Umfrage zur Landtagswahl Sachsen-Anhalt: Spitzenwert für Rechtsextreme
Die AfD liegt laut einer Umfrage bei 39 Prozent in Sachsen-Anhalt. Die Wahl steht nächstes Jahr an. Wie das bei Demokrat:innen im Land ankommt.
Laut Infratest dimap beteiligten sich 1.167 Wahlberechtigte aus Sachsen-Anhalt in der zufallsbasierten Telefon- und Onlinebefragung. Auf dem dritten Platz kam bei ihnen demnach die Linke mit 13 Prozent und dann die SPD mit 7 Prozent. Mit den Zahlen neu im Landtag Sachsen-Anhalt wäre das BSW mit 6 Prozent. Die Grünen und die FDP kämen hingegen nicht über die Fünf-Prozent-Hürde und würden aus dem Parlament ausscheiden.
Die Werte waren in Sachsen-Anhalt einigermaßen erwartbar. Schon bei der Bundestagswahl im Februar bekam die AfD mit 37,1 Prozent den höchsten Stimmanteil. Vor einem Monat hatte zudem der bisherige Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) angekündigt, nicht erneut für das Amt zu kandidieren. In der Umfrage wurde er allerdings immer noch als bekanntester und beliebtester Politiker des Landes geführt.
Sein Nachfolger, der aktuelle Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU), schaffte es zumindest bei der Bekanntheit auf den zweiten Platz. Allerdings gaben mehr Befragte an, sie seien mit der politischen Arbeit des AfD-Spitzenkandidaten Ulrich Siegmund sehr zufrieden. Siegmund hatte schon im Mai bekannt gegeben, er wolle bei der Landtagswahl ein AfD-Ergebnis, mit dem die Partei allein in Sachsen-Anhalt regieren kann. Dann wolle er vor allem eine „Abschiebeoffensive“ umsetzen und kritischen Vereinen das Geld entziehen.
Eine Umfrage ist keine Wahl
Der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne von der TU Chemnitz sagt, die Umfragen seien immer nur Momentaufnahmen. „Allerdings zeigen sie ein Muster relativ verfestigter Zustimmungswerte für die Parteien.“ Insofern seien die Ergebnisse ernst zunehmen.
Aus der Forschung wisse man, dass auch Umfragen selbst das Wahlergebnis beeinflussen. „Beispielsweise können Menschen bei der Wahl einen Bogen um kleinere Parteien machen, wenn sich diese zuvor in Umfragen unterhalb der Sperrklauseln befanden“, erklärt Höhne.
Der Extremismus-Experte David Begrich vom Magdeburger Verein Miteinander erklärte auf Anfrage der taz, er halte eine Regierungsbeteiligung der AfD trotz der Umfrageergebnisse weiterhin für unwahrscheinlich – wenn auch nicht unmöglich. „Aber es zeigt, dass die AfD und ihre Politik in großem Ausmaß normalisiert ist“, sagt er.
Begrich halte es für besonders wichtig, diejenigen im Blick zu behalten, für die das Erstarken der AfD eine Gefahr ist: die kritische Zivilgesellschaft, Kultur und Menschen im migrantischen Kontext. „Der AfD geht es um die Zerstörung der politischen Kultur in diesem Land.“ Doch bis zur Wahl, betont er, sei es noch ein Jahr hin.
Luna Möbius, Aktivistin und politische Creatorin für Social Media aus Sachsen-Anhalt, sagt, sie sei eine derer, „die ernsthafte Angst haben, ob die bei diesen Umfragewerten noch gut in Sachsen-Anhalt leben werden“. Trotzdem: Die Umfragewerte seien nicht in Stein gemeißelt. Bis zu Wahl könne sich daran noch etwas ändern. „Statt jetzt so zu tun, als wäre alles schon entschieden, heißt es jetzt: Herkommen, zuhören, anpacken.“ Auf Social Media wolle sie mehr dafür tun, um den Fokus von Diskussionen auf Sachsen-Anhalt zu verschieben.
Am kommenden Samstag in Quedlinburg wählt die SPD ihren Spitzenkandidaten. Voraussichtlich wird es der aktuelle Wissenschaftsminister Armin Willingmann. Auf Anfrage der taz erklärte er am Donnerstag, das Umfrageergebnis sei ernüchternd. Wichtig sei nun, die „richtigen Schlüsse“ zu ziehen: Es werde nicht darum gehen, welche Partei die stärkere ist, sondern darum, „ob es eine demokratische Regierungsmehrheit im Landtag geben wird.“ Um das abzusichern, brauche es eine starke SPD. Mit „pragmatischer und seriöser Politik“ wolle Willingmann „konkrete Antworten“ liefern.
„Erschütternder Weckruf“
Auch der CDU-Generalsekretär in Sachsen-Anhalt, Mario Karschunke, betonte, dass es sich bei der Umfrage um eine Momentaufnahme handle. Das Ergebnis sei aber ein „erschütternder Weckruf. Das ist nicht unser Anspruch.“ Nun gelte es für die CDU, die Reihen hinter ihrem Spitzenkandidaten Schulze zu schließen.
Offiziell wird Schulze bei der Listenaufstellung am 1. November bestätigt. Bis dahin könnte die CDU noch auf den beliebteren Haseloff umschwenken. Aber von der Idee hält Karschunke nichts. „Reiner Haseloff hat seinen Nachfolger ganz klar empfohlen.“ Es gehe darum, den „Generationenwechsel gemeinsam“ hinzubekommen.
Schwierig für die CDU in Sachsen-Anhalt sei zudem die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung. Deren Arbeit sei zwar gut gestartet, aber dann ins Stocken geraten. Mangelnde Glaubwürdigkeit, der Streit zwischen den Regierungsmitgliedern oder aktuell die Probleme bei der Energiewende: „Die Bundesregierung ist unbeliebter als es die Ampel je war“, bemängelt Karschunke. „Diesen Gegenwind bekommen wir voll und ganz ab.“
Trotzdem wisse die Bundespartei, wie wichtig die Landtagswahl im September 2026 werde und unterstütze den CDU-Verband in Sachsen-Anhalt. Karschunke gibt sich optimistisch. „Wir werden die Wahl gewinnen“, sagt er bestimmt.
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