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Identitätspolitik in linken SzenenDas Normale ist politisch

Identitätspolitik ist vielen zuwider, weil sie sich nicht betroffen fühlen und als „normal“ sehen. Über das Verhältnis linker Milieus zu Normalität.

Bunte Kleidung war in K-Gruppen tabu, sie wollten Normalo-Look: Demo gegen den Vietnamkrieg 1968 Foto: Peter Probst/SZ

Ein breitbeiniger Satz: „Ich bin mittlerweile zum Symbol geworden für viele normale Menschen, die ihre Lebensrealität nicht mehr gespiegelt sehen in der SPD, die unsicher sind, was sie noch sagen dürfen und wie sie es sagen dürfen.“

Autor dieser Worte ist Wolfgang Thierse, 77, ehemaliger Präsident des Deutschen Bundestages und Sprecher des Arbeitskreises Christen in der SPD. „Wissen Sie eigentlich, dass normale Leute mir danken für meinen Mut?“, fragt er im Zeit-Magazin und beglückwünscht sich selbst für seinen Feldzug gegen eine der größten Geißeln der Menschheit: das *.

„Große Teile der Arbeiterschaft haben wir schon verloren“, warnt Thierse. „Wollen wir jetzt auch noch alle die ausschließen und verlieren, die das Gendersternchen nicht mitsprechen wollen und können?“ Thierse, einst Kämpfer gegen die DDR-Diktatur, hat erkannt, wer heute unsere Freiheit bedroht: Sprachpolizisten und Tugendterroristen mit ihrem Gender-Newspeak. „Jeder soll so reden können, wie ihm der Schnabel gewachsen ist“, befand dagegen, nein, nicht Thierse, sondern Kretschmann, Winfried, 72, im Sommer im Spiegel.

Polemiken gegen Minderheitenromantik und identitätspolitischen Regulierungswahn markieren den Höhepunkt einer neuen Rhetorik des Normalen. Die „Normalität“ erlebt eine Renaissance, nicht nur bei Old-school-Sozis. Das Normale ist immer statisch gedacht und wird beschworen, um Veränderungen zu verhindern – und um das Unnormale, das Andere zu markieren, auch „Othering“ genannt.

„Die AfD macht die Unsichtbaren sichtbar“, erklärte im Dezember der Soziologe Klaus Dörre dem Tagesspiegel. Die Partei gebe den Arbeitern das Gefühl, eine Stimme zu haben, „der Maßstab für Normalität zu sein“.

Vom Sponti zum Normalo

Diese neue Normalitäts-Erzählung vernimmt man schon eine ganze Weile. Als eine Pionierin kann Cora Stephan gelten. Bereits im Jahr 2017 beugt sich die in der Frankfurter Spontiszene großgewordene Autorin runter und lauscht den Stimmen der Normalen. In der Neuen Zürcher Zeitung weiß Stephan damals die normative Kraft des Faktischen auf ihrer Seite. „So sieht sie halt aus, die Wirklichkeit, egal, ob das den kulturellen Eliten passt oder nicht“, schrieb Stephan.

„Der Normalo will seine Ruhe und möchte im Übrigen nicht dauernd beleidigt werden. Er macht seine Arbeit, zahlt Steuern, pflegt Hobbys und ein wenig Gemeinschaftssinn. Er muss sich nicht jeden Tag neu erfinden und will sich auch nicht ständig über alles den Kopf zerbrechen. Die tägliche Revolution? Nein danke. Das Private ist politisch? Bitte nicht.“

Die NZZ, auf der Suche nach neuen Zielgruppen, nutzt den angeblich unpolitischen Normalo für ihre Zwecke – und hofft so auf Leser vom Typus Hans-Georg Maaßen. Der ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz lobte das ehedem liberale Blatt mal als Korrektiv zur linksgrün gleichgeschalteten BRD: „Für mich ist die NZZ so etwas wie Westfernsehen.“

Den Normalo als Verteidiger des Status quo gegen unliebsame Neuerungen aufzurufen, das ist aber keine Spezialität von Christen in der SPD, rechten Schweizer Zeitungen oder Schwarzgrünen in Baden-Württemberg. Auch von traditionsverbundenen Linken wird er reaktiviert.

Der Normalo, das ist eigentlich überflüssig zu erwähnen, tritt stets als Mann auf, eine Normala ist nicht normal. Das kennen wir seit Otto Normalverbraucher und Erika Mustermann.

Oder schon mal gehört von Mehmet Normalverbraucher? Fatma Musterfrau? Auch die taz greift zum N-Wort: „Mit einer Biografie als schwuler, urbaner Migrant lässt sich auf den Aufmerksamkeitsmärkten mehr Kapital generieren als mit einem Dasein als Normalo in Eisenhüttenstadt.“ Schrieb in dieser Zeitung Stefan Reinecke, mit dem mich, so viel Sprechpositionstransparenz muss sein, eine längere Geschichte verbindet.

Normal ist spießig

Er schreibt seit den 80ern für die taz, war in den 90ern mein Redakteur beim Freitag und ist vier Jahre jünger als ich. Gut möglich, dass ein schwuler, urbaner Migrant auf den Auf­merksamkeitsmärkten mehr Kapital generieren kann – aber auch möglich, dass ein schwuler, urbaner Migrant um seine Unversehrtheit fürchten muss, wenn er in Eisenhüttenstadt unter Normalos gerät. Ganz zu schweigen von queeren Menschen, Nonbinary- oder Transgender Personen – und wie die alle heißen in der nervigen Nicht-Normalo-Abkürzungskette: LGBTQxyz…

Historisch betrachtet ist die Renaissance des Normalen ein verblüffendes Phänomen. In der 68er-Linken galt der Normalo als uncool: autoritärer Charakter, angepasst, bieder, spießig. Das änderte sich mit dem Boom der zahlreichen maoistischen Parteien, die aus den Spaltungsprozessen der Revolte hervorgingen.

Die Männer aus den K-Gruppen (Frauen gab es da kaum) traten betont normal auf, um ihr revolutionäres Subjekt (Objekt wäre präziser) nicht zu verschrecken – die Arbeiterklasse. Lange Haare, bunte Klamotten, Rockmusik, Drogen, damit wollte die deutsche Working Class nichts zu tun haben. Mit ostentativ zur Schau gestellter Normalität glaubten die Politniks von KPD, KPD-ML & KBW das Proletariat für die Revolution gewinnen zu können.

Beim Kommunistischen Bund Westdeutschlands absolvierte auch Winfried Kretschmann ein paar Jahre lang Schulungen in Normalismus, von denen er bis heute profitiert. Nicht ­zuletzt einer grundnormalen Ausstrahlung verdankt der Ex-Maoist seine Popularität. Den Wahlkampf gewannen die Grünen mit einem Plakat, das nur Kretschmann zeigt, dazu drei Worte: „Sie kennen mich.“ Die Cleverle-Variante der Erkenntnis, nach der der Bauer nichts frisst, was er nicht kennt.

Im Abwehrkampf gegen die pauschal so genannte „Identitätspolitik“ mit ihrer Pauschal-„Cancel Culture“ berufen sich Kretschmann, Thierse und Co auf die Normalos, ganz so wie einst paternalistische Linke auf „die kleinen Leute“ oder „den Arbeiter“. Der Normalo fungiert in diesem Manöver – das natürlich selbst ein zutiefst identitätspolitisches ist, aber eben eines von oben – als Stellvertreter einer tradierten Übersichtlichkeit, einer Ordnung ohne Gender- oder Migrations-Trouble.

„Modisch“ ist wieder da

Komplementär zum Neuen Normal feiert derzeit ein anderes Adjektiv ein Comeback, das länger aus der Mode war: „modisch“. Beim guten alten Kulturmagazin Perlentaucher vergeht kein Tag ohne das Lamento über „die modische antirassistische Linke …“, „die modische Linke mit ihrem Kult der allerkleinsten Differenz“, „die modische Identitätslinke“ oder die „modischen akademischen Linken und ihre identitären Ideen“. Der Begriffscontainer „modisch“ suggeriert: verführbar, manipulierbar, oberflächlich, ich-schwach. Wie das Adjektiv „normal“ hat auch „modisch“ eine wechselhafte Karriere hinter sich.

In den 60ern und 70ern gehörte es zur Grundausstattung einer schlichten, moralisierenden Kapitalismus- und Konsum-Kritik, wie sie unter K-Gruppen verbreitet war. Pop und Fashion galten als Teufelszeug, das bloß dem großen, systemstabilisierenden Verblendungszusammenhang diene. Jahrzehnte später recyclen ältere (Ex-)Linke „(neu)modisch“ als Abwertung gegen das lästige „Gedöns“ (Gerhard Schröder) der sogenannten Identitätslinken.

Das Beschwören einer fiktiven Normalität und die pauschalisierende Denunziation neuerer, komplizierter Diskurse mit dem Popanz-Wort „Identitätspolitik“ hat in diesen alt- und exlinken Milieus offenbar eine – Achtung! – identitätsstiftende Funktion. Sie verhindert eine kritische Auseinandersetzung mit den vielen Facetten, Irrungen und Wirrungen der – nennen wir es mal pauschal: Antidiskriminerungspolitiken. Gerne auch „Woke Politics“.

Aus vielen Wortmeldungen dieser doch noch erstaunlich ungecancelten Speaker (Thea Dorn, Svenja Flaßpöhler, Gesine Schwan und Co dürfen sich mitgemeint fühlen) spricht der notdürftig als Gedanke getarnte Wunsch, diese Mode möge rasch vorüberziehen. Und wir könnten zurückkehren zur – Normalität.

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85 Kommentare

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  • Dankesehr, gut gesagt. Auch Kretschmann sehr treffend beschrieben.



    Dabei gibt es Entwicklungen im identitätspolitischen Aktivismus, die einem wirklich Sorgen machen sollten. Eine Kritik von einem liken, liberalen Standpunkt wäre da sehr wünschenswert. Ist aber sehr diffizil, wenn man sofort von Grobmotorikern wie Thierse und Co. vereinnahmt wird.

  • Die Diagnose des Normalen ist berechtigt, nur was ist denn der Gegenentwurf? Die Minderheit ist doch auch nicht anders sondern nur eben die Minderheit. Und der Fleiß und der Dogmatismus mit dem in den Minderheitsbiotopen Sprach- und Verhaltensregeln entwickelt werden lässt nichts Gutes erwarten. In Wirklichkeit geht es eben meist nur um die Ablösubg der einen Normalität durch eine andere. Deutungshoheit inklusive. Machtverschiebung somit auch. Das kann aber doch nicht wirklich als Veränderung der bestehenden Strukturen ausgegeben werden und als neue Freiheit schon mal gar nicht. Kollektive Identitäten führen einfach überhaupt nie zu mehr Freiheit, egal wie sie sich definieren. Als unambitioniertes Notmittel gegen Diskriminierung sind sie vielleicht akzeptabel, als kuschelige Neukultur sind sie aber ärgerlich und eigentlich genau das, was sie bekämpfen vorgeben.

  • Mir ist das zu selbstreferentiell. Auch dieser Text befasst sich vor allem mit den Freunden und Gegnern von Identitätspolitik, nicht mit der inhaltlichen Dimension. Solange das so ist, verstehe ich es nicht und bleibe bei meiner altmodischen 80er-idealvorstellung, dass Jede:r ein Individuum und als solches gleichermaßen zu respektieren ist.

    • @PPaul:

      Das gleicher Respekt für jedes individuum noch eine Idealvorstellung und nicht Realität ist, beschreibt genau das Problem. Um das Problem anzugehen muss man nun mühsam gucken, wo bestimmte Gruppen weniger berücksichtigt oder respektlos behandelt werden.



      Dem kann dann mit gezielten Regelungen, wie z.B. einer Frauenquote entgegen gewirkt werden.

      Ein weiteres Thema wäre z.B. das hier: taz.de/Physiker-ue...inierung/!5286890/

      Lese dir am besten mal die Definitionen auf Wiki durch: de.wikipedia.org/w...litik#Definitionen



      (hat mir geholten die Themen besser identifizieren zu können) LG

  • 1/1 Normale, die ganz anders sind

    Leicht macht mir es der Artikel nicht, sein für mich als Leser wichtiges Thema „rüberzubringen“. Vorweg, ich habe ihn trotzdem mit Spannung gelesen, weil er jedenfalls mir wichtiges zu sagen hat.

    Welches Verhältnis haben unterschiedliche linke Milieus zu etwas, was als „Normalität“ verstanden und politisch zur Geltung gebracht wird? Denn Normalität (in meinem Verständnis des Artikels) ist nicht gleich etwas wie selbstverständlich existierendes. Im Gegenteil, „das Beschwören einer fiktiven Normalität und die pauschalisierende Denunziation neuerer, komplizierter Diskurse mit dem Popanz-Wort „Identitätspolitik“, hat, so der Artikel, in „alt- und exlinken Milieus“ auch eine „offenbar (..) identitätsstiftende Funktion“, für den Bestand eben dieser politischen Milieus selbst. Damit wird der Begriff „Normalität“ (meine Sicht) aber auch für einen nur eigenen Zweck dieser politischen Milieus instrumentalisiert. Das verstellt deshalb den realistischen Blick dieser linken Milieus auf die Realität von Gruppen/Schichten, die in einer Normalität leben, wie sie selbst behaupten und das politisch auch dahingehend zur Geltung bringen, dass diese, ihre Normalität einen gewissen Allgemeingültigkeitsanspruch für die Gesellschaft als Ganzes hat.

  • 2/2 Normale, die ganz anders sind

    Weiterhin behindern sich diese traditionellen linken Milieus damit selbst, eine produktive Auseinandersetzung mit linken „Antidiskriminerungspolitiken“, mit linker Identitätspolitik zu führen. Ebenso bestehen Vorbehalte der „Traditionslinken“ gegenüber der Identitätspolitik. Angeführt werden Äußerungen von W. Thierse, SPD. Die SPD sieht sich nach ihm als Vertreterin und nach wie vor als „Symbol“ für „viele normale Menschen, die ihre Lebensrealität nicht mehr gespiegelt sehen in der SPD, die unsicher sind, was sie noch sagen dürfen und wie sie es sagen dürfen.“ Das sind also Menschen, denen die Identitätspolitik befremdlich ist. Deshalb fragt Thierse: „Wollen wir jetzt auch noch alle die ausschließen und verlieren, die das Gendersternchen nicht mitsprechen wollen und können?“ Damit geht er zumindest auf Distanz zur Identitätspolitik. Die linken identitätspolitischen Positionen sehen das natürlich mit Skepsis. Ebenso haben sie Schwierigkeiten, sich ausgerechnet den Milieus der Arbeiterschafft zu nähern, die der Traditionslinken von der Fahne und der AfD auf den für mich definitiven Leim der bewussten Täuschung gehen. Von diesen Milieus erwartet die Identitätspolitik Ablehnung und Feindseligkeit und sieht sich darin durch das Abdriften bestätigt, s. eben.

  • 3/5 Normale, die ganz anders sind

    Von da ab geht dem Artikel doch etwas zu viel durcheinander. Denn er eröffnet dem Leser ein weiteres Feld der pol. Auseinandersetzung, das der „schreibenden Zunft", Journalistenschaft u. Autorenschaft. Obwohl er doch zuerst über „das Verhältnis linker Milieus zu Normalität“ sprechen will. Unglücklich dabei, dass der Artikel seine Definition von Normalität nun aus dem nimmt, was ein Teil der „Schreibenden Zunft“ zu der sagt. Und ja gut, dieser Teil behauptet, dies sei die Normalitätsvorstellung der angesprochenen Arbeitermilieus, bzw. der „kleinen Leute“. Die er prompt gegen die linke Identitätspolitik in Stellung bringt. Nicht, ohne die Vorstellungen von Normalität in der Gesellschaft dabei für sich, ihre pol. Position zu instrumentalisieren.



    Ich glaube, da geht der Artikel ein Stück weit in die selbstgestellte Falle. Er kritisiert die Normalitätsvorstellung, die ihm ein anderer Teil „der Zunft“ offeriert. Er verliert dabei aber die Vorstellungen der Arbeitermilieus aus den Augen, um die es geht. Die Leserschaft wird auf einen „Kampfplatz schreibender Zünfte“ geführt. Das ist spannend, aber vom Thema weg. Und mehr noch, weg von der Analyse von „Normalität“, die bei den genannten Milieus ansetzen müsste, wie gezeigt.

  • 4/5 Normale, die ganz anders sind

    Zu was spricht also der Artikel und vor allem, wie realistisch wirklichkeitsnah ist dann noch sein Verständnis von Normalitätsvorstellungen in der Gesellschaft? Und nicht über das, was ein Teil der Zunft davon hält? Das ist doch noch einmal ein Thema im Thema, das die inhaltliche Substanz des Artikels schwächt. Das müsste schon sowohl inhaltlich als auch vom Aufbau des Artikels her deutlicher getrennt werden. Zumal er sich die Chance vergibt, für den Leser etwas über die Vorstellungen von Normalität und darüber entscheidend hinaus zu erfahren, die der zitierte Klaus Dörre im (nicht verlinkten) Interview schildert. Zentral für den Artikel ist nämlich seine Aussage zur Voraussetzung von Normalität: Stabilität der Lebensverhältnisse, wirtschaftlich, sozial, auch kulturell: „Das Normale ist immer statisch gedacht und wird beschworen, um Veränderungen zu verhindern – und um das Unnormale, das Andere zu markieren, auch „Othering“ genannt.“ Nach Dörre ist diese Stabilität für die Arbeitermilieus nicht mehr gegeben, mit Folgen für ihr Selbstverständnis, für ihre auch individuellen Identitäten. Dörre „Allein die Umstellung auf Elektromobilität wird dazu führen, dass bis zu 300.00 Menschen ihre Jobs verlieren. Am Verbrennungsmotor festzuhalten wäre total falsch, der Wandel ist notwendig.“ (.) „Sie sehen dadurch den eigenen Entwurf vom guten Leben in Frage gestellt. Zu diesem Traum gehören das repräsentative Auto, das Eigenheim, der sichere Job und eine klare Rollenverteilung in der Familie. Wer das ohne genaue Kenntnis ihrer Lage aus einer privilegierten Position hinterfragt, wertet nach ihrer Wahrnehmung legitime Lebensentwürfe ab.“

  • 5/5 Normale, die ganz anders sind

    So spießig die identitätspolitische Linke diese Vorstellungen vielleicht finden mag und sie nicht grundlos misstrauisch auf diese Milieus schaut, welche Antwort hat sie, welche Antwort hat die Traditionslinke auf diese sich abzeichnende Instabilität dieser Milieus? Der Artikel hat auch keine, erteilt nur einem Anderen Teil der Schreibenden Zunft eine Abfuhr – sicher nicht ohne Gründe. Aber was wird nun? Wenn die Menschen dieser Milieus in der (Langzeit-)Arbeitslosigkeit landen? So, wie der politisch-administrative Komplex der Arbeitslosenverwaltung gegenwärtig aufgestellt ist, stehen die Chancen für sie dort leider nicht schlecht, dort ihre Identitäten zu verlieren. Arbeitsidentität ist, gerade in diesen Milieus, ein erheblicher Anteil davon. Dann wird es um diese Identitäten gehen, bzw. um die Folgen, wenn es nicht darum gehen soll, darf, kann... Da war schon mal was. Da war schon mal eine (rot-grüne) Basta-Reform. Die Frage, wie sich die schreibende Zunft dazu politisch „nur“ zueinander verhält, ist das eine. Die andere Frage scheint mir wichtiger. Auch wichtiger für die Akteure der unterschiedlichen linken Lager. Deshalb gern weiter Artikel auch zur letzten Frage.



    Link, Tagespiegel, Klaus Dörre:



    www.tagesspiegel.d...tbar/26687036.html

  • Man kann das alles so sehen, wie es Klaus Walter in dem Artikel tut. Und danke für die Perspektive auf die K-Gruppenleute, die unbedingt normal sein wollten. Das war mir neu.

    Ein unwohles Gefühl gegenüber den linken Identitären haben meines Erachtens aber nicht nur reaktionäre Normalos. Es häufen sich die Irritationen: Punkteabzug an der Uni Kassel, wenn man in der Hausarbeit nicht gendert, Pseudoskandalisierung von schwarzgeschminkten Weißen in Theatern, völlig unkritische PR-Berichterstattung über Minderheiten, Moralkeulen, die Standards setzen wollen, Forderungen massiver Einschränkungen der Meinungsfreiheit migrantischer Kleingruppen etc.

    In der Linken ist in Teilen eine Verblödung eingetreten, intellektuelle Standards werden in einem fort gerissen. Dazu gehört auch die Dauerproblematisierung von Thierses "Normal-"Gebrauch. Er selbst hat das im Nachgang als "gewöhnlich" bezeichnet und man könnte das so stehen lassen. Tut man aber nicht, weil man gerne Stress macht.

    Gewöhnliche gendern nicht, weil sie es für überflüssig halten, sehen keinen Skandal in einem geschminkten Gesicht und wollen anderen auch nicht den Mund verbieten. Leider wollen das immer mehr sogenannte Linke.

  • "Schrieb in dieser Zeitung Stefan Reinecke, mit dem mich, so viel Sprechpositionstransparenz muss sein, eine längere Geschichte verbindet."

    Was Sie 'Sprechpositiontransparenz' nennen, Herr Walter, ist ein einzigartiger Vorgang in der TAZ.

    Dieser Versuch, die Reputation eines Kollegen, der nicht ihrem woken Glauben verhaftet ist, zu zerstören, spricht nicht für Ihre moralische Integrität.

    Opportunisten, Mitläufer und ideologische Schreibischtäter lönnen sich sollten sich vom Mut des Herrn Reinecke eine Scheibe abschneiden.

    Wachen Sie auf aus Ihrem totalitären Traum - lernen Sie aus der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts.

  • Wolfgang Thierses Rekurs auf die 'normalen Leute' ist in der Tat unglücklich.

    Denn 'normal' ist in zunehmendem Maße der identitätspolitische Diskurs. Er ist tendenziell hegemonial: an den Universitäten, Schulen, Leitmedien, zunehmend in Behörden und den HR-Abteilungen von Unternehmen, in Parteien, wie den Grünen, den Linken und teilweise auch der SPD.

    Thierse hätte also besser an die noch existierende (Rest-) VERNUNFT appelliert, die die Unvernunft des identitätspolitischen Projektes erkannt hat - ja, dessen Tendenz zur Zerstörung der Vernunft.

  • Meine Identität: Mensch und Cosmopolit.



    Schwuler: Mensch



    Lesbe: Mensch



    Transgender: Mensch



    Schwarz, braun, weiß, gelb, rot: Mensch



    Afrikaner, Asiate, Europäer, Amerikaner, Australier: alles Menschen

    Wie will man es eigentlich schaffen, durch immer mehr sprachliche Abgrenzung gleiches Recht für alle zu erreichen? Es werden immer mehr individuelle Unterschiede hervorgehoben, statt auf das zu verweisen, was wirklich relevant ist: wie alle sind Menschen, für uns alle gelten dieselben Rechte und Pflichten.

    Wenn es Diskriminierung gibt wegen bestimmter individueller Merkmale, muss man dagegen selbstverständlich vorgehen. Aber ich bezweifle, dass man diesen commom sense erreicht, wenn man permanent die Unterschiede betont statt die Gemeinsamkeiten.

    • @Grummelpummel:

      Die Unterschiede sind bereits durch die merkmalsbezogene soziale Ungleichheit vorgegeben. Ihren humanistischen Universalismus in Ehren - aber in Bezug auf die unterschiedlichen Erfahrungen all der Menschen ist dieser blind und taub.

  • Mit dem irrelevanten Gegensatz von "normal" und "unnormal" wird ein Pappkamerad aufgebaut, um der entscheidenden Diskussion auszuweichen: Die Frage ist nicht, ob "normale Menschen" für Woke-Politics empfänglich sind oder nicht, sondern ob emanzipatorische politische Ziele mit freiheitlichen oder mit totalitären Mitteln durchgesetzt werden sollen? Meine Haltung ist klar: Keinen Fußbreit den Totalitären! Wer wissen will, was wirklich auf dem Spiel steht, sollte sich mal mit diesen beiden Links genauer beschäftigen. Ich kann nur hoffen, dass die schöne neue Woke-Welt nicht zur "Normalität" wird:



    jungle.world/artik...in-schnauze-halten

    taz.de/Patsy-lAmour-laLove-



    ueber-Hass-in-Berlin/!5512805&s=Patsy+Amour/

    • @Running Man:

      Der erste Artikel ist von 2012! Anscheinend ein extrem seltenes Randphänomen an Intoleranz und Dummheit. Wenn da nichts aktuelleres erschienen ist, droht uns da ganz sicherlich nicht demnächst der Totalitarismus. Und von Patsy l'Amour ganz sicherlich auch nicht!

      • @Felix Meran:

        Nein, das ist ein Mißverständnis: Ich habe nicht auf Patsy L'Amour LaLove verlinkt, weil ich sie für einen Teil des Problems halte. Vielmehr sehe ich ihre Position als Teil der Lösung! Wenn man wissen will, wo die Grenze zwischen Aktivismus und selbstzerstörerischer Ideologie verläuft, sollte man das Interview lesen. Zwar muss man sich bis zum mittleren Abschnitt gedulden, aber auch die Anfangspassage zu ihrer Person und ihren Erfahrungen ist interessant:



        taz.de/Patsy-lAmou...805&s=Patsy+Amour/

    • 9G
      90634 (Profil gelöscht)
      @Running Man:

      Volle Zustimmung.

  • Wie hilflos von Herrn Thierse. Sich in "Normalität" flüchten, wo viele Schutz vermuten. Bis sie merken, sie sind ja gar nicht normal. Sie sind z.B. alt. Oder dick. Oder haben einen fusseligen Bart. Alles genug Gründe, dass andere sagen: Ey, wie siehtn der aus? Na Opi, was willsten hier.... und das sind dann die Kinder der normalen Arbeiter oder der normalen Akademiker der Viertels.



    Es geht so schnell, dass Menschen aus dem vermeintlich geschützen Raum der Normalität in einen anderen geraten. Deshalb setzte ich mich für Antidiskriminierung ein. Es braucht viel Mut. Zurück in das Nest der Normalität ist ein Zeichen von Verzagtheit, manchmal auch Feigheit. Frohe Ostern, Herr Thierse! Ihr Jesus war da anders.

  • thierse und schwan, kegel und palmer scheinen womöglich minderheiten mehr zu verachten als ihnen bewußt ist.

  • Was Thierse betreibt ist dermaßen reaktionär - er läßt die maske fallen. bzgl schwaben war er ja au h schon ein rassist. da hat er es dann wegen der quantitativen wucht von kritik offenbar scheinbar eingesehen. seine entschuldigung, so zeigt sich jetzt war eine widerwillige.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Und wer von Identität und Normalos redet, hat den Klassenkampf längst vergessen" @JOSEF KEUNER



    Der "Normalo" will von Klassenkampf genauso wenig wissen, wie von diversen race- oder gender-Identitäten. Nicht die Linke hat sich der Arbeiterklasse entfernt, sondern die Arbeiterklasse von der Linken.



    MLPD-mäßig ostentativ den deutschen Spießbürger zu geben und gleichzeitig Klassenbewusstsein, den Klassenstandpunkt zu fordern, das beisst sich. Das heißt nämlich, gleichzeitig eine zutiefst bürgerliche Identitätspolitik einzufordern und deren Gegenteil zu erwarten, dass nämlich ein Klassenbewusstsein entwickelt wird.



    An der Stelle sollte mal auf das Argument, das schon unzählige Male gebracht wurde und das auch der Text bringt, eingegangen werden. Dass nämlich Nationalismus, Klassenbewusstsein und die Verortung als "normal" alles auch identitätspolitische Strategeme sind.



    Warum war die Arbeiterbewegung, die SPD so erfolgreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts? Weil es eine breit angelegte Arbeiterkultur gab, mit Arbeiterkneipen, Arbeitersportvereinen, Arbeitersamariterbund, Volkssolidarität usw. Diese Kultur war identitätspolitisch prägend.



    Offensichtlich ist es so, dass in der liberal-konservativen Kultur der Weißheit eine Identitätspolitik betreibt, die Identitätspolitik nur bei anderen verortet. Weiß-Sein sei die Abwesenheit von race, Mann-Sein die Abwesenheit von gender, Stolz-darauf-Deutsch-zu-Sein die Abwesenheit von Nationalismus, Liberal-Sein die Abwesenheit von Klasse, Normal-Sein die Abwesenheit von Identitätspolitik schlechthin.



    "Alle betreiben Identitätspolitik, nur ich als normaler liberaler weißer deutscher Mann nicht."



    Das ist doch keine Art- und Weise zu diskutieren. Wenn ich lese, wie hier die Kommentare am Text vorbeischreiben und immer wieder "d i e Identitätspolitik" schreiben, dann ist das, wie wenn sich ein Kind die Ohren zuhält und immer wieder sagt:



    "Mimimimimimi".



    Wann wird Identitätspolitik identitär, diese Frage wäre z.B. sinnvoll.

    • 0G
      01022 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Mit "Klassenkampf" meine ich den Warren Buffett beschworenen Krieg der Reichen gegen die Armen. Und was an einer "fundamentale[n] Verschiebung von Vermögen, Macht, Ressourcen und Würde hin zu den Arbeiterinnen, zu den Armen, legitimiert durch einen demokratischen Prozess" ein zutiefst (spieß-)bürgerliches Strategem sein soll, erschließt sich mir nicht, wenn ich mir derzeit um das Fressen und den Schlafplatz Sorgen mache. No Oppression Olympics. Offensichtlich sind hochintelligente Leute mit infantiler Zerebralparese oder Arbeitslose abwesend in der Abwesenheit von Identitätspolitik schlechthin.

      Und auf die Frage, ob (linke) Identitätspolitik (rechts-identitär) werden kann: Geht nicht (wie gesagt: "Was macht diese Person [im Sinne der protagoräischen Lehre], wenn ihr Platz von einer anderen Person [die nicht im Sinne der protagoräischen Lehre handelt] beansprucht wird? Sie muss der beanspruchenden Person auch noch recht geben, weil sie hat ja recht.)

    • @85198 (Profil gelöscht):

      "Warum war die Arbeiterbewegung, die SPD so erfolgreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts?"

      Weil es heute keine 40% "Arbeiterklasse" mehr gibt sondern nur noch 20% und weil die in den großen Industrien (Mercedes z.B.) richtig gut verdinen. Da wählt man konservativ, damit es auch so bleibt.

      • @Rudolf Fissner:

        Hab ja immer gewarnt, dass man die SPD nicht mit der Arbeiterbewegung verwechseln darf. Noch vor wenigen Jahren behaupteten nämlich führende Sozialdemokraten, die Klassengesellschaft sei ja inzwischen sowieso schon längst überwunden. Heute spricht man in der SPD jedoch von einer neuen „Drei-Klassen-Gesellschaft“. Kleine Oberschicht (1%), neue Unterschicht (prekär, ständig wachsend) und die Mittelschicht (prägend, jedoch in sich sehr gespalten).

        www.spd-schleswig-...r_Gesellschaft.pdf

      • @Rudolf Fissner:

        Na da hat mit “weil…“ uns Denkmeister!

        Wieder ein feines 🐣 der Logik gelegt!



        Logo. Gellewelle.



        Mit Logik (von altgriechisch λογικὴ τέχνη logikè téchnē ‚denkende Kunst‘, ‚Vorgehensweise‘) oder auch Folgerichtigkeit[1] wird im Allgemeinen das vernünftige Schlussfolgern und im Besonderen dessen Lehre – die Schlussfolgerungslehre oder auch Denklehre – bezeichnet. In der Logik wird die Struktur von Argumenten im Hinblick auf ihre Gültigkeit untersucht, unabhängig vom Inhalt der Aussagen. Bereits in diesem Sinne spricht man auch von „formaler“ Logik. Traditionell ist die Logik ein Teil der Philosophie. Ursprünglich hat sich die traditionelle Logik in Nachbarschaft zur Rhetorik entwickelt. Seit dem 20. Jahrhundert versteht man unter Logik überwiegend symbolische Logik, die auch als grundlegende Strukturwissenschaft, z. B. innerhalb der Mathematik und der theoretischen Informatik, behandelt wird.…wiki - 🤔 -

        Na Mahlzeit

        unterm—— btw servíce —



        SPD - “Hier können Familien Kaffee kochen!“ - Tucho ?

  • Ach ja, und dass an dem * die Welt untergeht oder "wir" die Arbeiterschaft verloren haben, wird sicher so sein.



    unter uns gesagt: die neuen Kolleginnen und die seit 2015 neuen farbigen Kollegen sind echt in Ordnung. Aber ich sags niemand weiter.



    und "nzuli sana" ist keine Susanna, sondern Kisuaheli und heißt "sehr schön".

  • Eigentlich gibt es keinen Bezug der schwarz-grünen Taz zu sozialmoralischen Milieus der radikalen Linken, Anarchisten, Autonomen.



    Was hier thematisch eine Gemeinsamkeit ist, ist das heute breiter geteilte Bedürfnis nach Individualität. Deshalb sind die K-Gruppen Geschichte.



    Und das wird mit Kürzeln wie FLINTA zum Ausdruck gebracht.



    Black Lives Matter, 2020-06-09 Response:



    "We said Black Lives Matter -



    We never said - only Black Lives Matter.



    We know - all Lives Matter



    We just need your help - Your Help.



    For Black Lives are in Danger."



    Sich in den anderen ihre Lagen hineinzuversetzen ist eine menschliche Grundeigenschaft.



    Sie gegenzuhalten: "die Lebenslagen der Briefträger sind aber auch wichtig" macht keinen Sinn.



    alle diese Ärgernisse über Thierse sind vordergründig.



    Erst machen sich die Normalen über die Sonderbaren lustig, dann wollen sie alle auch Queerfilme sehen.



    Also konkret: welche Bündnisse werden gemeinsam gegen Polizeigewalt mächtig?

    • @nzuli sana:

      „Also konkret: welche Bündnisse werden gemeinsam gegen Polizeigewalt mächtig?“

      Um Missverständnissen vorzubeugen: Folgendes schreibe ich ohne Polemik:

      Polizeigewalt:



      Art. 20 Grundgesetz



      (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.



      (2) 1Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.



      (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.



      (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“



      Unbestritten ist, Polizeigewalt wird in D. entgegen dem Grundgesetz oft ungerechtfertigt ausgeübt. Dem wird auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit entgegengewirkt – auch wenn dies oft lange, schwierige Vorgänge sind, die den Opfern dieser ungerechtfertigten Polizeigewalt nicht immer die „Genugtuung“ geben, die notwendig wäre.



      Einem Bündnis gegen Polizeigewalt, das sich mit zivilen, also rechtsstaatlichen Mitteln und also logischerweise gewaltfrei gegen ungerechtfertigte Polizeigewalt einsetzt, würde ich dann „beitreten“, wenn dieses Bündnis das Unrecht ungerechtfertigter Polizeigewalt zur Sprache bringt. UND NIICHT ETWA DAS GRUNDGESETZ AN STELLE DER POLIZEIGEWALT SKANDALISIERT. Für diesen Fall – ohne mich.

      >gegenzuhalten: "die Lebenslagen der Briefträger sind aber auch wichtig" macht keinen Sinn.<



      Dem stimme ich zu. Da ist gar nichts dagegen zu halten. “We know - all Lives Matter” Das Leben und die Lebenslagen der Briefträger zählen wie alle anderen Leben und Lebenslagen.

  • Herr Walter scheint es zu bedauern, dass in einer Demokratie nun einmal Mehrheiten entscheidend sind. Ulkig ist nur, dass er von Paternalismus redet, wenn Thierse und Schwan auf das Spaltungspotenzial der identitären Logik (die übrigens strukturell der der AfD zum Verwechseln ähnelt und nur die Vorzeichen umkehrt), den Paternalismus einer aktivistischen Minderheit aber gleichsetzt mit den Interessen derer, die diese Aktivisten gerne im Munde führen, ohne je den Beweis erbracht zu haben, dass ihre Schützlinge sie auch dafür autorisieren würden.

    Selbsternannte linksidentitäre Aktivisten und ihre Inszenierungen vermeintlicher Gruppenkränkungen haben weder von Frauen noch von Migranten ein Mandat. Mitten im Ruhrpott lebend, in dem Mulitethnik eine selbstverständliche Realität ist, um die niemand irgendein Gedöhns macht, gibt es ziemlich wenige Leute, die dem Identitätenzirkus irgendetwas abgewinnen können - wie auch das Gendern (das laut Infratest Dimap März 21 übrigens 52% der Frauen ablehnen und nur 29% gutfinden) wenig verbreitet ist.

    In Wirklichkeit ist diese Politikauffassung das Hobby eines akademischen Winzzirkels, der hofft, auf dem Ticket eine Drittmittelförderung für 'coole Projekte' zu ergattern. Im multikulturellen Ruhrpott dagegen die meisten Menschen - aller Geschlechter, jeder Hautfarbe, aber vor allem der in prekärer Beschäftigung - viel mehr von Investitionen in sozialen Wohnungsbau, Bildugnssystem, gute Kinderbetreuung und arbeitsrechtlichee Absicherungen, wie sie vor Hartz IV existierten. Was interessiert uns das stupide Selbstverwirklichungstheater akademischer Blasen?

    Gegen rechte Gewalt dagegen helfen gute Kumpels - aber doch keine akademischen Schwätzer!

    • @Anja Böttcher:

      Etwas zackig im Ton, aber dafür - zack - in's Schwarze getroffen.



      Danke dafür!

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Anja Böttcher:

      29% der Frauen nennen Sie einen "Winzzirkel". Vielleicht ist das aber auch einfach der überwiegende Teil der politisch interessierteren Frauen.

    • @Anja Böttcher:

      Thierse ist ein Politiker auf Rente, der nun noch mal etwas Beachtung erhascht. Interessieren tut sich der Agenda 2010 Befürworter für die von Ihnen genannten Themen ganz sicherlich nicht! Und Palmer ist Provinzpolitiker, der das Rampenlicht oftmals mit abstrusen und ausländerfeindlichen Äußerungen sucht! Für die unteren Einkommensschichten interessiert sich Herr Palmer nachweislich auch nicht, sondern nur für die, die sich regelmäßig in seiner schönen Stadt die Restaurantbesuche leisten können und nicht die Tafel!



      Thierse hat die Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe in Schutz genommen und sich besorgt um deren Rechte geäußert. Aufgefallen für die Rechte von Homosexuellen und für die Befürwortung der gleichgeschlechtlichen Ehe ist er nie! Für die Rechte von Hartz 4 Empfängern und den Verlierern der Agenda 2010 übrigens auch nicht! Außerdem hat er sich nur besorgt darum gezeigt, dass die nachweislich als Lügnerin überführte Frau Kegel von der FAZ gecancelt wird. Anstatt diese aufzufordern sich für die Lüge zu entschuldigen! Und Herr Palmer regt sich auch lieber tagelang über einen Regenbogenzebrastreifen in Berlin auf als über die Zunahme der Hassverbrechen gegen Homosexuelle!



      Was erwarten Sie denn bitte von diesen beiden Kritikern der angeblichen "linken Identitätspolitik" hinsichtlich der von Ihnen genannten sozialen Themen?

  • Hmm. Kann nicht genau sagen, der wievielte Artikel das jetzt ist, den ich zum Thema lese und dessen Argumentation sich eigentlich nur darum dreht, Kritik pauschal und selbstgerecht abzuwatschn und in irgendeiner Ecke abzustellen.

    Der Priveligierte. Der Proll. Der Normalo.

    Es wird sich nicht mal annähernd die Mühe gemacht, differenziert auf Argumente einzugehen und oder bestimmte Auswüchse und Schärfe der Debatte mal (selbst)kritisch zu hinterfragen.

    Wers anders sieht "verhindert eine kritische Auseinandersetzung mit den vielen Facetten, Irrungen und Wirrungen der...Antidiskriminerungspolitiken".

    Das könnte nicht falscher sein. Nicht jede Kritik, nicht jeder Vorwurf ist substanziell und diskussiounswürdig, keine Frage. Aber es ist die selbstgerechte, sakrosankte Haltung Einiger, die ganz offensichtlich zu keinerlei differenzierten Debatten mehr bereit sind.

    • @Deep South:

      Stimmt, beide Seiten müssen aufeinander zugehen. Wird schwierig, wenn der eine die Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe verteidigt und nur um deren Rechte besorgt ist. Und befürchtet, dass Frau Kegel von der FAZ, der nun nachgewiesen wurde, dass sie absichtlich gelogen hat, zukünftig gecancelt wird. Anstatt zu fordern, dass Frau Kegel sich für die Lüge entschuldigt! Und der andere sich eher über Regenbogenzebrastreifen tagelang echauffiert anstatt über die LGBT freien Zonen in Polen! (Thierse und Palmer)



      Was schlagen Sie denn da vor, wie weit auf solche Leute eingegangen werden soll, ohne kotzen zu müssen?

  • Sorry, aber bei dem Wort normal fällt mir halt überwiegend nur die gefährliche deutsche Kleinbürgerlich- und Biederkeit ein! Und ich muss trotz Godwin‘s Law auf Folgendes hinweisen: Von 1933 bis 1945 war es in Deutschland normal, dass Deutsche Nationalsozialisten waren. Also diese Fetischisierung des Normalen ist doch deshalb immer sehr zeitabhängig und sollte doch gerade in Deutschland etwas selbstkritischer reflektiert werden! Es war damals halt nicht normal, homosexuell zu sein, in der Adenauer BRD wurde der durch den das NS-Regime verschärfte Unrechtsparagraf 175 auch weiterhin rigoros angewandt! Heute sind für viele Menschen Homosexuelle immer noch nicht normal, erfreulicherweise ist es vor dem Gesetz mittlerweile normal. In unserem EU-Nachbarland Polen, mit seinen LGBT-freien Zonen, ist Homosexualität immer noch nicht normal!



    Heute ist es auch immer noch normal, dass bis auf Berlin, bei Hassverbrechen gegen Homosexuelle in der Statistik keine Differenzierung stattfindet. Es könnte eventuell zu Rückschlüssen führen, dass Homosexuelle doch nicht so richtig als normal angesehen werden, in unserer angeblich liberalen Gesellschaft.



    Halten wir also fest: Damals war es in Deutschland halt normal, ein Nazi zu sein und die meisten Nazis waren halt auch Christen! Von 1933-45 war es halt normal Nazi und Christ zu sein! Das Normale damals war sehr menschenverachtend bzw. in keiner Weise menschenrechtskonform!



    Heute sind LGBT-freie Zonen in Polen normal, Hassverbrechen gegen Homosexuelle sind weltweit auch normal, normal sind weltweit und laut den Jahresberichten von Amnesty International auch Misogynie, Antisemitismus, Rassismus, Krieg, …



    Dann lieber nicht normal!

  • "Die Männer aus den K-Gruppen (Frauen gab es da kaum) traten betont normal auf, um ihr revolutionäres Subjekt (Objekt wäre präziser) nicht zu verschrecken – die Arbeiterklasse. Lange Haare, bunte Klamotten, Rockmusik, Drogen (...)"

    Den deutschen Maoisten wird auch bewusst gewesen sein, dass Typen wie Rainer Langhans oder Fritz Teufel allein schon vom Aussehen her unter Mao im Lager gelandet wären.

  • Ich habe einen Migrationshintergrund und komme aus armen Verhältnissen, bin scheidungskind und trotz alldem Student. Dennoch seh ich mich eher als normal an und finde die ganzen Diskussionen rund um Identitätspolitik eher langweilig, uninteressant und teils störend/nervig. Der Staat sollte sich um einen regulierten markt kümmern und net um einen regulierten Bürger (außer natürlich bei Aktionen die andere gefährden, zb alkohol am steuer) und eine regulierte Sprache.



    Regulierter Markt, liberaler Bürger! Das war ne Parole die mich und viele weitere abholen würde

    • @Karim Abidi:

      Übers Gendersternchen zu reden oder eben wie Herr Thierse, sich darüber aufzuregen, ist halt einfacher als für einen gerechteren regulierten Markt zu kämpfen. Für einen gerechten bzw. gerechteren regulierten Markt hat Herr Thierse sich halt als Befürworter von Agenda 2010, die die oberen und vermögenden Einkommensschichten entlastet hat und die unteren und mittleren Einkommensschichten belastet, halt nie eingesetzt!

      • @Anna Minerva:

        Thierse hat sich nicht gegen das Gendersternchen geäußert, sondern dagegen SPD Mitglieder und Wähler zu verlieren, weil dem Sternchen mehr Beachtung geschenkt wird als der sozialen Lage von Menschen.

        Einer Putzfrau ist es wichtiger was am Monatsende auf dem Konto ist, als die superkorrekte Schreibweise auf dem Gehaltsnachweis.

        Ihre Zuschreibungen sind daher so falsch wie auch diffamierend.

  • Ein Punkt, der in der Kritik noch nicht angesprochen wurde, ist für mich, dass es ein geradezu unmenschlicher Anspruch ist, wie hier eine Art "Perfektion" angestrebt wird, wenn quasi jedes Gespräch und jede Kommunikation - jede Entscheidung erst Recht - unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierung hinterfragt werden soll. So reflektiert sind die allermeisten Menschen nicht und es wäre extrem anstrengend, nach solchen Ansprüchen leben zu müssen......es würde das Leben weit mehr belasten als damit an "Gewinn" zu erzielen wäre (meiner Meinung nach, der auch in einigen Bereichen privilegiert und in anderen benachteiligt ist und war).

  • Ich teile die Ziele der "Woke Left" im allgemeinen, kurz zusammengefasst: Diskriminierungsfreiheit, aber meine Güte: die inkohärenten, zusammengestückelten, widersprüchlichen Begründungen und Argumente können mich manchmal ganz schön verzweifeln lassen: Nimm einen Brocken Psycholinguistik, wenn er zu dem passt, was dir als richtig erscheint, hebe willkürliche Freudzitate unter, glasiere mit literaturwissenschaftlichen Beliebigkeiten und fertig ist das "Argument". Ich benutze gerne das Gendersternchen und unterschreibe für Straßenumbenennungen, aber mal ganz unverblümt: solange die Identitätslinke Argumente vorbringt, die so nah an der Beleidigung des Intellekts sind, ist meine Unterstützung für ihre Anliegen nicht aus einem wirklichen Überzeugtsein geboren. Eher so "principle of charity" und lass sie mal machen, vielleicht wird's noch besser.

    • @My Sharona:

      Wenn man kurz nach Amerika und Großbritannien schaut, drängt sich der Eindruck auf, dass es leider nicht von selbst besser wird.

      Wir hätten die Chance es besser zu machen, aber beim gegenwärtigen Stand der Debatte habe ich da wenig Hoffnung.

  • Identitätspolitik steht für alles andere als für eine offene Gesellschaft. Wenn Personen nach irgendwelchen Merkmalen in Schubladen festgezurrt werden, gibt es eigentlich kein Entrinnen. Die AktivistInnen geben sich ziemlich paternalistisch, denn wer nicht freudig mitzieht und daher ein/e SünderIn ist, wird mit Verachtung gestraft (hat stark religiöse Charakteristika). Ähnliche Gedanken hatte ich als Lehrling bezüglich der damaligen StudentENbewegung: Mit welchem Recht haben diese Privilegierten für die ArbeitER gesprochen? Im Endeffekt ging und geht es um die eigene Macht; viele dieser damaligen 'Revolutionäre' sind in hochdotierten, von öffentlichen Geldern finanzierten Positionen gelandet.

  • 0G
    01022 (Profil gelöscht)

    Identitätspolitik erinnert mich an die Lehre des Protagoras': „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der seienden, dass sie sind, der nichtseienden, dass sie nicht sind.“ in der platonischen Interpretation „wie ein jedes Ding mir erscheint, ein solches ist es auch mir, und wie es dir erscheint, ein solches ist es wiederum dir."

    Hier bin ich, hier ist mein Platz, ich kann nicht anders; das hast du zu akzeptieren, weil ich Recht habe wegen meiner Person.

    Was macht diese Person, wenn ihr Platz von einer anderen Person beansprucht wird? Sie muss der beanspruchenden Person auch noch recht geben, weil sie hat ja recht...

    Solche Diskussionen um Identität sind irrational.

    Und wer von Identität und Normalos redet, hat den Klassenkampf längst vergessen:

    dubioza kolektiv - 1. Maj



    www.youtube.com/watch?v=cx0GVgpQBj8

    (Kontext: taz.de/Musik-zum-1...-Bosnien/!5682655/ )

    • @01022 (Profil gelöscht):

      "Hier bin ich, hier ist mein Platz,"



      Problematisch wird das aber dort wo man diesen Platz nur durch die Benachteiligung anderer einnehmen kann.



      "ich kann nicht anders;"



      Eine solche Naturalisierung ist nichts anderes als ein Leugnen von Verantwortung und ein uraltes Argument. Die angebliche natürliche oder wahlweise gottgegebene Überlegenheit diente schon immer der Rechtfertigung der Ausbeutung und Unterdrückung anderer, da nehmen sich Sklavenhändler, Sexisten oder White-Supremacists, ... nichts.



      "das hast du zu akzeptieren, weil ich Recht habe wegen meiner Person."



      Diese Akzeptanz daran zu knüpfen ob sie in reziproker Weise genauso gilt ist dann aber schon noch legitim.

      • 0G
        01022 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        Die reziproke Akzeptanz ist der Lehre des Protagoras eben nicht inhärent.

        • @01022 (Profil gelöscht):

          Privilegien für sich selbst in Anspruch zu nehmen, sie Anderen aber nicht zuzugestehen, also grundsätzlich nicht von einer Gleichberechtigung der Menschen auszugehen ist eine originär rechte Position.

  • Tja, also ich fühle mich selbst eher als Normalbürgerin ala Wolfgang Thierse, obwohl ich zu den Minderheiten zähle, die angeblich von identitätspolitisch agierenden "Linken" vertreten werden. Ich habe für dieses unreflektierte Aufmerksamgeschrei über Lapalien kein Verständnis, in der Folge wird es immer schwerer echte Diskriminierung ( und nicht nur gefühlte) zu benennen und zu bekämpfen.ich habe kein Verständnis für ein Sprechen, das nur von einer kleinen Minderheit korrekt gesprochen werden kann und sowohl Betroffene, als auch weniger mit der Ressource Zeit und Bildung gesegnete, ausschliesst. Das ist zutiefst intolerant und auf andere Weise auch diskriminierend, indem es andere zum Schweigen bringen will. Ja, das Normale ist nicht schillernd, der Alltag eines Durchschnittsbürgers nicht so interessant, aber die wichtigen Themen finden sich dort. Gesellschaftlicher Zusammenhalt kommt über due Stärkung des Allgemeinwohls, nicht über die Stärkung von Partikularinteressen.

    • @marusja meyer:

      Super Kommentar! Da würde ich zugerne eine Antwort von Herrn Walter hören ;-)

  • Lieber Klaus Walter, Sie scheinen das wirklich zu glauben, was sie da schreiben. Ihre Argumentation bewegt sich allerdings nur auf der persönlichen und sprachlichen Ebene, aber eben nicht auf der inhaltlichen, und deswegen ist es keine.

    Würde ich analog argumentieren, würde ich sagen, dass Sie zu viele einschlägige Artikel zum Thema gelesen haben und den Bezug zur Realität da draußen vollkommen verloren haben. Dass sie daher glauben, sie hätten eine Position moralischer Überlegenheit inne und wären irgendwie berechtigt, anderen vorzugeben, wie sie sich zu verhalten haben. Dass sie außerdem beliebige Menschen beleidigen und diskrimieren dürfen, die sich dem nicht unterordnen.

    Vergessen Sie es. Egal, welche Ziele sie vielleicht haben, so läuft das nicht. Sie werden noch viel mehr Widerstand bekommen, und Sie werden irgendwann wieder bedeutungslos mit Ihrer neuen Religion. Sie können im Moment damit noch Aufmerksamkeit generieren, ja. Aber das gibt sich. Sie haben mit Ihrem Ansatz keinerlei Erfolge vorzuweisen, im Gegenteil, sie eskalieren die Fragmentierung der Gesellschaft noch weiter, ohne irgendwelche Probleme zu lösen. Ihr Ansatz nützt letzlich nur Ihnen selber, weil er Ihnen zeitweise in Bezug auf einige andere Menschen eine privilegierte Position verschafft.

    Andersrum: Haben wir Themen, die wir gemeinsam angehen könnten? Wohnungsnot? Prekäre Beschäftigung? Perspektivlosigkeit der jungen Generation? Lebendige Demokratie? Eine solidarische Gesellschaft? Debattenkultur? Ein Leben in Würde für ALLE Menschen?

    Wenn ja - bin dabei.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @uvw:

      Meine Güte jetzt wird's aber dubios. Inhalt ohne Form, Denken ohne Sprache. Diese Forderungen sind auch die Forderungen nach Form ohne Inhalt, Sprache ohne Denken.



      Wie kann in einer "lebendigen Demokratie" etwas gegen prekäre Beschäftigung geschehen, wenn Prekäre ihre Interessen als Prekäre nicht wahrnehmen, wenn der Bezug auf sie als Prekäre sogar untersagt ist, denn das wäre schließlich Identitätspolitik?



      Wie soll die junge Generation Perspektiven bekommen, wenn sie nicht sagen darf, dass ihr als junge Generation die Perspektiven fehlen und älteren Generationen dafür das Verständnis fehlt, weil sie unter anderen Bedingungen aufgewachsen sind?



      Wer soll in einer solidarischen kapitalistischen Gesellschaft mit wem solidarisch sein? Die Lohnabhängigen mit den Unternehmer:innen? Die Schwachen mit den Starken? Die Minderheiten mit der Mehrheit? Die Ausgegrenzten mit den "Normalen"?



      Wie soll eine Debattenkultur aussehen, wenn man die Debattenbeiträge des Gegenübers pauschal nach formalen Gesichtspunkten aus dem Diskurs verbannt und ihm den Inhalt abspricht, wie Sie es tun?



      Wie soll ein Leben in Würde wirklich für alle Menschen denn konkret aussehen? Das setzte voraus, dass alle Menschen unter Würde dasselbe verstünden, dass also alle dieselbe Sprache sprechen, in der das Wort "Würde" eine unveränderliche Bedeutung hat.



      Eine Demokratie ist aber keine Sprachgemeinschaft. Das ist ein identitäres Konzept.



      Viele links-(neo-)liberale Auswüchse der Identitätspolitik gleiten ins Identitäre ab, weil sie für den Klassenwiderspruch blind sind, aber das mit selbst auch identitären Forderungen und Konzepten zu konterkarieren, ist nicht weniger als Realsatire und das ist schon höflich ausgedrückt.

    • @uvw:

      Danke für Ihren Kommentar, dann muss ICH das nicht schreiben...

    • @uvw:

      Naja - Klaus Walter halt - 🤔 -

      Aber - dankemer ihm für sei klaa fei -



      Stöffchesammlung. Gelle.

  • "Nun, sie könnten sich beispielsweise mal fragen..."



    Was hilft mit das? Ich bleibe Mann, weiß, alt und äh... hetero hatte ich vergessen zu erwähnen.



    Was wissen Sie darüber, wieviel Zeit ich damit verbracht habe, über soziale Ungerechtigkeiten nicht nur nachzudenken, sondern dagegen zu kämpfen?



    Ich wende mich gegen einen Sprachgebrauch, der mir keine andere Wahl lässt, als entweder zu sterben oder ins rechte Lager abzudriften. Für letzteres habe ich allerdings zuviel Marx gelesen und zu viele Industriebetriebe von innen gesehen. Was m.E. vielen von denen, die sich als "links" bezeichnen, gut tun würde.



    Diskriminierung durch Diskriminierung zu bekämpfen dürfte ein ziemlich untauglicher Ansatz sein.

    • @sollndas:

      Ich hätte die vorsichtige Vermutung, dass eine Theorie die Mitte des 19. Jhd. entwickelt wurde als alleinige Lösung für die gesellschaftlichen Probleme des 21. Jhd. nicht so ganz ausreichend sein könnte und, dass deshalb auch neuere Konzepte ihre Berechtigung haben. Mal ganz abgesehen davon, dass sich auch Marx in weiten Teilen aus einer identitätspolitischen Perspektive lesen lässt (Stichwort: Klassenbewusstsein).



      Und da sie hier nun schon zum zweiten Mal den sterbenden Schwan geben würde mich nun doch mal interessieren wie sie aus dem Anliegen der Sichtbarmachung von Privilegien und Sprecher*innenpositionen die Forderung nach ihrem Exitus ableiten?

      • @Ingo Bernable:

        "...dass eine Theorie die Mitte des 19. Jhd. entwickelt wurde ... dass deshalb auch neuere Konzepte ihre Berechtigung haben".



        Und ich habe die Vermutung, dass Newtons Gesetze auch heute noch ihre Berechtigung haben, auch wenn es heute neuere Konzepte wie Relativitätstheorie und Quantenphysik gibt (die übrigens Newtons Gesetze als Grenzfall bei niedigen Geschwindigkeiten umfassen).



        Diskriminierung, Ausgrenzung und Spaltung lassen sich nicht durch Diskriminierung, Ausgrenzung und Spaltung überwinden. In Cancel Culture und Identitätspolitik vermag ich kein Konzept zu erkennen, das die Welt umfassender beschreibt als Marx' Theorien. Ich halte diese "neueren Konzepte" einem gedeihlichen Zusammenleben von bald acht Milliarden Menschen auf unserem begrenzten Planeten nicht gerade für förderlich.



        Zur Sache mit dem Ableben: Selbst in Bayern kann es einem Zugereisten passieren, dass ihm eine "Lebensberechtigungsurkunde" verliehen wird. Ich habe aber noch nichts davon gelesen oder gehört, dass auch alte weiße Männer eine Existenzberechtigung haben.

        • @sollndas:

          Sie sollten schon richtig lesen. Ich schrieb ja nicht davon Marx et al. komplett zu verwerfen, sondern davon die nachfolgenden Entwicklungen __auch__ zur Kenntnis zu nehmen und zu verstehen, statt in der Theoriebildung um 1860 stehen zu bleiben und sich dann an einem maximal verkürzten Zerrbild von Identitätspolitik abzuarbeiten. Und Ausgrenzung und Spaltung konnte die damalige Linke auch schon ganz hervorragend.



          Verstehe ich das richtig, es gibt eine verbreitete Kritik daran, dass 'alte, weiße Männer' idR über ein gerütteltes Maß an Privilegien verfügen, diese allzu oft nicht im Geringsten reflektieren, sondern diese und sich selbst als 'normal' betrachten. Und weil diejenigen die die Kritik an diesen Umständen formulieren nicht explizit auch ihre "Existenzberechtigung" hervorheben schließen sie daraus die Forderung nach ihrem Ableben??? Kann es sein, dass ihnen gar nicht daran gelegen ist all dies zu verstehen und sich über ihre Position in dieser Gesellschaft klar zu werden, sondern nur daran diese unangenehme Kritik möglichst einfach loszuwerden?

          • @Ingo Bernable:

            1) Interessantes - durch nichts gerechtfertigtes Denken über soziale Theorie bei ihnen. Wir haben in der Sozialwissenschaft keine Naturwissenschaft und keine klare Kovergenz hin zu umfassenderen und besseren Theorien. Modern mögen sie sein, angesagt mögen sie sien, besser sind sie darum nicht. Siehe auch die Theorieschulen, wo es keine Metatheorie gibt, die sie alle vereint oder auch keine, die erlauben würde, die Theorienschulen alle objektiv zu bewerten. Das gibt es in der Wissenschaften vom menshclichen Verhalten nicht. Man munkelt: Das könnte mit dem "Gegenstand" und dem unhintergehbaren Wertungsaspekt zu tun haben.

            2) Marx Theorie hat aber etwas ganz Basales dargelegt, was auch heute noch zu beobachten ist, allerdings von weiteren Prozessen überlagert: Die Funktionsweise des Kapitalakkumulierungsprozesses und die Rollen und auf der Kapitalseite notwendigen Verhaltensweisen der daran Beteiligten.

          • @Ingo Bernable:

            Ach, mein erster Post in diesem Thread wurde bereits gelöscht. "Es ist nicht immer schön, recht zu behalten..." (Dieter Süverkrüp).

  • Also ich bin sowas von normal, das ist schon nicht mehr normal ... oder fühle ich mich nur normal und bin es gar nicht.



    Von der Identitätspolitik zur Identitätskrise ... alles normal?

  • Manchmal lernt man bei solchen politischen Analysen mehr über den Autor als über das Thema. Hier: Klaus Walter möchte gern modern und kein Normalo sein, sucht aber noch nach den richtigen Argumenten; Warum das z.B. kein altbackenes Identitätsmodell ist.

    • @jan ü.:

      Was meinen Sie, was ich gerade eben über Sie gelernt habe? ...

      • @mats:

        Na? Was haben Sie gelernt?

        Ich wäre da neugierig.

  • 2G
    2422 (Profil gelöscht)

    Leute, die über Normalität reden, meinen bezeichnenderweise immer ihre eigene Normalität. Das fällt mir gerade zu Wolfgang Thierse ein, der sich vor einigen Jahren kritisch über das angebliche Überhandnehmen englischer Begriffe in der deutschen Sprache äußerte. Warum müssen jetzt aber die berühmten "kleinen Leute" dafür herhalten, dass Herr Thierse offensichtlich seine eigene Vorstellung von Normalität als absolut setzt?

  • Ich bin ein schwuler Mann und habe es satt, ständig erklärt zu bekommen, dass ich als Mitglied der LGBTQIA+ (demnächst mit noch mehr Buchstaben)-Community als Opfer oder benachteiligt oder nicht genug repräsentiert fühlen soll. Dass ich von den "Normalos" abgegrenzt werde, finde ich ebenfalls diskriminierend.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Tiefling-Hexer:

      Deswegen gibt es auch die Abkürzung FLINT*. Weil Schwule unter den LGBTQIA+ privilegiert sind.



      Wenn die deutsche Arbeiteraristokratie nicht so privilegiert wäre, würde es vielleicht auch mehr Klassenbewusstsein bei "Normalos" geben.

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Jeder Mensch macht individuelle Erfahrungen und jeder Mensch geht anders damit um. Dass bestimmte Erfahrungen in einer bestimmten Gruppe statistisch häufiger auftreten, macht diese nicht zu gemeinsamen Erfahrungen aller, die dieser Gruppe angehören. Das Gleiche gilt für Privilegien, da spielen so viele Faktoren eine Rolle und jeder geht anders damit um, dass sich aus einer Gruppenzugehörigkeit keine Privilegien ableiten lassen, egal wie man die Gruppen definiert. Auch Angehörige von Minderheiten sind Individuen und nicht einfach Teil einer Gruppe.

        Es gibt übrigens weder zwischen allen "FLINTA*" noch zwischen allen "LGBTQIA+" Gemeinsamkeiten, die sie grundsätzlich von anderen Menschen unterscheiden. Und es ist diskriminierend einrn Minderheitenstatus anhand von negativen Erfahrungen zu defininieren. Ich bin nicht weniger schwul, wenn ich damit keine schlechten Erfahrungen gemacht habe.

        • 8G
          85198 (Profil gelöscht)
          @Ruediger:

          "Es gibt übrigens weder zwischen allen "FLINTA*" noch zwischen allen "LGBTQIA+" Gemeinsamkeiten, die sie grundsätzlich von anderen Menschen unterscheiden."



          FLINTA* werden nicht als Männer gelesen. Das unterscheidet sie von anderen Menschen, also Männern.



          LGBTQIA+ fallen aus dem Schema der Heteronormativität heraus. Das unterscheidet sie von heterosexuellen cis-Personen.

          • @85198 (Profil gelöscht):

            "Fallen aus dem Schema der Heteronormativität heraus" ist eine negative Definition, die Gemeinsamkeit ist dann etwas nicht zu sein, das ist keine Identität. Wobei das auch nur für alle "LGBTQIA+" funktioniert, wenn sie "Heteronormativ" als hetero oder cis definieren,ohne irgendetwas darüber hinaus. Dann ist Ihre Aussage aber auch nicht mehr als "Menschen, die nicht hetero oder cis sind, sind nicht hetero oder cis." So können sie jede beliebige Menge von Menschen zu etwas definieren.

  • Was für ein Wahnsinn Identitätspolitik sein kann, das stand schon 2015 in der Jungle World. Es ging dabei um Rassismusvorwürfe die Lann Hornscheidt gemacht wurden.

    Wer alles versteht, bekommt von mir ein Milka-Ei:

    Eine beteiligte, cis-positionierte PoC hat nach der Intervention die Fachschaft davon in Kenntnis gesetzt.« Als »weiße Trans*-Person« verlangte die später ausgeschlossene Person »von der WoC spezifische Auskünfte über die race- und gender-Positionierungen innerhalb der Interventions-Gruppe. Denn schließlich sei der weiße Raum, in dem ­interveniert wurde, ein Schutzraum für Trans*-Personen. Somit müsse, als Legitimation, ein_e Trans*Inter*GnC (Gender non Conforming) PoC oder Schwarze_r in die Intervention involviert sein. Wenn ein_e solche_r nicht gefragt werden könne, müsse letztlich eine weiße Trans*Inter*GnC Person die Erlaubnis erteilen, in einem weißen ›Trans*Schutzraum‹ zu inter­venieren.« Doch diese Argumentation ging der Fachschaft dann doch zu weit. Sie ließ verlautbaren: »Die Darstellung dieses weiß dominierten Seminarraums als Schutzraum für Trans*-Personen trifft unserer Ansicht nach nicht zu. Es handelt sich um ein Universitätsseminar und nicht um einen Schutzraum.« Außerdem könne »ein weißer Raum niemals als Schutzraum fungieren«.

    • @Jim Hawkins:

      "Wer alles versteht, bekommt von mir ein Milka-Ei:"

      Wer alles versteht...Ooch. Schade. Das klang jetzt sooo verlockend. Ich habe nicht nur Teile des Textes nicht verstanden. Ich habe gar nichts verstanden. Jetzt bin ich Tributpflichtig und muss Ihnen ein Milka-Ei zukommen lassen. The winner takes it all. Das ganze Leben ist ein Quiz und ich war hier nur der Kandidat.

      Sei es drum. Wenn diejenigen, für die der Text bestimmt ist, den verstehen, na meinetwegen. Aber an die "normalen Leut`" kann er sich nicht wenden. Oder es müsste tatsächlich ein Übersetzungshilfe mitgegeben werden, z. B. hinsichtlich der Begrifflichkeiten.



      Und ich denke daran: Ist das eigentich für alle Universitätsangehörigen noch nachvollziehbar? D. h., wie kommuniziert man heute an den Unis? Bräuchte ich neben Deutsch, Engisch noch "Universitätisch"" oder so?

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Jim Hawkins:

      Also ich versteh's, das macht's aber nicht viel besser. Es ist richtig, dass ein Seminar zum Schutzraum werden soll. Nur wofür?



      Für den freien Diskurs, auch für in den Augen des/der Dozierenden dumme Fragen! Wer darauf nicht richtig zu antworten weiß, hat selbst nicht richtig verstanden, wovon er/sie/x redet.



      Identitätspolitik kann aber noch viel schlimmeres. Genozid, Femizid etc.



      Sei's drum.



      Wer wie Lann Hornscheidt einen Ultrainterventionismus und gleichzeitig einen Schutzraum für Träger:innen gewisser ererbter Merkmale fordert, muss sich im Klarem sein, dass Ultrainterventionismus kaum irgendeinen Schutzraum kennen kann, außer denen für akut traumatisierte Menschen (wie Frauenhäuser).



      Ich finde Ultrainterventionalismus von der Idee her richtig, aber die Ökonomie des Zeichens muss dann auch strikt beachtet werden. Ultrainterventionalismus interveniert gegen jedes "Normale" und darf deswegen selbst nicht normal werden. Ultrainterventionalismus ist Kunst und darf auch als solche nicht "normal" sein.



      Aufgrund der Ignoranz dieser Ökonomie des Zeichens gegenüber würde ich Lann Hornscheidts Forderung nach der Normalisierung der Ultraintervention als links-neoliberale Identitätspolitik einordnen, aber nicht als linke Kritik. Lann Hornscheidt hat es nicht so mit der Ökonomie, alles was zählt, ist die Position der Sprecher*innen, aber woher die Kraft, die Gewalt kommt, die sie dort verortet / durch die sie sich selbst dort verorten, dass wird kaum erörtert. Als hätte die Grammatik keine Ökonomie oder als sei deren Ökonomie von der der "Volkswirtschaft" abgetrennt.



      Eine ähnliche methodische Kritik wurde von Jacques Derrida schon lange vor Hornscheidt in vielen Kontexten geübt und an dieser Stelle sollten mal wieder die methodischen Grundlagen/Grundlegungen der eigenen Praxis - der Theoriebildung - zum Thema werden. Denn es wird schließlich in der Judith-Butler-Schule behauptet, es würde Dekonstruktion betrieben und dann kommt nur ein identitärer Konstruktivismus heraus.

  • Kommentar entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich und halten Sie sich an die Netiquette.



    Die Moderation

    • @sollndas:

      "Was kann ich tun, um mich zu bessern?"



      Nun, sie könnten sich beispielsweise mal fragen wie es kommt, dass sie sich nur höchst selten bis gar nicht mit beispielsweise sexistischen oder rassistischen Diskriminierungen konfrontiert sehen, während diese für viele andere alltägliche Erfahrungen sind. Und dann könnten sie überlegen was sie tun könnten damit ein diskriminierungsfreier Alltag für diese Anderen ebenso "normal" wird wie für sie. Und wenn sie dann noch Zeit haben, könnten sie sogar auch noch darüber nachdenken was daran denn nun "Menschenverachtung" sein soll.

    • @sollndas:

      Das ist aber nicht die Meinung aller POC. Das wird auch bei denen kontrovers diskutiert. Als ich noch jung war und SOWI studierte, war ich für die Kampfemanzen an der Uni als Mann ein potentieller Vergewaltiger. Als Alter weißer heterosexueller Mann der kulturell bedingt Rassistisch und automatisch ein Unterdrücker ist, wurde ich auch schon bezeichnet. Sowas hat es schon immer gegeben. Das sind Extreme die es in jeder Bewegung gibt. Da muss man gegenhalten. Mann sollte das anliegen der POC deshalb aber nicht einfach als Cancel Culture abtun. Auch in der critical whiteness woher der Mist mit der kulturellen Erbsünde des Rassismus kommt, gibt es Punkte über die wir uns als Europäer Gedanken machen sollen. Als Weiße sind wir bei dem Thema Rassismus ja nun wirklich privilegiert in dem Sinne, das wir nicht davon betroffen sind. Deshalb ist es auch schwer es nachzuvollziehen und Relativiert schnell bei vermeidlichen Kleinigkeiten, nach dem Motto ist doch nicht so schlimm, die sind dumm, ignoriere das. Aber steter tropfen höhlt den Stein. Wenn aber ein junger POC der frischer Ingenieur ist mir erzählt, das er mir gegenüber, (als Freiberufler der gerade so klar kommt), generell unterprivilegiert ist dann weise ich ihn schon auf seinen mir gegenüber privilegierten Lebensstil hin. Es ist emotional, manchmal nervig weil es auch mal über das Ziel hinausschießt. Es ist aber auch Resultat einer Gesellschaft die sich für offener und toleranter hält, als sie tatsächlich ist. Wir als Alte müssen da auch ein wenig was aushalten können. Ich war als Punk in meiner Jugend manchmal auch nicht gerade zimperlich.

      • @Andreas J:

        So wie Diskriminierungen intersektional betrachtet werden können, sind auch Privilegien verschränkt.

        Das kann dann schon mal spannend werden. Dann sind fast alle zu einem gewissen Teil diskriminiert und in anderen Teilen privilegiert. Die Bewertung wird dann schwierig.

  • Eigentlich war ich ziemlich genervt von Identitätspolitik. Wenn ich jetzt aber die Reaktionen darauf sehe , die pauschale Aburteilung als Cancel Culture und wer sich alles auf dem Schlips getreten fühlt, bin ich immer mehr von der Notwendigkeit dieser Debatte überzeugt. Das Teilweise über das Ziel hinausgeschossen wird gehört dazu. Da muss man dann halt mal Kontra geben. Die Welt geht davon nicht unter. Aber ich glaube es ist gut wenn mal einige selbstgefällige Gewissheiten in Frage gestellt werden. Währe schön wenn das Thema Kapitalismus mehr mit in die Debatten einfließen würde. Auch wenn alle die gleichen Rechte und Chancen haben, heißt das nicht das alle es schaffen. Der Kapitalismus beruht auf Ungleichheit.

  • Mir ist Identitätspolitik eher zuwider, weil ich mich nicht als normal ansehe und weil ich damit von der Identitätspolitik nicht mehr als Individuum, sondern nur noch als Teil einer Gruppe (in meinem Fall "queer") angesehen werde, mir Meinungen und Erfahrungen unterstellt werden, die ich gar nicht unbedingt habe und meine Sexualität zur Identität gemacht wird. Ich glaube, für die Angehörigen von Minderheiten ist die Identitätsideologie eine viel größere Gefahr, als für die scheinbar "Normalen", sie baut Grenzen erst auf, wo gar keine sind.

  • Das was mich an der identitätspolitischen Linken teilweise abstößt ist ihr poststrukturalistischer Glaube an die vermeintliche Allmacht der Sprache. Diesen halte ich für eine Illusion.

    Nicht unser Sprechen macht die materiellen Verhältnisse, sondern vielmehr machen die materiellen Verhältnisse unser Sprechen.



    Kunstvolle Definitionskonstrukte wie "PoC" oder "LGBTIQ" dienen nicht der Klärung, sondern vielmehr der Verschleierung tatsächlicher Diskriminierungsverhältnisse, da sich diesen Kategorien letztlich jede/r beliebig zuordnen kann, der nicht zum kollektiven Feindbild "weißer CIS-Mann" gehört.

    Die identitätspolitische Linke wirkt an vielen Stellen nicht aufklärerisch, sondern regressiv, ja geradezu dem magischen Denken verfallen. Frei nach dem Motto: "Wenn wir ein Wort nur ausreichend tabuisieren, dann verschwindet auch das mit diesem Wort verbundene Diskrminierungsverhältnis". Das führt aber höchstens zu Bigotterie und Rigidität.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Florian K.:

      Geld ist auch Schrift. Das wurde beim Poststrukturalismus wissenschaftsgeschichtlich gesehen vergessen und bleibt im (systemtheoretischen oder struktural-teleologischen) Marxismus unreflektiert.



      Die Dekonstruktion ist als "negativer Strukturalismus" im Übergang zwischen Strukturalismus und Poststrukturalismus angesiedelt, wird aber leider kaum praktiziert. Nicht umsonst schreiben auch Sie vom Sprechen und der Poststrukturalismus beruht auf einer Sprechakttheorie - obwohl Sie doch schreiben und fast der gesamte Metadiskurs schriftlich verfasst ist.



      Jacques Derrida hat m.E. eine methodische Grundlegung geleistet, um diese Ignoranz der Schrift und ihrer Ökonomie gegenüber zu überwinden. "Marx' Gespenster" und die darauf folgende Auseinandersetzung mit Marxisten dürfte für Linke mit theoretischer Vorkenntnis sehr interessant sein (auch wenn ich auch erst dabei bin in dem Diskurs halbwegs durchzublicken, weil ich doch zuviel Zeit für Tagespolitik ver(sch)wende).



      Also mache ich jetzt auch mal Schluss.

    • 1G
      14390 (Profil gelöscht)
      @Florian K.:

      Nicht zu vergessen, daß es auch noch eine nicht gerade geringe Schnittmenge (in Deutschland) zwischen "weißer Cis-Mann" und "LGBTIQ" gibt...also zumindest in den Untergruppen "G" und "B"!

    • @Florian K.:

      Danke, schön auf den Punkt gebracht!

  • Die Normalität bzw. die Normalos lassen sich gern provozieren - es ist unterhaltsam, und man lernt dazu. Wir leben eben gern in einer pluralistischen Welt, die die Vielfalt zum Normalen macht.

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    Die Moderation

  • "Thierse, einst Kämpfer gegen die DDR-Diktatur, hat erkannt, wer heute unsere Freiheit bedroht:"

    Nein, er hat erkannt, das sich die SPD selbst die Wählerschaft abgräbt. Das Zitat dazu steht nur ein paar Zeilen höher in diesem Artikel.



    Die Analyse, das die klassische SPD Wählerschaft nicht viel mit der identitätspolitischen Linken anfangen kann, ist wohl so auch zutreffend. Platt gesagt, der Arbeiter ist kein Vorkämpfer für Geschlechtergerechtigkeit.



    Das hat inhaltlich noch erstmal nichts mit Geschlechterpolitik zu tun, zunächst ist es eine Analyse, das die SPD damit keinen Blumenpott gewinnen wird. Und nur weil man es nicht plakativ präsentiert, heißt das nicht, dass die SPD eine gegenteilige Politik vertreten soll, in einer Koalition gibt es verschiedene Themen in der man verschiedene Wählerschaften zusammenbringt und so vermutlich mehr für das Thema erreicht als in theoretischen Diskussionen darüber.