Tino Chrupalla bei Markus Lanz: Kuscheln mit Rechten
Millionen Menschen demonstrieren gegen die AfD. ARD, ZDF und Co. stellen deren Parteichef unterdessen ins Rampenlicht. Die Sender verfehlen so ihren Auftrag.
S eit Wochen gehen Millionen von Menschen in Deutschland auf die Straße, um gegen die AfD zu protestieren. Trotzdem scheint vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Crush auf AfD-Chef Tino Chrupalla zu haben. Zuerst war er Ende Januar bei Sandra Maischberger zu Gast, am Sonntag im Deutschlandfunk zum Interview der Woche geladen und Dienstagabend dann auch noch bei Markus Lanz. Seinem Kollegen Leif-Erik Holm wurde bei „Hart aber fair“ am Montag sogar eine Plattform zur besten Sendezeit geboten.
Die Verantwortlichen begründen diese Entscheidung gern mit dem Argument, bei der AfD handle es sich um eine demokratisch gewählte Partei. Auch in Talkshows müsse sie deshalb ausreichend vertreten sein. Tatsächlich ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk an den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien gebunden. Was dabei gern übersehen wird: Dieser Grundsatz gilt für das Gesamtprogramm einer Anstalt und nicht für jedes einzelne Format. Es wird also niemand dazu gezwungen, AfD-Politiker:innen zu sich in die Sendung einzuladen.
Stattdessen sind ARD, ZDF & Co laut Medienstaatsvertrag zu etwas anderem verpflichtet: die Achtung der Menschenwürde zu schützen sowie die Achtung vor Leben, Freiheit und der Meinung anderer zu stärken. Dass die AfD diese Werte infrage stellt, ist mittlerweile mehrfach juristisch bewiesen. In sechs Bundesländern ebenso wie auf Bundesebene gilt die Partei als rechtsextremer Verdachtsfall, in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als „gesichert rechtsextreme Bestrebung“. Zuletzt hatte das Verwaltungsgericht Köln einen Beschluss veröffentlicht, wonach der Verfassungsschutz die Junge Alternative weiterhin als solche einstufen darf. Demokratisch gewählt bedeutet eben nicht gleich demokratisch.
Wenig Konfrontation
Dass Chrupalla das nicht einsehen möchte, war zu erwarten. Bei Lanz behauptete er, der Beschluss zur Jugendorganisation der AfD sei bloß ein weiterer Versuch, den Verfassungsschutz politisch zu missbrauchen, um die Opposition kurz vor den Landtagswahlen klein zu halten. Wenige Stunden zuvor war bekannt geworden, dass Teilnehmer:innen einer Wanderung der Jungen Alternative über Ghettos und Arbeitslager für Migrant:innen schwadroniert hatten.
Anstatt den AfD-Chef „inhaltlich zu stellen“, wie es so viele Fanatiker der Habermas’schen „Kraft des besseren Arguments“ in diesen Tagen fordern, ging Lanz auf Kuschelkurs. „Es gibt Menschen in dieser Sendung, die reden viel extremer als Sie“, meinte der Moderator zu Chrupalla und betonte dann auch noch, er kenne „sehr viele“ gemäßigte Parteimitglieder. Es war der verzweifelte Versuch, die moderate, vernünftige Seite der AfD noch irgendwo in den Sesselritzen aufzuspüren. Als wäre sie dann leichter von guten Argumenten zu überzeugen.
Dass diese Idealvorstellung ohnehin reichlich naiv ist, führte Chrupalla bei Lanz wieder einmal bilderbuchmäßig vor. Kunstvoll wich er Fragen aus, drehte Vorwürfe um und stellte Fakten auf den Kopf. Am Ende stellte Lanz resigniert fest: „Heute geht es nur um Sie, Herr Chrupalla!“ Ursprünglich sollte es in der Sendung um Wirtschaft gehen. Stattdessen bekam Chrupalla die Chance, sich und seine Partei weitere 75 Minuten lang zum Opfer zu stilisieren.
Ein Argument gegen den Ausschluss von AfDler:innen lautet: Man sollte dem Opfermythos nicht in die Hände spielen. Lanz hat bewiesen: Man tut es auch, wenn man sie einlädt. Als Chrupalla sich beim Moderator beschwerte, als „Parasit“ und „Rattenfänger“ bezeichnet zu werden, pflichtete der ihm mit den Worten bei: „So sollte man nicht übereinander sprechen.“ Fehlte nur noch, dass er ihm zärtlich über den Kopf streichelt.
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