Lawrow in Brasilien: Moralisch-politischer Bankrott

Anbiedernd und kritiklos empfängt Brasiliens Präsident Lula da Silva den russischen Außenminister. Damit schlägt er sich auf die Seite des Aggressors.

Der russische Aussenminister Lawrow zwischen Fahnen Russlands und Brasiliens

Sergei Lawrow während einer Pressekonferenz mit dem brasilianischen Amtskollegen Vieiera am Montag Foto: Myke Sena/dpa

Erst war er in Brasilien, jetzt reist Russlands Außenminister Sergei Lawrow weiter nach Venezuela, Kuba und Nicaragua. Damit stellt Lawrow Brasiliens Präsidenten Lula da Silva genau da hin, wo ihn seine rechten innenpolitischen Geg­ne­r*in­nen im Wahlkampf immer stellen wollten: in eine Reihe mit lateinamerikanischen Diktatoren.

Und Lula, von den vier der einzige demokratisch gewählte Regierungschef und zudem Präsident des größten und wirtschaftlich stärksten Landes, lässt das willig mit sich machen. Kein Wort kam von Lula, seinen russischen Gast dazu aufzufordern, seine Truppen sofort aus der Ukraine zurückzuziehen – stattdessen kritisiert der 77-Jährige die USA und Europa, sie würden durch Waffenlieferungen an die ukrainischen Verteidiger den Krieg befeuern.

Mit der lange beschworenen „Äquidistanz“ Brasiliens zwischen dem US-geführten Westen einerseits und China/Russland andererseits hat das kaum noch etwas zu tun. Kein Wunder, dass sich Lawrow nach den Gesprächen hocherfreut für das brasilianische Verständnis bedankt.

China und Russland haben ein großes Interesse daran, die doch eher lose Wirtschaftsallianz der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) zu einem politischen Bündnis zu formen – solide antiwestlich, mit dem nur knapp nicht ausgesprochenen Anspruch auf Führerschaft des Globalen Südens.

Keine Solidarität mit der Ukraine

Aus rein nationalen Interessen ist nachvollziehbar, dass Lula dem nicht widersprechen möchte: China ist stärkster Handelspartner des Landes; die in den vergangenen Jahren gemachten Erfahrungen mit EU und USA geben kaum Anlass, das ändern zu wollen, und Brasiliens Rolle in diesem Bündnis ist größer und wichtiger, als sie in einer westlichen Allianz je sein könnte.

Moralisch und politisch allerdings ist Lulas Positionierung für einen Linken eine Bankrotterklärung. Antiimperialistische Solidarität mit einem überfallenen Land? Pustekuchen. Lula behauptet, er wolle unter keinen Umständen Teil eines neuen Kalten Krieges werden. Aber seine anbiedernde Kritiklosigkeit gegenüber seinem russischen Gast macht ihn genau dazu. Lulas Gerede vom „Friedensclub“ für die Ukraine, den er gründen wolle, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er sich de facto auf die Seite des Aggressors geschlagen hat. Putin wird es freuen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.