Israels Krieg in Gaza: Forscher sehen einen Genozid
Führende Experten sehen Kriterien für einen Völkermord in Gaza erfüllt. Die israelische Regierung reagiert scharf auf die Resolution.
taz | Das israelische Außenministerium antwortete hart. Es warf den renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor, auf eine „Lügenkampagne der Hamas“ hereingefallen zu sein, und sprach von einer „Schande“ und einer „Blamage“. Ihr Verband habe damit „einen historischen Präzedenzfall geschaffen“, erklärte das Außenministerium: Zum ersten Mal hätten Völkermordforscher das Opfer eines Völkermords beschuldigt, selbst einen zu verüben. Das Ministerium meint den Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023, den es einen „versuchten Völkermord“ nennt.
Was ist geschehen? Die weltweit führende Vereinigung von Völkermordforschern sieht die rechtlichen Kriterien für einen Genozid durch Israel im Gazastreifen als erfüllt an. In einer am Montag verabschiedeten Resolution heißt es, Israels Politik und Vorgehen in Gaza erfüllten die rechtliche Definition von Völkermord gemäß der UN-Konvention von 1948. Die Resolution sei mit einer Mehrheit von 86 Prozent der abstimmenden Mitglieder verabschiedet worden, teilte die Präsidentin der International Association of Genocide Scholars (IAGS), Melanie O’Brien, mit. Die IAGS ist die weltweit größte Fachvereinigung von Völkermordforschern und umfasst eine Reihe von Holocaust-Experten. Von ihren 500 Mitgliedern nahmen allerdings nur 28 Prozent an der Abstimmung teil.
Völkerrechtsprofessorin O’Brien betonte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters dennoch: „Es ist eine endgültige Aussage von Experten auf dem Gebiet der Völkermordforschung, dass das, was vor Ort in Gaza geschieht, Völkermord ist.“ In der Resolution erklärt die Vereinigung zudem, dass auch der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ein Kriegsverbrechen darstelle. Die UN-Völkermordkonvention von 1948 definiert Völkermord als Verbrechen, die „in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“.
Laut Washington Post plant die US-Regierung, den Gazastreifen zu übernehmen und die Bevölkerung zu vertreiben. Wie die Zeitung schreibt, wollen die USA den Gazastreifen für mindestens zehn Jahre unter eine von ihnen verwaltete Treuhandgesellschaft stellen. Die 2 Millionen Menschen, die dort leben, sollen entweder mit Geld (die Rede ist von je 5.000 US-Dollar) zur Ausreise in ein anderes Land bewogen oder in abgesperrten Zonen innerhalb des Küstenstreifens konzentriert werden.
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