Vergewaltigungsvorwurf gegen Mockridge: Das Opfer bin ich
Comedian Luke Mockridge wehrt sich in einem Statement gegen Vergewaltigungsvorwürfe. Dabei greift er auf alte Argumentationsmuster zurück.
Nun spricht er also doch. Seit über einem halben Jahr kursieren Vorwürfe gegen den Comedian Luke Mockridge, er habe seine Ex-Freundin versucht zu vergewaltigen. Der 32-Jährige, der auf dem TV-Sender Sat.1 diverse eigene Showformate moderiert, gilt als einer der derzeit erfolgreichsten Entertainer des deutschen Fernsehens.
Nachdem sich zuletzt vor allem Feminist_innen unter dem Hashtag #KonsequenzenfürLuke organisierten, um weitere Ermittlungen sowie Stellungnahmen von Mockridges Auftraggebern zu fordern, meldete er sich nun am vergangenen Wochenende auf seinem Instagram-Account persönlich zu Wort.
„Es kann keine Konsequenzen geben für etwas, das nicht passiert ist“, beteuert Mockridge darin. Er beruft sich dabei auf die Einstellung der Ermittlungen gegen ihn. Selbstverständlich gilt auch für Mockridge zunächst die Unschuldsvermutung, solange seine Schuld vor Gericht nicht bewiesen ist. Dennoch lohnt es sich, das achtminütige Videostatement genauer unter die Lupe zu nehmen. Weil darin Argumentationsmuster zutage treten, die altbekannt sind und verdeutlichen, wie Betroffene seit jeher entmutigt und zum Schweigen gebracht werden.
1. Ich bin hier das Opfer
Das Video beginnt mit der Ankündigung, dass Luke Mockridge dieses Jahr nicht mehr auftreten werde. Der Comedian erzählt von einer „Welle von Hass“, die ihm seit Monaten im Netz entgegenschlägt und unter der er sehr leide: „Ich bin Comedian, ich kenne das nicht. Ich stehe für ’ne gute Zeit.“ Natürlich ist es unschön, wenn Mockridge und seine Familie anonyme Drohungen bekommen.
Jedoch bleibt das bis zum Ende der generelle Tenor seines Statements. Anstatt seine eigene Auseinandersetzung mit dem Thema sexualisierte Gewalt zu teilen, entscheidet sich Mockridge dazu, den Vorwurf lediglich als „schreckliche Nummer“ abzutun und sich voll und ganz auf sein eigenes Leiden zu konzentrieren: Ich bekomme Hassnachrichten. Mir geht es nicht gut. Will heißen: Ich bin nicht Täter, sondern das eigentliche Opfer.
2. Ermittlungen eingestellt
Luke Mockridge wurde von der Betroffenen angezeigt und beschreibt seinen Schock über das, was er in der Anzeige zu lesen bekam. In einer Nacht während der gemeinsamen Beziehung habe er versucht, seine Ex-Freundin zu vergewaltigen. Die Staatsanwältin sowie der Generalstaatsanwalt hätten aber keinen Tatverdacht gefunden, damit sei die Sache juristisch erledigt, sagt Mockridge.
Was der Entertainer natürlich nicht sagt oder was ihn möglicherweise auch nicht interessiert, ist, dass in den meisten Vergewaltigungsfällen, und vor allem bei solchen innerhalb einer Beziehung, genau das passiert: Die Ermittlungen bzw. Verfahren werden oft wegen mangelnder Beweislage eingestellt. Feminist_innen kritisieren diese Schwachstelle im Justizsystem seit Jahrzehnten.
3. Disneyland
Mockridge erklärt, dass sich die Anschuldigungen nicht mit dem decken, was er und seine Ex-Freundin erlebt hätten. Das Paar sei nach der besagten Nacht noch zusammen gewesen und hätte in Disneyland Urlaub gemacht. Was Mockridges Erzählung suggeriert, ist etwas, was sehr häufig gegen Betroffene verwendet wird: Wenn man wirklich versucht hat, dich zu vergewaltigen, warum hast du dich nicht sofort getrennt und bist zur Polizei gerannt? Warum haben wir mit Mickey-Mouse-Ohren Selfies geschossen?
Bei dieser Argumentation werden nicht nur die widersprüchlichen Dynamiken in toxischen Beziehungen völlig außer Acht gelassen, sondern auch der Umstand, dass Betroffene meist über Monate oder gar Jahre hinweg das Erlebte verdrängen können oder müssen, um schlicht zu überleben.
4. Der anonyme Mob
Mockridge behauptet, hinter seinen Kritiker_innen steckten vor allem anonyme Twitter-Accounts. Er versucht somit das Bild eines hysterischen, ungerechten Mobs zu erzeugen. Dabei haben sich etliche Feminist_innen auch unter Klarnamen und mit Foto zu diesem Thema geäußert, etwa im Rahmen der von Aktivist_in Jorinde Wiese gestarteten „Luke-Challenge“ auf Instagram, bei der sich User_innen mit vorgegebenen Handzeichen mit der Betroffenen solidarisierten und kritische Stellungsnahmen von Mockridges Auftraggebern Sat.1, WDR und 1 Live forderten.
5. Echte Betroffene
Es habe aber auch „echte Menschen“ gegeben, die unter dem Hashtag #KonsequenzenfürLuke ihr Leid geteilt und Solidarität erfahren hätten, auch von ihm, betont Mockridge, selbst wenn all das auf seinem Rücken ausgetragen worden sei. „Das ist mein Wertesystem“, sagt Mockridge und erläutert nicht weiter, was damit genau gemeint ist.
Vermutlich möchte Mockridge damit sagen, dass er natürlich gegen Vergewaltigungen ist, doch er erklärt nicht, was für ihn eine „echte“ Vergewaltigung ist, was eine „echte“ Betroffene ausmacht, ob er sich über die Grauzonen Gedanken gemacht hat, die Tätern oft nicht bewusst sind, gerade wenn es um Gewalt innerhalb einvernehmlicher Beziehungen geht. Solange Mockridges Position zu all diesen Punkten unklar ist, hört sich diese Solidarisierung eher nach einem Versuch an, die Betroffenen gegeneinander auszuspielen.
6. Schwierige Trennung
Mockridge beschreibt die Trennung von seiner Ex-Freundin als sehr emotional und erzählt, die Betroffene habe noch Monate danach seine Brüder und Kollegen kontaktiert. Diese Information wird nicht weiter kommentiert, aber darauf folgt die angeblich überraschende Anzeige. Die Erzählung von der verletzten Ex, die sich mit Vergewaltigungsvorwürfen rächen will, ist eine klassische Strategie zur Täter-Opfer-Umkehr.
7. Ruhm
Die Betroffene, ebenfalls Comedienne und Podcasterin, sprach in der Vergangenheit immer wieder öffentlich von ihren Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt, allerdings ohne ihren Ex-Partner namentlich zu nennen. Auch Mockridge nennt ihren Namen nicht. Deshalb wird er auch an dieser Stelle nicht genannt. Dennoch spricht Mockridge im Video sein Unbehagen darüber aus, persönliche Erfahrungen medial auszuschlachten, etwa in Podcasts und auf der Bühne.
Er wirft seiner Ex-Freundin damit unterschwellig vor, sich an diesem Vorwurf bereichern zu wollen. Abgesehen davon, dass diese These nicht aufgeht, da die Betroffene Mockridges Namen nicht einmal in den Mund genommen hat – Social-Media-User_innen haben Mockridge über eigene Recherchen als mutmaßlichen Täter identifiziert: Auch diese Argumentation ist eine häufig genutzte Methode des Victim Blamings, um der Betroffenen ihre Glaubwürdigkeit zu entziehen.
Mit diesem eigentlich wohlüberlegt anmutenden Videostatement, das all jene misogynen Denkmuster Punkt für Punkt reproduziert, kann Luke Mockridge selbst auch nicht gerade mit Glaubwürdigkeit punkten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül