Brasiliens Präsident in China: Lula und Xi kuscheln mit Distanz

China und Brasilien wollen enger kooperieren. Es geht vor allem um die Wirtschaft, doch nicht nur. Im Westen wird die Annäherung kritisch gesehen.

Die Präsidenten Xi Jinping und Lula da Silva

Die Präsidenten Xi Jinping und Lula da Silva am 14. April in Peking Foto: Ricardo Stuckert/Handout/reuters

BERLIN taz | Niemand könne Brasilien verbieten, seine Beziehung zu China auszubauen. Das betonte Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva am Freitag bei einem Treffen mit Staatschef Xi Jinping in Peking. Am Nachmittag war Lula von seinem Amtskollegen in der Großen Halle des Volkes in der chinesischen Hauptstadt empfangen worden.

Die brasilianische Regierung gab 15 neue Abkommen zwischen den beiden Ländern bekannt. Das Finanzministerium geht von einem Investitionsvolumen von umgerechnet rund 900 Millionen Euro aus. Für Lula war das Treffen mit Xi Jinping der krönende Abschluss einer Reise, die für beide Länder von großer Bedeutung ist.

Bereits am Dienstag war Lula nach China aufgebrochen – mit einer beachtlichen Delegation: Neben sieben Ministern, fünf Gouverneuren und mehrere Abgeordneten waren auch 200 Un­ter­neh­me­r*in­nen an Bord. Eigentlich wollte Lula, der einstige Gewerkschaftsführer, schon vor drei Wochen nach China fahren, musste seine Reise aber wegen einer Lungenentzündung verschieben. Dass er schnell einen neuen Termin fand und nun vier Tage im Land bleibt, zeigt, wie wichtig ihm die Beziehung zu der asiatischen Supermacht ist.

Für den brasilianischen Kolumnisten des Online-Portals UOL, Jamil Chade, ist das Gipfeltreffen zwischen Xi und Lula „eine weitere Episode in der Umgestaltung der internationalen Ordnung.“ Auch in China wurde Lulas Besuch von führenden Politikern und den Staatsmedien fast schon überschwänglich kommentiert.

Am Donnerstag besuchte Lula eine Firma des Technologie-Riesen Huawei in Shanghai. Zu Beginn dieses Jahres hatten beide Länder bereits einen Währungsvertrag abgeschlossen, um die Dominanz des US-Dollars zu verringern und den bilateralen Handel zu erleichtern.

Auf einer Pressekonferenz sagte Lula: „Jeden Abend frage ich mich, warum alle Länder ihren Handel auf den Dollar stützen müssen. Warum können wir nicht auf der Grundlage unserer eigenen Währungen Handel treiben?“

Brasiliens wichtigster Handelspartner

Während Lulas früherer Amtszeiten zwischen 2003 und 2011 boomte die brasilianische Wirtschaft, was vor allem den steigenden Rohstoffpreisen und den Verkäufen an China zu verdanken war. Seit 2009 ist das Land Brasiliens wichtigster Handelspartner. 2022 belief sich der bilaterale Handel auf 150 Milliarden US-Dollar.

Brasilien exportiert vor allem Eisenerz, Sojabohnen und Rohöl nach China, während das asiatische Land Halbleiterbauelemente liefert, aber auch massiv in Infrastrukturprojekte investiert. Mit seiner Reise will Lula auch Brücken wiederaufbauen, die vom rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro und seiner pro-US-amerikanischen Außenpolitik eingerissen wurden.

Für Lula, der seit 100 Tagen im Amt ist, ist die Reise auch innenpolitisch wichtig. Um seine ehrgeizigen Wahlversprechen umsetzen zu können – Verringerung der Armut, Investitionen in Bildung, mehr Arbeitsplätze – ist er auf den einflussreichen Agrarsektor und gute Beziehungen zu China angewiesen. Etliche Ver­tre­te­r*in­nen des eigentlich eher rechts stehenden Agrobusiness sind mit Lula in China unterwegs.

Brasilien auf Äquidistanz zu Großmächten

Doch Lula stellte auch klar, dass die Beziehungen zwischen Brasilien und China „über die Handelsfrage hinausgehen“ sollen. Er will sich zusammen mit China für die Energiewende und die Verringerung der Schadstoffemissionen einsetzen und die BRICS-Staatengruppe aufstrebender Volkswirtschaften stärken, zu der auch China gehört.

Im Westen bereitet Brasiliens Nähe zu China vielen Sorgen, kommt Lulas Reise doch zu einer Zeit zunehmender Spannungen. Gleichzeitig jedoch ist in den sich zuspitzenden globalen Konflikten keine eindeutige Positionierung von Lula zu erwarten. Seine Außenpolitik war schon immer durch eine multipolare Taktik geprägt, mit dem Ziel, eine strategische Äquidistanz zu den Großmächten zu bewahren.

Der 77-Jährige pflegt sowohl gute Beziehungen nach Peking als auch zur Biden-Administration und der EU. Ende Januar empfing Lula Bundeskanzler Olaf Scholz in Brasilien, im Februar besuchte er Washington.

Bei seinem Treffen mit Xi Jinping am Freitag wollte Lula auch über den Ukraine-Krieg sprechen. Der Politiker der Arbeiterpartei PT, der Waffenlieferungen an die Ukraine eine kategorische Absage erteilt hat, betonte zuletzt erneut, er wolle „an keinem Kalten Krieg“ teilnehmen. Stattdessen hat er mehrfach angekündigt, einen „Friedensklub“ gründen zu wollen und zusammen mit China als Vermittler auftreten zu wollen. Über eine Konkretisierung dieser Pläne ist bislang nichts bekannt geworden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.