Wissing muss sich an diese Ampel gewöhnen

Der designierte liberale Bundesverkehrsminister will Diesel-Fahrenden helfen, wenn das Steuerprivileg fällt, und Anwalt der Autofahrenden sein. Eine Provokation für die Grünen

Automann Volker Wissing bei der Ankunft für die Koalitionsverhandlungen am 15. November in Berlin Foto: Chris Emil Janssen/imago

Von Anja Krüger

Noch bevor er im Amt ist, stößt der designierte FDP-Verkehrsminister Volker Wissing den Grünen massiv vor den Kopf. In einem Interview kündigte er einen Ausgleich an, wenn die Steuern auf Diesel an die für Benzin angeglichen werden – und der Kraftstoff deshalb teurer wird. Zum Ausgleich wolle er die Kfz-Steuern senken, sagte Wissing der Bild-Zeitung. Grüne Ver­kehrs­po­li­ti­ke­r:in­nen sind empört. „Herr Wissing ist FDP-Verkehrsminister, aber er muss sich daran gewöhnen, dass er auch ein Ampel-Verkehrsminister ist“, sagte Stefan Gelbhaar, Verkehrsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, der taz.

Überraschend besetzen nicht die Grünen, sondern die FDP mit Volker Wissing in der neuen Bundesregierung den Posten des Verkehrsministers. Die Aufgabe des Verkehrsressorts sorgt unter den Grünen für massiven Unmut. „Die Tragweite dieser Entscheidung ist unermesslich katastrophal“, findet etwa die ehemalige Kreuzberger Bürgermeisterin Monika Herrmann, die mit ihrer Pop-up-Radwegepolitik in der Coronakrise weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt hatte.

Tatsächlich scheinen sich die Befürchtungen zu bestätigen. Bereits kurz nach seiner Nominierung hatte Wissing sich für eine Senkung der Energiesteuern starkgemacht, damit auf diesem Weg die Spritpreise sinken können. Er machte zudem klar, dass er sich als Anwalt der Autofahrenden versteht. Dann legte er mit der Forderung nach einem Ausgleich für Diesel-Fahrende nach. Im Koalitionsvertrag der Ampel haben sich SPD. Grüne und FDP allerdings darauf verständigt, die Steuern für Diesel an die für Benzin anzupassen. Heute wird Diesel 18 Cent weniger besteuert als Benzin. Das sogenannte Dieselprivileg wollen Um­welt­schüt­ze­r:in­nen seit Langem abschaffen. Das findet sich auch im Koalitionsvertrag wieder. „Mit der Umsetzung der EU-Energiesteuerrichtlinie, die u. a. die steuerliche Angleichung von Dieselkraftstoff und Benzin vorsieht, werden wir die steuerliche Behandlung von Dieselfahrzeugen in der Kfz-Steuer überprüfen“, heißt es dort.

Wissings Vorstoß sei nicht gedeckt, betonte Verkehrsexperte Gelbhaar. Im ersten Teil dieser Passage sei klar vereinbart, dass die EU-Richtlinie umgesetzt werde. Im zweiten Teil sei von einem Prüfauftrag die Rede. Prüfaufträge sind eine Chiffre dafür, dass sich Ko­ali­ti­ons­part­ne­r:in­nen nicht geeinigt haben, sondern über den entsprechenden Punkt weiter verhandeln werden. In der Frage der Kfz-Steuer ist ein Alleingang des Verkehrsministers nicht möglich. „Das Parlament entscheidet darüber“, sagte Gelbhaar. Deshalb muss sich die Ampel auch darüber verständigen.

Auch der grüne Bahnexperte Matthias Gastel, der anders als Geldhaar den Koalitionsvertrag mit ausgehandelt hat, ärgerte sich über Wissings Vorstoß. „Ein zukünftiger Ampel-Verkehrsminister sollte zuvorderst Anwalt für Bahn, Bus und Fahrrad sein – und auf Zukunft alternativer, innovativer Antriebe setzen statt rückwärtsgewandt und zukunftsvergessen auf fossile Kraftstoffe“, twitterte Gastel.

Die Vereinbarungen der Ampel zu Mobilität sind auf zum Teil harsche Kritik von Umwelt- und ökologischen Verkehrsverbänden gestoßen, weil ihnen wichtige Punkte fehlen und vieles vage bleibt. Das Wort Verkehrswende wird nicht einmal erwähnt.

Die wohl – unfreiwillig – härteste Kritik kommt vom bisherigen CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer. „Schön, dass die Ampel meine Arbeit der letzten Jahre fortsetzt“, sagte er gegenüber der dpa. Den Vertrag hätte er bei den Themen Verkehr und Digitales auch schreiben können. „Großspurige Ankündigungen, es radikal anders zu machen“, fänden sich im Koalitionsvertrag nicht.