Höckes „Sommerinterview“ beim MDR: Lasst es endlich sein!
Jedes Jahr wird Björn Höcke vom MDR eingeladen. Die Gleichbehandlung der Parteien hat ihre Grenzen – denn es geht um Menschenwürde.
S eit Tagen wird mit einer Mischung aus Empörung und Überraschung sowie einer gehörigen Portion Lust am Grusel über das diskutiert, was der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke im MDR-„Sommerinterview“ so von sich gegeben hat. Dass die Empörung bleibt, wenn jemand im Nazi-Jargon von „Gleichschaltung“ spricht oder Inklusion als ein „Ideologieprojekt“ diffamiert, von dem man die Schulen befreien müsste, ist richtig und notwendig. An Menschenfeindlichkeit darf man sich nicht gewöhnen.
Aber Überraschung? Wenn man einen Rechtsextremisten zum Gespräch einlädt, wird er höchstwahrscheinlich rechtsextreme Sachen sagen. Das ist nun einmal sein Programm. Die Frage ist eher, warum der MDR Jahr für Jahr Höcke zum Interview lädt und zulässt, dass der AfD-Mann dort seinen Hass verbreitet. Von einem freundlichen Moderator begleitet und auf diversen Kanälen live gestreamt, ganz so, als wäre Höcke einfach nur ein Parteichef unter anderen. Aber das ist der Mann eben nicht.
Der MDR argumentiert damit, wie die öffentlich-rechtlichen Sender es überhaupt in dieser Frage tun, dass sie der Vielfalt verpflichtet seien und die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb achten müssten. Die AfD sei eine demokratisch gewählte Partei, die größte Oppositionsfraktion im Thüringer Landtag dazu, deshalb könne man Höcke nicht ausschließen. Was dabei außen vor bleibt: Die Thüringer AfD ist eine gesichert rechtsextreme Bestrebung, das hat der Verfassungsschutz amtlich bestätigt. Und Höcke, der Chef vom Ganzen, ist ein Rechtsextremist.
Es braucht Mut der Öffentlich-Rechtlichen
Und spätestens an diesem Punkt muss Schluss sein mit der Chancengleichheit. Es ist überfällig, dass sich der MDR dieser Debatte stellt und nicht alljährlich die immer gleichen Argumente vorträgt. Das braucht eine Portion Mut, denn natürlich würde die AfD massiv gegen den verhassten öffentlich-rechtlichen Sender vorgehen, Klage inklusive. Ohne Mut aber wird das nichts mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus – und möglicherweise würde die AfD eine solche Klage sogar verlieren. Schließlich sind die Öffentlich-Rechtlichen auch der Wahrung der Menschenwürde und der Demokratie verpflichtet.
Das heißt im übrigen nicht, dass man sich nicht mit Politik und Zielen der AfD auseinandersetzt. Das ist dringend geboten. Nur funktioniert das in einem solchen Sommerinterview nicht. Und wer jetzt mit dem Argument kommt, dann könne sich die AfD mal wieder als Opfer gerieren und das müsse verhindert werden, möge sich bitte das Interview anschauen, auch wenn es schwer erträglich ist. Da stilisiert sich Höcke ruckzuck zum Opfer. Mit einer guten halben Stunde Sendezeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“