Jahr besser?
Winfried Kretschmann: Schlecht war natürlich Russlands Angriff auf die Ukraine. Ein Aggressionskrieg ist politisch das Schlechte pur. Meine Wunschschlagzeile für das nächste Jahr wäre: „Endlich Frieden, Russland zieht sich aus der Ukraine zurück.“ Aber man darf mal daran zweifeln, ob das so schnell geht.
Ein Angriffskrieg in Europa, Reichsbürger planen Staatskomplotte, alltägliche Medikamente werden Mangelware, Gas wird knapp, die Inflation steigt. Wachen Sie als Politiker bei all dem manchmal nachts auf und haben das Gefühl, wir haben das alles nicht mehr im Griff?
Dieses Gefühl der Unsicherheit ist zu einem ganz bestimmenden Moment geworden. Deshalb haben wir bis in die Mittelschicht hinein Abstiegsängste. Das kannten wir bisher so nicht. Der bulgarische Politologe Ivan Krastev hat das gerade in einem Interview gut erklärt: Früher gab’s ja das politische Gegensatzpaar progressiv und konservativ. Progressiv waren die Liberalen und Linken. Die glaubten daran, dass die Zukunft besser wird.
Auf einmal sind wir aber alle beherrscht von dystopischen Krisen wie Klimawandel und Krieg. Es kommt ein imperialer Gedanke zurück, von dem wir glaubten, er sei mit Hitler untergegangen. Ganz anders, aber in seiner erodierenden Wirkung genauso schlimm war der Sturm auf das Kapitol in Washington durch die Trump-Anhänger. Dahinter steht, dass Trump seinen Sieg für etwas Endgültiges gehalten hat und damit das Grundparadigma von demokratischen Wahlen abräumen will. Damit wackeln die Grundfesten der Demokratie.
Manche hoffen nicht einmal mehr darauf, dass es wenigstens nicht schlechter wird.
Ja, die Bezeichnung der Klimaaktivisten als „Letzte Generation“ zeigt diese radikale Dystopie. Das kann man jetzt anmaßend oder resignativ nennen. Aber es ist Ausdruck einer massiv verbreiteten Unsicherheit, wie es mit der Welt weitergeht.
Wie nennen Sie es?
Das Selbstverständnis als solches ist natürlich anmaßend. Vor allem aber schaden die Aktionen dem Anliegen.
Wie soll man sich als verantwortlicher Bürger einbringen?
Der zivile Ungehorsam soll den Sinn haben, eine gesellschaftliche Mehrheit dazu zu bewegen, sich zu ändern. Stattdessen treibt man sich selbst in die Ecke einer abgelehnten Minderheit. Das ist nicht sinnhaft. Das ist das Problem: Wenn Zukunft verloren geht, wird Sinn in Frage gestellt. Václav Havel hat gesagt: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“
Welche Zukunftserzählung müssten denn die Grünen verbreiten, um die Zukunft sinnvoll und erstrebenswert zu machen?
Vielleicht das nach vorn stellen, wofür die Grünen stehen, einen staatsbürgerlich imprägnierten Individualismus, also Citoyens, die Verantwortung für das Ganze übernehmen, die die Große Transformation unserer Zeit nicht erleiden, sondern aktiv mitgestalten. Jeder Mensch ist ein Neuanfang der Welt, weil jeder Mensch anders ist als alle Menschen vor ihm und nach ihm.
Das ist ein Paradigma, das Hannah Arendt von Augustinus übernimmt. Wenn das stimmt, dann können daraus Ideen und neue Kräfte entstehen. Vor 15 Jahren gab es noch kein Smartphone, vor 40 Jahren noch keinen PC. Heute würde die Welt ja ohne diese Geräte gar nicht mehr funktionieren. Menschen können also völlig neue Dinge erfinden. Darauf beruht die Hoffnung.
Da könnte man Ihnen jetzt liberalen Wirtschaftslobbyismus unterstellen.
Absolut, damit schreckt man mich nicht, den lasse ich mir immer gerne unterstellen. Ich will der Lobbyist einer Wirtschaft sein, die es hinbekommt, Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg vom Naturverbrauch und der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu entkoppeln. Dazu muss man in die Start-up-Szene schauen, dort herrscht nämlich keine dystopische, sondern produktive Energie. Das ist die eine Seite. Die andere ist politische Innovation.
Jahrgang 1948, Gründungsmitglied der Grünen, geht 2023 in sein dreizehntes Jahr als Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Kretschmann regiert seit 2011, zunächst mit der SPD, seit 2016 mit der CDU als Juniorpartner. Die Landtagswahl im März 2021 gewann seine Partei mit 32,6 Prozent und holte dabei 58 von 70 Direktmandaten.
Wir bringen in Baden-Württemberg gerade die Bürgerbeteiligung auf ein völlig neues Niveau. Mit Bürgerforen, bei denen wir zufällig geloste und bisher vielleicht stille Bürger in Entscheidungsprozesse hineinholen und zu aktiven Mitspielern machen. Das ist ein großer Erfolg. Schon Perikles hat vor rund 2.500 Jahren gesagt: „Bei uns sind die stillen Bürger keine guten Bürger.“ Wenn sie sich aber in Bürgerforen einbringen, bekommen auch die Stillen eine Stimme.
Was ist denn jetzt die zentrale Idee, um die sich die Menschen versammeln sollen, um ein postfossiles Zeitalter voranzubringen?
Wir müssen uns halt jetzt mal damit abfinden, dass es diese eine Idee nicht gibt. Die Komplexität der Welt nimmt zu. Für Politik muss das bedeuten: Offenheit für Argumente und für den anderen. Also das Gegenteil der politischen Extreme. Die Rechte versucht, die Vergangenheit wieder herzustellen, indem sie von homogenen Gesellschaften träumt, die es so ja nie gegeben hat. Und die Linke will nach 100 Jahren den Kolonialismus heilen. Aber die Vergangenheit kann man weder heilen noch herstellen. Die politische Mitte muss sich dagegen auf das Abenteuer der Vielfalt einlassen.
Sind die Grünen die politische Mitte?
Nein, das meint alle demokratischen Parteien.
Sie sagen, Klimaproteste durch Rechtsbrüche führen ins Abseits. Dabei fordern sie doch nur politische Versprechen ein, die nicht gehalten werden.
An was halten wir uns denn nicht?
Der Protest adressiert klimapolitische Defizite. Etwa fordert er ein Tempolimit als Signal der Regierung.
Das kann ich nun wirklich nicht ernst nehmen. Solche Aktionen für Tempo 100 und ein 9-Euro-Ticket, das ist doch einfach grotesk! Wir sind ja auch mal auf die Straße gegangen, und zwar gegen Atomkraft und Atomwaffen und nicht wegen untergeordneter politischer Fragen mit begrenztem Effekt aufs Klima. Man klebt sich ernsthaft auf der Straße fest, damit die Leute fast umsonst in der Gegend rumfahren können?
Jetzt reduzieren Sie aber den Protest. Es geht doch darum, das Pariser Klima-Abkommen einzuhalten.
Ja, und dazu bekennen sich ja alle. Aber um das zu erreichen, brauchen wir Ideen, die richtig CO2 einsparen und nicht zuerst Symbole. Die Letzte Generation hat den Kampf gegen den Klimawandel ja nicht erfunden. Wir kämpfen seit Jahrzehnten dagegen. Und zwar erfolgreich. Beispiel Windkraft: ein wettbewerbsfähiges Produkt und eine Waffe gegen den Klimawandel dank des Erneuerbare-Energien-Gesetzes der rot-grünen Regierung. Und wir kämpfen jeden Tag mit den Kräften, die auf der Bremse stehen. Eine der größten Bremsen haben wir alle selbst geschaffen, nämlich eine überbordende Bürokratie.
Was tun Sie dagegen?
Wir haben es jetzt immerhin geschafft, die Genehmigungsverfahren von Windrädern zu halbieren. Das wird nicht reichen. Aber das ist es, was wir brauchen, Gesetze und schnellere Verfahren. Und nicht allgemeine Appelle. Wer ein Tempolimit will, der soll doch einfach mal zur FDP gehen und nicht ganz allgemein die Politik kritisieren. Man braucht halt in der Demokratie Mehrheiten.
Aber es passiert doch zu wenig. In Ihrem Haushalt gibt es jetzt kein Geld für die sogenannte Mobilitätsgarantie, die den Leuten auf dem Land den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr möglich machen sollte.
Das 49-Euro-Ticket schlägt in diesem Fall direkt auf unseren Haushalt durch. Dazu kommen die Hilfspakete in der Krise. Politik muss mit Knappheiten umgehen, das ist nicht einfach nur Wünsch-dir-was.
Die sozialökologische Wende wird wohl nur mit sehr viel Sozialpolitik gelingen, wenn sie die liberale Demokratie stärken und nicht erodieren soll. Aber das Geld fehlt dann für den Bau der Zukunft. Wie kommt man da raus?
Die liberale Demokratie ist immer mehr zu einem Lieferservice geworden. So werden die Bürger zu passiven Konsumenten öffentlicher Versorgungs- und Dienstleistungen. Das wurde durch die Coronapandemie verstärkt, in der wir die Menschen natürlich unterstützen mussten und uns da auch noch einmal richtig verschuldet haben. Aber die Frage ist: Machen wir damit immer weiter, oder ordnen wir das Verhältnis von Staat, Markt und Bürgergesellschaft wieder neu? Es kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, zu erklären, der Staat ist die große Mutti, die dir immer hilft.
Daraus folgt?
Wir brauchen einen neuen Republikanismus, dass jeder Verantwortung für sich und andere übernimmt, darum geht es. Nicht darum, das Anspruchsdenken immer zu steigern. Es gibt bei uns Dörfer, die aus eigenem Antrieb ihr ganzes Dorf klimaneutral heizen. Das sind Initiativen, mit denen wir weiterkommen. Wir brauchen einen Staat, der die Menschen einlädt und ermuntert, sich einzubringen und aktiv zu werden. Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch hat gesagt: „Demokratie heißt, sich in seine eigenen Angelegenheiten einzumischen.“ Das bringt es auf den Punkt.
Manche Leute brauchen Hilfe.
Ja, dafür ist der Sozialstaat da. In der Krise gibt es aber in der Breite großzügige Hilfen, das ist in diesem Ausmaß auf Dauer nicht leistbar. Und setzt die falschen Signale: Die Zukunft der Wirtschaft hängt davon ab, dass sich unsere Betriebe immer wieder neu aufstellen, dass Geschäftsmodelle entwickelt werden, die krisentauglich sind. Deshalb sind wir aktiv in der Start-up-Kultur, weil aus diesen Ideen Neues entsteht und damit Krisen gelöst werden. Dass junge Menschen uns mit Aktionen ermahnen wie Fridays for Future, dass wir schneller werden müssen, ist völlig legitim und notwendig. Aber die Botschaft ist fatal, die mittransportiert wird, wenn Schule für Klimaschutz geschwänzt wird.
Was ist die Botschaft?
Um die Probleme zu lösen, musst du dich nicht bilden und etwas wissen. Das kann man mal ein, zwei oder drei Monate machen, aber dann muss man die gegenteilige Botschaft aussenden: Ihr braucht das geistige Empowerment, um Krisen zu lösen, ihr müsst schlau, klug und bissig werden, ihr müsst Ideen haben und sie auch umgesetzt bekommen, damit sich was ändert.
Aber Herr Ministerpräsident, jetzt klingen Sie wie FDP-Chef Christian Lindner.
Was man sagt, ist ja nicht falsch, weil es ein anderer auch sagt, der einem nicht so behagt. Das ist überhaupt eine Krankheit in einer allgemeinen Empörungskultur, die immer argumentationsärmer wird und stattdessen nur noch fragt, von wem das Argument kommt. Um dann mit Empörung und Ablehnung zu reagieren.
Wenn wir hier sagen, dass Lindner nicht a priori falsch liegt, könnte das manche Linke verwirren.
Wenn das so wäre, hätten diejenigen die Verwirrung aber auch nötig.
Angela Merkel sagte, sie habe in der letzten Phase ihrer Regierungszeit bei sich ein Lame-Duck-Syndrom festgestellt. Ist Ihnen das fremd?
Völlig. Ich setze gerade so viele Sachen durch wie noch nie. Das ist das Momentum des dritten Sieges, wenn ich das mal so nennen darf, obwohl es nur ein relativer Sieg war, dieses Momentum hat zu einem enormen Lernprozess für die CDU geführt, sie ist von der klimapolitischen Bremse runter, und wir können jetzt unheimlich viel mit ihr durchsetzen.
Wirklich? Das sieht nicht nur die Opposition anders.
Was im Koalitionsvertrag steht, wird umgesetzt. Wir haben ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, das in der Republik seinesgleichen sucht. Das geht ja nur mit der CDU zusammen. Nehmen Sie die Solarpflicht auf jedem neuen Gebäude und bei grundlegenden Dachsanierungen im Bestand. Das bedeutet allein auf Gebäuden 60.000 Solaranlagen jährlich. Das ist jetzt mal ein Wort. Und bei der Windkraft wird dieselbe Dynamik entstehen, da bin ich überzeugt. Allerdings geht es dabei nur zusammen mit dem Bund. Insofern: Mit Blick auf die ökologischen Ziele habe ich so fröhlich noch nie regiert..
Ihr Finanzminister Danyal Bayaz hat gerade den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir als Ihren möglichen Nachfolger ins Spiel gebracht. Halten Sie sich aus der Nachfolgefrage komplett raus?
Ich bin jedenfalls kein Monarch, der seinen Nachfolger bestimmt. In der Demokratie bestimmen das Parteien und das Parlament. Angela Merkel ist mir da ein Beispiel, dass man besser die Finger davon lässt.
Sie hat nichts geregelt und die Union hat dann die Wahl nach Merkel krachend verloren.
Ihre Versuche mit Kramp-Karrenbauer sind schiefgegangen, das meine ich. Ganz raushalten kann man sich natürlich auch nicht. Zum Beispiel gebe ich meinen Ministern lange Leine. Jeder kann sich profilieren. Aber es sind ja noch dreieinhalb Jahre hin und ich habe noch einiges vor.
Sie haben unlängst in der Energiesparfrage erwähnt, dass Sie persönlich auch mal einen Waschlappen benutzen. Die anschließende Gaga-Empörungs-Diskussion hat gezeigt, wie schwierig es ist, von Leuten irgendeine Art von republikanischer Verantwortung einzufordern. Was lernt man da jetzt daraus?
Es war eben keine Empfehlung von mir, sondern die Antwort auf eine Frage nach meinem persönlichen Duschverhalten. Ich wurde zweimal gefragt, ob ich jetzt kalt dusche. Beim ersten Mal antwortete ich, ich sei Warmduscher. Beim zweiten Mal sagte ich: Man muss nicht immer duschen, der Waschlappen ist eine brauchbare Erfindung. Das wurde dann als meine Empfehlung kolportiert. Aber Präzision hätte ja auch die Geschichte zerstört..
Zerstören Sie sie doch bitte jetzt.
Ich habe ja eine thermische Solaranlage auf dem Dach, die mir das Wasser emissionsfrei und kostenlos erhitzt. Kalt oder nicht zu duschen wäre also gar kein Beitrag zum Energie-, allenfalls zum Wassersparen gewesen. Zweitens habe ich als Biologe schon meinen Schülern beigebracht, dass die Haut sich selbst reinigt und ein Mikrobiom eine Schutzschicht bildet, das man nicht dauernd durch Waschen unter Stress setzen muss. Drittens habe ich gern mehr Zeit zum Frühstücken. Mittlerweile merke ich, wie das kulturalisiert wird.
Das heißt?
Die Apotheken-Umschau, die meistgelesene Zeitschrift in Deutschland, hat das positiv begleitet, den Säureschutzmantel der Haut noch mal erklärt und ich kriege Waschlappen geschenkt mit meinem Porträt drauf oder in Ukraine-Farben. Aus dem Waschlappen werden kreative Sprüche, Sottisen, Steilvorlagen für Büttenreden. Man sieht, die Dinge wandeln sich ins Kreative und Lustige.
Jedenfalls wollen Leute ihre Politiker nicht als Vorbilder und auch nicht als Ratgeber?
Wir haben eine große Kampagne zum Energiesparen gemacht. Die Berliner Kollegin Franziska Giffey hat auf ihrem Parteitag gesagt, Energiespartipps seien zynisch. Das ist Quatsch. Denn eine echte Gasmangellage würde zu nacktem Chaos führen. Und ohne 20 Prozent Gas-Einsparen hätte sie gedroht. Die Bürger kommen auch gut damit klar, wenn die Politik mal sagt: Wir brauchen euch und euer Engagement.
Robert Habeck hat die Bundesgrünen mit der Parole „Bessere Politik, nicht bessere Menschen“ in die Regierung geführt. Gilt das nicht mehr?
Doch. In normalen Zeiten müssen Politiker nicht als Ratgeber rumlaufen, die Welt ist eh schon voll von Ratgebern. Deshalb halte ich mich normalerweise auch mit Vorschlägen zur persönlichen Lebensführung extrem zurück. Ich habe nie gesagt, esst kein Fleisch, oder: Fahrt keinen SUV. Das ist ein großer Fortschritt der Moderne, dass man in seinen privaten Lebensführung von der Politik in Ruhe gelassen wird. Wir Grünen haben uns da schon oft die Finger verbrannt. Daraus habe ich gelernt.
Die Grünen regieren in Baden-Württemberg jetzt seit 12 Jahren. Kommunal dagegen hat man zuletzt OB-Wahlen in Stuttgart, Freiburg und soeben auch im supergrünen Heidelberg verloren. Der einzige, der krachend gewonnen hat, ist ein Politiker, den die Partei unbedingt loswerden wollte: Boris Palmer. Was sagt uns das?
Darüber gründlich zu reflektieren, kann ich meiner Partei nur anraten. Wir sind zwar in 69 Gemeinden stärkste Fraktion, aber wir schaffen es kaum, Mehrheiten zu organisieren, die man für eine Oberbürgermeisterwahl braucht. Wir haben es in Böblingen oder Göppingen geschafft, aber im Großen und Ganzen nicht.
Fehlen charismatische Persönlichkeiten?
Nein. Es wird doch keiner glauben, alle 1.100 Bürgermeister und Oberbürgermeister in Baden-Württemberg seien charismatische Persönlichkeiten. Bei allem Respekt, das ist nicht der Fall.
Fehlt es dann an Strategie?
Sagen wir so: Man muss wirklich eine Mehrheit wollen, nur dann bekommt man sie auch. Und dann muss man wissen, dass eine Mehrheit über dem Potenzial liegt, das man sonst bei Wahlen normalerweise holt. Man muss also den Leuten sagen: Ich will euer Oberbürgermeister werden und mit euch Verantwortung für unsere Stadt übernehmen. Und nicht: Ich will eure Stadt grün machen.
Sie haben am Anfang des Gesprächs gesagt, was schlecht war, aber nicht, was 2023 besser wird. Was?
Bei der Energiewende geht ein echter Ruck durchs Land. In Baden-Württemberg auf jeden Fall und auch im Bund sind jetzt die Bremsen gelöst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“