Diskussion um AfD-Verbot: 10 Millionen WählerInnen lassen sich nicht wegzaubern
Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch befeuert die Debatte um ein Verbot. Doch damit sind die Probleme noch nicht gelöst.

E s klingt so einfach. So verlockend eindeutig und fest entschlossen. Problem erkannt, jetzt wird’s gelöst. Nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz die gesamte AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft hat, sind bei vielen Linken, Liberalen und anderen Demokraten die letzten Zweifel verflogen: Die AfD muss endlich verboten werden! Und zwar sofort!
Dieser Reflex ist nachvollziehbar. Welcher aufrechte Humanist wünscht sich nicht, dass eine rechtsextreme Partei wie von Zauberhand ein für alle Mal verschwindet? Doch wie immer, wenn etwas auf den ersten Blick sonnenklar erscheint, wäre es gut, noch einmal nachzudenken.
So verzagt es klingen mag, immer noch Bedenken vorzutragen und die Euphorie zu bremsen: Die möglichen Risiken eines AfD-Verbotsverfahrens sind leider nicht plötzlich weggefallen, nur weil die scheidende Innenministerin Nancy Faeser das Ergebnis eines Gutachtens bekannt gegeben hat.
Das Problem fängt schon mit dem Zeitpunkt an. Denn es kann ja nicht darum gehen, dass sie den bereits entschiedenen Befürwortern eines AfD-Verbots zum Abschied ein Geschenk macht. Um langfristig Erfolg zu haben, müssen die breite Mitte und vor allem auch die Union überzeugt werden, ohne die es in absehbarer Zeit keine Mehrheit für einen Verbotsantrag gibt.
Aber wie überzeugend und objektiv notwendig wirkt es, dass Faeser das Resultat einer jahrelangen Prüfung ausgerechnet wenige Tage vor dem Ende ihrer Amtszeit vorgelegt hat – noch dazu, ohne den Inhalt des Gutachtens zu veröffentlichen?
Wir brauchen Transparenz
Für die Geheimhaltung mag es Gründe geben. Es kann sein, dass man der AfD nicht schon vor einem Gerichtsverfahren die wichtigsten Argumente für ein Verbot verraten will. Aber so wird eben leider auch nicht transparent, was gerade jetzt zu neuen Erkenntnissen geführt hat. Stattdessen hat Faeser die Union ohne ersichtlichen Zeitdruck direkt vor der Kanzlerwahl unter Bekenntniszwang gesetzt.
Und es kam, wie es kommen musste: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und der kommende CSU-Innenminister Alexander Dobrindt haben sich gegen ein schnelles Verbotsverfahren ausgesprochen. Verständlicherweise.
Oder hielte es wirklich jemand für eine gute Idee, wenn der neue Bundeskanzler als erste Amtshandlung das Verbot der größten Oppositionspartei ankündigt? Ja, theoretisch könnte Friedrich Merz das tun und mit Hilfe von SPD, Grünen und Linken zur Tat schreiten. Vielleicht käme das Verbot sogar irgendwann in Karlsruhe durch, falls die geheimen Argumente reichen. Aber wäre der rechtsextreme Spuk damit vorbei? Wohl eher nicht.
Mehr als 10 Millionen AfD-WählerInnen wären immer noch da. Und ein Verbot dürfte sie kaum davon überzeugen, zu den etablierten Parteien zurückzukehren. Eher früher als später gäbe es Ersatzparteien, die das Programm der AfD übernehmen und den Protest gegen das Verbot für noch größere Erfolge nutzen könnten. Dazu heißt es oft, dass sich die Rechtsextremen sowieso immer als Opfer aufspielten, egal, wie man mit ihnen umgeht. Das stimmt zwar.
Aber bisher konnte man entgegnen, dass sie keine Opfer sind. Das wäre nach einem Verbot deutlich schwieriger und macht die Sache so riskant.
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