Gefakte Notrufe der „Letzten Generation“: Verhöhnung der Demokratie

Dass die „Letzte Generation“ Autofahrer mit Straßenblockaden festhält, ist anmaßend. Die Feuerwehr ohne echten Notfall zu alarmieren, gefährdet Leben.

Das Foto zeigt eine Autobahnblockade im Berliner Bezirk Schöneberg.

„Letzte Generation“-Mitglieder bei der Blockade einer Autobahnzufahrt in Schöneberg Foto: dpa

Sie wollen angeblich etwas für die Allgemeinheit tun. Sie wollen den Planeten retten. Und weil sie offenbar meinen, dass alle außer ihnen das mit dem Klimawandel noch nicht kapiert haben, wollen sie es ihnen vor Augen führen. Die Rede ist von den Aktivisten der Gruppe, die sich „Letzte Generation“ nennt.

Das Vor-Augen-Führen hat mit fortlaufenden Sitzblockaden an Autobahnen und Straßenkreuzungen begonnen und erfährt nun eine Steigerung. Hatten sich einige der Blockierer zunächst auf dem Asphalt festgeklebt, taten sie es später auch in Museen an Bilderrahmen. Neueste Protestvariante: Feueralarm im Bundestag auslösen.

Es reicht. Schon die Idee, dass einige wenige Aktivisten – nach eigenen Angaben bundesweit gerade mal 250 – es für legitim halten, tausenden von Autofahrern ihren Willen aufzuzwingen und sie teils stundenlang zu blockieren, ist anmaßend. Der Zweck heiligt die Mittel? Glauben die Blockierer wirklich, Privatmenschen, die noch freiwillig hinter dem Steuerrad sitzen, würden (trotz guten Berliner Bus und Bahn-Angebots) auf diese Weise offener für den Verzicht auf das Auto?

Allein der Staat ist durch mit Mehrheit beschlossene Gesetze legitimiert, Autofahrern – wie allen anderen Bürgerinnen und Bürgern – Vorgaben zu machen. Nicht aber eine einzelne Gruppe, und sei sie noch so engagiert.

Und die Aktionen in den Museen? Bisher waren es nur Bilderrahmen die Schaden genommen haben, wobei auch diese zum Kunstwerk gehören. Ist demnächst – vielleicht im Museum Barberini in Potsdam – ein weltberühmtes Monet-Bild das Ziel?

Trauriger Höhepunkt und im höchstem Maße gefährlich ist es, Notrufe ohne Notfall auszulösen. Seit Monaten klagen Feuerwehr und Rettungsdienste über Überlastung, ständig wird der Alarmzustand ausgerufen, weil es kaum noch freie Rettungswagen für den nächsten Notfall gibt. Bei dem ersten gefakten Notruf am Montag sind laut Feuerwehr fünf Wagen zum Bundestag gefahren. Möglicherweise wären sie an anderer Stelle dringend gebraucht worden.

Die Klimakrise zu einem “unfassbaren Notfall“ zu deklarieren, bei dem man öffentlich Alarm schlagen muss, erscheint in dieser Situation geradezu abwegig. Und dass ausgerechnet der Bundestag für die Aktion ausgewählt wurde, ist eine Verhöhnung der Herzkammer der Demokratie.

Es könne nicht angehen, dass „selbst ernannte Wächterräte“ in Berlin bestimmen, wer wo parken darf, oder wer wo bauen darf, hat der frühere Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann im Abgeordnetenhaus mal zum Thema Selbstermächtigung gesagt. Das zu bestimmen sei Aufgabe gewählter und legitimierter Gremien. Wer das infrage stelle, stelle das Parlament infrage. Diesem Zitat von 2009 ist nichts hinzuzufügen.

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