Diskussion um Strafen für Freier: Ein anderer Blick auf Frauen
Es geht um Menschenrechte, nicht um Moral. Warum wir beim Thema Sexkauf auch in Deutschland das nordische Modell brauchen.
I n Deutschland weiß jeder Mann, dass er für 100, 30 und weniger Euro eine Frau findet, deren Vagina, Anus und Mund er penetrieren kann. Er weiß, dass er jederzeit eine Frau mieten kann, die vor ihm niederkniet und ihm einen bläst – gegen Aufschlag ohne Kondom und mit Spermaschlucken. Er kann dabei wählen: Will er eine Bulgarin, Rumänin, Ungarin oder lieber eine kostspieligere Deutsche? Das Recht hat er dabei auf seiner Seite. In unserem Land ist der Kauf „sexueller Handlungen“ an einem Frauenkörper, einem Menschenkörper, legal.
Wie sieht ein Mann in so einer Gesellschaft generell Frauen an? Seine Frau oder Lebensgefährtin? An jedem Mann – auch an dem, der nicht in ein Bordell geht – wirkt die Idee, dass er theoretisch die Macht hat, sich die Körperöffnungen einer Frau zu mieten. Das ist ein katastrophaler Gesellschaftsentwurf.
„Wie doppelzüngig wirkt da die MeToo-Debatte, in der wir uns empören, wenn Frauen an Busen und Po gefasst wird, es aber voll in Ordnung finden, wenn man mit Frauen für 40 Euro weit mehr machen kann!“, sagt Leni Breymeier, SPD-Bundestagsabgeordnete. „Das macht jahrzehntelange Anstrengungen zur Geschlechtergleichstellung zunichte!“ Breymeier setzt sich daher zusammen mit anderen SPD-Frauen für ein Sexkaufverbot nach schwedischem Vorbild ein. Dieses bestraft nicht die Prostituierten, sondern die Sexkäufer, also die Freier.
In bestimmten feministischen Kreisen und von der Lobby der „selbstbestimmten SexarbeiterInnen“ wird das Sexkauf-Verbot unter den Verdacht der „Prüderie“ gestellt. Ein Verbot, so die Logik, nähme den Huren die sexuelle Selbstbestimmung und stoße sie ins Dunkel, in die Illegalität. Doch das ist Unfug. Denn dunkler kann es in dieser Branche gar nicht mehr werden.
geboren 1972, freie Journalistin aus München, ehemalige Bayern-Korrespondentin für die taz von 2015 bis 2017, schreibt schwerpunktmäßig über Ökologie. Ihr Motto: Eine friedlichere Welt haben wir dann, wenn auch Frieden und Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern herrschen.
Deutschland – das Bordell Europas
Ein tiefer Feminismus schaut genauer auf die Situation der Frauen: Seit der Liberalisierung der Prostitution 2002 ist Deutschland das Bordell Europas geworden. Hier schaffen geschätzt an die 400.000 Frauen an. Damit liegen wir weltweit auf Platz sechs, zusammen mit Ländern wie China, Mexiko, Thailand oder den Philippinen. Die Mehrheit der Prostituierten hier sind Migrantinnen, größtenteils aus Rumänien, Ungarn, Bulgarien und Nigeria. Hierbei überwiegen Frauen aus sozialen Gruppen, die in ihren Heimatländern besonders von Armut und Ausgrenzung betroffen sind – wie türkischsprachige Bulgarinnen oder Roma-Frauen. Prostitution ist also eine Alarmglocke, die Ungleichheit und Ausweglosigkeit anzeigt, sie ist nicht Ausdruck einer lässigen Haltung zur Sexualität.
Im Windschatten der Legalisierung ist Deutschland eine Drehscheibe für Frauenhandel geworden, immer öfter mit minderjährigen Opfern. Das bestätigen aktuelle Lageberichte von Bundeskriminalamt und Europol. Demnach ist Deutschland auch ein beliebtes Zielland für Zwangsprostitution in Europa.
Was aber ist nun mit der „selbstbestimmten Hure“, der Lieblingsfigur der Prostitutionslegalisierer? Nun: Frauen, die ihren Körper verkaufen, haben überproportional häufig in ihrer Kindheit schwere Traumata erlitten, oft sexualisierte Gewalt. Ihr Schritt in die Prostitution ist nicht als Ausdruck innerer Freiheit zu deuten, sondern als Symptom einer posttraumatischen Belastungsstörung. Das belegen Studien des Bundesfamilienministeriums von 2004 und 2013, ebenso wie Studien der US-amerikanischen Psychologin Melissa Farley. Ihren Zahlen zufolge werden 60 bis 70 Prozent der Prostituierten während ihrer „Arbeit“ vergewaltigt.
Sexkäufer immer brutaler
Frauen, denen der Ausstieg gelungen ist, bestätigen gegenüber Frauenschutzorganisationen, dass die Sexkäufer immer brutaler werden und Praktiken einfordern, wie sie früher nur in SM-Clubs zu kriegen waren. Man muss sich nur durch Freierforen klicken, um zu lesen, um was es den meisten Männern geht: Dass man Thailänderinnen für den blow job wählen sollte, weil man aufgrund ihrer flachen Nasen den Penis tiefer in den Mund stoßen kann. Da geht es um die Freude am Gewimmer der Frau bei der analen Penetration. Oder um die Gangbang-Party mit einer schwangeren Prostituierten.
Die deutsche Juristin Rahel Gugel schreibt in ihrer Arbeit „Das Spannungsverhältnis zwischen Prostitutionsgesetz und Art. 3 II GG“, dass sich Prostituierte während ihrer Tätigkeit in einen mentalen Zustand versetzen, der ihre Empfindungen von dem Geschehen abkoppelt. Der Konsum von Drogen und Schmerzmitteln, von Alkohol und Psychopharmaka liegt bei Prostituierten deutlich über dem anderer Frauen. Ihre Lebenserwartung ist geringer, die Sterberate dafür 12-mal so hoch als in anderen Branchen.Sexarbeit
In Schweden zeigt das dort 1999 eingeführte Sexkaufverbot die gewünschten positiven Erfolge, weil es an gute Ausstiegshilfen für die Frauen gekoppelt ist, wie Therapien und Berufsausbildungen. Die Zahl der Sexkäufer ist um 80 Prozent, die der Prostituierten um 60 Prozent gesunken. Kaum ein EU-Land hat heute weniger Probleme mit Menschenhandel.
Die gängige Behauptung, die Frauen würden nun eben im Untergrund arbeiten, wies Simon Häggström, Kriminalinspektor und Leiter der Abteilung Prostitution der Stockholmer Polizei, zurück. „Die Frauen sind absolut sichtbar, schließlich sollen die Käufer sie ja finden. Mit einem internetfähigen Telefon und Telefonüberwachung finde ich jede Frau dort, wo sie angeboten wird.“ Seit 1999 sei zudem kein Anstieg der Gewalt an Frauen zu verzeichnen. Mit der Einführung des Sexkaufverbots ging in Schweden ein ganzes Gesetzespaket zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen einher, sowie eine breite Aufklärungsarbeit zur Gleichstellung der Geschlechter.
In Schweden ist der Paradigmenwechsel also gelungen. Kauf und Verkauf von Frauen werden dort als Verstoß gegen die Menschenwürde geächtet. Genau darum geht es: um Menschenwürde, nicht um Moral. Deswegen brauchen auch wir das nordische Modell.
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