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Leistungsloses EinkommenWarum Erben lieber über „Neid“ reden als über Gerechtigkeit

Jährlich werden Milliarden vererbt – ein leistungsloses Einkommen. Kritiker werden als neidisch diffamiert. Dabei haben sie gute Argumente.

Wer nicht erbt, gehört zu den Verlierern des Wohnmarktes Foto: Stefan Jaitner/picture alliance

G erade wird wieder viel über das Thema „Erben“ geschrieben, denn in den nächsten Jahren werden in Deutschland etwa 400 Milliarden Euro vererbt. In den Artikeln geht es aber meistens nicht um die Ungerechtigkeit, die so ein leistungsloses Einkommen darstellt, sondern die Umstände, die es macht: Streit mit den Geschwistern, Probleme mit der geerbten Immobilie, Unsicherheit wegen Steuertricks.

Probleme, die andere – also die Nicht-Erben – gerne hätten. Da in den Städten sicheres Wohnen nur noch im Eigentum möglich ist, Wohneigentum sich aber nicht mehr durch normale Lohnarbeit erwerben lässt, wird das Erben zum alles bestimmenden Standortvorteil bei der Problemsache Wohnen. Aber who cares?

Konservative und Liberale haben von Haus aus kein Problem mit dem ­Erben – wer nicht erbt, hat eben Pech gehabt. Aber auch die linke Erbscham hält sich in Grenzen. Auch, wer eher woke und links ist, verteilt in der Praxis nicht gerne um. Schließlich haben die Eltern dafür gearbeitet (oder die Großeltern?).

Das Geld wurde ja bereits versteuert! Der Mietenmarkt ist das Allerletzte! Wir haben Kinder! Die Eltern wollten es uns unbedingt schenken! Wir leben selbst prekär!

Der linksgrüne Erbe steckt das Geld vielleicht in eine Baugruppe und baut was ökologisch Sinnvolles, was die Sache aber auch nicht gerechter macht. Denn diese Möglichkeit bleibt Menschen mit leistungslosem Einkommen durch Elternhintergrund (Erben) vorbehalten.

Feudale Praxis des Erbens

Kritik an der undemokratischen, letztlich feudalen Praxis des Erbens wird allgemein gerne als Neid diskreditiert. Dabei können die Gefühle der Nicht-Erben von leichter Resignation über Vergeblichkeitsgefühle bis zum tiefen Empfinden sozialer Ungerechtigkeit durch die Aushebelung des angeblich herrschenden Leistungsprinzips in der Gesellschaft reichen.

Was gegen Neidgefühle getan werden kann: die angeborene Überlegenheit der Eliten akzeptieren

Statt Mitgefühl zu zeigen, wird den Nicht- Erben eine hässliche Charaktereigenschaft unterstellt: Neid. Dieses uralte Gefühl gehört ja zu den sieben Todsünden und gilt schon in der Bibel als verachtenswert. Mit den neueren Komposita wie „Sozialneid“ oder „Neiddebatte“ lässt sich zudem jede Kritik an sozialer Ungleichheit einfach als Neid denunzieren. Dabei ist die „Neiddebatte“ nichts anderes als ein Begriff zur Verteidigung von Klassenunterschieden und Privilegien. So weit, so ungut.

Da dies aber auch eine Ratgeberkolumne ist, wollen wir den Nicht-Erben an dieser Stelle hilfreich beiseitestehen und haben deshalb recherchiert. So gab der konservative Soziologe und Neidforscher Helmut Schoeck in seinem Standardwerk „Der Neid und die Gesellschaft“ prima Tipps dazu, was ­gegen Neidgefühle getan werden kann:

Hoffnung auf Entschädigung im Jenseits, Glauben an die Rechtsordnung, Bescheidenheit und einfach mal die angeborene Überlegenheit der Eliten akzeptieren.

Die Kolumnistin hingegen gehört eher der nichtkonservativen Neidforschung an und empfiehlt: soziale Gerechtigkeit politisch einfordern, effektive Besteuerung großer Erbschaften, Mietendeckel, Übergewinnsteuer, Vermögensteuer, Vergesellschaftung.

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8 Kommentare

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  • Was mich interessiert:



    was sind denn für die Kolumnistin „große Erbschaften“?



    Ansonsten gehöre ich zu denen, die sagen, „Pech gehabt“ wenn man nichts erbt. Aus den oben bereits genannten Gründen.



    Und klar ist es sch….e, wenn man nichts zurücklegen kann um es an Kinder oder Enkel zu geben, es gibt aber genauso die Fälle, wo nichts zurückgelegt werden will, sondern die Kohle durchgebracht wird.



    Und oft ist mit dem Erbe auch Verantwortung verbunden, sei es für eine Firma und Mitarbeiter, sei es für die Pflege der Oma.

    • @kiwitt:

      Sie schreiben das mit dem "die Kohle durchgebracht" so, als wäre das etwas schlechtes.



      Im Gegenteil: Ohne den großen Fokus auf das Erbe, das man den Kindern hinterlassen muss (Weil sie es sonst deutlich schwerer haben) würden Menschen weniger auf die hohe Kante legen, stattdessen mehr Geld ausgeben. Weil mehr Konsum irgendwann auch nicht mehr glücklich macht, geht das Geld in Dienstleistungen, was die Wirtschaft in der eigenen Region deutlich ankurbelt und somit allen hilft, auch den Kindern von denen, die nichts zurücklegen können.

  • Fred Feuerstein hat recht.



    Wenn Eltern Eigentum erwerben und erwirtschaften, dann zahlt immer die ganze Familie dafür - nämlich in den Jahren, in denen gespart wird, statt das Geld gleich wieder restlos auszugeben.

    2.) Das Gemeinwesen sollte sehr froh sein, wenn Eltern Eigentum erwerben, denn das Gemeinwesen WILL, dass alle für das Alter vorsorgen. Das Eigentum der Eltern wird ZUERST für Pflege und Altenheim zur Verfügung stehen müssen. Und das entlastet alle Steuerzahler. Und erst danach ist die Frage, ob etwas zum Vererben übrigbleibt. Wer aber nichts gespart hat oder nicht sparen konnte, der wird Sozialleistungen beantragen (müssen).

    Drittens: Wenn ich etwas erarbeitet habe, dann will ich selbst bestimmen können, wer das bekommt. Die Erbschaftssteuer missachtet die Familien und behandelt alle Menschen wie anonyme, isolierte Subjekte. Die Erbschaftssteuer ist das LEISTUNGSLOSE Einkommen des Staates.

    4.) Schauen Sie mal, "Omas Haus" in Süddeutschland kostet, nach jahrelanger Inflation. Die Freibeträge sind von der Inflation überholt worden und lächerlich gering.

    5.) Ein Staat der die Selbstbestimmung des Erblassers entwertet fördert AUSWANDERUNG der Gebildeten u. Werktätigen.

    • @Raumzeitgenosse:

      Erbschaften, die außer Landes geschafft werden könnten, sollten überhaupt nicht angehäuft werden können.



      Die Immobilie, die den Lebensabend sichern soll, emigriert nicht mal eben.



      Der bloße Haufen Geld auf Konto und in Aktienfonds, könnte auch von denen ausgegeben werden, die es erwirtschaftet haben. Nämlich für ihre eigene Alters-Sorge.



      Genug anzuhäufen, um bis zum 150. in Saus und Braus leben zu können, ergibt nicht wirklich Sinn.



      Reste, die bleiben, weil man es doch nicht bis zum 90sten geschafft hat, übersteigen in den meisten Fällen nicht die Freibeträge.

  • Die Kolumnistin spannt einen weiten Bogen - und benennt im Mittelteil dann auch vollkommen richtige Argument - um dann unter dem Aspekt der "sozialen Gerechtigkeit" alle möglichen Umverteilungsforderungen zu erheben. Nur was sollte daran eigentlich gerecht sein, wenn durch Leistung Erschaffenes (und sei es auch nur durch die Vorgenerationen) ohne jede Leistung umverteilt werden soll? Wenn man als Nichterbe (ich gehöre dazu) Erbschaften beäugt sollte das doch eher Ansporn sein, selbst an seine Nachfolger zu vererben. Die zum Vermögensaufbau notwendige Leistung wird dabei bereits mehr als hinreichend besteuert.

    Anders als die Autorin meint, ist das Recht auf Erbschaft grundgesetzlich demokratisch gesichert.

    • @DiMa:

      Der Vermögensaufbau über den eigenen Bedarf hinaus ist bereits ein Problem für die Gesamtwirtschaft.



      Das Geld, das sich nur um sich selbst dreht, statt Realwirtschaft (Produktion und Dienstleistung) zu finanzieren, fehlt genau an der Stelle, an der Werte geschaffen statt bloß verwaltet werden.

  • Warum sollte ich mein Erbe nicht meinen Kindern vermachen? Ich habe 50 Jahre dafür geschuftet,die Kinder mussten notgedrungen in dieser Zeit auf manches verzichten.Soll das Erbe an irgendjemand gehen, mit dem mich absolut nichts verbindet? Im übrigen wird schon seit Jahrhunderten überall auf der Welt vererbt. Zum Ausgleich gibt es ja eine Erbschaftssteuer.Wer zusätzlich „reich“ werden möchte, darf gerne ab morgen selbständig werden :Bäckereien, Schreinereien, Arztpraxen, landwirtschaftliche Betriebe usw werden nahezu jeden Tag in D verschenkt. Da können sich „Nichterben“ gerne nützlich machen. A bisserl arbeiten müssens dann aber schon dafür.

    • @Fred Feuerstein:

      Ein Erbe, welches dadurch entstanden ist, dass die ganze Familie Verzicht üben musste, fällt in den seltensten Fällen in die Kategorie, die mit der erhöhten Erbschaftssteuer abgfangen werden soll.



      Große Erbschaften gibt es in Familien, in denen die Erben bereits mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden.



      Selbst die gerne genannten Häuser am Starnberger See würden nicht von der Erbschaftssteuer "gefressen" wenn die Erben selbst dort wohnen wollen würden. Diejenigen, die hier am lautesten Jammern, "müssen" solche Häuser nur verkaufen, weil sie sich nicht (mindestens) dreiteilen können, um jedes geerbte Haus gleichzeitig zu bewohnen.