Studie über Tempolimit: Argumente der Autolobby enttarnt
Ohne Tempolimit würden Reisezeitkosten gespart, behauptet die Autolobby. Ein internationales Team von Forscher:innen widerlegt diese Aussage.
Deutschland ist das einzige Land in der Europäischen Union ohne Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen. Ein wichtiges Argument für die freie Fahrt: Ein Auto erreicht sein Ziel später, wenn es langsamer fährt. Das bedeutet einen wirtschaftlichen Nachteil in Form von Reisezeitkosten. Andererseits: Wer schneller fährt, der belastet die Umwelt. Und es kann Leben kosten.
Schnelles Fahren führt zu mehr Fahrten
Ein internationales Team von Forschenden untersuchte die Kosten und Nutzen eines Tempolimits von 130 km/h. Ihre Studie ist im Fachjournal Ecological Economics erschienen. Laut den Autor:innen führt schnelles Fahren eher zu mehr Fahrten, weil das sogenannte Reisezeitbudget gleich bleibt. Die Ersparnis von Reisezeitkosten sei also gar nicht gegeben.
Ohne Tempolimit gebe es außerdem mehr Luftverschmutzung, mehr Unfälle, Staus und Wartung, auch Brücken oder Autobahnen müssten häufiger saniert werden. Das verursache höhere Kosten.
Auch die sogenannten indirekten Emissionen würden unterschätzt. Zum Beispiel könnten die durchschnittliche Motorleistung oder das Autogewicht durch ein Tempolimit verringert werden. Und wenn Autos künftig nicht mehr als 130 km/h fahren, könnten sie leichter gebaut werden und bräuchten so weniger Kraftstoff. Auch der Einsatz von sparsameren Reifen und Bremsen wäre möglich.
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Dass es in Deutschland kein Tempolimit gibt, geht auf die 1930er Jahre zurück. James J. Flink deutet in seinem Buch „Automobilzeitalter“ aus dem Jahr 1990 an, dass Hitler besessen von Autos und Geschwindigkeit gewesen sei. Laut Studie setzt sich diese Haltung bis heute fort: In Deutschland findet die größte Automobilmesse statt, fünf erfolgreiche Autobauer sitzen hier. „Die Rechte der Fahrer dürfen nicht eingeschränkt werden“, laute das Credo der Autolobby, so die Autor:innen.
Dabei befürwortet die Mehrheit der Bevölkerung ein Tempolimit. In einer repräsentativen Forsa-Umfrage von 2022 waren 63 Prozent der Befragten für eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h.
950 Millionen Euro einsparbar
Die Forschenden enttarnen Argumente der Autolobby: Rasen spart nämlich keine Reisekosten. Außerdem argumentiere der Verband der Deutschen Automobilindustrie unverständlich und irreführend, heißt es in dem Papier. So behaupte man, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen nur einen „vernachlässigbaren Klimaschutzeffekt“ hätten. Den niedrigsten Schätzungen der Studie zufolge könnten pro Jahr in Deutschland durch ein Tempolimit aber 950 Millionen Euro und 1,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden.
Anhand ihrer Ergebnisse fordern die Autor:innen, dass Zeitgewinne, also wirtschaftliche Belange, nicht gleichbedeutend mit Gesundheitskosten durch Luftverschmutzung diskutiert werden. Zuletzt hatte die Europäische Umweltagentur darauf hingewiesen, dass europaweit jährlich 1.200 Kinder und Jugendliche vorzeitig an den Folgen schlechter Luft sterben.
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