Rücktritt von Boris Palmer: Zeit für echte Läuterung

Boris Palmer musste selbst einsehen, dass er Grenzen überschritten hat. Jetzt will er sich Hilfe holen. Gute Idee.

Boris Palmer strahlend nach seiner Wiederwahl zum Oberbürgermeister von Tübingen

Da konnte er noch strahlen: Boris Palmer nach seiner Wiederwahl zum Oberbürgermeister von Tübingen Foto: Ulmer/imago images

Der Einzige, der Boris Palmer im Weg stand, war immer Boris Palmer selbst. Jetzt hat der talentierte Politiker, erfolgreiche Oberbürgermeister, aber auch unberechenbare Quartalsquerulant mit einem surrealen Auftritt vor einem Gebäude der Goethe-Universität in Frankfurt seine letzten engen Unterstützer verloren. Seiner Grünen Partei, die er nie verlassen wollte, hat er mit dem freiwilligen Austritt gestern immerhin einen Dienst erwiesen.

Wer sich im Netz anschaut, wie der Politiker vor einer Gruppe Demonstranten unhaltbare Positionen verteidigt und sich zu diesem unsäglichen Judenstern-Vergleich provozieren lässt, fühlt sich aufs Tragischste an dessen Vater erinnert. Helmut Palmer war selbst ein Opfer des Naziregimes. Als Politfaktotum der jungen Bundesrepublik goss er manchmal berechtigte, aber oft maßlose Polemik über Politiker aus. Wegen seiner Beschimpfungen musste er mehrfach ins Gefängnis.

Sohn Boris Palmer schreibt jetzt in seiner Erklärung zum Austritt, dass ihn Konfliktsituationen wie in Frankfurt in Situationen, die er als Kind mit seinem Vater erlebt hat, zurückversetzen. Er wolle eine Auszeit nehmen und sich professionelle Hilfe holen. Sicher eine gute Idee.

Boris Palmer standen politisch alle Wege offen. Zwischen seinen großen Auftritten etwa beim Runden Tisch zu Stuttgart21, wo er gestandene Bahn-Manager in ihrem Fachgebiet belehren konnte, und seinem Auftritt in Frankfurt liegt eine stetige Eskalationsspirale aus Überspitzungen, Vorverurteilungen und rassistischer Wortwahl, die ihm bundesweite Aufmerksamkeit brachten, aber seine politischen Anliegen immer mehr überdeckten.

Sein letzter großer, aber auch sehr egomaner Erfolg war sein erneuter Wahlsieg als Oberbürgermeister von Tübingen im vergangenen Herbst gegen die eigene Partei. Die war danach zähneknirschend bereit, Palmers ruhende Mitgliedschaft in einem Mediationsprozess wiederzubeleben. Palmer gab sich geläutert, wollte künftig sein Verhalten auf Facebook und im wirklichen Leben besser kontrollieren. Diese letzte Chance ist nun vertan. Das scheint nun sogar Boris Palmer einzusehen.

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Benno Stieber ist seit 2015 Landeskorrespondent der taz in Baden-Württemberg. In Freiburg als Österreicher geboren, lebt er heute als eingefleischter Freiberufler wieder im badischen Landesteil. Er ist Absolvent der "Deutschen Journalistenschule" in München und hat dort auch Geschichte und Politik studiert. Er schrieb unter anderem für die "Financial Times Deutschland", hat einen erfolgreichen Berufsverband gegründet und zwei Bücher geschrieben. Eins über Migranten nach der Sarrazin-Debatte und eins über einen Freizeitunternehmer aus dem Südwesten.

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