Strafen für Aktivist:innen: Und was ist mit dem Klima?
Die Union will Straßenblockierer härter bestrafen. Als Opposition müsste sie aber eigentlich die lahme Klimapolitik der Ampel anprangern.
D ie Bild-Zeitung freut sich schon. In dieser Woche will die CDU/CSU einen Antrag in den Bundestag einbringen, der „Mindestfreiheitsstrafen“ für Straßenblockierer fordert, wenn sie die Durchfahrt von Rettungsdiensten behindern. Außerdem soll bei Wiederholungstäter:innen „Unterbindungsgewahrsam“ verhängt werden können. Die Details sind noch unklar: Wie hoch soll die „Mindestfreiheitsstrafe“ denn sein? Soll auch die Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr möglich sein? Und wie soll der Bundestag präventiven Gewahrsam regeln, wenn für die Gefahrenabwehr doch die Bundesländer zuständig sind? Will die Union gleich das Grundgesetz ändern – oder es einfach nur ignorieren?
Doch darauf kommt es den Protagonist:innen dieser Ideen vermutlich gar nicht an. Für sie ist vor allem die Richtung wichtig: Härtere Strafen für Klima-Kleber! Das werden wir noch oft zu hören bekommen. Vermutlich wird die Union ihren Antrag so formulieren, dass die Ampelkoalition ihn nur ablehnen kann. Und dann ist jede Blockade der Letzten Generation zugleich eine „Ampel-Blockade“. Ganz nach der Unions-Losung der 1990er Jahre, ohne Abschaffung des Asylrechts sei „jeder Asylant ein SPD-Asylant“.
Die Koalition kann natürlich kontern, der Union vorhalten, dass sie die Justiz missachtet. Schließlich wären ja heute schon härtere Strafen möglich. Bei Nötigung können nach derzeitiger Rechtslage Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren verhängt werden. Kommt wegen einer Blockade fahrlässig ein Mensch zu Tode, sind sogar fünf Jahre Gefängnis möglich.
Doch über einen Fall, bei dem Rettungsfahrzeuge behindert wurden, musste die Justiz noch gar nicht entscheiden. Es wirkt, als wolle die Union generell Geldstrafen für die Blockaden verhindern. Die Justiz könnte dann nicht mehr die Strafen verhängen, die sie bisher schuldangemessen findet.
Der angekündigte Unions-Vorschlag wirft aber nicht nur Fragen an die CDU/CSU auf, sondern auch an die Letzte Generation. Wie kann es sein, dass zu Beginn der Klimakonferenz in Ägypten nun alle über höhere Strafen für Straßenblockaden reden und niemand über die mangelhafte Klimapolitik der Bundesregierung? Ist die Strategie des zivilen Widerstands damit nicht voll nach hinten losgegangen? Geht es der Letzten Generation um Klimaschutz, oder wollen sie vor allem ins Lehrbuch für Moralethik eingehen?
Als Opposition müsste die Union eigentlich die zu zögerliche Klimapolitik der Koalition angreifen. Das entspricht aber nicht ihren Interessen. Dank der Letzten Generation hat sie nun ein anderes Ziel für ihre Attacken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku