Aktion „Alles dicht machen“: Schützen Sie unsere Stars!
Prominente deutsche Schauspielstars veröffentlichen ironische Videos gegen die Coronapolitik. Wie schön, da bekommt man sie mal wieder zu Gesicht. Eine Glosse.
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Mein Name ist Heiko Werning und ich bin taz-Autor. Ich wollte an dieser Stelle einfach mal Danke sagen. Passender wäre es gewesen, diesen Dank in einem Video zu übermitteln, aber das kann ich nicht, denn ich bin ja kein Schauspieler. Anders als die 51 mutigen Menschen, die nun statt meiner endlich ihren Finger in den vom steckengebliebenen Lachen wunden Hals bohren und ironisch die Coronamaßnahmen, die Regierung, die Medien und Wissenschaftler loben: Martin Brambach, Meret Becker, Ulrich Tukur, Ulrike Folkerts und sogar der lustige Professor Boerne halten uns allen, die wir in unserer unkritischen, regierungstreuen Haltung am liebsten #allesdichtmachen wollen, den Spiegel vor. Heike Makatsch war ursprünglich auch Teil der Runde, hat ihr Video allerdings schon wieder zurückgezogen.
Sie fordern, den Lieferando-Boten nicht mehr reinzulassen, nur noch mit Maske fernzusehen, abweichende Meinungen in den Medien nicht mehr anzuhören oder, wie Professor Boerne, kritischen Stimmen aus der Wissenschaft, die sich mit „Nobelpreistiteln schmücken, ich möchte sagen: tarnen, keine Bühne zu geben, schließlich wissen nur ganz wenige Spezialisten, was wirklich gut für uns ist.“ Während man einen renommierten Pathologen wie ihn einfach nicht gefragt hat.
Es ist sehr wichtig, dass diese tapferen Recken sich so deutlich gegen das herrschende Meinungskartell zur Wehr setzen und der Kritik Raum geben, die man sonst nur in Untergrundschriften wie Bild oder Welt oder in Kommentaren verfolgter Intellektueller wie Harald Martenstein, Jan Fleischhauer und dem Wendler zu lesen bekommt. Es tut so gut, dass endlich einmal jemand darauf hinweist, dass es auch noch Wissenschaftler wie Hendrik Streeck, Jonas Schmidt-Chanasit oder Klaus Stöhr gibt, die außerhalb jeder zweiten Talkshow niemals Gehör finden.
Endlich macht jemand auf das Leid all derer aufmerksam, die seit über einem Jahr beständig im Homeoffice sitzen müssen, in Loft-Etagen und Häusern, die so groß sind, dass sie oft nicht mal mehr den eigenen Familienmitgliedern begegnen, während andere auf der Arbeit an der Supermarktkasse oder im Schlachthof beständig weiter ihre Freunde und Kolleginnen treffen und den ganzen Tag mit anderen Menschen oder doch zumindest mit Tieren zu tun haben. Trotzdem werden die von den gleichgeschalteten Medien dauernd bemitleidet wegen des Infektionsrisikos, dem sie dabei ausgesetzt sind. Wann hörte man je eine Ulrike Folkerts darüber klagen, wie es sich anfühlt, von psychopathischen Verbrechern eine Knarre an den Kopf gehalten zu bekommen.
Es weht ein scharfer Wind
Viel zu sehr auch wurde in dieser Pandemie bislang der Fokus auf die Opfer gelegt, von denen viele ja sowieso in den nächsten fünfzig Jahren gestorben wären. Oder auf das Personal auf den Intensivstationen, das zwar das Privileg genießt, gut bezahlt mit sicheren Tarifverträgen in einem krisensicheren Job zu arbeiten, sich aber dennoch dauernd über ein paar Überstunden beschwert.
Während unsere Schauspielerinnen sich durchschlagen müssen von einem gebührenfinanzierten „Tatort“ zum anderen, von einem Engagement am staatlich subventionierten Theater zum nächsten. Endlich wird auch nicht immer nur über die psychische Belastung gesprochen, die Pflegekräfte im Dauereinsatz erleiden. Als würde Professor Boerne darüber klagen, dass er dauernd Leichen aufschneiden muss!
Als Widerstandskämpfer, die sie nun einmal sind, weht unseren Schauspielstars nun scharfer Wind entgegen. Unsolidarische Schlafschafe und Systemnutten wie Elyas M`Barek oder Nora Tschirner hoffen vermutlich auf eine Einladung zum Abendessen bei Merkel und fallen deshalb über ihre wackeren Kolleginnen mit einem beleidigenden #allenichtganzdicht oder „unfuckingfassbar“ her. Ein von der Regierung gelenkter Twitter-Mob versucht derweil, sie in die rechte Ecke zu stellen. Zum Glück verwahren sie sich sogleich „glasklar“ dagegen, wie der mutige Professor Boerne.
Rechts auf der Bühne
Denn nur weil sie dasselbe sagen wie die Querdenker, AfDler oder Echsenmenschenskeptiker, sind sie selbst natürlich noch lange keine Querdenker, AfDler oder Echsenmenschenskeptiker. Was können sie dafür, wenn die Verantwortlichen und Koordinatoren der Website selbst mit dem Querdenker-Milieu verbandelt sind? Sollen sie denn, wie Christian Ehrich antizipiert, demnächst nach der Vorstellung alle auf die rechte Seite des Theaters gehen, nur um keinen Applaus von rechts zu bekommen? (Allerdings: von welchen Theatervorstellungen spricht der Mann da? Es bleibt doch alles dicht!)
Schließlich möchte ich dafür danken, dass wir durch diese Aktion überhaupt mal wieder etwas von diesen grundsympathischen Künstlerinnen hören. Denn das ist ja der eigentliche Skandal: Dass wir uns vor lauter Lockdown alle ins Netflix-Abo geflüchtet haben und plötzlich mit richtigen Schauspielern in wirklich gut gemachten Filmen und Serien konfrontiert werden. Wenn das so weiterginge – wer würde denn dann noch Nadja Uhl oder Wotan Wilke Möhring sehen wollen?
Bitte bleiben Sie gesund – und schützen Sie unsere Stars!
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