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Arbeitszeitbetrug-MemeArbeitgeber hassen diesen Trick

Valérie Catil
Kommentar von Valérie Catil

Ein Update vortäuschen, im Home-Office die Wäsche aufhängen, sich zu spät ausstempeln: Das alles ist Arbeitszeitbetrug. Und wird im Internet gefeiert.

„Arbeitszeitbetrug? Du meinst Lohndiebstahlsausgleich“ Foto: Instagram

F ast alle haben es schon einmal getan. Und das, obwohl es eine Straftat ist und man dafür gekündigt werden, ein Bußgeld oder im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe bekommen kann. Es ist zu einem Trend, einem Meme geworden: der Arbeitszeitbetrug.

Das Wort ist nicht ganz so sexy wie das, wofür es steht. Trotzdem ist es für ein gelungenes Meme dieser Art unerlässlich, das Wort voll ausgeschrieben unterzubringen. Fünf holprige und höchst deutsche Silben, die gemeinsam die großen deutschen Tugenden der Leistung und Effizienz aushebeln. Es grenzt an einem Skandal.

Arbeitszeitbetrug ist nicht nur, uninspiriert seine Stunden falsch aufzuschreiben oder sich zu spät auszustempeln – also buchstäblich den Lohnzettel um ein paar Stündchen und somit ein paar Euro aufzubessern. Nein, Arbeitszeitbetrug kann mehr.

Der Klassiker, da sind sich die Expert_innen im Internet einig, ist es, auf der Toilette zu trödeln. Es geht jedoch noch weitaus kreativer. Zu spät in den Zoom-Call kommen, weil man angeblich noch die neue Version herunterladen müsse, ein Softwareupdate nötig sei, „rumlabern, dass der PC spinnt“, sagt Instagram-Nutzer Tophano, „damit holt man sich auch ein paar Minuten raus“.

Der eigentliche Betrug ist Lohnarbeit

In einem Video bewertet er verschiedene Taktiken. Manche seien gang und gäbe, andere riskanter. „Dann haben wir was Kleines, Süßes“, fährt er fort, „du gehst mal in eine andere Abteilung, vielleicht zu einem Kollegen, sagst, der brauchte kurz Hilfe.“ Wieder zehn Minuten erfolgreich und subtil geklaut.

So manche Tugendwächter finden sich in den Kommentarspalten. „Wie wäre es mit Arbeitsmoral?“, oder: „Mit der Einstellung werdet ihr nie Karriere machen.“ Das mag vielleicht stimmen, hat aber natürlich zur Prämisse, dass man Lohnarbeit so geil findet, dass man überhaupt Karriere machen möchte. Und dass es außerdem für jede_n und in jedem Betrieb ein realistisches Ziel ist, Karriere zu machen, sich hochzuarbeiten.

Der eigentliche Betrug, muss man gegenüber denjenigen argumentieren, die jede noch so kleine Form des Arbeitszeitbetrugs für verwerflich halten, ist die Lohn­arbeit, an der sich die oberen Etagen bereichern. Reich werden kannst du schließlich kaum, ohne dass du Menschen, die für dich arbeiten, ausbeutest. Ein Nutzer auf Reddit schreibt: „Arbeitszeitbetrug? Du meinst Lohndiebstahlausgleich.“

Ein kleiner Protest

Die meisten Memes dazu haben einen wenig ernsten Ton, lesen sich aber dennoch als ein kleiner Protest. „Wie sich Arbeitszeitbetrug anfühlt“, steht da oft. Darunter Bilder, die von einem schelmischen Grinsen bis zu größter Glückseligkeit reichen: Etwa ein Mensch, der mit geschlossenen Augen in einem bunten Blumenfeld liegt, Delfine, die vor einem Regenbogen durch Wellen springen, ein Sonnenuntergang.

Besonders schön ist die Vorstellung, dass diese Memes vielleicht während der Arbeitszeit entstanden sind. Noch besser wäre aber, den Unmut in einen echten Arbeitskampf zu übersetzen.

Ob, und wenn ja, zu wie viel Arbeitszeitbetrug es während des Verfassens dieses Textes gekommen ist, möchte die Autorin nicht offenlegen.

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Valérie Catil
Gesellschaftsredakteurin
Redakteurin bei taz zwei, dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Studierte Philosophie und Französisch in Berlin. Seit 2023 bei der taz.
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40 Kommentare

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  • Also in meinem Büro (Bahndispo, städtisches Unternehmen) gibt es Leute, die mühsam auf 30 min Arbeit pro Stunde kommen. Schwätzen, Rauchen, Kickern, zum Lidl gehen,... Gründe sind reichlich vorhanden.



    Es gibt auch Kolleginnen, die wegen der Kinder im. Homeoffice sind und dann dort auch schon mal stundenlang nicht ans Telefon gehen. Auf dem Diensthändy wird dann gelegentlich Präsenz in Teams simuliert. An Präsenztagen hat das Kind Fieber.

    Im Prinzip durchaus sympathisch - aber es gibt andere, die dann die Arbeit machen.

    In Führungsetagen sind nach meiner Beobachtung 30 min schon viel. Da geht es eher in Richtung 15 min. Aber die werden auch nicht pro Stunde entlohnt.

  • Als Gegenwaffe hat der Arbeitgeber oder sein Boss vor Ort seine Arbeitsleistungsstatistik. Damit geht er hausieren, indem er ihm genehme ArbeitnehmerInnen weiter schaffen lässt, anderen aber aber erklärt, sie leisteten zu wenig. Wie er wessen Daten interpretiert oder ob er sich überhaupt wirklich die Mühe macht zu genau hinzuschaun wer warum wann wieviel schafft - ein Rätsel. Der betroffene aussortiere Mitarbeiter kann sich dann einen neuen Job suchen. Aufgrund arbeitgeberseitigen Arbeitszeitbetruges, durch die dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin keine gerechte Leistungsbewertung zuteil wird, ja sogar die Teilhabe am Arbeitsleben jäh unterbrochen.

  • Ja klar. Merz hat gesagt wir müssen mehr arbeiten, deshalb sagen wir jetzt, Ätschbätsch wir drücken uns. Das ist doch der eigentliche Aufhänger hier.



    Ich arbeite für viele städtische Förderprojekte auch im kulturellen Bereich. Da hat gar niemand irgendwas auszustehen und trotzdem gibts da immer Leute, die zusehen, möglichst wenig machen zu müssen. Das geht nicht auf Kosten irgendeines Schinders, sondern auf die der Kollegen und des Projektes. Selbst bei Umzügen im privaten Bereich gibts sowas. Es geht auch nicht darum Karriere zu machen, sondern das was man tut, immer auch mit Engagement zu machen. Und da gehts nicht darum, mal kurz durchzuatmen oder zwei Minuten zu lang beim Mittag zu sitzen. Bevor ich mir so eine Einstellung zulegen würde, zu überlegen, wie ich irgendwie am besten den Tag vergammle, weil mein Job scheiße ist, würd ich mir eher irgendwas anderes suchen. Selbst wenns nicht so gut bezahlt ist.

  • So einfach ist das nicht.



    Bei herkömmlichen Arbeitsplatzmodellen wird die Anwesenheit bezahlt und ein wie auch immer gearteter Chef hat darüber zu wachen dass die Arbeitszeit effizient (im Sinne des Unternehmers) genutzt wird.

    Im Homeoffice gibt es diese Anwesenheit nicht (mehr). Also wird die geleistete Arbeit bezahlt. Was einem Akkord recht nahe kommt aber eben kein Akkordlohn ist (denn bei Akkord gibt es keinen ArbeitsZEITbetrug).



    Und so darf man sich sicher die Frage stellen, ob Kaffe holen oder Pinkeln gehen im Homeoffice anders zu bewerten ist als im Bürojob.

  • Nur weiter so, immer mehr Leistung vom Staat und immer weniger arbeiten. Doch halt wer, ist der Staat? Steuerzahlende, die von irgendwem beschäftigt werden. Von Unternehmen zum Beispiel. Aber als Unternehmer/in muss man halt was unternehmen. Nicht vergessen, wir haben in diesem Land freie Berufswahl! War in antikapitalistischen Systemen nicht immer so. Da musste man, um richtig gut zu leben, zur richtigen Partei gehören.

  • *Arbeitszeitbetrug* - Damit kennen sich Arbeitgeber ja sehr gut aus. Die beiden Worte 'Arbeitgeber' und 'Arbeitnehmer' kommen einem ohnehin so vor, als ob die aus einer längst vergangenen Zeit stammen. Vielleicht sollten wir endlich mal im 21. Jahrhundert ankommen und diese "Herr und Knecht" Idiotie beenden, da sie auch den Planeten und das Klima zerstört.

    Aber zurück zum Arbeitszeitbetrug. Ist damit eigentlich gemeint, dass die Anfahrt und Abfahrt zu/von der Arbeit nicht vom Arbeitgeber bezahlt wird, und dass die 30 Minuten Frühstückspause und 30 Minuten Mittagspause auch nicht bezahlt werden? Denn weder bei der An- und Abfahrt, noch bei den beiden Pausen ist der Arbeitnehmer "frei in seinem Handeln", sondern dem Diktat der Arbeitswelt weiterhin unterworfen. Darüber hat sich aber wohl noch niemand große Gedanken gemacht.

    Der Arbeitgeber spricht gerne von Arbeitszeitbetrug, aber nicht der Arbeitgeber wird betrogen, sondern der Arbeitnehmer wird vom Arbeitgeber betrogen - und dieser Betrug lautet *Lebenszeitbetrug*. Davon lebt der Arbeitgeber nämlich, und davon kann er sich seinen ganzen Luxus leisten; und das alles auf Kosten der Arbeitnehmer und des geschundenen Planeten.

    • @Ricky-13:

      Aber schon supi großzügig wenn Arbeitgeber die Zeit für's shoppen des neuen Office Outfit's mit anschließendem Coiffeurtermin vergüten. Selbstverständlich auch die Zeit im Fitness Studio, denn Arbeitnehmer sollen / müssen ja auch fit bleiben...

  • Ist es nicht so, dass jeder der mehr verdient als ein anderer, sich auf dessen Kosten bereichert?



    Also in dieser speziellen Sichtweise die dahintersteckt?



    Leider sieht man die überall: Klimawandel, das obere 1% bläst 10 mal mehr raus als ich...



    Lohndiebstahl? Der Chef verdient eh 10 mal zuviel...



    Wenn man nur immer nach oben schielt wird einem das eigene 'Problemleben' das man führt, eben nicht bewusst. Die Problemverursacher.... das ist der "schlaue" Mittelbau, fast zu jedem Thema. Klimawandel, AfD wählen,.... Arbeitszeitklau, Witze über die eigene Doofheit machen! Ich kann da schon drüber lachen.... ich befürchte nur, das meinen viele ernst!

  • Mehrwertzurückhaltung

  • Früher, ja früher, wäre das Thema Rauchpausen gewesen.



    Vielleicht nimmt deswegen der Burn-out zu. Es gibt zu wenig externe Verbrennungsphasen.



    Büroangestellte haben immer schon mal anderes am Bildschirm gemacht, Angestellte in der Dienstleistung, Bedienung etc, halten halt mal ein kleines Schwätzchen. Die in der Produktion am Band waren gekniffen. Da blieb nur die Raucherpause. Niemand kann sich 8h konzentriert fokussieren. Aber , wie überall, die Menge machts.

  • Guter Text. Mir gefällt "Lohndiebstahlausgleich".

  • Auszug:"Der eigentliche Betrug, muss man gegenüber denjenigen argumentieren, die jede noch so kleine Form des Arbeitszeitbetrugs für verwerflich halten, ist die Lohn­arbeit, an der sich die oberen Etagen bereichern."

    Polemischer gehts nimmer!

    • @Krumbeere:

      Warum Polemik? Zahlt sich die Führung Ihres Arbeitgebers den selben Stundenlohn, wie Ihnen und teilt nicht investierte Gewinne mit Ihnen anteilig nach geleisteter Arbeitszeit auf?

  • kein Kaffeeküchentratsch dafür einige Minuten den Hund streicheln - was ist wohl gesünder fürs Herz. Wissenschaftlich schon erwiesen - Hunde streicheln senkt den Herzschlag.

    Wer denkt, dass Mitarbeiter im HO weniger arbeiten, weil diese nicht kontrolliert werden können - hat die falschen Mitarbeiter oder gibt die falschen Rahmenbedingung (ich tippe auf zweites) Mitarbeiter die die richtigen Aufgaben haben und sich gesehen und gewertschätzt fühlen - erfüllen die gestellen Aufgaben - auch wenn mal die Waschmaschine geleert werden muss.

    • @Stefan Waschik:

      Richtig. Wer im Homeoffice nichts schafft, schafft auch im Büro nix.



      Die Angst einiger Arbeitgeber ist Blödsinn. Die richtige Mischung machst. Der soziale Aspekt im Büro sollte allerdings nicht unterschätzt werden. Also das sehen/reden/zuhören mit Kollegen

  • Wem bewusst wäre, dass er mit seiner Arbeit gerade mal seinen Lebensunterhalt ‚verdient‘ und andere durch diese Arbeit massenhaft Profite einstreichen, würde wohl ganz selbstverständlich nur so viel leisten, wie er gerade muss, um nicht rauszufliegen.



    Aber da die Ausbeuter in dieser Gesellschaft hoch angesehen sind und tun und lassen können, was sie gerne wollen und vor allem ihrem Profit nutzt, wird sich daran nicht viel ändern. Denn die Ausgebeuteten selbst - oder ist es gar ihre Dummheit - sind die besten Garanten dafür, dass die einen Angst vor einer Mieterhöhung von ein paar Euro haben und die anderen an jedem einzelnen Tag Milliarden an Profit einstreichen.



    Ich weiß, dass ist jetzt sehr Schwarz-Weiß und es gibt viele Grautöne dazwischen, aber das Grundprinzip ist halt so.

    • @Tiene Wiecherts:

      *Ich weiß, dass ist jetzt sehr Schwarz-Weiß ...*

      Sie sehen das vollkommen richtig. Die Mainstream-Medien der Reichen haben es aber in den vergangenen Jahrzehnten geschafft, dass der kleine Bürger darüber gar nicht mehr nachdenkt. Der Bürger schimpft auch lieber auf Obdachlose, anstatt einmal zu fragen, weshalb es im 21. Jahrhundert in einem der reichsten Länder dieser Welt überhaupt Obdachlosigkeit gibt. Und weil der Bürger aufgehört hat zu denken, sieht er ja auch nicht, wie die Hartz4/Bürgergeldbezieher in das hinterhältige Spiel der Reichen und Mächtigen mit einbezogen werden. Denn wenn man Bürgergeldbezieher schlecht behandelt, dann mucken die kleinen Arbeitnehmer nämlich nicht auf und verlangen auch keinen höheren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen, weil sie nämlich Angst haben, auch als Bürgergeldempfänger zu enden.

    • @Tiene Wiecherts:

      Auch wenn dies wirklich sehr s/w ist, haben Sie sicher eine Lösung für dieses Problem. Kleiner Tip: Der Sozialismus ist schon gescheitert.



      Oder ist es Jammern auf hohem Niveau oder Hauptsache ich hab mal was geschrieben?



      Eine Lösung kann ich auch nicht präsentieren, halte das Modell der ursprünglichen sozialen Marktwirtschaft (so wie bis etwa 1990) aber immer noch für das Beste.

      • @Oleg Fedotov:

        Der Sozialismus hat einen entscheidenen Vorteil gegenüber dem Kapitalismus: Dieser funktioniert wenigstens in der Theorie.

  • Und morgen der Artikel: Steuerhinterziehung? Nein, Anhalten der Staatsverwaltung zum effizienten Mitteleinsatz.

    • @Strolch:

      Naja, da gibt es schon noch einen Unterschied: Arbeitszeitbetrug, oder kreative Arbeitszeitgestaltung ;), richtet sich gegen ein Unternehmen. Wenn in deren oberen Etagen Manager sitzen, die schön ihre Provision kassieren, die die Lohnarbeiter für sie erwirtschaften, ist das moralisch schon anders zu bewerten, als Steuerhinterziehung. Diese richtet sich schließlich gegen alle Bürger, und ist damit einfach unsolidarisch.

      • @Barbarosssa:

        Dann dürfen ihrer Argumentation nach aber die Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst nicht bummeln. Arbeiten schließlich für die Allgemeinheit. Genauso Bei der Bahn etc. Bei einer kleinen Firma, bei der der Chef grad so um die Runden kommt, ist es erlaubt? Meine Meinung ist, wenn ich einen Vertrag unterschreiben, muss ich mich dran halten. Egal ob für Bund, Stadt oder Firma. Bin halt altmodisch....

      • @Barbarosssa:

        Am Ende muss die Arbeit gemacht sein. Wer macht die? Der Kollege, der nicht betrügt. Also ist der Arbeitnehmer mit kreativer Arbeitszeitgestaltung auch unsolidarisch. Der "auf der faulen Haut liegende Bürgergeldempfänger" der mitfinanziert wird, ist ebenfalls unsolidarisch - hier kann der Staat doch gut Ausgaben sparen.

        Aber es zeigt das, was ich zeigen wollte: Eine Ausrede für sein eigenes (als falsch wahrgenommenes) Verhalten, findet jeder und im Zweifel ist es auch durch das Verhalten anderer Menschen ("Bürgergeldempfänger" oder "Manager") gerechtfertigt.

        • @Strolch:

          „Am Ende muss die Arbeit gemacht sein.“



          Nach meiner Kenntnis wurde/wird in der „klassischen“ Arbeiterschaft „Arbeitszeitdiebstahl“ als unsolidarisches Verhalten dem „Kollektiv“ gegenüber gewertet u. entsprechend gerügt. Ist mir auch aus eigenem Erleben bekannt. Natürlich mahnt die Arbeiterschaft solidarisches Verhalten gegenüber dem Einzelnen an und tut das mit bewusster Haltung. Eine Solidarität die dann gebraucht wird, wenn es gilt, sich gemeinsam gegen ungerechtfertigte Arbeitsanforderung Wehr zu setzen. Noch als „Werkstudent“ am Fließband, forderten mich dort die Vertrauensleute der Gewerkschaft auf, möglichst am Samstag Sonderschicht zu fahren, obwohl die freiwillig war. Man bekam Lohnzuschläge, die Mehrarbeit war begehrt. Entsprechend wurde „Freiwilligkeit eingefordert“ um mit genügend Leuten die Sonderschicht zu ermöglichen. Gleichzeitig war man immer ohne zu zögern bereit, sich ungerechtfertigten Ansprüchen zu verweigern. Bummelei am Fließband wurde schon untereinander gerügt. Gleichzeitig war man – an den Vorarbeitern vorbei – immer bereit, den Anderen beim Erlernen der Handgriffe geduldig zu unterstützen, damit keiner wegen „Unfähigkeit“ seine Arbeit verlor.

  • Kleine subversive Aktionen sind gut für die Psyche. Es gibt genügend Tätigkeiten und Arbeitsverhältnisse die scheiße sind und Menschen machen sie weil sie Geld verdienen müssen. Von fünf Minuten länger auf dem Klo geht die Welt nicht unter.

  • Was erwarten diese und andere Industriegesellschaften, die am Begriff Arbeit mit ihrem Überproduktionswahn, der Steuerverschwendung, dem Arbeitsaufkommen durch Umweltverschmutzung, (Wirtschafts)Kriminalität und ähnlichem Betrug begehen?

  • uralte Weisheit hier aus dem Ruhrpott: Wer die Arbeit kennt und sich nicht drückt, der ist verrückt.

  • Eh lieb, aber geht nicht über systemerhaltendes Individualkleinklein hinaus, und funktioniert auch nur in irgendwelchen Bürobullshitjobs, die wegkönnen.

    Derweil laufen bei der Gewerkschaftsdemo für bessere Arbeitsbedingungen in Pflegeberufen mehr Ordner mit als Beschäftigte.

  • Nice.

  • Kennt die heutige Generation Z eigentlich schon das Moorhuhn-Spiel? Wenn die das entdecken - ade Wirtschaftswachstum und Herr Merz muss wieder weinen. Gemäß dem Motto aus "Asterix, der Gallier": Sie sind alle so dumm, und ich bin ihr Chef!

  • Danke! Eine unerwartete und sehr selten gewordene linke Haltung. Man könnte vielleicht noch anfügen, dass es damit zu tun hat, dass die Arbeit vieler Menschen, die sowas machen, sehr sinnlos ist. Man brokelt an der millionsten Web Page herum, die keiner braucht und die nur dazu dienen soll, vielleicht doch noch ein paar mehr Exemplare des überflüssigsten Scheiß' den die Firma herstellt zu verticken. Oder ähnliches. Dazu gibt es wenig Firmen, bei denen es eine Form von Beteiligung gibt, so dass Selbstwirksamkeit ein Fremdwort bleibt. Ich versuche kramkpfhaft, das marxsche Wort der entfremdeten Arbeit zu vermeiden, aber das ist es letztlich. Und da kommt wenig Motivation auf.

    Interessanterweise gibt es diese Haltung bei wirklich sinnvollen Berufen selten, denke ich. Z.B. konnte ich das bei allen Pflegekräften, die ich kennengelernt habe, nicht feststellen. Die machen das Gegenteil: sie halten sich nicht an die 2 Minuten (->Profitmaximierung), die ihnen zugestanden werden, um den Zuckerspiegel eines Menschen zu messen. Sie bleiben auf eigene Kosten länger, um mit ihm auch noch etwas zu reden.

  • Bisweilen macht es auch Sinn, über die Inhalte der Arbeit & die Compliance zu sprechen o. zu schreiben:



    "Ein Bullshit-Job ist eine Form der bezahlten Anstellung, die so vollkommen sinnlos, unnötig oder gefährlich ist, dass selbst derjenige, der sie ausführt, ihre Existenz nicht rechtfertigen kann, obwohl er sich im Rahmen der Beschäftigungsbedingungen verpflichtet fühlt, so zu tun, als sei dies nicht der Fall.“



    Und Graeber macht es konkret: Im Buch kommen die Menschen selbst zu Wort. Ein Beschäftigter eines Sub-Subunternehmers, der etwa Umzüge innerhalb einer Behörde organisiert. Da werden gleich mehrere Menschen mit Formularen beschäftigt, es vergehen Tage und viele Anträge, anstatt dass man kurzerhand Schreibtisch, Rechner und Telefon über den Flur trägt."



    Quelle deutschlandfunk.de



    ebda



    "Occupy-Vordenker David Graeber hat Antworten.



    David Graeber ist Anthropologe und er ist Anarchist. Das sollte man wissen, wenn man dieses Buch liest. Denn es erklärt seine besondere Sichtweise auf die Dinge, seine Aufmerksamkeit für ein Phänomen, das die meisten Menschen nicht erkennen oder nicht hinterfragen würden."



    Aus d. taz-Archiv vor 31 Jahren:



    htps:taz.de/Zuviel-Arbeit-im-Kopf/!1564765/

  • Mit einem unqualifizierten Halbsatz, den man irgendwo in "social media" abgesondert hat, in einem echten Artikel erwähnt zu werden, ist dann bestimmt ein tolles Gefühl.

  • Die Sache mit dem "Arbeitszeitbetrug" ist doch komplexer.



    1.) "Der eigentliche Betrug, muss man gegenüber denjenigen argumentieren, die jede noch so kleine Form des Arbeitszeitbetrugs für verwerflich halten, ist die Lohn­arbeit, an der sich die oberen Etagen bereichern." Der Autorin schwebt als Betrogener offenbar der die dem "Arbeitskraftgebenden" herausgepressten Euros zählende Fabrikbesitzer oder Privataktionär vor. Ein großer Teil der "Arbeitergeber" aber sind Behörden, Verbände etc. Der "Betrug" (bzw. das so gestohlene Geld) betrifft das Gemeinwohl und damit jeden Bürger und normalen "kleinen" Sozialbeitragszahler, Steuerzahler (und damit wieder alle Mitarbeitenden, denn Kapitalisten, Reiche etc. zahlen in Dt. bekanntlich ja keine Steuern).



    2.) Die "Pause", (der Rechner, der "hängt", der lange Toilettengang, siehe andere Bsp.) schädigt in den meisten Fällen nicht die Verwertungsmaschinerie, sdn. die Kollegen, die im Zweifel die Arbeit des pausierenden Sachbearbeiters, Pflegers/Schwester etc. mitmachen müssen.



    3.) Die kleine Pause zwischendurch sei jedem gegönnt. Die Sanktion, wenn der Betrug auffliegt, aber auch.



    4.) Um "Karriere" geht es wohl in den allerseltensten Fällen.

  • Ebenfalls problematisch sind Firmen die das Arbeitszeitgesetz ignorieren, keine Arbeitszeiterfassung anbieten oder eine unzulässige ‚8 Std.‘ automatisch gebuchte Arbeitszeit durchführen. Ich rede hier von den großen Unternehmenberatungen sowie Grosskonzernen zB der Luftfahrtindustrie u.A. Hier wird bereits wieder versucht aus Mitarbeitern (AT die keine Überstunden bezahlt bekommen) so viel herauszuholen wie möglich, ohne Rücksicht auf Gesundheit (Verstösse gegen 10 Std Az täglich, 11 Std Ruhezeit). Dieses beziehe ich auf meine persönlichen Erfahrungen und kann es belegen. Über Arbeitszeitbetrug sollte man deshalb auf beiden Seiten schauen.

  • Ob Arbeitgeber, die den Lohn ihrer Arbeitskräfte ebenso "findig" reduzieren den gleichen Applaus der tazzies bekommen?



    Ansonsten: Erfahrungsgemäß ist die Lohnarbeit von Menschen, die solche Memes erzeugen, den Lohn nicht wert.

    • @Samvim:

      Machverhältnisse zu verdrehen ist kein Argument. Fast jede vierte Kontrolle deckt Verstöße gegen das Mindestlohngesetz auf.

  • "Reich werden kannst du schließlich kaum, ohne dass du Menschen, die für dich arbeiten, ausbeutest."



    Nur für den Fall, dass das ernst gemeint sein sollte (unwahrscheinlich) oder irgendjemand das ernst nimmt (fast sicher):



    Das ist natürlich Käse. Viele Unternehmen, von DAX-Größe bis zur kleinen Boutique, bezahlen ihre Leute gut und bieten hochwertige Sozialleistungen, während sie in den höheren Etage nicht wenige Reiche produzierten und produzieren. Das geht dann, wenn man als Unternehmen einfach gute Produkte und Leistungen anbieten kann.



    Wenn man keine guten Ideen, Talente und Kenntnisse hat und dennoch als Unternehmer reich werden will, kann man alternativ auch seine Kunden ausbeuten. Oder seine Investoren. Oder den Steuerzahler (z.B. über Subventionen).

    • @Frauke Z:

      Kunden ausbeuten ist ja wohl Blödsinn. Wie soll das funktionieren? Das funktioniert nur bei Preisabsprachen innerhalb einer Bange. Fast jede vierte Kontrolle hingegen deckt Verstöße gegen das Mindestlohngesetz auf. Soviel zu guten Löhnen.

  • So viel Getue, um Minuten zu schinden, was soll das?



    Das "Hallo, wie geht's?", das Teekochen, das Zwei-Minuten-auf-die Wand-Starren-und-Nachdenken gehören alles zur Arbeit, und Pausen machen bekanntlich langfristig produktiv.

    Wer seinen inneren Rebellenanteil mit so was wie Minutenschinden abspeisen will, sollte eher mit Gewerkschaft, Streiken, ... anfangen.



    PS: Produktiv und genügsam führt zu Viertagewochen.