Lawrow in Brasilien: Moralisch-politischer Bankrott
Anbiedernd und kritiklos empfängt Brasiliens Präsident Lula da Silva den russischen Außenminister. Damit schlägt er sich auf die Seite des Aggressors.
E rst war er in Brasilien, jetzt reist Russlands Außenminister Sergei Lawrow weiter nach Venezuela, Kuba und Nicaragua. Damit stellt Lawrow Brasiliens Präsidenten Lula da Silva genau da hin, wo ihn seine rechten innenpolitischen Gegner*innen im Wahlkampf immer stellen wollten: in eine Reihe mit lateinamerikanischen Diktatoren.
Und Lula, von den vier der einzige demokratisch gewählte Regierungschef und zudem Präsident des größten und wirtschaftlich stärksten Landes, lässt das willig mit sich machen. Kein Wort kam von Lula, seinen russischen Gast dazu aufzufordern, seine Truppen sofort aus der Ukraine zurückzuziehen – stattdessen kritisiert der 77-Jährige die USA und Europa, sie würden durch Waffenlieferungen an die ukrainischen Verteidiger den Krieg befeuern.
Mit der lange beschworenen „Äquidistanz“ Brasiliens zwischen dem US-geführten Westen einerseits und China/Russland andererseits hat das kaum noch etwas zu tun. Kein Wunder, dass sich Lawrow nach den Gesprächen hocherfreut für das brasilianische Verständnis bedankt.
China und Russland haben ein großes Interesse daran, die doch eher lose Wirtschaftsallianz der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) zu einem politischen Bündnis zu formen – solide antiwestlich, mit dem nur knapp nicht ausgesprochenen Anspruch auf Führerschaft des Globalen Südens.
Keine Solidarität mit der Ukraine
Aus rein nationalen Interessen ist nachvollziehbar, dass Lula dem nicht widersprechen möchte: China ist stärkster Handelspartner des Landes; die in den vergangenen Jahren gemachten Erfahrungen mit EU und USA geben kaum Anlass, das ändern zu wollen, und Brasiliens Rolle in diesem Bündnis ist größer und wichtiger, als sie in einer westlichen Allianz je sein könnte.
Moralisch und politisch allerdings ist Lulas Positionierung für einen Linken eine Bankrotterklärung. Antiimperialistische Solidarität mit einem überfallenen Land? Pustekuchen. Lula behauptet, er wolle unter keinen Umständen Teil eines neuen Kalten Krieges werden. Aber seine anbiedernde Kritiklosigkeit gegenüber seinem russischen Gast macht ihn genau dazu. Lulas Gerede vom „Friedensclub“ für die Ukraine, den er gründen wolle, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er sich de facto auf die Seite des Aggressors geschlagen hat. Putin wird es freuen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr