Debatte um Prostitution: Bündnis gegen Sexkaufverbot

Sechs Verbände und Beratungsstellen wie Aidshilfe und Frauenrat wenden sich gegen Bestrebungen, den Kauf von sexuellen Dienstleistungen zu verbieten.

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BERLIN taz | In Berlin hat sich am Freitag ein neues Bündnis gegen ein Sexkaufverbot gegründet. „Eine Kriminalisierung von Sexarbeit schützt Prostituierte nicht vor Zwang, sondern führt zu mehr Gesundheitsrisiken, Gewalt und prekären Lebensverhältnissen“, heißt es in einem gemeinsamen Positionspapier (PDF) von sechs Verbänden und Fachberatungsstellen. „Wir fordern stattdessen Akzeptanz, Gesundheitsversorgung und den Ausbau freiwilliger Beratung“, sagte Holger Wicht von der Deutschen Aidshilfe.

Beteiligt am Bündnis sind hochkarätige Partner: neben der Aidshilfe bislang der Deutsche Frauenrat, der Deutsche Juristinnenbund, die Diakonie und zwei Beratungsstellen. „Wir gehen davon aus, dass in nächster Zeit weitere Unterstützer*innen zu uns stoßen“, sagte Wicht. Das Bündnis sei zunächst „mit heißer Nadel“ gestrickt worden, weil schon auf dem SPD-Parteitag im Dezember ein Antrag für ein Sexkaufverbot aus dem baden-württembergischen Landesverband der Partei erwartet werde.

Hintergrund der Gründung sind Bestrebungen wie diese, vor allem innerhalb der SPD Mehrheiten für ein Sexkaufverbot in Deutschland zu organisieren. Im Oktober traf sich zum ersten Mal ein interfraktioneller Parlamentskreis zum Thema, organisiert von zwei Bundestagsabgeordneten von SPD und CDU, Leni Breymaier und Frank Heinrich. Breymaier ist erklärte Befürworterin eines Sexkaufverbots, bei dem Freier bestraft werden, nicht aber die Sexarbeiter*innen selbst.

Neben der Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), Maria Noichl, hatten sich auch weitere Sozialdemokrat*innen wie der Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach für ein Verbot ausgesprochen. Die Unionsfraktion steht dem ohnehin offener gegenüber. Deren rechtspolitische Sprecherin Elisabeth Winkelmeier-Becker fordert einen „Paradigmenwechsel“ in Sachen Prostitution.

Negative Folgen eines Verbots sind belegt

Ein solcher wäre es tatsächlich, würde hierzulande ein Sexkaufverbot wie in Schweden, Norwegen oder Frankreich eingeführt werden. 2002 wurden in Deutschland die Rechte von Prostituierten gestärkt und sexuelle Dienstleistungen legalisiert. Nun jedoch, so das neue Bündnis, zeichne sich eine „erneute Debatte über den Umgang mit Prostitution“ ab: Prostitution, fürchten die Beteiligten, solle langfristig abgeschafft werden.

In einem siebenseitigen Papier beschreiben sie die negativen Folgen eines Sexkaufverbots, die durch verschiedene internationale Studien wissenschaftlich belegt sind. „Verbote verhindern weder Prostitution noch dämmen sie negative Auswirkungen ein“, heißt es in dem Papier. Stattdessen verschlechtere die Kriminalisierung die Situation von Sexarbeiter*innen dramatisch: Sie dränge die Arbeit ins Verborgene und verhindere Prävention sowie den Schutz vor Gewalt und Ausbeutung, weil auch der Aufbau eines sicheren Arbeitsumfelds unmöglich gemacht werde.

Wichtig sei hingegen, die Selbstbestimmung und Selbstorganisation von Sexarbeiter*innen zu stärken, Kenntnisse zur Verhütung zu vermitteln, niedrigschwelligen Zugang zu Test- und Behandlungsangeboten zur Verfügung zu stellen und die freiwillige Fachberatung auszubauen. Zudem müssten Betroffene von Menschenhandel besser geschützt werden, etwa durch Rechte unabhängig von Aufenthaltsfragen. Doch „Prostitution und Menschenhandel oder Zwangsprostitution müssen getrennt betrachtet werden“, so die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, Susanne Kahl-Passoth: Anders als Prostitution sei Menschenhandel eine Verletzung der Menschenrechte.

Die Verbände und Beratungsstellen kommen nicht zum ersten Mal zusammen: Schon als 2015 das Nachfolgegesetz der Legalisierung von Prostitution verhandelt wurde, das sogenannte Prostitutiertenschutzgesetz, wandten sie sich gemeinsam gegen Bestrebungen der Bundesregierung, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen und eine behördliche Anmeldung einzuführen.

Einige Regelungen, die als restriktiv empfunden wurden, fanden keinen Eingang ins neue Gesetz, Anmeldung und Pflichtberatungen allerdings schon. Auch dieses auf Kontrolle zielende Gesetz, zeigen erste Evaluationen etwa aus Nordrhein-Westfalen, führt vor allem dazu, dass Sexarbeiter*innen ins Verborgene abwandern und so Kriminalisierung und zusätzlichen Gefahren ausgesetzt sind.

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