Razzien bei der Letzten Generation: Klima der Kriminalisierung
Es ist unsäglich, die Klimabewegung auch nur annähernd wie die „Reichsbürger“-Terrorgruppe zu behandeln. Derweil verschärft sich die Klimakrise immer weiter.
E s eskaliert bei der Letzten Generation – aber nicht vonseiten der Aktivist:innen. Mit drastischen Vorwürfen und Mitteln ist die Staatsanwaltschaft im brandenburgischen Neuruppin gegen die Klimagruppe vorgegangen. Elf Razzien gab es über Deutschland verteilt. Noch vor Sonnenaufgang durchwühlten Polizist:innen Schränke, konfiszierten Computer, Handys und Info-Material, wie die Letzte Generation zuerst selbst bekannt gab.
Die Staatsanwaltschaft bestätigte die Hausdurchsuchungen später. Besonders einer der Vorwürfe hat es in sich: Verdacht auf Bildung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Schon die Mitgliedschaft in einer solchen Gruppe kann zur Inhaftierung führen, sogar die bloße Unterstützung oder Werbung.
Das weckt unweigerlich Erinnerungen an die vergangene Woche, an die Razzien bei der mutmaßlichen „Reichsbürger“-Terrorgruppe. Bei den rechtsextremen Verschwörungsideolog:innen fand die Polizei Waffen, Feindeslisten und ausgefeilte Pläne für einen Staatsstreich.
Es ist unsäglich, die Klimaaktivist:innen in nur annähernd ähnlicher Manier zu behandeln – selbst wenn sie Straßen blockieren oder etwa in der Vergangenheit Ventile an Ölpipelines zugedreht haben. Natürlich sind diese Aktionen illegal, sodass der Staat dagegen vorgehen muss. Die Aktivist:innen akzeptieren die juristischen Folgen ihrer Aktionen ja. Sie verhalten sich außerdem friedlich – und protestieren offen vor aller Augen, oft sogar nach konkreter Ankündigung. Welche neuen Informationen sollten die Razzien da überhaupt bringen?
Eine Einstufung als kriminelle Vereinigung sollte der gesamten Klimabewegung Sorge bereiten. Es herrscht ein Klima der Kriminalisierung. Derweil verschärft sich die eigentliche Klimakrise weiter. Die globalen Treibhausgasemissionen sind dieses Jahr erneut gestiegen. Dabei müssten sie längst sinken. Laut dem Weltklimarat müssen sie noch vor 2025 ihren absoluten Höhepunkt erreichen und sich dann bis 2030 halbieren. Bis 2050 muss die Welt dann insgesamt klimaneutral sein. Sonst ist das Ziel, die Erderhitzung bei 1,5 Grad zu begrenzen, außer Reichweite. Dass das im Sinne der Menschheit klappt, erscheint derzeit unwahrscheinlich.
Auch das Prestigeprojekt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) scheint daran erst einmal nicht viel zu ändern: ein Klimaclub, vorerst der G7-Staaten. Der enthält für seine Mitglieder bislang zu vage Klimaschutzvorgaben – und setzt den Nichtmitgliedern zu wenig Anreize, dem Club überhaupt beizutreten. So droht das Format zu einer weiteren Laberrunde zu werden.
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