Das Buch von Obama und Springsteen: Eine seltsame Doppelhagiografie

Nach einem Podcast veröffentlichen Barack Obama und Bruce Springsteen das Buch „Renegades. Träume, Mythen, Musik“: Symbolpolitik für den Coffee Table.

Barack Obama steht hinter Bruce Springsteen und hängt ihm eine Medaille um.

US-Präsident Barack Obama verleiht Bruce Springsteen die Freiheitsmedaille, das war 2016 Foto: Shawn Thew/epa/dpa

Wie programmiere ich einen Bestseller? Weltweit zeitgleiches Erscheinen in 13 Sprachen. Buchversion des populären Podcasts, erweitert um unveröffentlichte Gespräche. Private Fotos der Autoren. Startauflage in Deutschland: 200.000. Stern-Cover, Vorabdruck in der FAZ, Interview in den ARD-„Tagesthemen“. Macht Top 4 der deutschen Sachbuch-Charts.

Könnte das Buch trotzdem interessant sein? Interessant ist zunächst mal, worüber der Boss des Stadionrock und der – habituell ja so angenehm unbossige – Ex-Boss im Weißen Haus nicht reden.

Working poor, also die Tatsache, dass viele Leute auch mit zwei Jobs kaum über die Runden kommen im Promised Land, Angehörige einer erodierenden Arbeiterklasse, von denen viele im Jahr 2016 Trump gewählt haben. Guantánamo? Opioidkrise? Die Drohnenkriege, die Obama forciert hatte? Nichts dergleichen.

Zwei Alphamänner, Manufactum-Style

Aber klar, warum sollten die beiden Buddies über die düsteren Seiten der Präsidentschaft reden, in einem Coffee-Table-Buch, das als Doppel-Hagiografie angelegt ist? Zwei Alphamänner versichern sich gegenseitig ihrer Größe, Manufactum-Style, mattschwarz, anthrazit, erdbraun, handgeschriebene Songtexte, vintage. Barack & Bruce machen ihr America Great Again, der Name von Oba­mas Nachfolger fällt auf 317 Seiten ganze fünf Mal, davon drei Mal in Bildunterschriften.

Barack Obama, Bruce Spring­steen: „Renegades. Born in the USA. Träume, Mythen, Musik“. Aus dem Amerikanischen Englisch von Stephan Kleiner und Henriette Zeltner-Shane. Penguin Verlag, München 2021, 315 Seiten, 42 Euro.

Als wäre Trump ein kleiner Betriebsunfall gewesen, den man mit ein bisschen gutem Willen ungeschehen machen kann. Und mit ein paar guten Songs. Wie kein anderes Präsidentenpaar haben die Obamas die Pop-Musik für ihre Symbolpolitik instrumentalisiert, und Symbolpolitik ist hier nicht abwertend gemeint, denn jede Politik ist Symbolpolitik, auch und gerade wenn sie behauptet, dieses oder jenes sei ja „nur Symbolpolitik“.

Was auch für Identitätspolitik gilt, auf die sich Springsteen gut versteht. Die Musik, man beachte die Reihenfolge, „trug auch wesentlich zum Entstehen meiner Identität als Mann, als Amerikaner, als Mensch bei“. Pathosformeln dieses Kalibers gibt’s reichlich. Wie gute Amerikaner ihres Alters schwärmen die Männer von antiquarischen Cabriolets, Fotos einer Spritztour inklusive.

First Black Couples

Ausführlich gewürdigt werden die Konzerte im Weißen Haus, wo die beiden sich kennengelernt haben. Musik als heilende, verbindende Kraft in einem gespaltenen Land, das war das Leitmotiv der Themenabende: Eine Motown Night, eine Country-Nacht, Fiesta Latina, Broadwaysongs, Gospel und ein Memorial mit Musik der Bürgerrechtsbewegung.

„Ich lebe in einem Haus, das von Schwarzen Sklaven erbaut wurde.“ Dieser Satz war der Hit bei den Wahlkampfreden von Michelle Obama, und wenn die Schwarze First Lady in diesem Weißen Haus für eine Modestrecke posiert, dann ist das Symbol- und Identitätspolitik erster Güte: Schaut her, jetzt sitze ich an dem Tisch, von dem ihr glaubtet, er sei nur für euch reserviert, und ich sei für immer diejenige, die euch das Essen serviert – und die von euch geschwängert wird. Symbol- und identitätspolitisch wertvoll ist auch, wenn Schwarze Stars im Weißen Haus ein und aus gehen: Kendrick Lamar, Janelle Monae oder das andere First Black Couple dieser Jahre, Beyoncé und Jay – vom Dealer zum Milliardär – Z. Wenn Aretha Franklin zur Inauguration ihre Stimme erhebt – wer sang noch mal bei Trump?

Aber, und auch davon reden sie nicht in diesem Buch: Zur Überwindung der Spaltung, zur Befriedung des Landes, haben diese Pop Politics nicht beigetragen – und es wäre idiotisch, das zu erwarten. Ebenso idiotisch wäre es, den Obamas die Schuld zu geben an Trump, von wegen sie hätten ja ein bisschen bescheidener auftreten können, weniger glamourös.

Trump war der erste Weiße Präsident

So ist denn 2016 der erste Weiße Präsident ins Weiße Haus eingezogen, um mit Ta-Nehisi Coates zu sprechen. In seinem Obama-Bilanz-Buch „We were eight years in ­power“ bezeichnet der Schwarze Starautor Trump als „first white president“, weil dieser als erster Präsident mit einer explizit weißen, sprich revanchistischen, re-aktionären Agenda angetreten war, während Obamas Vorgänger selbstverständlich weiße Männer waren, die weiße Männer-Dinge tun, aber nicht rückgängig zu machen hatten, was ein Schwarzes Präsidenten-Paar angerichtet hat.

Trump war auch der erste explizit maskulinistische, antifeministische Präsident, der die erste Frau im Weißen Haus verhindert hat – with a little help from the Wahl(un)recht. Das Schweigen der Autoren zu diesen Themen ist laut. So gilt für das Buch, was einst Jello Biafra von den Dead Kennedys als amerikanische Krankheit diagnostizierte: Nostalgia for an age that never existed – Nostalgie für eine Zeit, die es nie gegeben hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.