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Nach Druck der BundesregierungDas Verbrenner-Aus kippt

Die EU-Kommission will die Flottengrenzwerte für Autos aufweichen. Die Union feiert. Doch Wissenschaftler warnen.

Das „Verbrenner-Aus“ galt als wichtigstes Symbol für eine klimafreundliche Politik Foto: Marijan Murat/dpa
Eric Bonse

Aus Brüssel

Eric Bonse

Das Aus vom „Verbrenner-Aus“ ist offenbar ausgemachte Sache. Nach massivem Druck von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) will die von der deutschen Europapolitikerin Ursula von der Leyen (CDU) geführte EU-Kommission ihren Vorschlag zu Flottengrenzwerten für Autos aufweichen.

Die EU-Behörde werde am Dienstag vorschlagen, auch nach 2035 noch Neuwagen mit Verbrennermotoren zuzulassen, heißt es in Brüssel. Das Ziel, den CO₂-Ausstoß der Autoflotten um 100 Prozent auf null zu verringern, werde auf 90 Prozent abgesenkt, erklärte der CSU-Politiker Manfred Weber nach einem Gespräch mit von der Leyen.

Damit würde der Green Deal, den von der Leyen 2019 nicht zuletzt auf Druck der Klimabewegung ausgerufen hatte, zu Makulatur. Die EU-Kommission hat bereits eine ganze Reihe von Umwelt- und Klimagesetzen ausgehöhlt oder auf die lange Bank geschoben. Das „Verbrenner-Aus“ galt als wichtigstes Symbol für eine klimafreundliche Politik.

Nun feiern CDU/CSU einen „Sieg der Vernunft“. Weber hatte bereits vor Wochen medienwirksam angekündigt, dass er persönlich für das „Aus vom Aus“ kämpfen werde. „Damit ist das Technologieverbot für den Verbrenner vom Tisch“, erklärte Weber. Alle in Deutschland gebauten Motoren könnten damit weiterproduziert werden. Das gelte auch für Hybride.

Weber macht Druck

Allerdings können Weber und von der Leyen nicht allein entscheiden. Für die Revision der Flottengrenzwerte braucht es die Zustimmung des Europaparlaments und der 27 EU-Staaten. Weber spricht nur für die konservative Europäische Volkspartei, die die größte Fraktion im Parlament stellt. Er setzt von der Leyen immer wieder unter Druck.

Selbst in der EU-Kommission gibt es noch Vorbehalte gegen den abrupten Kurswechsel. Dort sind nicht weniger als sechs EU-Kommissare mit dem Thema beschäftigt. Die fürs Klima zuständige Kommissarin Teresa Ribera hat vor einer Aufweichung der Klimaziele gewarnt. Die spanische Sozialistin könnte noch Änderungen durchsetzen.

Unklar ist auch, ob alle EU-Staaten mitziehen. Frankreich und Spanien hatten sich im Oktober in einem gemeinsamen Brief dafür ausgesprochen, die EU-Vorgaben weitgehend beizubehalten. Allerdings scheint Paris nun zu Zugeständnissen bereit – wenn dafür neue Anreize für eine industriefreundliche Produktion in Europa geschaffen werden.

Im Europaparlament stößt vor allem die Art der „Einigung“ auf Widerspruch. „Anscheinend haben EVP-Chef Weber und Präsidentin von der Leyen sich im Hinterzimmer auf eine Abänderung der Flottengrenzwerte geeinigt“, kritisiert der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken. Dabei würden sie mit Rechten und Rechtsextremen gemeinsame Sache machen.

Grüne: Schlingerkurs schafft Planungsunsicherheit

„Eine Aufweichung der Ziele ist schlecht für den Wirtschaftsstandort Europa“, kritisierte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Terry Reintke. Der Schlingerkurs schaffe Planungsunsicherheit. Von „verkehrspolitischem Irrsinn“ spricht der linke EU-Abgeordnete Martin Günther. Die Industrie brauche klare Orientierung.

Patrick Plötz, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe, nannte eine Aufweichung des Null-Gramm-Ziels für 2035 grundsätzlich falsch. Der Absatz von Pkws mit Verbrennungsmotor sinke seit Jahren. Der Verband der Automobilindustrie VDA betonte, man müsse erst noch die Details der Neuregelung abwarten.

Neben Vorschlägen zu den Flottengrenzwerten dürfte die EU-Kommission am Dienstag auch begleitende Maßnahmen wie eine Batterie-Strategie und Vorschläge für umweltfreundlichere Dienstwagen vorlegen. Damit will von der Leyen offenbar ihren Kritikern entgegenkommen und für Akzeptanz werben, bevor sie beim Klimaschutz auf die Bremse tritt.

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2 Kommentare

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  • Als wenn in 10 Jahren noch irgendwer neue Verbrenner aus Europa haben wollen würde. Aber die Konkurrenz in China wirds freuen.

  • Na, wenn die Planungsunsicherheit der Industrie für die grüne Abgeordnete das einzige Problem darstellt, dann ist es ja gut. Als ich sie 1983 bei meiner ersten Wahl in den Bundestag gewählt habe, war das noch eine ganz andere Partei mit fast dem gleichen Namen.

    Politische Entscheidungen sind offenbar keine politischen Entscheidungen, sondern schlichte Klientelpolitik für die jeweils reichsten Industriezweige. So geht Demokratie - offenbar. Dazu kommt noch, dass niemand sich in irgendeiner Weise der Zukunft unseres Planeten verpflichtet fühlt. Meine Legislaturperiode und mein fetter Sitz sind gesichert, was wäre sonst noch wichtig? Und die Gartenparty bei VW war ja so toll.

    Ach, wären wir doch noch von absoluten Herrschern regiert! Dann könnte man wenigstens sage "die sind halt nur mit sich beschäftigt". Aber das Ganze bekommt eine giftige Note wenn wir es mit gewählten Vertretern des Volkes zu tun haben. Dann muss man sagen "das Volk ist offenbar der Meinung, dass Zukunft nicht so wichtig ist". Auch, oder gerade die mit Kindern. Voll Maso, die Menschheit.